die chinesische Corona-Welle nähert sich offenbar schon ihrem vorläufigen Höhepunkt; erste Genesene kehren bereits wieder an den Arbeitsplatz zurück. Das bedeutet aber auch: Derzeit sind enorm viele Menschen akut krank. Mangels Zahlen lässt sich die Kurve zwar nicht abbilden. Es ist aber die Annahme erlaubt, dass sie in China steiler ist, als sie es in Deutschland je war.
Unsere Analyse bietet ein Stimmungsbild aus einem Land, in dem die Pandemie jetzt doch noch wütet. Die Frage, was das Infektionsgeschehen für die chinesische und die deutsche Wirtschaft bedeuten wird, konnten wir hier – ebenfalls mangels konkreter Daten – erst einmal nur anreißen.
Genau diese Frage war allerdings das Hauptthema der Economic Work Conference von Staat und Partei, die in der vergangenen Woche stattgefunden hat. Angesichts des sich aufbauenden Infektions-Tsunamis hatten wir dazu zunächst nur eine Meldung. Heute schauen wir noch einmal näher auf eine Kernbotschaft des wichtigen Treffens: Die Führung besinnt sich wieder auf Privatinvestoren – und findet sogar aufmunternde Worte für die ausländische Industrie.
Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre!
Die Pandemie-Lage in China gerät noch schneller außer Kontrolle als bereits befürchtet. Binnen einer Woche ist der Krankenstand in die Höhe geschossen. Firmenmitarbeiter in mehreren Regionen schätzen unabhängig voneinander, dass jetzt schon mehr als die Hälfte des Personals ausfällt. “Eine ganze Reihe von Unternehmen hat entweder geschlossen oder die Produktion heruntergefahren“, sagt Jörg Wuttke, Präsident der EU-Handelskammer.
Volkswagen fordert die verbliebenen gesunden Arbeiterinnen und Arbeiter am Werk Foshan auf, Überstunden zu machen, um den Betrieb aufrechterhalten zu können. Die nächste Sorge gilt einem Ausfall vieler Fernfahrer. Das würde die Logistik und damit auch die Lieferungen nach Europa erneut beeinträchtigen. Epidemiologen erwarten mehrere Infektionswellen mit einem ersten Höhepunkt in der nahen Zukunft. Der nächste Gipfel käme dann nach dem Neujahresfest Ende Januar.
Das Infektionsgeschehen wird ausgerechnet von Regeln befeuert, die der Wirtschaft einen unnötig hohen Krankenstand ersparen sollten. In Zhejiang, Anhui und Chongqing sollen Mitarbeiter auch dann zur Arbeit gehen, wenn sie infiziert sind, sofern sie keine Symptome haben. Das hält kurzfristig den Betrieb aufrecht, führt gleich im nächsten Schritt aber dazu, dass sich die verbliebenen Mitarbeiter ebenfalls anstecken.
Chinas Öffnung ist damit viel heftiger als die in Deutschland. In Deutschland war zumindest das Bemühen erkennbar, auch nach Abflauen der Wellen die wirksamsten Kontaktbeschränkungen zu erhalten. Wer frisch Covid-positiv ist, darf in den einigen Bundesländern auch heute noch nicht für einen Spaziergang vor die Tür gehen. In China fallen vielerorts nun auch diese Beschränkungen. In Deutschland war es durch die Kontaktbeschränkungen mehrfach gelungen, die Infektionskurve flach zu halten (“flatten the curve”). China lässt nun die hohe, steile “Wand” zu (China.Table berichtete).
Die Auswirkungen zeigen sich auch in der Hauptstadt Peking, die bisher von den Corona-Folgen abgeschirmt war. In vielen Compounds stapelt sich der Müll. Einige Restaurants und Läden öffnen nicht mehr täglich, sondern dann, wenn Mitarbeiter verfügbar sind.
Auf der E-Commerce-Seite Meituan verschwinden Shops immer wieder stundenweise – zuweilen noch während des Bezahlvorgangs. Supermärkte können oft keine Frischware mehr liefern. Dabei gehören die Straßen fast nur noch den Lieferfahrern. Wer nicht muss, geht nicht mehr auf die Straße. Auch in weit entfernten Provinzen wütet das Virus. “Hier sind alle krank”, berichtet eine Deutsche aus einem Dorf im südlich gelegenen Yunnan.
Besonders skurril und besorgniserregend: Die Teststationen scheinen nur noch negative Ergebnisse auszugeben. Wer positiv ist, erhält gar keinen Bescheid mehr. Das berichten unabhängig voneinander mehrere Personen in Peking, deren Schnelltests zu Hause positiv waren. Die Apps zeigten bei ihnen kein Resultat mehr. In Shanghai verlangen Kliniken ganz offiziell keinen Corona-Test mehr für den Zugang. China geht in den pandemischen Blindflug über.
Deutsche Reisende auf dem Weg in den Weihnachtsurlaub sind derzeit ebenfalls vom Corona-Chaos betroffen. Einige Fluggesellschaften verlangen weiterhin einen Beleg, dass die Reisenden keine Kontakte zu Infizierten hatten. Das wird durch das Fehlen zuverlässiger Tests möglicherweise einfacher, objektiv gesehen wird es allerdings durch die vielen Infektionen unmöglich. Air China verlangte von einem Passagier, ein Attest aus einem Krankenhaus vorzulegen. Diese sind aber bereits überall mit schweren Fällen überlastet.
Die Lage ist allen in China inzwischen bekannt. Die Propaganda-Phrase von der “Optimierung” der Null-Covid-Politik wird zum Gegenstand von Scherzen. Die geringe Verlässlichkeit der offiziellen Zahlen betrifft inzwischen sogar die Impfquote. Chinesische Medien berichten davon, dass Bürger als geimpft im System stehen, die die Spritze nie erhalten haben. Gregor Koppenburg/Finn Mayer-Kuckuk/rtr
Nach der Corona-Kehrtwende zeichnet sich auch die Kehrtwende im Umgang mit der ausländischen Wirtschaft ab. Die Economic Work Conference in der vergangenen Woche (China.Table berichtete) hinterlässt entscheidende Impulse für eine Rückbesinnung auf die Rolle internationaler Investoren für die chinesische Konjunktur.
Das Gremium kam am Donnerstag und Freitag zu seiner jährlichen Sitzung zusammen. Der Vorsitzende ist niemand anderes als Staatschef Xi Jinping. Ziel der Konferenz ist es, die Weichen für die wirtschaftliche Entwicklung im kommenden Jahr zu stellen. Die Betonung lag diesmal eindeutig auf einer kräftigen Förderung der Konjunktur. Alles andere hätte in der derzeitigen Lage ein verheerendes Signal gesendet. Die Wirtschaft ist nach fast drei Jahren Null-Corona-Diktatur bereits angeschlagen und wird nun vermutlich durch die Infektionswellen niedergezwungen.
Die Führung besinnt sich nun auf Quellen von Geschäftstätigkeit, die Peking zuletzt zugunsten einer sozialistischen und nationalistischen Agenda vernachlässigt hatte. “Die größte Veränderung in diesem Jahr scheint der verstärkte Fokus auf die Verbesserung des Geschäftsumfelds für ausländische und private Unternehmen zu sein”, so Adam Wolfe vom Analysehaus Absolute Strategy Research: “Das könnte dazu beitragen, verloren gegangenes Vertrauen wiederherzustellen.”
Im Vergleich zum Vorjahr hat sich der Ton der Führung gegenüber Investoren bemerkenswert verändert. “Ich habe Privatunternehmen immer unterstützt”, zitierte die Volkszeitung Xi am Wochenende nach der Wirtschaftskonferenz auf ihrer Titelseite. Vor einem Jahr wurde an gleicher Stelle noch vor “irrationaler Kapitalexpansion” und “barbarischem Wachstum” gewarnt.
Bei der diesjährigen Konferenz war nun plötzlich auch keine Rede mehr von der Umverteilungs-Kampagne für einen “allgemeinen Wohlstand”. Die hatte bei Chinas Wirtschaftselite für große Unruhe gesorgt. Vor allem Chinas Tech-Industrie dürfte Xis Wortwahl als klares Indiz dafür werten, dass der Crackdown gegen die Branche vorüber ist. Nun kann wieder aus dem Vollen geschöpft werden.
Auch für den kriselnden Immobilienmarkt gibt es gute Nachrichten. Der offizielle Slogan, dass “Wohnungen zum Leben sind, nicht für Spekulationen”, wurde zwar bei der Wirtschaftskonferenz wiederholt. Dennoch gab es klare Anzeichen für eine Abschwächung des Tons gegen die hoch verschuldeten Immobilienkonzerne des Landes. So soll laut Abschlussbericht ein”stabiles Wachstum” der Branche gewährleistet werden. “Wir denken, dass die Regierung entschlossen ist, dem Einbruch des Immobilienmarktes Einhalt zu gebieten”, schrieben Citic-Analysten in einem Bericht: “Die Politik wird wahrscheinlich weiter gelockert, bis der Markt Anzeichen einer Erholung zeigt.”
Als grober Fahrplan für das kommende Jahr zeichnet sich nach Einschätzung vieler Ökonomen nun folgendes Szenario ab: Chinas Wirtschaft wird wegen der Corona-Lage zunächst einen schwierigen Start ins Jahr haben. Spätestens im Frühsommer dürfte die Konjunktur dann jedoch deutlich Fahrt aufnehmen. Bis Ende 2023 könnte dann ein robustes Wachstum von rund fünf Prozent im Bereich des Möglichen liegen. Jörn Petring
Berlin hat Regierungsangaben zufolge die erste Charge von Biontech-Impfstoffen nach China geschickt (China.Table berichtete). Der Covid-Impfstoff aus Deutschland ist das erste ausländische Vakzin, das in die Volksrepublik geliefert wird. Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte am Mittwoch in Berlin, dass die Lieferung noch am selben Tag in Peking erwartet werde. Die chinesische Regierung habe die Bundesregierung in einer sogenannten Verbalnote unterrichtet, dass der Impfstoff von Biontech an Deutsche verabreicht werden dürfe. Eine allgemeine Zulassung gibt es in China aber noch nicht. Nach Angaben Hebestreits halten sich 20.000 Deutsche in der Volksrepublik auf.
Deutschen Staatsbürgern in China könne “in Kürze” ein Impfangebot gemacht werden, schrieb die deutsche Botschafterin in Peking, Patricia Flor, auf Twitter. Die Informationen der Botschaft im Überblick:
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bot einem Medienbericht zufolge in einem Telefonat mit Chinas Staatschef Xi Jinping weitreichendere deutsche Hilfe an. Das berichtete der “Spiegel”. Steinmeier habe Xi an das Kooperationsangebot der Bundesregierung erinnert und dabei auch die schnelle Verfügbarkeit des Biontech-Impfstoffs hervorgehoben. Es könne umgehend eine sehr hohe dreistellige Millionenzahl an Biontech-Dosen nach China geliefert werden, sagte Steinmeier dem Bericht zufolge. Bislang habe Peking das Angebot demnach aber abgelehnt. Steinmeier verwies Kreisen zufolge zudem auf eine mögliche Unterstützung des Robert-Koch-Instituts beim Kampf gegen die neue Coronakrise. ari
Der russische Ex-Präsident Dmitri Medwedew ist nach eigenen Angaben von Chinas Staatschef Xi Jinping zu Gesprächen empfangen worden. “Es waren äußerst nützliche Gespräche”, schrieb Medwedew, inzwischen Vizechef des russischen Sicherheitsrates, am Mittwoch laut der Deutschen Presse-Agentur in seinem Telegram-Kanal. Es sei dabei um die bilaterale Zusammenarbeit der Regierungsparteien sowie um die internationale Politik, darunter den Konflikt in der Ukraine gegangen, teilte er mit.
Medwedew ist als Chef der Kreml-Partei “Geeintes Russland” zumindest auf parteipolitischer Ebene in etwa Xi Jinping als Parteichef der Kommunisten in China gleichgestellt. Allerdings sind die politischen Vollmachten des russischen Ex-Präsidenten, im Gegensatz zu seinem Gastgeber in Peking, begrenzt. Die politischen Leitlinien in Russland gibt Kremlchef Wladimir Putin vor, dessen Grüße Medwedew nach China übermittelte. Der russische Ex-Präsident ist lediglich als Stellvertreter Putins im nationalen Sicherheitsrat noch in Entscheidungsprozesse einbezogen.
Medwedew galt während seiner Amtszeit von 2008 bis 2012 als verhältnismäßig liberaler und prowestlicher Vertreter Russlands. Seit Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine versucht er hingegen, sich als Hardliner zu profilieren. Beobachter vermuten, dass sich Medwedew mit diesem Imagewechsel wieder größeres politisches Gewicht verschaffen will – und perspektivisch als möglicher Nachfolger Putins ins Gespräch bringt. Der Empfang bei Xi Jinping bedeutet für ihn eine deutliche Aufwertung. ari
Der chinesische Designer und Hochschullehrer Wu Guanying (吴冠英) ist tot. Wu sei am Dienstag im Alter von 67 Jahren gestorben, teilte die Akademie der Bildenden Künste der Tsinghua-Universität mit. Demnach habe Wu eine “schwere Erkältung” gehabt. Wu war der Hauptdesigner der Fuwa-Maskottchen für die Olympischen Spiele 2008 in Peking. Er designte auch die Kuh Fu Niu LeLe, das Maskottchen der Paralympischen Spiele 2008. Wu hatte zudem die Gedenkmünze zum 70. Jahrestag der Gründung der Volksrepublik China und mehrere Briefmarken gestaltet. Wu war 1955 in Zhongshan in der südchinesischen Provinz Guangdong geboren.
Wus letzter Beitrag auf der Social-Media-Plattform Weibo von Anfang Dezember zeigte ein Foto seiner Eingangstür. An dieser hatte er eine Zeichnung eines Hasen aufgehängt. Der Hase erklärt “Bitte lassen Sie die Expresslieferung vor der Tür stehen und legen Sie die Kleinteile bitte in den Karton. Danke schön!” Wu hinterließ unter dem Post einen Kommentar: “Sei trotzdem vorsichtig.” ari
Der Stahlkonzern Hebei Iron and Steel (Hisco) hat die erste Phase seines Demonstrationsprojekts zur wasserstoffgetriebenen Stahlherstellung in Betrieb genommen. Das neue Werk in Xuangang nördlich von Peking hat nach lokalen Berichten eine Kapazität von 1,2 Millionen Tonnen. Es wird durch ein mit Wasserstoff angereichertes Synthesegas – sogenannte Koksofengasen – betrieben. Die Anlage ist so angelegt, dass sie vollständig mit Wasserstoff betrieben werden kann, sobald ausreichend grüner Wasserstoff verfügbar ist. Es handelt sich nach Firmenangaben um die erste Anlage dieser Art in der Welt.
Weltweit wird daran gearbeitet, die Stahlindustrie langfristig auf Wasserstoff umzustellen. Thyssenkrupp, Arcelormittal in Hamburg und Chinas Baowu-Gruppe haben ähnliche Pilotprojekte gestartet, die unterschiedlich weit vorangekommen sind. Die Schwierigkeit dabei ist, dass der Produktionsprozess ein völlig anderer sein muss. Die Anlage in Hebei arbeitet mit der sogenannten Direktreduktionstechnologie. Dabei wird Eisenerz nicht aufgeschmolzen, sondern direkt in festem Zustand zu metallischem Eisen reduziert. Dieses Zwischenprodukt wird als DRI (“direct reduced iron” bzw. “direktreduziertes Eisen”) bezeichnet. Daraus entsteht dann der fertige Stahl.
Die Anlage in Hebei sei “ein entscheidender Meilenstein, der zeigt, dass DRI-Anlagen im kommerziellen Maßstab bereits jetzt mit H2 betrieben werden können”, schrieb der Stahlexperte Wido Witecka der Beratungsfirma Agora Energiewende am Mittwoch auf Twitter. Das Werk markiere den Beginn einer Ära.
Mithilfe des neuartigen Prozesses mit Wasserstoff will Hisco die CO2-Emissionen des Demonstrationsprojekts um 70 Prozent reduzieren. Pro Tonne Stahl würde der Ausstoß nur noch 0,5 Tonnen CO2 betragen, gegenüber 1,83 Tonnen bei der traditionellen Stahlerzeugung.
Laut dem offiziellen Klimaplan für den Stahlsektor soll dieser bis 2030 den Höchststand bei den CO2-Emissionen erreichen. Die Förderung der Forschung zu wasserstoffbasierter Stahlerzeugung ist Teil dieses Plans. (China.Table berichtete). Wasserstoff ist allerdings nur dann wirklich klimafreundlich, wenn er mithilfe erneuerbarer Energien hergestellt wird. Die Innere Mongolei wolle beispielsweise ab dem Jahr 2025 jährlich 500.000 Tonnen grünen Wasserstoff produzieren. Interessant sind zudem Aktivitäten wie der Einstieg des Solarmodulherstellers Longi in den Wasserstoffsektor. ck
“Am produktivsten bin ich im Nachgang zu Gesprächen – und bedauerlicherweise nachts”, verrät Jan Weidenfeld über seine Arbeitsweise am Mercator Institute for China Studies, kurz Merics. Denn Weidenfeld hört erst einmal zu. Am liebsten den Leuten, die eine andere Perspektive auf das deutsche und das europäische Verhältnis zu China haben. Am Abend, wenn die Telefone stillstehen, folgt der klare Blick und die Ausarbeitung von Handlungsoptionen für hiesige Akteure.
Doch bis hierhin war es ein langer Weg, der Weidefeld von seiner Heimat Krefeld in ein englisches Internat und zum Bachelorstudium nach Maastricht führte. “In der Blütezeit des europäischen Einigungsprozesses”, wie Weidenfeld sagt, studierte er in Maastricht European Studies und ging anschließend nach Cambridge, wo er 2008 seinen Master in internationalen Beziehungen machte.
2013 wurde er Analyst bei der renommierten US-Denkfabrik Rand Cooperation. Mit seiner Expertise im Bereich Wirtschafts- und Sicherheitspolitik geriet er allerdings schnell in den Blick des Merics-Instituts, das zu jener Zeit den Bereich Europäische Chinapolitik aufbaute. Chinapolitik europäisch zu denken, war zu dieser Zeit noch nicht selbstverständlich – aber eine große Chance für Jan Weidenfeld, der damals als Head der European China Policy Unit einstieg.
Seit 2021 ist er Director Policy and Advisory am Merics. Unverzichtbar sei das Gespräch mit Geschäftsleuten, Politikern und Beamten, sagt er: “Ich höre den Leuten gerne erst einmal zu, anstatt sie direkt mit unseren Analysen und Einschätzungen zu überfallen. Denn ich möchte immer erfahren, welche Herausforderungen meine Gesprächspartner konkret in ihrem Arbeitskontext sehen. Nur so können wir gemeinsam darüber sprechen, wie die künftigen Verflechtungen mit China gestaltet werden können.”
Zu tun gibt es genug. Denn spontane Lockdowns, der Einfluss der Kommunistischen Partei und die geopolitischen Spannungen sorgen in vielen deutschen Unternehmen in China für Sorgen. Von VW bis zum schwäbischen Mittelständler – überall finde eine Neubewertung Chinas statt, so Weidenfeld.
Trotzdem wollen viele Firmen in China bleiben und ihre Erfolgsgeschichten weiterschreiben. Das ist kurzfristig nachvollziehbar, aber ist es auch langfristig tragbar? Weidenfeld rät: “Es gilt weiterhin Opportunitäten zu nutzen, aber eben auf Sicht! Unternehmen müssen besser darauf achten, welche Teile ihrer Wertschöpfungskette sie in China integrieren und wie weit sie dabei gehen. Zugleich müssen sie ihre Abhängigkeiten vom chinesischen Absatzmarkt im Blick behalten.”
Mit Blick auf die anstehende Chinastrategie der Bundesregierung sagt Weidenfeld: “Es geht vor allem auch darum, die wandelnde Einschätzung zu China als Basis für deutsches Regierungshandeln festzuschreiben.” Deutschland, prognostiziert er, werde Chinas Rolle als Systemrivale und Wettbewerber hervorheben – auch weil China zunehmend ein Sicherheitsrisiko darstelle.
Wie weit die Meinungen über Chinas Einfluss auseinandergehen, hat die Debatte um die Teilübernahme eines Containerterminals des Hamburger Hafens der chinesischen Firma Cosco gezeigt. Jan Weidenfeld mahnt hier zu Rationalität. “Man hat unter den gegebenen Umständen einen passablen Kompromiss gefunden.” Dennoch rät er dazu, Mehrheitsbeteiligungen an kritischer Infrastruktur sowie Minderheitsbeteiligungen mit Mitspracherecht in Zukunft zu vermeiden.
Und er freut sich, dass diese Debatte nun laut und öffentlich geführt werde. China entfalte inzwischen eine Sprengkraft in den Parteien, im Parlament und in der Öffentlichkeit, erklärt er. Für Weidenfeld und seine Gesprächspartner gibt also genug zu besprechen, um gemeinsam die Chinapolitik der Zukunft mitzugestalten. Jonathan Kaspar Lehrer
Julia Leung wird ab Januar die neue Leiterin der Hongkonger Wertpapieraufsichtsbehörde SFC. Leung ist die erste Frau auf dem Posten und folgt Ashley Alder nach. Leung war vor ihrem Wechsel zu SFC 1994 viele Jahre als Journalistin bei Asian Wall Street Journal tätig.
Shi Gaolei ist seit Anfang Dezember Senior Manager ADAS Driving Systems bei Mercedes-Benz China. Shi war zuvor mehrere Jahre im Bereich Automated Driving Systems ebenfalls bei Mercedes in Peking tätig.
Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!
In unseren Personalien am 21.12.2022 haben wir fälschlich angegeben, dass Li Zhenan seit November Leiter der CDB Bildungsconsulting GmbH im hessischen Bad Camberg sei. Tatsächlich hat er das Unternehmen mit Sitz in Frankfurt schon 2017 gegründet und ist seitdem dort Geschäftsführer. Wir bitten unsere Leser und den Betroffenen, diesen Fehler zu entschuldigen.
Weihnachten in Taiwan ist wie in vielen Ländern Ostasiens vor allem ein Lichterfest. Zehntausende kommen in den Abendstunden in die Einkaufsstraßen und bestaunen die funkelnde Weihnachtsbeleuchtung der Shopping-Malls. Auch wenn inmitten der vielen Leuchtreklame von besinnlicher Zeit wenig zu spüren ist – rein kommerziell geht es nicht zu. Weihnachten ist in Taiwan nämlich auch: ein Pärchentag – allerdings weniger emotional aufgeladen als der ebenfalls importierte Valentinstag.
die chinesische Corona-Welle nähert sich offenbar schon ihrem vorläufigen Höhepunkt; erste Genesene kehren bereits wieder an den Arbeitsplatz zurück. Das bedeutet aber auch: Derzeit sind enorm viele Menschen akut krank. Mangels Zahlen lässt sich die Kurve zwar nicht abbilden. Es ist aber die Annahme erlaubt, dass sie in China steiler ist, als sie es in Deutschland je war.
Unsere Analyse bietet ein Stimmungsbild aus einem Land, in dem die Pandemie jetzt doch noch wütet. Die Frage, was das Infektionsgeschehen für die chinesische und die deutsche Wirtschaft bedeuten wird, konnten wir hier – ebenfalls mangels konkreter Daten – erst einmal nur anreißen.
Genau diese Frage war allerdings das Hauptthema der Economic Work Conference von Staat und Partei, die in der vergangenen Woche stattgefunden hat. Angesichts des sich aufbauenden Infektions-Tsunamis hatten wir dazu zunächst nur eine Meldung. Heute schauen wir noch einmal näher auf eine Kernbotschaft des wichtigen Treffens: Die Führung besinnt sich wieder auf Privatinvestoren – und findet sogar aufmunternde Worte für die ausländische Industrie.
Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre!
Die Pandemie-Lage in China gerät noch schneller außer Kontrolle als bereits befürchtet. Binnen einer Woche ist der Krankenstand in die Höhe geschossen. Firmenmitarbeiter in mehreren Regionen schätzen unabhängig voneinander, dass jetzt schon mehr als die Hälfte des Personals ausfällt. “Eine ganze Reihe von Unternehmen hat entweder geschlossen oder die Produktion heruntergefahren“, sagt Jörg Wuttke, Präsident der EU-Handelskammer.
Volkswagen fordert die verbliebenen gesunden Arbeiterinnen und Arbeiter am Werk Foshan auf, Überstunden zu machen, um den Betrieb aufrechterhalten zu können. Die nächste Sorge gilt einem Ausfall vieler Fernfahrer. Das würde die Logistik und damit auch die Lieferungen nach Europa erneut beeinträchtigen. Epidemiologen erwarten mehrere Infektionswellen mit einem ersten Höhepunkt in der nahen Zukunft. Der nächste Gipfel käme dann nach dem Neujahresfest Ende Januar.
Das Infektionsgeschehen wird ausgerechnet von Regeln befeuert, die der Wirtschaft einen unnötig hohen Krankenstand ersparen sollten. In Zhejiang, Anhui und Chongqing sollen Mitarbeiter auch dann zur Arbeit gehen, wenn sie infiziert sind, sofern sie keine Symptome haben. Das hält kurzfristig den Betrieb aufrecht, führt gleich im nächsten Schritt aber dazu, dass sich die verbliebenen Mitarbeiter ebenfalls anstecken.
Chinas Öffnung ist damit viel heftiger als die in Deutschland. In Deutschland war zumindest das Bemühen erkennbar, auch nach Abflauen der Wellen die wirksamsten Kontaktbeschränkungen zu erhalten. Wer frisch Covid-positiv ist, darf in den einigen Bundesländern auch heute noch nicht für einen Spaziergang vor die Tür gehen. In China fallen vielerorts nun auch diese Beschränkungen. In Deutschland war es durch die Kontaktbeschränkungen mehrfach gelungen, die Infektionskurve flach zu halten (“flatten the curve”). China lässt nun die hohe, steile “Wand” zu (China.Table berichtete).
Die Auswirkungen zeigen sich auch in der Hauptstadt Peking, die bisher von den Corona-Folgen abgeschirmt war. In vielen Compounds stapelt sich der Müll. Einige Restaurants und Läden öffnen nicht mehr täglich, sondern dann, wenn Mitarbeiter verfügbar sind.
Auf der E-Commerce-Seite Meituan verschwinden Shops immer wieder stundenweise – zuweilen noch während des Bezahlvorgangs. Supermärkte können oft keine Frischware mehr liefern. Dabei gehören die Straßen fast nur noch den Lieferfahrern. Wer nicht muss, geht nicht mehr auf die Straße. Auch in weit entfernten Provinzen wütet das Virus. “Hier sind alle krank”, berichtet eine Deutsche aus einem Dorf im südlich gelegenen Yunnan.
Besonders skurril und besorgniserregend: Die Teststationen scheinen nur noch negative Ergebnisse auszugeben. Wer positiv ist, erhält gar keinen Bescheid mehr. Das berichten unabhängig voneinander mehrere Personen in Peking, deren Schnelltests zu Hause positiv waren. Die Apps zeigten bei ihnen kein Resultat mehr. In Shanghai verlangen Kliniken ganz offiziell keinen Corona-Test mehr für den Zugang. China geht in den pandemischen Blindflug über.
Deutsche Reisende auf dem Weg in den Weihnachtsurlaub sind derzeit ebenfalls vom Corona-Chaos betroffen. Einige Fluggesellschaften verlangen weiterhin einen Beleg, dass die Reisenden keine Kontakte zu Infizierten hatten. Das wird durch das Fehlen zuverlässiger Tests möglicherweise einfacher, objektiv gesehen wird es allerdings durch die vielen Infektionen unmöglich. Air China verlangte von einem Passagier, ein Attest aus einem Krankenhaus vorzulegen. Diese sind aber bereits überall mit schweren Fällen überlastet.
Die Lage ist allen in China inzwischen bekannt. Die Propaganda-Phrase von der “Optimierung” der Null-Covid-Politik wird zum Gegenstand von Scherzen. Die geringe Verlässlichkeit der offiziellen Zahlen betrifft inzwischen sogar die Impfquote. Chinesische Medien berichten davon, dass Bürger als geimpft im System stehen, die die Spritze nie erhalten haben. Gregor Koppenburg/Finn Mayer-Kuckuk/rtr
Nach der Corona-Kehrtwende zeichnet sich auch die Kehrtwende im Umgang mit der ausländischen Wirtschaft ab. Die Economic Work Conference in der vergangenen Woche (China.Table berichtete) hinterlässt entscheidende Impulse für eine Rückbesinnung auf die Rolle internationaler Investoren für die chinesische Konjunktur.
Das Gremium kam am Donnerstag und Freitag zu seiner jährlichen Sitzung zusammen. Der Vorsitzende ist niemand anderes als Staatschef Xi Jinping. Ziel der Konferenz ist es, die Weichen für die wirtschaftliche Entwicklung im kommenden Jahr zu stellen. Die Betonung lag diesmal eindeutig auf einer kräftigen Förderung der Konjunktur. Alles andere hätte in der derzeitigen Lage ein verheerendes Signal gesendet. Die Wirtschaft ist nach fast drei Jahren Null-Corona-Diktatur bereits angeschlagen und wird nun vermutlich durch die Infektionswellen niedergezwungen.
Die Führung besinnt sich nun auf Quellen von Geschäftstätigkeit, die Peking zuletzt zugunsten einer sozialistischen und nationalistischen Agenda vernachlässigt hatte. “Die größte Veränderung in diesem Jahr scheint der verstärkte Fokus auf die Verbesserung des Geschäftsumfelds für ausländische und private Unternehmen zu sein”, so Adam Wolfe vom Analysehaus Absolute Strategy Research: “Das könnte dazu beitragen, verloren gegangenes Vertrauen wiederherzustellen.”
Im Vergleich zum Vorjahr hat sich der Ton der Führung gegenüber Investoren bemerkenswert verändert. “Ich habe Privatunternehmen immer unterstützt”, zitierte die Volkszeitung Xi am Wochenende nach der Wirtschaftskonferenz auf ihrer Titelseite. Vor einem Jahr wurde an gleicher Stelle noch vor “irrationaler Kapitalexpansion” und “barbarischem Wachstum” gewarnt.
Bei der diesjährigen Konferenz war nun plötzlich auch keine Rede mehr von der Umverteilungs-Kampagne für einen “allgemeinen Wohlstand”. Die hatte bei Chinas Wirtschaftselite für große Unruhe gesorgt. Vor allem Chinas Tech-Industrie dürfte Xis Wortwahl als klares Indiz dafür werten, dass der Crackdown gegen die Branche vorüber ist. Nun kann wieder aus dem Vollen geschöpft werden.
Auch für den kriselnden Immobilienmarkt gibt es gute Nachrichten. Der offizielle Slogan, dass “Wohnungen zum Leben sind, nicht für Spekulationen”, wurde zwar bei der Wirtschaftskonferenz wiederholt. Dennoch gab es klare Anzeichen für eine Abschwächung des Tons gegen die hoch verschuldeten Immobilienkonzerne des Landes. So soll laut Abschlussbericht ein”stabiles Wachstum” der Branche gewährleistet werden. “Wir denken, dass die Regierung entschlossen ist, dem Einbruch des Immobilienmarktes Einhalt zu gebieten”, schrieben Citic-Analysten in einem Bericht: “Die Politik wird wahrscheinlich weiter gelockert, bis der Markt Anzeichen einer Erholung zeigt.”
Als grober Fahrplan für das kommende Jahr zeichnet sich nach Einschätzung vieler Ökonomen nun folgendes Szenario ab: Chinas Wirtschaft wird wegen der Corona-Lage zunächst einen schwierigen Start ins Jahr haben. Spätestens im Frühsommer dürfte die Konjunktur dann jedoch deutlich Fahrt aufnehmen. Bis Ende 2023 könnte dann ein robustes Wachstum von rund fünf Prozent im Bereich des Möglichen liegen. Jörn Petring
Berlin hat Regierungsangaben zufolge die erste Charge von Biontech-Impfstoffen nach China geschickt (China.Table berichtete). Der Covid-Impfstoff aus Deutschland ist das erste ausländische Vakzin, das in die Volksrepublik geliefert wird. Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte am Mittwoch in Berlin, dass die Lieferung noch am selben Tag in Peking erwartet werde. Die chinesische Regierung habe die Bundesregierung in einer sogenannten Verbalnote unterrichtet, dass der Impfstoff von Biontech an Deutsche verabreicht werden dürfe. Eine allgemeine Zulassung gibt es in China aber noch nicht. Nach Angaben Hebestreits halten sich 20.000 Deutsche in der Volksrepublik auf.
Deutschen Staatsbürgern in China könne “in Kürze” ein Impfangebot gemacht werden, schrieb die deutsche Botschafterin in Peking, Patricia Flor, auf Twitter. Die Informationen der Botschaft im Überblick:
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bot einem Medienbericht zufolge in einem Telefonat mit Chinas Staatschef Xi Jinping weitreichendere deutsche Hilfe an. Das berichtete der “Spiegel”. Steinmeier habe Xi an das Kooperationsangebot der Bundesregierung erinnert und dabei auch die schnelle Verfügbarkeit des Biontech-Impfstoffs hervorgehoben. Es könne umgehend eine sehr hohe dreistellige Millionenzahl an Biontech-Dosen nach China geliefert werden, sagte Steinmeier dem Bericht zufolge. Bislang habe Peking das Angebot demnach aber abgelehnt. Steinmeier verwies Kreisen zufolge zudem auf eine mögliche Unterstützung des Robert-Koch-Instituts beim Kampf gegen die neue Coronakrise. ari
Der russische Ex-Präsident Dmitri Medwedew ist nach eigenen Angaben von Chinas Staatschef Xi Jinping zu Gesprächen empfangen worden. “Es waren äußerst nützliche Gespräche”, schrieb Medwedew, inzwischen Vizechef des russischen Sicherheitsrates, am Mittwoch laut der Deutschen Presse-Agentur in seinem Telegram-Kanal. Es sei dabei um die bilaterale Zusammenarbeit der Regierungsparteien sowie um die internationale Politik, darunter den Konflikt in der Ukraine gegangen, teilte er mit.
Medwedew ist als Chef der Kreml-Partei “Geeintes Russland” zumindest auf parteipolitischer Ebene in etwa Xi Jinping als Parteichef der Kommunisten in China gleichgestellt. Allerdings sind die politischen Vollmachten des russischen Ex-Präsidenten, im Gegensatz zu seinem Gastgeber in Peking, begrenzt. Die politischen Leitlinien in Russland gibt Kremlchef Wladimir Putin vor, dessen Grüße Medwedew nach China übermittelte. Der russische Ex-Präsident ist lediglich als Stellvertreter Putins im nationalen Sicherheitsrat noch in Entscheidungsprozesse einbezogen.
Medwedew galt während seiner Amtszeit von 2008 bis 2012 als verhältnismäßig liberaler und prowestlicher Vertreter Russlands. Seit Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine versucht er hingegen, sich als Hardliner zu profilieren. Beobachter vermuten, dass sich Medwedew mit diesem Imagewechsel wieder größeres politisches Gewicht verschaffen will – und perspektivisch als möglicher Nachfolger Putins ins Gespräch bringt. Der Empfang bei Xi Jinping bedeutet für ihn eine deutliche Aufwertung. ari
Der chinesische Designer und Hochschullehrer Wu Guanying (吴冠英) ist tot. Wu sei am Dienstag im Alter von 67 Jahren gestorben, teilte die Akademie der Bildenden Künste der Tsinghua-Universität mit. Demnach habe Wu eine “schwere Erkältung” gehabt. Wu war der Hauptdesigner der Fuwa-Maskottchen für die Olympischen Spiele 2008 in Peking. Er designte auch die Kuh Fu Niu LeLe, das Maskottchen der Paralympischen Spiele 2008. Wu hatte zudem die Gedenkmünze zum 70. Jahrestag der Gründung der Volksrepublik China und mehrere Briefmarken gestaltet. Wu war 1955 in Zhongshan in der südchinesischen Provinz Guangdong geboren.
Wus letzter Beitrag auf der Social-Media-Plattform Weibo von Anfang Dezember zeigte ein Foto seiner Eingangstür. An dieser hatte er eine Zeichnung eines Hasen aufgehängt. Der Hase erklärt “Bitte lassen Sie die Expresslieferung vor der Tür stehen und legen Sie die Kleinteile bitte in den Karton. Danke schön!” Wu hinterließ unter dem Post einen Kommentar: “Sei trotzdem vorsichtig.” ari
Der Stahlkonzern Hebei Iron and Steel (Hisco) hat die erste Phase seines Demonstrationsprojekts zur wasserstoffgetriebenen Stahlherstellung in Betrieb genommen. Das neue Werk in Xuangang nördlich von Peking hat nach lokalen Berichten eine Kapazität von 1,2 Millionen Tonnen. Es wird durch ein mit Wasserstoff angereichertes Synthesegas – sogenannte Koksofengasen – betrieben. Die Anlage ist so angelegt, dass sie vollständig mit Wasserstoff betrieben werden kann, sobald ausreichend grüner Wasserstoff verfügbar ist. Es handelt sich nach Firmenangaben um die erste Anlage dieser Art in der Welt.
Weltweit wird daran gearbeitet, die Stahlindustrie langfristig auf Wasserstoff umzustellen. Thyssenkrupp, Arcelormittal in Hamburg und Chinas Baowu-Gruppe haben ähnliche Pilotprojekte gestartet, die unterschiedlich weit vorangekommen sind. Die Schwierigkeit dabei ist, dass der Produktionsprozess ein völlig anderer sein muss. Die Anlage in Hebei arbeitet mit der sogenannten Direktreduktionstechnologie. Dabei wird Eisenerz nicht aufgeschmolzen, sondern direkt in festem Zustand zu metallischem Eisen reduziert. Dieses Zwischenprodukt wird als DRI (“direct reduced iron” bzw. “direktreduziertes Eisen”) bezeichnet. Daraus entsteht dann der fertige Stahl.
Die Anlage in Hebei sei “ein entscheidender Meilenstein, der zeigt, dass DRI-Anlagen im kommerziellen Maßstab bereits jetzt mit H2 betrieben werden können”, schrieb der Stahlexperte Wido Witecka der Beratungsfirma Agora Energiewende am Mittwoch auf Twitter. Das Werk markiere den Beginn einer Ära.
Mithilfe des neuartigen Prozesses mit Wasserstoff will Hisco die CO2-Emissionen des Demonstrationsprojekts um 70 Prozent reduzieren. Pro Tonne Stahl würde der Ausstoß nur noch 0,5 Tonnen CO2 betragen, gegenüber 1,83 Tonnen bei der traditionellen Stahlerzeugung.
Laut dem offiziellen Klimaplan für den Stahlsektor soll dieser bis 2030 den Höchststand bei den CO2-Emissionen erreichen. Die Förderung der Forschung zu wasserstoffbasierter Stahlerzeugung ist Teil dieses Plans. (China.Table berichtete). Wasserstoff ist allerdings nur dann wirklich klimafreundlich, wenn er mithilfe erneuerbarer Energien hergestellt wird. Die Innere Mongolei wolle beispielsweise ab dem Jahr 2025 jährlich 500.000 Tonnen grünen Wasserstoff produzieren. Interessant sind zudem Aktivitäten wie der Einstieg des Solarmodulherstellers Longi in den Wasserstoffsektor. ck
“Am produktivsten bin ich im Nachgang zu Gesprächen – und bedauerlicherweise nachts”, verrät Jan Weidenfeld über seine Arbeitsweise am Mercator Institute for China Studies, kurz Merics. Denn Weidenfeld hört erst einmal zu. Am liebsten den Leuten, die eine andere Perspektive auf das deutsche und das europäische Verhältnis zu China haben. Am Abend, wenn die Telefone stillstehen, folgt der klare Blick und die Ausarbeitung von Handlungsoptionen für hiesige Akteure.
Doch bis hierhin war es ein langer Weg, der Weidefeld von seiner Heimat Krefeld in ein englisches Internat und zum Bachelorstudium nach Maastricht führte. “In der Blütezeit des europäischen Einigungsprozesses”, wie Weidenfeld sagt, studierte er in Maastricht European Studies und ging anschließend nach Cambridge, wo er 2008 seinen Master in internationalen Beziehungen machte.
2013 wurde er Analyst bei der renommierten US-Denkfabrik Rand Cooperation. Mit seiner Expertise im Bereich Wirtschafts- und Sicherheitspolitik geriet er allerdings schnell in den Blick des Merics-Instituts, das zu jener Zeit den Bereich Europäische Chinapolitik aufbaute. Chinapolitik europäisch zu denken, war zu dieser Zeit noch nicht selbstverständlich – aber eine große Chance für Jan Weidenfeld, der damals als Head der European China Policy Unit einstieg.
Seit 2021 ist er Director Policy and Advisory am Merics. Unverzichtbar sei das Gespräch mit Geschäftsleuten, Politikern und Beamten, sagt er: “Ich höre den Leuten gerne erst einmal zu, anstatt sie direkt mit unseren Analysen und Einschätzungen zu überfallen. Denn ich möchte immer erfahren, welche Herausforderungen meine Gesprächspartner konkret in ihrem Arbeitskontext sehen. Nur so können wir gemeinsam darüber sprechen, wie die künftigen Verflechtungen mit China gestaltet werden können.”
Zu tun gibt es genug. Denn spontane Lockdowns, der Einfluss der Kommunistischen Partei und die geopolitischen Spannungen sorgen in vielen deutschen Unternehmen in China für Sorgen. Von VW bis zum schwäbischen Mittelständler – überall finde eine Neubewertung Chinas statt, so Weidenfeld.
Trotzdem wollen viele Firmen in China bleiben und ihre Erfolgsgeschichten weiterschreiben. Das ist kurzfristig nachvollziehbar, aber ist es auch langfristig tragbar? Weidenfeld rät: “Es gilt weiterhin Opportunitäten zu nutzen, aber eben auf Sicht! Unternehmen müssen besser darauf achten, welche Teile ihrer Wertschöpfungskette sie in China integrieren und wie weit sie dabei gehen. Zugleich müssen sie ihre Abhängigkeiten vom chinesischen Absatzmarkt im Blick behalten.”
Mit Blick auf die anstehende Chinastrategie der Bundesregierung sagt Weidenfeld: “Es geht vor allem auch darum, die wandelnde Einschätzung zu China als Basis für deutsches Regierungshandeln festzuschreiben.” Deutschland, prognostiziert er, werde Chinas Rolle als Systemrivale und Wettbewerber hervorheben – auch weil China zunehmend ein Sicherheitsrisiko darstelle.
Wie weit die Meinungen über Chinas Einfluss auseinandergehen, hat die Debatte um die Teilübernahme eines Containerterminals des Hamburger Hafens der chinesischen Firma Cosco gezeigt. Jan Weidenfeld mahnt hier zu Rationalität. “Man hat unter den gegebenen Umständen einen passablen Kompromiss gefunden.” Dennoch rät er dazu, Mehrheitsbeteiligungen an kritischer Infrastruktur sowie Minderheitsbeteiligungen mit Mitspracherecht in Zukunft zu vermeiden.
Und er freut sich, dass diese Debatte nun laut und öffentlich geführt werde. China entfalte inzwischen eine Sprengkraft in den Parteien, im Parlament und in der Öffentlichkeit, erklärt er. Für Weidenfeld und seine Gesprächspartner gibt also genug zu besprechen, um gemeinsam die Chinapolitik der Zukunft mitzugestalten. Jonathan Kaspar Lehrer
Julia Leung wird ab Januar die neue Leiterin der Hongkonger Wertpapieraufsichtsbehörde SFC. Leung ist die erste Frau auf dem Posten und folgt Ashley Alder nach. Leung war vor ihrem Wechsel zu SFC 1994 viele Jahre als Journalistin bei Asian Wall Street Journal tätig.
Shi Gaolei ist seit Anfang Dezember Senior Manager ADAS Driving Systems bei Mercedes-Benz China. Shi war zuvor mehrere Jahre im Bereich Automated Driving Systems ebenfalls bei Mercedes in Peking tätig.
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In unseren Personalien am 21.12.2022 haben wir fälschlich angegeben, dass Li Zhenan seit November Leiter der CDB Bildungsconsulting GmbH im hessischen Bad Camberg sei. Tatsächlich hat er das Unternehmen mit Sitz in Frankfurt schon 2017 gegründet und ist seitdem dort Geschäftsführer. Wir bitten unsere Leser und den Betroffenen, diesen Fehler zu entschuldigen.
Weihnachten in Taiwan ist wie in vielen Ländern Ostasiens vor allem ein Lichterfest. Zehntausende kommen in den Abendstunden in die Einkaufsstraßen und bestaunen die funkelnde Weihnachtsbeleuchtung der Shopping-Malls. Auch wenn inmitten der vielen Leuchtreklame von besinnlicher Zeit wenig zu spüren ist – rein kommerziell geht es nicht zu. Weihnachten ist in Taiwan nämlich auch: ein Pärchentag – allerdings weniger emotional aufgeladen als der ebenfalls importierte Valentinstag.