Table.Briefing: China

Daimlers Gigafabriken + Das Geheimnis des Exporterfolgs + Noch mehr Regen

  • Daimler baut weltweit Batteriezellwerke – was wird aus Farasis?
  • Chinas spezialisierte Exportstädte
  • Weitere Unwetter-Warnungen in Henan
  • Peking wehrt sich gegen Laborthese
  • Hongkong verhaftet Herausgeber von Kinderbüchern
  • Johnny Erling über Xis beschwerlichen Aufstieg in der KP
  • Personalien: Neuer China-Direktor des Europäischen Auswärtigen Dienstes
Liebe Leserin, lieber Leser,

die Stadt Zheng’an stellt jährlich sechs Millionen Gitarren her und ist damit als Standort so etwas wie ein Weltmarktführer – auch wenn die Instrumente in vielen kleinen Manufakturen gebaut werden. Zheng’an hat es damit am Donnerstag in eine Meldung der Nachrichtenagentur Xinhua geschafft. Denn in der Pandemie ist die globale Nachfrage nach Gitarren gestiegen, die Region verzeichnete einen Absatzanstieg von 440 Prozent.

Was klingt wie ein allzu spezielles Detail, steht in Wirklichkeit für das Geheimnis des chinesischen Exporterfolgs. Und das wiederum ist nicht nur für die konkurrierende Exportnation Deutschland von Interesse, sondern auch für andere Schwellenländer auf dem Weg nach oben. Die Schaffung von Produktionszentren für einzelne Produktgruppen hat sich als enorm wirksam erwiesen. Wenn sich mehrere Firmen für dasselbe Produkt auf einen Ort konzentrieren, werden sie gemeinsam stärker, analysiert Felix Lee.

Seit Wochen gibt es Gerüchte um Probleme bei der Zusammenarbeit von Daimler mit dem chinesischen Batteriehersteller Farasis. Firmenchef Ola Källenius hat nun die Elektro-Strategie für die kommenden Jahre vorgestellt. Schon erstaunlich bald will der Premiumhersteller keine reinen Verbrenner mehr bauen und errichtet zur Vorbereitung eine Reihe von großen Batteriezellwerken. Das ist ehrgeizig – und doch notwendig, denn die chinesische Konkurrenz legt beim Übergang zu E-Mobilität bekanntlich ein atemberaubendes Tempo vor. Was bei alldem aus der Zusammenarbeit mit Farasis werden könnte, offenbart unsere Analyse.

Ihr
Finn Mayer-Kuckuk
Bild von Finn  Mayer-Kuckuk

Analyse

Daimler baut Giga-Fabriken ohne Farasis

Der Einstieg von Daimler in die Elektromobilität verlief mühsam. Neben einigen Hybridmodellen bot der Oberklasse-Hersteller bisher nur Batterieversionen von Kleinserien-Fahrzeugen und des Smart an. Die chinesische Konkurrenz war da über ein Jahrzehnt schneller. Unter dem Druck der chinesischen Behörden gründete Daimler zwar 2012 mit dem einheimischen Anbieter BYD zusammen die Marke Denza, doch sie hat sich nie besonders gut verkauft.

Jetzt drückt Firmenchef Ola Källenius aufs Gas. Am Donnerstag stellte er zusammen mit seinem Führungsteam die Zukunft der E-Mobilität bei Daimler in einer einstündigen Präsentation vor. Der Konzern hat den Übergang zum Batterieantrieb damit noch einmal deutlich vorgezogen. “Der Kipppunkt rückt näher, vor allem in dem Luxussegment, in dem Mercedes-Benz sich bewegt”, sagt Källenius. Bis 2025 soll nun nicht ein Viertel, sondern die Hälfte aller Produkte mit Akkus laufen. Ende des Jahrzehnts endet dann das Zeitalter des Benzinmotors auch bei dem Unternehmen, dessen Gründer ihn erfunden hat.

Das stellt Daimler jedoch vor erhebliche Probleme bei der Beschaffung der nötigen Batterien für seine komplette Jahresproduktion. Zwar fertigt das Unternehmen seine Akkus scheinbar jetzt schon selbst in der Tochtergesellschaft Deutsche Accumotive. Doch den Kern der Energiespeicher, die Batteriezelle, kauft das Unternehmen weiter zu. Im vergangenen Jahr hat das Unternehmen bekannt gegeben, mit seinem chinesischen Partner Farasis Energy in Bitterfeld in Sachsen-Anhalt eine entsprechende Fabrik zu errichten.

Källenius legt nun kräftig nach. Daimler will rund um den Globus acht “Gigafabriken” errichten – und leiht sich damit nicht nur die Idee, sondern auch den Sprachgebrauch des Rivalen Tesla. Vier der geplanten Fabriken entstehen in Europa, drei in Asien, eine in Nordamerika. Dabei soll ein neuer Partner eine Rolle spielen, der jedoch nicht genannt wurde. Källenius versprach lediglich, seinen Namen bald öffentlich zu machen.

Der Bau eigener Batteriezellwerke ist ein Strategiewechsel. Bisher hatte Daimler auf Zukauf und Partnerschaften gesetzt. Das Unternehmen war auch bereits einmal in die Batteriezellfertigung ein- und dann aus Kostengründen wieder ausgestiegen. Jetzt gleich acht Fabriken anzukündigen, ist ein riesiger Schritt. Tesla hat drei davon und plant zwei weitere, Volkswagen plant sechs große Zellwerke.

Wo bleibt der chinesische Partner in der neuen Strategie?

Die plötzliche Ankündigung eines massiven Einstiegs in die Batteriezellproduktion führt erneut zu der Frage: Was wird aus der Zusammenarbeit von Daimler mit Farasis? Auffällig war, dass Källenius und sein Team den Namen des vor kurzem noch stolz angepriesenen Partnerunternehmens in der Präsentation kein einziges Mal nannten. Den neuen europäischen Partner für die Zellproduktion wolle der deutsche Hersteller in den kommenden Tagen öffentlich machen, betonten die Verantwortlichen dagegen erneut nach der Präsentation im Investoren-Call.

Vor einem Jahr klang das anders. Daimler und Farasis hatten groß eine “strategische Partnerschaft” angekündigt. “Der Vertrag bietet Mercedes-Benz die sichere Belieferung mit Batteriezellen für die Elektro-Offensive”, freute sich der Konzern seinerzeit und besiegelte die Zusammenarbeit mit einer kleinen Kapitalbeteiligung an Farasis. Doch im Februar kamen Gerüchte an die Öffentlichkeit, dass die Zellen des chinesischen Herstellers keine ausreichende Qualität für Daimler hätten. Später meldete das Handelsblatt, es stehe eine Abkehr von Farasis bevor.

Eine Konzernsprecherin betonte nun erneut, “Farasis ist ein strategischer Partner für Batteriezellen von Mercedes-Benz”, daran habe sich nichts geändert. Die Berichte über mangelnde Qualität von Zellmustern seien falsch. “Die Beteiligung von Daimler Greater China an Farasis bleibt unverändert bestehen.” Auffällig ist hier die Nennung von Daimler Greater China. Im gleichen Atemzug betonte die Sprecherin, Mercedes-Benz habe “ein gut funktionierendes und sehr stabiles Lieferantenset für Batteriezellen” aufgebaut – ohne den chinesischen Hersteller noch einmal als wichtigen Teil des Netzes zu nennen. Auch in einem Gespräch der Daimler-Führung mit Analyst:innen spielte Farasis keine Rolle.

Absetzbewegung für mehr Liefersicherheit

Daimler macht nun also offensichtlich beides: Der Konzern baut seine eigenen Fabriken auf, arbeitet zugleich aber weiter mit Farasis zusammen. Zumindest für den großen chinesischen Markt kann Daimler die Batterien des einheimischen Unternehmens gut gebrauchen. Farasis verfügt zudem über Technologie für besonders leistungsfähige Akkus mit herausragender Energiedichte, die schon für verschiedene Modelle der Elektro-Baureihe EQS eingeplant sein sollen.

Was aus den Plänen für das Werk in Bitterfeld wird, ist damit jedoch offen. In der Region war die Hoffnung auf die Ansiedlung eines wichtigen Arbeitgebers geweckt. Doch dem ursprünglichen Zeitplan nach sollte die Produktion schon 2022 losgehen – und bisher hat sich noch nichts getan. So schnell baut aber nicht einmal Tesla. Wenn überhaupt, kommt die Farasis-Produktion in Ostdeutschland also ein ganzes Stück später als bisher angekündigt. Möglicherweise ist sie bei den acht Giga-Standorten mitgezählt. Daimler kooperiert dafür schließlich ausdrücklich mit mehreren Partnerfirmen.

Der Daimler-Strategiewechsel zu groß angelegter Herstellung unter eigener Regie passt insgesamt in den Trend, die Abhängigkeit von asiatischer Technik zu überwinden. Zwischenzeitlich sah es so aus, als könne kaum ein deutsches Auto ohne chinesische Zellen fahren: BMW kooperierte mit dem Weltmarktführer CATL aus Ningde, Daimler mit Farasis aus Ganzhou und auch Volkswagen stützte sich auf chinesische Partner. Doch VW machte es vor und tat sich für Europa mit dem schwedischen Anbieter Northvolt zusammen. Inzwischen planen die Wolfsburger sechs Gigafabriken rund um den Globus.

Die deutschen Hersteller bleiben den chinesischen Batteriezellen-Partnern also auf jeden Fall verbunden – schon allein für die Produktion in China, ihrem größten Markt. Doch zugleich ist für die anderen Märkte eine Absetzbewegung zu erkennen. Das ist kein Wunder. Der Akku ist das Herz des Elektroautos, die Reichweite ein schlagendes Verkaufsargument. Und wenn ein immer aggressiver auftretendes China seinen Anbietern plötzlich die Zusammenarbeit mit den Deutschen verböte, könnte das die Produktion zum Erliegen bringen, wenn keine Alternativen zur Verfügung stehen.

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Das Exportmodell als Exportschlager

Danyang ist mit 800.000 Einwohnern eine für chinesische Verhältnisse eher kleine Stadt. Gelegen am Rande des Jangtse-Deltas geht sie angesichts der großen Boommetropolen Shanghai, Suzhou, Nanjing und Hangzhou in der unmittelbaren Umgebung eher unter. Und doch ist Danyang ein wirtschaftliches Schwergewicht. Rund die Hälfte aller exportierten Brillengläser weltweit, inklusive der für Sonnenbrillen, kommen heutzutage aus dieser Stadt. In China selbst ist Danyang daher auch als “Stadt der Brillen” bekannt.

Danyang ist ein besonders eindrucksvolles Beispiel, das aufzeigt, wie es China geschafft hat, binnen weniger Jahrzehnte von einer rückständigen Volkswirtschaft zum Technologieführer der Welt zu werden. Es ist aber nur eines unter vielen. Die beiden Ökonominnen Aoife Hanley vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) und Gong Yundang vom King’s College in London sind diesem Phänomen in einer Studie gezielt nachgegangen. Sie haben die Daten von 170.000 Firmen in China ausgewertet. Ihr Ergebnis: Die starke Exportorientierung der chinesischen Unternehmen über viele Branchen hinweg habe wesentlich zu deren Erfolgen beigetragen. Vor allem dort, wo exportierende Firmen konzentriert angesiedelt sind, sei ein Innovationsschub zu beobachten, lautet das Ergebnis der Studie.

Eine für das ganze Land noch sehr viel bedeutendere Erfolgsgeschichte ist die Metropole Shenzhen am Perlflussdelta im Süden des Landes. Ende der 1970er-Jahre noch ein Fischerdorf unmittelbar an der Grenze zur damaligen britischen Kronkolonie Hongkong, entwickelte sich Shenzhen zunächst zur Werkbank der Welt vor allem für die Herstellung von Sportartikeln, Plastikspielzeug und Billigelektronik. Heute werden nicht nur 90 Prozent aller E-Zigaretten in Shenzhen produziert. Die Stadt zählt zu den innovativsten Metropolen der Welt und kann es mit seinen vielen Tech-Firmen längst mit dem Silicon Valley aufnehmen.

Die Entwicklung dieser Wirtschaftszentren ähnelt sich. In Danyang gab es noch Anfang der 1980er-Jahre nur wenige Hersteller von Brillengläsern. Im Zuge der weiteren wirtschaftlichen Öffnung kamen weitere dazu. Die Stadtregierung förderte noch mehr Ansiedlungen, indem sie 1986 den ersten Markt für Brillengläser einrichtete. Damals waren es noch Marktstände, an denen die Hersteller ihre Brillen anboten. Später wurden die Stände durch ein Einkaufszentrum ersetzt mit Hunderten von Brillengeschäften. Damit nicht genug: Die ganze Stadt ist heute voll von Brillengeschäften und Produktionsstätten. Zusammengenommen sind die Firmen von Danyang Weltmarktführer.

Konzentration schafft Innovation

Ökonomin Hanley spricht bei dieser Art der industriellen Entwicklung von “Spillovers through labour mobility”, wenn sich mehrere Firmen für dasselbe Produkt auf einen Ort konzentrieren. Die Mitarbeiter der einen Firma spezialisieren sich. Die Ansiedlung weiterer konkurrierender Firmen haben keineswegs einen Verdrängungseffekt zur Folge. Im Gegenteil: Im Austausch mit den Mitarbeitern ähnlicher Firmen, die dasselbe Produkt herstellen, erwerben die Mitarbeiter zusätzliche Kompetenzen und bewirken einen Wissenstransfer. Zudem steigt der Konkurrenzdruck – was weitere Innovationen hervorbringt.

Die Expertinnen sehen den wichtigsten Effekt jedoch in der räumlichen Nähe. “Die hoch spezialisierten Arbeiter in einer Stadt wie Danyang kennen die Arbeit der anderen – und erwerben auf diese Weise wertvolle Kompetenzen”, schildert Hanley. Ihre Beobachtung: “Labour spillovers” finden vor allem dann statt, wenn Firmen in der gleichen Stadt beheimatet sind. Zugleich ergeben sich Synergieeffekte etwa beim Bau von Infrastruktur etwa für Hafen- und Gleisanlagen für den Export. “Ist eine Firma in Danyang besser aufgestellt, mehr leistungsfähige Linsen herzustellen, wenn die ganze Nachbarschaft auf Exporte eingestellt ist? Die Antwort ist definitiv ja”, sagt Hanley.

Bildung von Produktionszentren hat lange Tradition

Tatsächlich hat diese Art der Industrieentwicklung in China eine lange Tradition. Schon in der Song-Dynastie (10. bis 13. Jahrhundert) spezialisierten sich die Bewohner der Stadt Jingdezhen auf die Herstellung von Keramik. Bis heute gilt Jingdezhen als Hauptstadt des Porzellans. Und auch in anderen chinesischen Städten lässt sich diese Art der Konzentration einer ganzen Branche auf einen Ort beobachten. Die ebenfalls im Jangtse-Delta gelegene Stadt Haining hat sich auf die Lederverarbeitung spezialisiert. Die Stadt Yiwu ist weltgrößter Exporteur von Weihnachtsartikeln. Dabei wird in China Weihnachten gar nicht begangen.

Was die Studienautorinnen zudem feststellen konnten: Selbst Firmen, die an und für sich wenig ideenreich wirkten, waren plötzlich Teil dieser Innovationsoffensive, wenn sie zusammen mit erfolgreich exportierenden Firmen an einem Ort waren (export processing). “Eine wichtige Erkenntnis”, sagt Hanley. “Export processing kann auch ein Weg zu mehr Innovation sein.”

Taugt das Exportmodell der Volksrepublik auch als Vorbild für andere Entwicklungsländer? Hanley würde diese Frage grundsätzlich bejahen. Spezielle Wirtschaftszonen mit Sonderkonditionen bei Steuersätzen oder anderen Begünstigungen wie sie China zu Dutzenden eingerichtet hat, haben auch Länder wie etwa Südafrika mit Dube TradePort in Durban übernommen. Und ja, auch diese Zonen sind beim Export erfolgreich und erweisen sich als hochinnovativ. 

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  • Shenzhen
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Termine

27.07.2021, 16:00 UNK
Vortrag und Diskussion China Expansion: It’s All About Execution – A Frontline Perspective, GSD Venture Studios, Online via Facebook Live Mehr

28.07.2021, 3:00 pm – 3:45 pm
Diskussion, CSIS U.S. National Security Policy in the Indo-Pacific: A Conversation with Senator Tammy Duckworth Mehr

28-30.07.2021
Expo 2nd Sichuan Equipment and Intelligent Manufacturing International Expo(EIMIE) – Deyang, Sichuan Mehr

29.07.2021, 9:15 AM- 11:00 AM (CST)
AHK-Shanghai-Workshop (auf Chinesisch), 9F Nice Room, Le Royal Meridien Hotel, Shanghai China’s Transfer Pricing Practice: New Trends and Challenges Mehr

30.07.2021, 8:30 am – 10:00 am
Webinar, CSIS Eleventh Annual South China Sea Conference: Session One Mehr

30.07.2021, 12:00 – 1:00 pm CEST
Vortrag und Debatte, Student Think Tank for Europe-Asia Relations Understanding China in Multilateralism: A Conversation with Pascal Nufer and Dr Yuka Kobayashi, Friday 30th July 2021 Mehr

30.07.2021, 1:00 pm – 2:00 pm
Vortrag und Diskussion, CSIS Build Back Better World: Meeting the Global Infrastructure Challenge Mehr

News

Henan warnt vor weiteren Unwettern

Die zentralchinesische Provinz Henan sieht sich von weiterem Extremregen bedroht. Das Wetteramt der Provinz gab gestern eine Unwetterwarnung der höchsten Stufe für die Millionenstädte Xinxiang, Anyang, Hebi und Jiaozuo im nördlichen Henan aus. Zehntausende Menschen wurden evakuiert. In Anyang lag der Niederschlag seit Montag bei 600 Millimetern. In der Stadt Xinxiang mit über fünf Millionen Einwohnern betrug die Regenmenge von Dienstag bis Donnerstag sogar 800 Millimeter. Sieben mittelgroße Wasserspeicher innerhalb des Stadtgebietes liefen über, wie Reuters berichtet. In der Provinz Henan sind durch die Fluten bis Donnerstag 33 Menschen ums Leben gekommen. Mehr als drei Millionen wurden obdachlos, wie die Behörden in Henan mitteilten. Die Strom- und Frischwasserversorgung ist stellenweise ausgefallen. Viele Dörfer sind vom Wasser eingeschlossen.

Chen Tao, Chefmeteorologe des Nationalen Meteorologischen Zentrums, sagte China haben Anstrengungen unternommen, seine Extremwettervorhersagen zu verbessern. “Es gibt viele Unsicherheiten in extremen Wettersystemen, die die Genauigkeit einer Vorhersage beeinflussen können”, sagte er laut South China Morning Post. Die Meteorologen hatten schwere Regenfälle prognostiziert, aber Warnungen für falsche Städte und Zeiten ausgesprochen. China habe keine Notfallmechanismen, was zu tun sei, sobald die höchste Unwetter-Alarmstufe ausgelöst werde, sagte Cheng Xiaotao, ehemaliger Direktor des Instituts für Hochwasserkontrolle und Katastrophenschutz am China Institute of Water Resources and Hydropower Research der Financial Times zufolge.

Extremwetter in Henan bedroht Wirtschaft

Die Flutkatastrophe in Henan hat auch wirtschaftliche Auswirkungen. Die Provinzhauptstadt Zhengzhou ist ein zentraler Knotenpunkt in Chinas Eisenbahninfrastruktur. Der Transport von Kohle aus der Inneren Mongolei und Shanxi nach Zentral- und Ostchina sei laut Behörden “stark beeinträchtigt”. Das trifft die Kraftwerke besonders hart, da sie in der Sommerzeit mit einer hohen Auslastung kämpfen (China.Table berichtete). Der Flughafen dort ist zudem ein wichtiger Umschlagplatz für Luftfracht.

SAIC Motors und Nissan teilten mit, die Fluten würden ihre Produktion in Zhengzhou beeinträchtigen. Apple lässt dort iPhones produzieren. Auch die Landwirtschaft ist betroffen. In der Provinz wurden 200.000 Hektar landwirtschaftlicher Fläche überschwemmt. Das entspricht mehr als der doppelten Fläche Berlins. In Henan wird ein Viertel aller in China produzierten Erdnüsse hergestellt. Im letzten Jahr waren die Folgen des Starkregens zudem für den erneuten Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest in China verantwortlich, so Reuters. Nun steigt die Gefahr einer erneuten Verbreitung von Tierseuchen.

Premier Li Keqiang kündigte am Donnerstag einen Maßnahmenkatalog gegen Flutkatastrophen an. Zu den wichtigsten Punkten gehören besseres Hochwassermanagement an Flüssen und Seen, bessere Vorhersagen von Starkregen und seinen Folgen, die Vorbereitung von Krisenplänen und die Schaffung von Notfallinfrastruktur. nib

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Corona: China wehrt sich gegen Überprüfung von Laboren

China hat den Plan der Weltgesundheitsorganisation (WHO), auf der Suche nach dem Ursprung des Coronavirus Labore in Wuhan genauer zu prüfen, vehement zurückgewiesen. Das Vorhaben der WHO missachte in “einigen Aspekten den gesunden Menschenverstand” und “widersetze sich der Wissenschaft”, wie der Vizeminister der Nationalen Gesundheitskommission, Zeng Yixin, am Donnerstag laut eines Berichts von Reuters vor Journalist:innen sagte. Er sei verblüfft gewesen, als er von den Plänen der WHO gehört habe, da diese auch die Theorie beinhalteten, dass das Virus aus einem Labor stammen könnte, so Zeng.

WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus hatte am Freitag in Genf betont, dass neben der Untersuchung von Wildtieren und Tiermärkten im chinesischen Wuhan auch die dortigen Labore inspiziert werden müssten (China.Table berichtete). Der WHO-Chef hatte Anfang Juli zudem gerügt, China behindere die Nachforschungen durch das Zurückhalten von Daten. Zeng bekräftigte dem Bericht zufolge nun Chinas Position, einige Informationen könnten aus Datenschutzgründen nicht vollständig weitergegeben werden. “Wir hoffen, dass die WHO die Überlegungen und Vorschläge chinesischer Experten ernsthaft überprüft und die Herkunftsverfolgung des Covid-19-Virus wirklich als wissenschaftliche Angelegenheit behandelt und politische Einmischung beseitigt”, sagte Zeng.

In einem WHO-Bericht zur Herkunft des Coronavirus hatten Expert:innen die Theorie eines Laborsaustritts als sehr unwahrscheinlich eingestuft. Vor allem die US-Regierung drängt jedoch auf eine weitere Untersuchung dieser These. “Wir halten einen Austritt aus dem Labor für äußerst unwahrscheinlich und es ist nicht erforderlich, diesbezüglich mehr Energie und Anstrengungen zu investieren”, sagte der chinesische Teamleiter im WHO-Expertenteam, Liang Wannian. Es sollten mehr Tierversuche durchgeführt werden, insbesondere in Ländern mit Fledermaus-Populationen, betonte Liang. ari

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Hongkong: Verhaftungen wegen Kinderbüchern

Die Hongkonger Polizei hat gestern fünf Personen wegen Volksverhetzung verhaftet. Ihnen wird vorgeworfen, mit von ihnen veröffentlichten Kinderbüchern Hass gegen die Regierung der Stadt zu schüren, so die Nachrichtenagentur Reuters. Die Polizei sagte demzufolge, in einem der Bücher griffen Wölfe ein Dorf an, während die dort lebenden Schafe sich verteidigen. Diese Geschichte sei mit den Protesten gegen die Regierung verbunden, so die Behörden. Die fünf Personen im Alter zwischen 25 und 28 Jahren wurden wegen des Verdachts der Verschwörung zur Veröffentlichung von aufrührerischem Material verhaftet. Grundlage ist ein Gesetz aus der Kolonialzeit.

Am Mittwoch wurde der ehemalige leitende Chefredakteur der mittlerweile geschlossenen Zeitung Apple Daily Lam Man Chung wegen Verdachts der “Verschwörung zur Kollaboration mit ausländischen Ländern oder ausländischen Kräften zur Gefährdung der nationalen Sicherheit” verhaftet, wie Reuters berichtet. Zuvor hatte die Polizei sieben weitere Redakteure abgeholt. Einen Antrag auf Freilassung gegen Zahlung einer Kaution von Lam und drei weiteren Mitarbeitern der Zeitung hat ein Gericht gestern abgelehnt. Die Verhandlung wurde auf den 30. September vertagt. nib

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  • Menschenrechte
  • Nationales Sicherheitsgesetz
  • Pressefreiheit
  • Zivilgesellschaft

Presseschau

China flood death toll rises to 33, stoking climate change debate FT (PAY)
US charges 9 with involvement in Beijing’s ‘Operation Fox Hunt’, including a Chinese prosecutor SCMP
Hong Kong privacy law change will let government block social media FT (PAY)
Leaders from 30 countries inoculated with Chinese vaccines, showing doses’ high reliability: FM GLOBALTIMES (STAATSMEDIUM)
Beijing signals stronger support for Xinjiang amid US sanctions SCMP
Five arrested in Hong Kong for sedition over children’s book about sheep GUARDIAN
UK warships’ S.China Sea tour ‘threatens China politically more than militarily’ GLOBALTIMES (STAATSMEDIUM)
Coronavirus: China lehnt WHO-Pläne für Laborinspektionen ab FAZ
Wie Chinas KP ihr Überleben sichert TAZ
Hongkong: Journalisten von eingestellter “Apple Daily” inhaftiert RND

Kolumne

Zehnmal wollte die Partei Xi Jinping nicht haben

Von Johnny Erling
Ein Bild von Johnny Erling

Die Zeiten sind vorbei, als westliche Nachrichtensprecher Regieanweisungen erhielten, wie sie den Nachnamen von Xi Jinping aussprechen sollen. “So wie das Wort Ski.” Heute ist ihnen der Name vertraut, sind längst Dutzende Biografien über Chinas mächtigsten Führer seit Mao erschienen.

Doch wer die Person dahinter zu ergründen sucht, tappt weiter im Dunkeln. Das liegt an Xi Jinping selbst. Seit er Ende 2012 zum Partei- und Staatschef aufstieg, lässt er sich nicht mehr interviewen, gibt sich keine Blöße. Bis auf seine offiziellen Vorträge zu wichtigen Anlässen oder auf Auslandsreisen werden seine anderen Aufsätze und Reden von der Propaganda erst nach geraumer Zeit und meist nur in ausgewählten Passagen veröffentlicht.

Als Provinzfunktionär verhielt er sich ungezwungener, auch gegenüber Reportern. Er erzählte ihnen über seine privilegierte Kindheit und später bitteren Jugend, nachdem sein revolutionärer Vater Xi Zhongxun bei Mao 1962 in politische Ungnade fiel und erst 1978 rehabilitiert wurde. Die ganze Familie wurde in Sippenhaft genommen. Xis frühere Interviews sind eine der wenigen Quellen, um seine Persönlichkeit zu verstehen.

Der erste Band mit Biografien von Trägern des Doktortitels in der Provinz Fujian (2003)

Das trifft auch auf einen Lebenslauf zu, den Xi Jinping selbst verfasste. Er schrieb ihn für ein 2003 erschienenes Lexikon mit Biografien von 381 Doktoranden aus Fujian, mit deren akademischen Talent sich die Küstenprovinz brüstete. Xi, der von August 1999 bis September 2002 als Vizechef und dann als Gouverneur die Provinz regierte, leitete auch das Beraterkomitee zur Herausgabe des Lexikons (fujian boshi fengcai 福建博士风采). 

Er reihte sich selbst unter die 381 Doktoranden ein und verfasste einen zweiseitigen Text über sich. Er schrieb darin, dass er von März 1998 bis Januar 2002 an der Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften der Tsinghua-Universität in Peking promovierte. Für seine Arbeit “Forschungen zum Aufbau des Agrarmarkts” erwarb er den Doktortitel. Wie er (und ob er selbst) es bewältigte, den Doktor zu machen, obwohl er gleichzeitig im Fulltime-Job Provinzchef von Fujian war, verrät er nicht.

Ich entdeckte das Lexikon, das im Juni 2003 öffentlich mit einer Auflage von 2.000 Exemplaren erschien, in einem Second-Hand Buchladen in Peking. Xi Jinping schildert seinen Werdegang in der Ich-Form. Nachdem er im Chaos der Kulturrevolution als 15-Jähriger seine Pekinger Mittelschulausbildung im Dezember 1968 abbrechen musste, verbrachte er die folgenden sieben Jahre bis 1975 mit Feldarbeit in einer Dorfbrigade in Nordchinas Provinz Shanxi. 

Die Doppelseite, auf der sich der spätere Präsident selbst vorstellt

Xis Lebenslauf beginnt so: “1969, bin ich von Peking aus in die Produktionsbrigade Liangjiahe der Volkskommune Wenanyi gekommen, um dort ‘Wurzeln’ zu schlagen. (…) Ich war sehr weit von zu Hause weg, völlig ohne Verwandte. (…) Anfangs waren wir 20 bis 30 Jugendliche mit Schulbildung, die aus Peking in das Dorf kamen. Alle stammten aus Funktionärsfamilien der Armee. Nach einem halben Jahr waren die meisten wieder weg, gingen in den Armeedienst. Nach einem Jahr waren alle fort. Nur ich blieb zurück. Ich fühlte mich sehr einsam.”

Zehn Anträge auf Parteimitgliedschaft

Zum ersten Mal enthüllt Xi Jinping selbst, wie er in seinen sieben Jahren auf dem Land immer wieder vergeblich versuchte, der Partei beitreten zu dürfen. Das wurde ihm wegen der politischen Verfolgung seines Vaters nicht erlaubt. “Ich schrieb zehnmal Anträge, um in die Partei aufgenommen zu werden. Aber sie wurden wegen meiner Familiensituation nicht angenommen.” (我先后写过十份入党申请书,由于家庭的原因,都未.)

Heute muss es Xi Jinping als große Genugtuung empfinden, dass die Partei, die ihn erst 1974 aufnahm, sich von damals knapp 30 Millionen Mitgliedern auf 95 Millionen mehr als verdreifacht hat und bedingungslos auf ihn hört. Er ließ sogar ihre Statuten ändern, um sein “Xi Jinping-Denken” als Leitideologie für die neue Ära schriftlich zu verankern.

Jungbauer Xi kämpfte gegen alle Widrigkeiten des Landlebens an, arbeitete hart. So sei er von der Dorfgemeinschaft schließlich akzeptiert worden: “Jeden Abend kamen alte und junge Bauern zu mir, plauderten mit mir über Geschichte und die aktuelle Lage. (…) Meine Wohnhöhle wurde zum Treffpunkt. Auch der Parteisekretär der Brigade kam, um sich mit mir zu besprechen. (…) Schließlich befürwortete er meine Parteiaufnahme. Er sorgte dafür, dass ich später Leiter der Parteizelle unseres Dorfes wurde.”

Xi über Xi: “Ich bin nicht anfällig für Irrlehren.”

Xi Jinping hoffte nun, in Peking studieren zu dürfen. Die Tsinghua-Universität hatte für 1975 zwei Studienplätze für die gesamte Bauernregion ausgelobt. Von seinem Dorf wurde Xi nominiert. Doch wegen seines politisch geächteten Vaters wurde er auf der nächsthöheren Ebene blockiert: “Der für Bauernstudenten verantwortliche Universitätssachbearbeiter traute sich nicht. Er leitete meinen Antrag an die oberste Universitätsleitung weiter. Sie sollte entscheiden.” Das, so schreibt Xi, “aber wurde zu meiner Chance.” Denn die Tsinghua-Universität geriet “im Juli, August und September 1975” in den Strudel einer kulturrevolutionär geprägten politischen Kampagne gegen den sogenannten “rechten Wind der Restauration”.

Die beiden (ultralinken) Universitätsleiter, deren Namen er als Chi Qun und Xie Chengyi angibt, hatten keine Zeit, sich um neu aufgenommene Studenten zu kümmern. So entging ihrer Aufmerksamkeit auch der Bauernstudent Xi. Er schreibt: “Zu dieser Zeit kam mein Vater gerade aus der Verbannung und wurde zur Arbeit in eine Fabrik in Luoyang geschickt. Diese Fabrik verwandte sich dann in einem Brief an die Tsinghua für mich: ‘Die Probleme von Genossen Xi Zhongxun gehören zu den Widersprüchen im Volk. Sie sollten nicht verhindern, dass seine Kinder studieren oder arbeiten dürfen.’ Das reichte als Empfehlungsschreiben aus, damit ich auf die Universität gehen konnte.”

Xi Jinping studierte Chemie. Als er 1979 sein Studium absolviert hat, wird er vom damaligen Verteidigungsminister und Politbüromitglied Geng Biao (ein Freund von Xis inzwischen völlig rehabilitierten Vater) als Sekretär eingestellt. Aber auf eigenen Wunsch lässt Xi sich 1982 in die Kreisstadt Zhengding in der Provinz Hebei transferieren und fängt dort als Vize-Parteisekretär an. Er schreibt, dass damals viele nicht verstehen, warum er Peking verlässt. “Außer mir gingen noch andere auf die unterste Verwaltungsebene zurück, wie Liu Yuan (der Sohn des ehemaligen von Mao zu Tode verfolgten Staatspräsidenten Liu Shaoqi). Wir beide gelangten unabhängig voneinander zur gleichen Ansicht, uns den Arbeitern und Bauern anschließen zu wollen.”

Tatsächlich ist der Weg über die Arbeit in den Provinzen ein klassischer Weg, um politische Karriere in der Volksrepublik machen zu können. Von 1982 an beginnt Xis 25 Jahre dauernder Aufstieg über vier Provinzen, bis er 2007 ins Pekinger Zentrum der Macht gelangt.

In seinem 2003 geschriebenen Lebenslauf reflektiert Xi Jinping nirgendwo kritisch, was ihm widerfahren ist, auch wenn er einräumt, ungerecht behandelt worden zu sein. Er zieht das Fazit, dass er durch seine sieben Jahre Erfahrungen auf dem Bauernland “bodenständig” wurde. Er sei “nicht anfällig für Irrlehren”, lasse sich durch nichts erschüttern und könne mit allen Schwierigkeiten fertig werden, “um voran zu kommen.” 

  • KP Chinas
  • Xi Jinping

Personalien

Dominic Porter einem Medienbericht zufolge ab September China-Direktor des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD). Er folgt auf Jonathan Hatwell. Derzeit leitet Porter noch die Abteilung für wirtschaftliche und globale Fragen im EAD.

Dessert

Heute Mittag deutscher Zeit werden die Olympischen Spiele in Tokio eröffnet. Die Athlet:innen bereiten sich schon auf ihre Wettkämpfe vor, wie hier die Sportlerin Zeng Wenhui aus dem chinesischen Skateboarding-Team.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

Licenses:
    • Daimler baut weltweit Batteriezellwerke – was wird aus Farasis?
    • Chinas spezialisierte Exportstädte
    • Weitere Unwetter-Warnungen in Henan
    • Peking wehrt sich gegen Laborthese
    • Hongkong verhaftet Herausgeber von Kinderbüchern
    • Johnny Erling über Xis beschwerlichen Aufstieg in der KP
    • Personalien: Neuer China-Direktor des Europäischen Auswärtigen Dienstes
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    die Stadt Zheng’an stellt jährlich sechs Millionen Gitarren her und ist damit als Standort so etwas wie ein Weltmarktführer – auch wenn die Instrumente in vielen kleinen Manufakturen gebaut werden. Zheng’an hat es damit am Donnerstag in eine Meldung der Nachrichtenagentur Xinhua geschafft. Denn in der Pandemie ist die globale Nachfrage nach Gitarren gestiegen, die Region verzeichnete einen Absatzanstieg von 440 Prozent.

    Was klingt wie ein allzu spezielles Detail, steht in Wirklichkeit für das Geheimnis des chinesischen Exporterfolgs. Und das wiederum ist nicht nur für die konkurrierende Exportnation Deutschland von Interesse, sondern auch für andere Schwellenländer auf dem Weg nach oben. Die Schaffung von Produktionszentren für einzelne Produktgruppen hat sich als enorm wirksam erwiesen. Wenn sich mehrere Firmen für dasselbe Produkt auf einen Ort konzentrieren, werden sie gemeinsam stärker, analysiert Felix Lee.

    Seit Wochen gibt es Gerüchte um Probleme bei der Zusammenarbeit von Daimler mit dem chinesischen Batteriehersteller Farasis. Firmenchef Ola Källenius hat nun die Elektro-Strategie für die kommenden Jahre vorgestellt. Schon erstaunlich bald will der Premiumhersteller keine reinen Verbrenner mehr bauen und errichtet zur Vorbereitung eine Reihe von großen Batteriezellwerken. Das ist ehrgeizig – und doch notwendig, denn die chinesische Konkurrenz legt beim Übergang zu E-Mobilität bekanntlich ein atemberaubendes Tempo vor. Was bei alldem aus der Zusammenarbeit mit Farasis werden könnte, offenbart unsere Analyse.

    Ihr
    Finn Mayer-Kuckuk
    Bild von Finn  Mayer-Kuckuk

    Analyse

    Daimler baut Giga-Fabriken ohne Farasis

    Der Einstieg von Daimler in die Elektromobilität verlief mühsam. Neben einigen Hybridmodellen bot der Oberklasse-Hersteller bisher nur Batterieversionen von Kleinserien-Fahrzeugen und des Smart an. Die chinesische Konkurrenz war da über ein Jahrzehnt schneller. Unter dem Druck der chinesischen Behörden gründete Daimler zwar 2012 mit dem einheimischen Anbieter BYD zusammen die Marke Denza, doch sie hat sich nie besonders gut verkauft.

    Jetzt drückt Firmenchef Ola Källenius aufs Gas. Am Donnerstag stellte er zusammen mit seinem Führungsteam die Zukunft der E-Mobilität bei Daimler in einer einstündigen Präsentation vor. Der Konzern hat den Übergang zum Batterieantrieb damit noch einmal deutlich vorgezogen. “Der Kipppunkt rückt näher, vor allem in dem Luxussegment, in dem Mercedes-Benz sich bewegt”, sagt Källenius. Bis 2025 soll nun nicht ein Viertel, sondern die Hälfte aller Produkte mit Akkus laufen. Ende des Jahrzehnts endet dann das Zeitalter des Benzinmotors auch bei dem Unternehmen, dessen Gründer ihn erfunden hat.

    Das stellt Daimler jedoch vor erhebliche Probleme bei der Beschaffung der nötigen Batterien für seine komplette Jahresproduktion. Zwar fertigt das Unternehmen seine Akkus scheinbar jetzt schon selbst in der Tochtergesellschaft Deutsche Accumotive. Doch den Kern der Energiespeicher, die Batteriezelle, kauft das Unternehmen weiter zu. Im vergangenen Jahr hat das Unternehmen bekannt gegeben, mit seinem chinesischen Partner Farasis Energy in Bitterfeld in Sachsen-Anhalt eine entsprechende Fabrik zu errichten.

    Källenius legt nun kräftig nach. Daimler will rund um den Globus acht “Gigafabriken” errichten – und leiht sich damit nicht nur die Idee, sondern auch den Sprachgebrauch des Rivalen Tesla. Vier der geplanten Fabriken entstehen in Europa, drei in Asien, eine in Nordamerika. Dabei soll ein neuer Partner eine Rolle spielen, der jedoch nicht genannt wurde. Källenius versprach lediglich, seinen Namen bald öffentlich zu machen.

    Der Bau eigener Batteriezellwerke ist ein Strategiewechsel. Bisher hatte Daimler auf Zukauf und Partnerschaften gesetzt. Das Unternehmen war auch bereits einmal in die Batteriezellfertigung ein- und dann aus Kostengründen wieder ausgestiegen. Jetzt gleich acht Fabriken anzukündigen, ist ein riesiger Schritt. Tesla hat drei davon und plant zwei weitere, Volkswagen plant sechs große Zellwerke.

    Wo bleibt der chinesische Partner in der neuen Strategie?

    Die plötzliche Ankündigung eines massiven Einstiegs in die Batteriezellproduktion führt erneut zu der Frage: Was wird aus der Zusammenarbeit von Daimler mit Farasis? Auffällig war, dass Källenius und sein Team den Namen des vor kurzem noch stolz angepriesenen Partnerunternehmens in der Präsentation kein einziges Mal nannten. Den neuen europäischen Partner für die Zellproduktion wolle der deutsche Hersteller in den kommenden Tagen öffentlich machen, betonten die Verantwortlichen dagegen erneut nach der Präsentation im Investoren-Call.

    Vor einem Jahr klang das anders. Daimler und Farasis hatten groß eine “strategische Partnerschaft” angekündigt. “Der Vertrag bietet Mercedes-Benz die sichere Belieferung mit Batteriezellen für die Elektro-Offensive”, freute sich der Konzern seinerzeit und besiegelte die Zusammenarbeit mit einer kleinen Kapitalbeteiligung an Farasis. Doch im Februar kamen Gerüchte an die Öffentlichkeit, dass die Zellen des chinesischen Herstellers keine ausreichende Qualität für Daimler hätten. Später meldete das Handelsblatt, es stehe eine Abkehr von Farasis bevor.

    Eine Konzernsprecherin betonte nun erneut, “Farasis ist ein strategischer Partner für Batteriezellen von Mercedes-Benz”, daran habe sich nichts geändert. Die Berichte über mangelnde Qualität von Zellmustern seien falsch. “Die Beteiligung von Daimler Greater China an Farasis bleibt unverändert bestehen.” Auffällig ist hier die Nennung von Daimler Greater China. Im gleichen Atemzug betonte die Sprecherin, Mercedes-Benz habe “ein gut funktionierendes und sehr stabiles Lieferantenset für Batteriezellen” aufgebaut – ohne den chinesischen Hersteller noch einmal als wichtigen Teil des Netzes zu nennen. Auch in einem Gespräch der Daimler-Führung mit Analyst:innen spielte Farasis keine Rolle.

    Absetzbewegung für mehr Liefersicherheit

    Daimler macht nun also offensichtlich beides: Der Konzern baut seine eigenen Fabriken auf, arbeitet zugleich aber weiter mit Farasis zusammen. Zumindest für den großen chinesischen Markt kann Daimler die Batterien des einheimischen Unternehmens gut gebrauchen. Farasis verfügt zudem über Technologie für besonders leistungsfähige Akkus mit herausragender Energiedichte, die schon für verschiedene Modelle der Elektro-Baureihe EQS eingeplant sein sollen.

    Was aus den Plänen für das Werk in Bitterfeld wird, ist damit jedoch offen. In der Region war die Hoffnung auf die Ansiedlung eines wichtigen Arbeitgebers geweckt. Doch dem ursprünglichen Zeitplan nach sollte die Produktion schon 2022 losgehen – und bisher hat sich noch nichts getan. So schnell baut aber nicht einmal Tesla. Wenn überhaupt, kommt die Farasis-Produktion in Ostdeutschland also ein ganzes Stück später als bisher angekündigt. Möglicherweise ist sie bei den acht Giga-Standorten mitgezählt. Daimler kooperiert dafür schließlich ausdrücklich mit mehreren Partnerfirmen.

    Der Daimler-Strategiewechsel zu groß angelegter Herstellung unter eigener Regie passt insgesamt in den Trend, die Abhängigkeit von asiatischer Technik zu überwinden. Zwischenzeitlich sah es so aus, als könne kaum ein deutsches Auto ohne chinesische Zellen fahren: BMW kooperierte mit dem Weltmarktführer CATL aus Ningde, Daimler mit Farasis aus Ganzhou und auch Volkswagen stützte sich auf chinesische Partner. Doch VW machte es vor und tat sich für Europa mit dem schwedischen Anbieter Northvolt zusammen. Inzwischen planen die Wolfsburger sechs Gigafabriken rund um den Globus.

    Die deutschen Hersteller bleiben den chinesischen Batteriezellen-Partnern also auf jeden Fall verbunden – schon allein für die Produktion in China, ihrem größten Markt. Doch zugleich ist für die anderen Märkte eine Absetzbewegung zu erkennen. Das ist kein Wunder. Der Akku ist das Herz des Elektroautos, die Reichweite ein schlagendes Verkaufsargument. Und wenn ein immer aggressiver auftretendes China seinen Anbietern plötzlich die Zusammenarbeit mit den Deutschen verböte, könnte das die Produktion zum Erliegen bringen, wenn keine Alternativen zur Verfügung stehen.

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    Das Exportmodell als Exportschlager

    Danyang ist mit 800.000 Einwohnern eine für chinesische Verhältnisse eher kleine Stadt. Gelegen am Rande des Jangtse-Deltas geht sie angesichts der großen Boommetropolen Shanghai, Suzhou, Nanjing und Hangzhou in der unmittelbaren Umgebung eher unter. Und doch ist Danyang ein wirtschaftliches Schwergewicht. Rund die Hälfte aller exportierten Brillengläser weltweit, inklusive der für Sonnenbrillen, kommen heutzutage aus dieser Stadt. In China selbst ist Danyang daher auch als “Stadt der Brillen” bekannt.

    Danyang ist ein besonders eindrucksvolles Beispiel, das aufzeigt, wie es China geschafft hat, binnen weniger Jahrzehnte von einer rückständigen Volkswirtschaft zum Technologieführer der Welt zu werden. Es ist aber nur eines unter vielen. Die beiden Ökonominnen Aoife Hanley vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) und Gong Yundang vom King’s College in London sind diesem Phänomen in einer Studie gezielt nachgegangen. Sie haben die Daten von 170.000 Firmen in China ausgewertet. Ihr Ergebnis: Die starke Exportorientierung der chinesischen Unternehmen über viele Branchen hinweg habe wesentlich zu deren Erfolgen beigetragen. Vor allem dort, wo exportierende Firmen konzentriert angesiedelt sind, sei ein Innovationsschub zu beobachten, lautet das Ergebnis der Studie.

    Eine für das ganze Land noch sehr viel bedeutendere Erfolgsgeschichte ist die Metropole Shenzhen am Perlflussdelta im Süden des Landes. Ende der 1970er-Jahre noch ein Fischerdorf unmittelbar an der Grenze zur damaligen britischen Kronkolonie Hongkong, entwickelte sich Shenzhen zunächst zur Werkbank der Welt vor allem für die Herstellung von Sportartikeln, Plastikspielzeug und Billigelektronik. Heute werden nicht nur 90 Prozent aller E-Zigaretten in Shenzhen produziert. Die Stadt zählt zu den innovativsten Metropolen der Welt und kann es mit seinen vielen Tech-Firmen längst mit dem Silicon Valley aufnehmen.

    Die Entwicklung dieser Wirtschaftszentren ähnelt sich. In Danyang gab es noch Anfang der 1980er-Jahre nur wenige Hersteller von Brillengläsern. Im Zuge der weiteren wirtschaftlichen Öffnung kamen weitere dazu. Die Stadtregierung förderte noch mehr Ansiedlungen, indem sie 1986 den ersten Markt für Brillengläser einrichtete. Damals waren es noch Marktstände, an denen die Hersteller ihre Brillen anboten. Später wurden die Stände durch ein Einkaufszentrum ersetzt mit Hunderten von Brillengeschäften. Damit nicht genug: Die ganze Stadt ist heute voll von Brillengeschäften und Produktionsstätten. Zusammengenommen sind die Firmen von Danyang Weltmarktführer.

    Konzentration schafft Innovation

    Ökonomin Hanley spricht bei dieser Art der industriellen Entwicklung von “Spillovers through labour mobility”, wenn sich mehrere Firmen für dasselbe Produkt auf einen Ort konzentrieren. Die Mitarbeiter der einen Firma spezialisieren sich. Die Ansiedlung weiterer konkurrierender Firmen haben keineswegs einen Verdrängungseffekt zur Folge. Im Gegenteil: Im Austausch mit den Mitarbeitern ähnlicher Firmen, die dasselbe Produkt herstellen, erwerben die Mitarbeiter zusätzliche Kompetenzen und bewirken einen Wissenstransfer. Zudem steigt der Konkurrenzdruck – was weitere Innovationen hervorbringt.

    Die Expertinnen sehen den wichtigsten Effekt jedoch in der räumlichen Nähe. “Die hoch spezialisierten Arbeiter in einer Stadt wie Danyang kennen die Arbeit der anderen – und erwerben auf diese Weise wertvolle Kompetenzen”, schildert Hanley. Ihre Beobachtung: “Labour spillovers” finden vor allem dann statt, wenn Firmen in der gleichen Stadt beheimatet sind. Zugleich ergeben sich Synergieeffekte etwa beim Bau von Infrastruktur etwa für Hafen- und Gleisanlagen für den Export. “Ist eine Firma in Danyang besser aufgestellt, mehr leistungsfähige Linsen herzustellen, wenn die ganze Nachbarschaft auf Exporte eingestellt ist? Die Antwort ist definitiv ja”, sagt Hanley.

    Bildung von Produktionszentren hat lange Tradition

    Tatsächlich hat diese Art der Industrieentwicklung in China eine lange Tradition. Schon in der Song-Dynastie (10. bis 13. Jahrhundert) spezialisierten sich die Bewohner der Stadt Jingdezhen auf die Herstellung von Keramik. Bis heute gilt Jingdezhen als Hauptstadt des Porzellans. Und auch in anderen chinesischen Städten lässt sich diese Art der Konzentration einer ganzen Branche auf einen Ort beobachten. Die ebenfalls im Jangtse-Delta gelegene Stadt Haining hat sich auf die Lederverarbeitung spezialisiert. Die Stadt Yiwu ist weltgrößter Exporteur von Weihnachtsartikeln. Dabei wird in China Weihnachten gar nicht begangen.

    Was die Studienautorinnen zudem feststellen konnten: Selbst Firmen, die an und für sich wenig ideenreich wirkten, waren plötzlich Teil dieser Innovationsoffensive, wenn sie zusammen mit erfolgreich exportierenden Firmen an einem Ort waren (export processing). “Eine wichtige Erkenntnis”, sagt Hanley. “Export processing kann auch ein Weg zu mehr Innovation sein.”

    Taugt das Exportmodell der Volksrepublik auch als Vorbild für andere Entwicklungsländer? Hanley würde diese Frage grundsätzlich bejahen. Spezielle Wirtschaftszonen mit Sonderkonditionen bei Steuersätzen oder anderen Begünstigungen wie sie China zu Dutzenden eingerichtet hat, haben auch Länder wie etwa Südafrika mit Dube TradePort in Durban übernommen. Und ja, auch diese Zonen sind beim Export erfolgreich und erweisen sich als hochinnovativ. 

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    Termine

    27.07.2021, 16:00 UNK
    Vortrag und Diskussion China Expansion: It’s All About Execution – A Frontline Perspective, GSD Venture Studios, Online via Facebook Live Mehr

    28.07.2021, 3:00 pm – 3:45 pm
    Diskussion, CSIS U.S. National Security Policy in the Indo-Pacific: A Conversation with Senator Tammy Duckworth Mehr

    28-30.07.2021
    Expo 2nd Sichuan Equipment and Intelligent Manufacturing International Expo(EIMIE) – Deyang, Sichuan Mehr

    29.07.2021, 9:15 AM- 11:00 AM (CST)
    AHK-Shanghai-Workshop (auf Chinesisch), 9F Nice Room, Le Royal Meridien Hotel, Shanghai China’s Transfer Pricing Practice: New Trends and Challenges Mehr

    30.07.2021, 8:30 am – 10:00 am
    Webinar, CSIS Eleventh Annual South China Sea Conference: Session One Mehr

    30.07.2021, 12:00 – 1:00 pm CEST
    Vortrag und Debatte, Student Think Tank for Europe-Asia Relations Understanding China in Multilateralism: A Conversation with Pascal Nufer and Dr Yuka Kobayashi, Friday 30th July 2021 Mehr

    30.07.2021, 1:00 pm – 2:00 pm
    Vortrag und Diskussion, CSIS Build Back Better World: Meeting the Global Infrastructure Challenge Mehr

    News

    Henan warnt vor weiteren Unwettern

    Die zentralchinesische Provinz Henan sieht sich von weiterem Extremregen bedroht. Das Wetteramt der Provinz gab gestern eine Unwetterwarnung der höchsten Stufe für die Millionenstädte Xinxiang, Anyang, Hebi und Jiaozuo im nördlichen Henan aus. Zehntausende Menschen wurden evakuiert. In Anyang lag der Niederschlag seit Montag bei 600 Millimetern. In der Stadt Xinxiang mit über fünf Millionen Einwohnern betrug die Regenmenge von Dienstag bis Donnerstag sogar 800 Millimeter. Sieben mittelgroße Wasserspeicher innerhalb des Stadtgebietes liefen über, wie Reuters berichtet. In der Provinz Henan sind durch die Fluten bis Donnerstag 33 Menschen ums Leben gekommen. Mehr als drei Millionen wurden obdachlos, wie die Behörden in Henan mitteilten. Die Strom- und Frischwasserversorgung ist stellenweise ausgefallen. Viele Dörfer sind vom Wasser eingeschlossen.

    Chen Tao, Chefmeteorologe des Nationalen Meteorologischen Zentrums, sagte China haben Anstrengungen unternommen, seine Extremwettervorhersagen zu verbessern. “Es gibt viele Unsicherheiten in extremen Wettersystemen, die die Genauigkeit einer Vorhersage beeinflussen können”, sagte er laut South China Morning Post. Die Meteorologen hatten schwere Regenfälle prognostiziert, aber Warnungen für falsche Städte und Zeiten ausgesprochen. China habe keine Notfallmechanismen, was zu tun sei, sobald die höchste Unwetter-Alarmstufe ausgelöst werde, sagte Cheng Xiaotao, ehemaliger Direktor des Instituts für Hochwasserkontrolle und Katastrophenschutz am China Institute of Water Resources and Hydropower Research der Financial Times zufolge.

    Extremwetter in Henan bedroht Wirtschaft

    Die Flutkatastrophe in Henan hat auch wirtschaftliche Auswirkungen. Die Provinzhauptstadt Zhengzhou ist ein zentraler Knotenpunkt in Chinas Eisenbahninfrastruktur. Der Transport von Kohle aus der Inneren Mongolei und Shanxi nach Zentral- und Ostchina sei laut Behörden “stark beeinträchtigt”. Das trifft die Kraftwerke besonders hart, da sie in der Sommerzeit mit einer hohen Auslastung kämpfen (China.Table berichtete). Der Flughafen dort ist zudem ein wichtiger Umschlagplatz für Luftfracht.

    SAIC Motors und Nissan teilten mit, die Fluten würden ihre Produktion in Zhengzhou beeinträchtigen. Apple lässt dort iPhones produzieren. Auch die Landwirtschaft ist betroffen. In der Provinz wurden 200.000 Hektar landwirtschaftlicher Fläche überschwemmt. Das entspricht mehr als der doppelten Fläche Berlins. In Henan wird ein Viertel aller in China produzierten Erdnüsse hergestellt. Im letzten Jahr waren die Folgen des Starkregens zudem für den erneuten Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest in China verantwortlich, so Reuters. Nun steigt die Gefahr einer erneuten Verbreitung von Tierseuchen.

    Premier Li Keqiang kündigte am Donnerstag einen Maßnahmenkatalog gegen Flutkatastrophen an. Zu den wichtigsten Punkten gehören besseres Hochwassermanagement an Flüssen und Seen, bessere Vorhersagen von Starkregen und seinen Folgen, die Vorbereitung von Krisenplänen und die Schaffung von Notfallinfrastruktur. nib

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    Corona: China wehrt sich gegen Überprüfung von Laboren

    China hat den Plan der Weltgesundheitsorganisation (WHO), auf der Suche nach dem Ursprung des Coronavirus Labore in Wuhan genauer zu prüfen, vehement zurückgewiesen. Das Vorhaben der WHO missachte in “einigen Aspekten den gesunden Menschenverstand” und “widersetze sich der Wissenschaft”, wie der Vizeminister der Nationalen Gesundheitskommission, Zeng Yixin, am Donnerstag laut eines Berichts von Reuters vor Journalist:innen sagte. Er sei verblüfft gewesen, als er von den Plänen der WHO gehört habe, da diese auch die Theorie beinhalteten, dass das Virus aus einem Labor stammen könnte, so Zeng.

    WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus hatte am Freitag in Genf betont, dass neben der Untersuchung von Wildtieren und Tiermärkten im chinesischen Wuhan auch die dortigen Labore inspiziert werden müssten (China.Table berichtete). Der WHO-Chef hatte Anfang Juli zudem gerügt, China behindere die Nachforschungen durch das Zurückhalten von Daten. Zeng bekräftigte dem Bericht zufolge nun Chinas Position, einige Informationen könnten aus Datenschutzgründen nicht vollständig weitergegeben werden. “Wir hoffen, dass die WHO die Überlegungen und Vorschläge chinesischer Experten ernsthaft überprüft und die Herkunftsverfolgung des Covid-19-Virus wirklich als wissenschaftliche Angelegenheit behandelt und politische Einmischung beseitigt”, sagte Zeng.

    In einem WHO-Bericht zur Herkunft des Coronavirus hatten Expert:innen die Theorie eines Laborsaustritts als sehr unwahrscheinlich eingestuft. Vor allem die US-Regierung drängt jedoch auf eine weitere Untersuchung dieser These. “Wir halten einen Austritt aus dem Labor für äußerst unwahrscheinlich und es ist nicht erforderlich, diesbezüglich mehr Energie und Anstrengungen zu investieren”, sagte der chinesische Teamleiter im WHO-Expertenteam, Liang Wannian. Es sollten mehr Tierversuche durchgeführt werden, insbesondere in Ländern mit Fledermaus-Populationen, betonte Liang. ari

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    Hongkong: Verhaftungen wegen Kinderbüchern

    Die Hongkonger Polizei hat gestern fünf Personen wegen Volksverhetzung verhaftet. Ihnen wird vorgeworfen, mit von ihnen veröffentlichten Kinderbüchern Hass gegen die Regierung der Stadt zu schüren, so die Nachrichtenagentur Reuters. Die Polizei sagte demzufolge, in einem der Bücher griffen Wölfe ein Dorf an, während die dort lebenden Schafe sich verteidigen. Diese Geschichte sei mit den Protesten gegen die Regierung verbunden, so die Behörden. Die fünf Personen im Alter zwischen 25 und 28 Jahren wurden wegen des Verdachts der Verschwörung zur Veröffentlichung von aufrührerischem Material verhaftet. Grundlage ist ein Gesetz aus der Kolonialzeit.

    Am Mittwoch wurde der ehemalige leitende Chefredakteur der mittlerweile geschlossenen Zeitung Apple Daily Lam Man Chung wegen Verdachts der “Verschwörung zur Kollaboration mit ausländischen Ländern oder ausländischen Kräften zur Gefährdung der nationalen Sicherheit” verhaftet, wie Reuters berichtet. Zuvor hatte die Polizei sieben weitere Redakteure abgeholt. Einen Antrag auf Freilassung gegen Zahlung einer Kaution von Lam und drei weiteren Mitarbeitern der Zeitung hat ein Gericht gestern abgelehnt. Die Verhandlung wurde auf den 30. September vertagt. nib

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    Presseschau

    China flood death toll rises to 33, stoking climate change debate FT (PAY)
    US charges 9 with involvement in Beijing’s ‘Operation Fox Hunt’, including a Chinese prosecutor SCMP
    Hong Kong privacy law change will let government block social media FT (PAY)
    Leaders from 30 countries inoculated with Chinese vaccines, showing doses’ high reliability: FM GLOBALTIMES (STAATSMEDIUM)
    Beijing signals stronger support for Xinjiang amid US sanctions SCMP
    Five arrested in Hong Kong for sedition over children’s book about sheep GUARDIAN
    UK warships’ S.China Sea tour ‘threatens China politically more than militarily’ GLOBALTIMES (STAATSMEDIUM)
    Coronavirus: China lehnt WHO-Pläne für Laborinspektionen ab FAZ
    Wie Chinas KP ihr Überleben sichert TAZ
    Hongkong: Journalisten von eingestellter “Apple Daily” inhaftiert RND

    Kolumne

    Zehnmal wollte die Partei Xi Jinping nicht haben

    Von Johnny Erling
    Ein Bild von Johnny Erling

    Die Zeiten sind vorbei, als westliche Nachrichtensprecher Regieanweisungen erhielten, wie sie den Nachnamen von Xi Jinping aussprechen sollen. “So wie das Wort Ski.” Heute ist ihnen der Name vertraut, sind längst Dutzende Biografien über Chinas mächtigsten Führer seit Mao erschienen.

    Doch wer die Person dahinter zu ergründen sucht, tappt weiter im Dunkeln. Das liegt an Xi Jinping selbst. Seit er Ende 2012 zum Partei- und Staatschef aufstieg, lässt er sich nicht mehr interviewen, gibt sich keine Blöße. Bis auf seine offiziellen Vorträge zu wichtigen Anlässen oder auf Auslandsreisen werden seine anderen Aufsätze und Reden von der Propaganda erst nach geraumer Zeit und meist nur in ausgewählten Passagen veröffentlicht.

    Als Provinzfunktionär verhielt er sich ungezwungener, auch gegenüber Reportern. Er erzählte ihnen über seine privilegierte Kindheit und später bitteren Jugend, nachdem sein revolutionärer Vater Xi Zhongxun bei Mao 1962 in politische Ungnade fiel und erst 1978 rehabilitiert wurde. Die ganze Familie wurde in Sippenhaft genommen. Xis frühere Interviews sind eine der wenigen Quellen, um seine Persönlichkeit zu verstehen.

    Der erste Band mit Biografien von Trägern des Doktortitels in der Provinz Fujian (2003)

    Das trifft auch auf einen Lebenslauf zu, den Xi Jinping selbst verfasste. Er schrieb ihn für ein 2003 erschienenes Lexikon mit Biografien von 381 Doktoranden aus Fujian, mit deren akademischen Talent sich die Küstenprovinz brüstete. Xi, der von August 1999 bis September 2002 als Vizechef und dann als Gouverneur die Provinz regierte, leitete auch das Beraterkomitee zur Herausgabe des Lexikons (fujian boshi fengcai 福建博士风采). 

    Er reihte sich selbst unter die 381 Doktoranden ein und verfasste einen zweiseitigen Text über sich. Er schrieb darin, dass er von März 1998 bis Januar 2002 an der Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften der Tsinghua-Universität in Peking promovierte. Für seine Arbeit “Forschungen zum Aufbau des Agrarmarkts” erwarb er den Doktortitel. Wie er (und ob er selbst) es bewältigte, den Doktor zu machen, obwohl er gleichzeitig im Fulltime-Job Provinzchef von Fujian war, verrät er nicht.

    Ich entdeckte das Lexikon, das im Juni 2003 öffentlich mit einer Auflage von 2.000 Exemplaren erschien, in einem Second-Hand Buchladen in Peking. Xi Jinping schildert seinen Werdegang in der Ich-Form. Nachdem er im Chaos der Kulturrevolution als 15-Jähriger seine Pekinger Mittelschulausbildung im Dezember 1968 abbrechen musste, verbrachte er die folgenden sieben Jahre bis 1975 mit Feldarbeit in einer Dorfbrigade in Nordchinas Provinz Shanxi. 

    Die Doppelseite, auf der sich der spätere Präsident selbst vorstellt

    Xis Lebenslauf beginnt so: “1969, bin ich von Peking aus in die Produktionsbrigade Liangjiahe der Volkskommune Wenanyi gekommen, um dort ‘Wurzeln’ zu schlagen. (…) Ich war sehr weit von zu Hause weg, völlig ohne Verwandte. (…) Anfangs waren wir 20 bis 30 Jugendliche mit Schulbildung, die aus Peking in das Dorf kamen. Alle stammten aus Funktionärsfamilien der Armee. Nach einem halben Jahr waren die meisten wieder weg, gingen in den Armeedienst. Nach einem Jahr waren alle fort. Nur ich blieb zurück. Ich fühlte mich sehr einsam.”

    Zehn Anträge auf Parteimitgliedschaft

    Zum ersten Mal enthüllt Xi Jinping selbst, wie er in seinen sieben Jahren auf dem Land immer wieder vergeblich versuchte, der Partei beitreten zu dürfen. Das wurde ihm wegen der politischen Verfolgung seines Vaters nicht erlaubt. “Ich schrieb zehnmal Anträge, um in die Partei aufgenommen zu werden. Aber sie wurden wegen meiner Familiensituation nicht angenommen.” (我先后写过十份入党申请书,由于家庭的原因,都未.)

    Heute muss es Xi Jinping als große Genugtuung empfinden, dass die Partei, die ihn erst 1974 aufnahm, sich von damals knapp 30 Millionen Mitgliedern auf 95 Millionen mehr als verdreifacht hat und bedingungslos auf ihn hört. Er ließ sogar ihre Statuten ändern, um sein “Xi Jinping-Denken” als Leitideologie für die neue Ära schriftlich zu verankern.

    Jungbauer Xi kämpfte gegen alle Widrigkeiten des Landlebens an, arbeitete hart. So sei er von der Dorfgemeinschaft schließlich akzeptiert worden: “Jeden Abend kamen alte und junge Bauern zu mir, plauderten mit mir über Geschichte und die aktuelle Lage. (…) Meine Wohnhöhle wurde zum Treffpunkt. Auch der Parteisekretär der Brigade kam, um sich mit mir zu besprechen. (…) Schließlich befürwortete er meine Parteiaufnahme. Er sorgte dafür, dass ich später Leiter der Parteizelle unseres Dorfes wurde.”

    Xi über Xi: “Ich bin nicht anfällig für Irrlehren.”

    Xi Jinping hoffte nun, in Peking studieren zu dürfen. Die Tsinghua-Universität hatte für 1975 zwei Studienplätze für die gesamte Bauernregion ausgelobt. Von seinem Dorf wurde Xi nominiert. Doch wegen seines politisch geächteten Vaters wurde er auf der nächsthöheren Ebene blockiert: “Der für Bauernstudenten verantwortliche Universitätssachbearbeiter traute sich nicht. Er leitete meinen Antrag an die oberste Universitätsleitung weiter. Sie sollte entscheiden.” Das, so schreibt Xi, “aber wurde zu meiner Chance.” Denn die Tsinghua-Universität geriet “im Juli, August und September 1975” in den Strudel einer kulturrevolutionär geprägten politischen Kampagne gegen den sogenannten “rechten Wind der Restauration”.

    Die beiden (ultralinken) Universitätsleiter, deren Namen er als Chi Qun und Xie Chengyi angibt, hatten keine Zeit, sich um neu aufgenommene Studenten zu kümmern. So entging ihrer Aufmerksamkeit auch der Bauernstudent Xi. Er schreibt: “Zu dieser Zeit kam mein Vater gerade aus der Verbannung und wurde zur Arbeit in eine Fabrik in Luoyang geschickt. Diese Fabrik verwandte sich dann in einem Brief an die Tsinghua für mich: ‘Die Probleme von Genossen Xi Zhongxun gehören zu den Widersprüchen im Volk. Sie sollten nicht verhindern, dass seine Kinder studieren oder arbeiten dürfen.’ Das reichte als Empfehlungsschreiben aus, damit ich auf die Universität gehen konnte.”

    Xi Jinping studierte Chemie. Als er 1979 sein Studium absolviert hat, wird er vom damaligen Verteidigungsminister und Politbüromitglied Geng Biao (ein Freund von Xis inzwischen völlig rehabilitierten Vater) als Sekretär eingestellt. Aber auf eigenen Wunsch lässt Xi sich 1982 in die Kreisstadt Zhengding in der Provinz Hebei transferieren und fängt dort als Vize-Parteisekretär an. Er schreibt, dass damals viele nicht verstehen, warum er Peking verlässt. “Außer mir gingen noch andere auf die unterste Verwaltungsebene zurück, wie Liu Yuan (der Sohn des ehemaligen von Mao zu Tode verfolgten Staatspräsidenten Liu Shaoqi). Wir beide gelangten unabhängig voneinander zur gleichen Ansicht, uns den Arbeitern und Bauern anschließen zu wollen.”

    Tatsächlich ist der Weg über die Arbeit in den Provinzen ein klassischer Weg, um politische Karriere in der Volksrepublik machen zu können. Von 1982 an beginnt Xis 25 Jahre dauernder Aufstieg über vier Provinzen, bis er 2007 ins Pekinger Zentrum der Macht gelangt.

    In seinem 2003 geschriebenen Lebenslauf reflektiert Xi Jinping nirgendwo kritisch, was ihm widerfahren ist, auch wenn er einräumt, ungerecht behandelt worden zu sein. Er zieht das Fazit, dass er durch seine sieben Jahre Erfahrungen auf dem Bauernland “bodenständig” wurde. Er sei “nicht anfällig für Irrlehren”, lasse sich durch nichts erschüttern und könne mit allen Schwierigkeiten fertig werden, “um voran zu kommen.” 

    • KP Chinas
    • Xi Jinping

    Personalien

    Dominic Porter einem Medienbericht zufolge ab September China-Direktor des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD). Er folgt auf Jonathan Hatwell. Derzeit leitet Porter noch die Abteilung für wirtschaftliche und globale Fragen im EAD.

    Dessert

    Heute Mittag deutscher Zeit werden die Olympischen Spiele in Tokio eröffnet. Die Athlet:innen bereiten sich schon auf ihre Wettkämpfe vor, wie hier die Sportlerin Zeng Wenhui aus dem chinesischen Skateboarding-Team.

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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