Table.Briefing: China

Chinas steigende Gasimporte + Li Shuo von Greenpeace in Peking

  • Chinas Abhängigkeit von Gasimporten wächst
  • E-Auto-Bauer Nio drängt nach Europa
  • Wirtschaftsplaner: 2022 steht Wachstum vor Klimazielen
  • Einige Unternehmen müssen CO2-Daten offenlegen
  • Im Portrait: Li Shuo von Greenpeace in Peking
Liebe Leserin, lieber Leser,

beim Umbau des chinesischen Energiesystems steht ein Thema an oberster Stelle: die Energiesicherheit. Die Abkehr von der Kohle, hin zu erneuerbaren Energien wird nicht allzu abrupt ablaufen. Die jüngste Stromkrise und fast schon regelmäßige lokale Stromausfälle über die letzten Jahre haben der Regierung die Notwendigkeit eines stabilen Wandels aufgezeigt. Gas wird dabei eine entscheidende Rolle spielen – sein Anteil am Energiemix steigt schon seit Jahren. China heizt vor allem mit importiertem Gas und ist von seinen Lieferanten abhängig, analysiert Christiane Kühl. Chinas Lösung? Mehr Gas vom Partner Russland statt vom Rivalen USA.

Im Portrait stellen wir Ihnen heute Li Shuo vor. Er ist Campaigner bei Greenpeace Ostasien in Peking. Bei der größten internationalen NGO in China arbeitet er zu den Themen Klima, Energiepolitik, Luftverschmutzung, Wasser und Biodiversität. Doch die Arbeit von Greenpeace in China unterscheidet sich stark von der im westlichen Ausland, wie Juliane Scholübbers im Gespräch mit Li Shuo erfuhr.

Im Verkehrssektor ist es Deutschland noch nicht gelungen, die CO2-Emissionen zu senken. Doch langsam drängen immer mehr E-Autos auf den Markt. Der chinesische Anbieter Nio will ebenfalls ein Stück des Kuchens und drängt zunehmend nach Europa. Christian Domke Seidel sprach mit Zhang Hui, Vice President von Nio Europe, über die Pläne des Unternehmens und neue Ansätze, Kunden zu überzeugen.

Ihr
Nico Beckert
Bild von Nico  Beckert

Analyse

Mehr Gas für den Winter

Schon länger ist China der größte Erdölimporteur der Welt. Seit 2018 führt es auch mehr Erdgas ein als jedes andere Land. Dabei nimmt Flüssiggas einen immer größeren Anteil ein. Und so könnte China 2021 Japan auch als größter Importeur von Flüssiggas (Liquefied Natural Gas/LNG) überholen. In diesem Herbst trieb die Energiekrise im Land – nur Wochen vor dem Einsetzen des kalten nordchinesischen Winters – die Nachfrage trotz horrender Gaspreise weiter nach oben.

Zwar besitzt China eigene Gasvorkommen. Seine eingelagerten Gasreserven lagen 2020 bei 14,8 Billionen Kubikmetern. Trotzdem wurde das Gas im Sommer knapp. Während Erdgas durch die Pipelines etwa aus Russland regelmäßig einströmt, muss LNG mit Spezialfrachtern verschifft werden.

Normalerweise kauft China das Flüssiggas für den Winter im zweiten Halbjahr jeden Jahres. Doch die Erholung nach der Pandemie war so überraschend dynamisch ausgefallen, dass der Energiebedarf höher war als erwartet. Hinzu kamen die Stromausfälle im Sommer. Beides führte im zweiten Quartal zu einem saisonal untypischen LNG-Nachfragehoch. Chinas LNG-Importe lagen im ersten Halbjahr um 28 Prozent über dem durch Corona eher niedrigen Vorjahresniveau. Die Weltmarktpreise für Gas stiegen in dieser Zeit rasant. Im Juli zogen sich Chinas Gaskäufer daher aus den überteuerten Spot-Märkten für Flüssiggas weitgehend zurück – um nur wenig später hektisch dorthin zurückzukehren. Die LNG-Importe des Landes schwankten zwischen März und Oktober daher stark.

Nach Angaben der Nationalen Energiebehörde NEA wird Chinas Gesamtgasbedarf voraussichtlich auf 365 bis 370 Milliarden Kubikmeter (bcm) steigen und damit um 11 bis 13 Prozent höher liegen als 2020. Diese Zuwächse liegen deutlich über den Erwartungen vieler Analysten. IHS Markit etwa war von etwa sechs Prozent Nachfragewachstum in den Jahren 2021 bis 2025 ausgegangen.

Schließlich schaltete sich inmitten der Energiekrise die Nationale Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC) ein. Sie werde beim Ausbau der heimischen Gasproduktion und bei der Einfuhr von LNG-Spotmärkten helfen. In einem eilig einberufenen Treffen wies die NDRC die staatlichen Öl- und Gaskonzerne Petrochina, Sinopec und CNOOC an, alles zu tun, damit im Winter genug Erdgas da ist.

Erdgas für die Klimapolitik

Die NDRC habe bereits knapp 175 Milliarden Kubikmeter Gas ordern lassen, berichtete der Fachdienst Natural Gas Intelligence Mitte November. Das reiche fast für die Heizsaison Mitte November bis Mitte März. Auch im vergangenen Jahr wurde im Winter das Gas knapp. Dieses Jahr befürchten Meteorologen, dass der Winter wegen des Klimaphänomens La Niña besonders kalt wird. Doch China will nicht nur warm durch die kalte Jahreszeit kommen. Es geht auch um langfristige Energiesicherheit. Dazu muss China seine eigene Gasproduktion schneller ausbauen. Aber es wird dennoch nicht um Erdgas aus dem Ausland herumkommen.

Der Anteil des Erdgases am Energie-Mix soll auch im Rahmen der Klimapolitik steigen. Die Treibhausgas-Emissionen liegen bei Gas niedriger als bei Kohle oder Erdöl. Es gilt daher als wichtiger Rohstoff für den Übergang zur klimaneutralen Energiegewinnung. Im Vor-Corona-Jahr 2019 machte Erdgas in China nach Angaben der Internationalen Energie-Agentur IEA nur rund acht Prozent des Energieverbrauchs aus (10.390.620 Terajoule/TJ). Der Großteil davon fließt seit der Umstellung von Kohle- auf Gasheizungen in den Nullerjahren in die Raumwärme. Der für die Stromerzeugung abgezweigte Anteil ist minimal.

China importiert überhaupt erst seit 2006 Erdgas. Das erste LNG kam 2006 aus Australien, das erste Pipeline-Gas folgte 2010 aus Zentralasien. Seither nimmt die Importabhängigkeit des energiehungrigen Landes immer weiter zu. Am meisten LNG bezieht die Volksrepublik aus Australien, gefolgt von den USA und Katar. Sowohl mit Washington als auch mit Canberra befindet Peking sich allerdings seit Monaten im Konflikt über Machtansprüche, Handelsfragen, Menschenrechte oder die Sicherheit im Indopazifik.

Der Import ausgerechnet aus den Ländern, mit denen China im Clinch liegt, verdeutlicht die Nachteile der LNG-Strategie. Dass Peking aus diesen Staaten trotzdem immer mehr LNG beziehen muss, ist ein handfester geopolitischer Nachteil. Schon 2018 lag der Importanteil an Chinas Gasverbrauch bei 43 Prozent, davon 60 Prozent LNG. Dieser Anteil ist heute noch ähnlich; im September lag er bei gut 63 Prozent.

LNG: Abhängigkeit von geopolitischen Rivalen

Der Boom US-amerikanischen LNG in Chinas Energiemix ist dabei noch relativ jung. Anfang Januar 2020 sagte Chinas Unterhändler Liu He den USA – damals noch unter Ex-Präsident Donald Trump – in einem ersten Abkommen zur Lösung des Konflikts Energiekäufe im Tausch gegen Zollsenkungen zu. China verpflichtete sich, 2020 zusätzlich Rohstoffe für 18,5 Milliarden Dollar und 2021 für sogar 33,9 Milliarden Dollar aus den USA zu beziehen, je im Vergleich zu 2017. Von Januar bis August 2021 importierte China 5,44 Millionen Tonnen LNG aus den USA, 375 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. “Und China wird voraussichtlich noch mehr LNG-Importe aus den USA bekommen, da mindestens fünf chinesische Unternehmen in fortgeschrittenen Gesprächen sind, um sich langfristige LNG-Lieferungen von US-Exporteuren zu sichern”, zitierte die China Daily die Analystin Li Ziyue von Bloomberg New Energy Finance.

Sinopec schloss mit dem US-Exporteur Venture Global LNG einen Liefervertrag über 20 Jahre. Doch nicht nur die großen Drei, sondern auch kleinere Firmen bestellen in Amerika: lokale Gaslieferanten wie zum Beispiel Zhejiang Energy, Stromfirmen oder andere Unternehmen, die mitverdienen wollen. So schloss laut Reuters etwa die privat geführte ENN Natural Gas Co. im Sommer einen 13-Jahresvertrag mit Cheniere Energy; es war der erste größere Gas-Deal zwischen beiden Ländern seit 2018.

LNG lässt sich aber nicht einfach mal eben liefern. Um den Handel nachhaltig auszubauen, müssen sogenannte LNG-Terminals an der Küste entstehen. Die Anlagen dort können das Gas so stark abkühlen, dass es sich verflüssigt. Analysten sehen in den begrenzten Kapazitäten in China derzeit noch ein Hemmnis für eine rasante Ausweitung der Importe. Doch der Aufbau erfolgt so schnell wie eben vieles, das in China politisch gewollt wird. 2018 hatte China zehn LNG-Terminals, 2019 schon über 20. Weitere zehn sind im Bau oder geplant; und sie werden immer größer. In Yantai, Provinz Shandong, begann Sinopec im Dezember der Bau eines LNG-Terminals mit einer Kaianlage für LNG-Frachter, vier Tanks und Anlagen zur Weiterleitung des durch Erwärmung wieder gasförmig gemachten Rohstoffs. Sinopec und andere Konzerne errichten zudem riesige unterirdische Gas-Lagerstätten.

Neue Pipelines für Differenzierung der Gaslieferanten

Um den Gasbedarf zu decken und nicht zu abhängig vom LNG zu werden, setzt China parallel auf verstärkte Lieferungen von Erdgas aus den riesigen sibirischen Feldern Russlands. So soll die Gasmenge, die Russland durch die “Power of Siberia”-Pipeline täglich nach China pumpt, bis Jahresende gegenüber dem Stand vom August um die Hälfte steigen. Die russischen Lieferungen sind auch geopolitisch hochwillkommen, da sie Chinas Lieferanten-Pool diversifizieren. Schon jetzt ist der Gas-Handel zwischen China und Russland in diesem Jahr um 60 Prozent höher als im Vorjahreszeitraum, teilt die NEA mit. Petrochina hat bereits angekündigt, die Bestellungen über die Pipeline deutlich zu erhöhen, um im Olympia-Winter genug Gasvorräte zu haben.

Auch die Lieferungen über Pipelines aus Myanmar, Kasachstan und anderen Staaten Zentralasiens werden voraussichtlich steigen. Insgesamt erwartet der Preisinformationsdienst S&P Global Platts, dass Chinas Pipeline-Gasimporte mit 162 Millionen Kubikmeter pro Tag in dieser Heizsaison um 19 Prozent höher liegen als vor einem Jahr.

Die heimische Gasproduktion aus existierenden und neuen Gasfeldern will China ebenfalls steigern. Dazu gehören auch Offshore-Gasvorkommen. Im Juni nahm CNOOC zum Beispiel das erste von China erschlossene Gasfeld im Südchinesischen Meer namens Linshui 17-2 in Betrieb. Auch diese Expansion in umstrittene Territorien dürfte geopolitische Fragen aufwerfen.

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    “Wir wollen eine Nio-Community schaffen”

    Zhang Hui ist Vizepräsident von Nio in Europa
    Zhang Hui ist Vizepräsident von Nio in Europa

    Herr Zhang, welches Image soll Nio in Europa haben?

    Ganz oben steht unsere Mission ‘shape a joyful lifestyle’. Das ist der Grund, warum William Li 2014 dieses Unternehmen gegründet hat. Er wollte mithilfe der Technologien im Bereich Smart Electric Vehicle eine Plattform erschaffen, auf der Nio und die sogenannten ‘User von Nio’ miteinander ein positives Lebensgefühl, Freude und ihre Erfahrungen mit der Marke teilen und sich weiterentwickeln können. Es ist uns gelungen, dieses Image in China zu etablieren. Uns ist wichtig, dieses Image nun auch im europäischen Markt zu haben.

    Wie soll so ein Image transportiert werden?

    Unterschiedliche Aspekte führen zu diesem Image. Nio ist eine Premium-Marke. Wir bestehen auf die höchsten Qualitätsstandards. Der zweite Aspekt ist die Sicherheit. Der ES8, den wir seit Ende September auf dem norwegischen Markt haben, erhielt fünf Sterne beim EuroNCAP Crashtest. Punkt drei ist das Design. Auf diesen Säulen ruht das Image. Daneben steht unsere User-Community. Das Community-Feeling, das wir in China schon haben, soll es auch in Europa geben.

    Europäische Kunden gelten als weniger technikaffin als chinesische. Wie soll hierzulande das Communitybuilding funktionieren?

    Ich würde nicht sagen, dass die europäische Gesellschaft weniger Erfahrung mit Communitys hat. Youtube, Facebook, WhatsApp, Airbnb, Miles and More, Payback schaffen das bereits. Es geht nun darum, das auch im Mobilitätsbereich zu machen. Die Autoindustrie hat jedoch seit 130 Jahren eine andere Wertschöpfungskette. Das heißt andererseits nicht, dass man das nicht ändern kann. In Norwegen wollten wir vor dem Start ein User Advisory Board (UAB) gründen. Ziel war es, 200 User zu finden, weil Norwegen mit 5,5 Millionen Einwohnern ein kleines Land ist. Wir haben aber sogar 600 Bewerbungen bekommen. Nach der Eröffnung vom Nio House in Oslo kommen inzwischen bis zu 2.000 Besucher pro Tag. Viele davon nehmen an Events und Aktivitäten im Nio House teil. Wenn die Themen richtig und wichtig sind, ziehen wir eine Gruppe von Leuten an, auf deren Basis wir die Community gründen können.

    Europäische Kunden sind chinesischen Marken gegenüber sehr kritisch. Wie wollen sie die Akzeptanz erhöhen?

    Wir müssen Fakten schaffen.

    Dafür müssen die Leute ins Auto.

    Das gehört zu unserer Strategie. Wir wollen den Menschen die Möglichkeit bieten, über Testfahrten und andere Kanäle Zugang zum Fahrzeug zu bekommen. In China gibt es ein Sprichwort: ‘Etwas tausendmal zu hören ist nicht so überzeugend, wie es einmal gesehen zu haben.’

    Wie kommen die Pläne in Europa voran?

    Wir haben in Norwegen angefangen. 2022 starten wir in Deutschland und Schweden. Aber auch die anderen europäischen Märkte werden kommen. Zu den Stückzahlen kann ich keine genauen Angaben machen, aber wir wollen in naher Zukunft ein signifikanter Player im Premiumsegment sein. Das ist unser Ziel. In Europa haben wir derzeit rund 200 Mitarbeiter, verteilt auf unsere Standorte in München, Oxford und Oslo. In München ist unser europäisches und globales Headquarter für das Design. In Oxford betreiben wir Forschung und Entwicklung im Bereich ‘advanced engineering’ und in Oslo befindet sich die erste Vertriebs- und Service-Zentrale.

    Was bedeutet ‘advanced engineering’?

    Das bezieht sich auf die Fahrzeugarchitektur. Im Silicon Valley und in Shanghai forschen wir an der Künstlichen Intelligenz.

    Wie laufen Verkauf und Vertrieb in Europa ab?

    Für den Vertrieb haben wir sowohl ein Nio House als auch einen Nio Space. Das erste Nio House ist in Oslo. Es ist das erste außerhalb Chinas. Dort präsentieren wir die Autos und kommen mit den Kunden zusammen. Es wird also auch als Community-Place genutzt. Der Nio Space ist der zweite Point-of-sale. Es ist eine verkleinerte Form des Nio House. Für den Service haben wir ein Hybrid Modell. Einerseits ein eigener Service, andererseits ein Partner-Netzwerk. Das erste Nio Servicecenter wird zeitnah in Norwegen eröffnet.

    Ihre Mitbewerber haben in beinahe jedem Ort Niederlassungen. Ist das ein Ziel von Nio?

    Wie die Kollegen aus Wolfsburg aufgestellt sind, ist historisch bedingt. Uns ist bewusst, dass die Dichte des Netzwerks eine Rolle spielt. Deswegen wollen wir neue Formen anbieten – beispielsweise einen Service-Wagen. Den haben wir schon auf dem norwegischen Markt gelauncht. Das Partnernetzwerk dient dazu, dass wir zusätzlich in geografischer Nähe zum Kunden sind. Uns ist aber klar, dass nicht über Nacht ein paar tausend Service-Standorte entstehen. Wir glauben aber, dass wir über digitale Tools ein ähnliches Ergebnis erreichen können, wie der Wettbewerb.

    Gibt es Unterschiede zwischen europäischen und chinesischen Nio-Modellen?

    Im Grund genommen nicht. Weil wir für die Fahrzeuge von Beginn an ein internationales Design angestrebt haben. Es gibt keine Autos, die exklusiv nur für Europa oder China entwickelt werden. Wir passen nur Details an, die für die Funktionalität des Autos essentiell sind. Die Ladeklappe zum Beispiel. Aufgrund der unterschiedlichen Ladestandards in China und Europa sind die anders gebaut.

    Chinesische Autos haben meist kein fest integriertes Navi.

    In Europa haben wir unseren Navi-Service-Provider. Wir arbeiten für den ES8 mit TomTom zusammen.

    Auch das klassische Autoradio gibt es in China nicht.

    Wir haben ein Digitalradio im Angebot. Wir brauchen den lokalen Content und die lokalen Partner für unsere Kunden in Europa.

    Firmengründer Li hat eine Produktion in Europa nicht ausgeschlossen. Die Beteiligung an Lotus hat deswegen die Spekulationen angeheizt.

    Aktuell kann ich nur sagen, dass wir derzeit keine Produktion in Europa planen. Lotus ist ein anderes Thema. Nio Capital hat sich an Lotus beteiligt. Das ist eine unabhängige Firma, die den Namen Nio trägt – auch wenn Nio natürlich beteiligt ist.

    War die globale Strategie von Nio von Anfang an geplant?

    Das kann ich nur bestätigen. Es war von Anfang an das Ziel, ein globales Unternehmen aufzubauen. Eine Premiummarke muss global präsent sein. Es ist aber auch klar, dass dieses Ziel Schritt für Schritt erreicht werden muss. Von 2014 bis 2018 haben wir uns auf die Entwicklung des ersten Fahrzeugs konzentriert. Jetzt ist die Zeit gekommen, um ins Ausland zu gehen, was wir mit dem Markteintritt in Norwegen auch getan haben.

    Was haben sie bisher in Europa gelernt?

    Erstens, dass technische Anpassungen gemacht werden müssen: der Ladeanschluss, die Content-Provider, das Navi. Zweitens, dass Europa kein einzelner Markt ist, sondern aus 47 Ländern besteht, die von regionalen Kulturunterschieden geprägt sind. Und drittens haben wir gelernt, dass ein lokales Team für die lokalen Kunden wichtig ist. Der europäische Markt ist außerdem anders geprägt als der chinesische. Die Art unterscheidet sich von Land zu Land. Ein Beispiel: In China werden über 90 Prozent der Autos an Privatkunden verkauft. In Deutschland sind sechzig bis siebzig Prozent der Premium-Autos Dienstwagen. Das macht einen großen Unterschied in Bezug auf Angebot und Service.

    Im Oktober sind die Verkaufszahlen eingebrochen. Woran lag das?

    Die Zahlen im Oktober sind auf ein Fabrikupdate, das wir durchgeführt haben, zurückzuführen. In der einzigen Fabrik, in der wir Fahrzeuge herstellen, sind dadurch die Produktionsstückzahlen zurückgegangen.

    Die Halbleiter-Knappheit war kein Grund?

    Sicherlich ist auch Nio ein Unternehmen, das darunter leidet. Unsere Verkaufszahlen sind aber noch nicht zehn oder zwanzig Mal so hoch wie die mancher Mitbewerber. Wir hoffen, wie die ganze Industrie, dass sich die Situation Mitte nächsten Jahres deutlich verbessert hat.

    Startups in der Mobilitätsbranche brauchen viel Geld und Know-how. Sie haben prominente Investoren. Was haben die, außer Geld, eingebracht?

    Investoren sind Investoren. Nio funktioniert eigenständig. Aber zusätzlich bringen die jeweiligen Investoren Netzwerke in der gesamten Wertschöpfungskette mit ein. Sie erleichtern den Zugang zu bestimmten Ecosystemen. Gemeinsam können so bessere Kooperationen erreicht werden.

    Die chinesische Elektroautomarke Nio hat bis einschließlich November 80.940 Autos ausgeliefert – vor allem in China. Hinter der Firma stehen große Investoren wie Tencent und Baidu; sie gilt deshalb als das bekannteste Start-up im chinesischen Mobilitätssektor. Nio wurde daher von Anfang an immer wieder in einem Atemzug mit Tesla genannt. Nach einer Kursrallye war die Marke an der Börse zwischenzeitlich sogar mehr wert als BMW. Im Jahr 2022 werden erste Modelle auch in Deutschland zu haben sein.

    Zhang Hui ist ein Globetrotter. Der 49-Jährige lebt und arbeitet hauptsächlich in München, wo Nio sein globales Design-Headquarter hat. Regelmäßiges Pendeln nach Oslo und Shanghai ist daher Pflicht. Zhang kennt es nicht anders. Er hat in Peking, Pforzheim und Utah Wirtschaft studiert. Im Jahr 2002 begann seine Karriere beim Maschinenbauer Voith AG (Heidenheim) und dem Automobilzulieferer Kiekert (Heiligenhaus). 2010 übernahm er den Posten als General Managers bei Lotus China. Nach einem Zwischenspiel als Vorstandsmitglied beim Elektronikhersteller Leoni kam er zu Nio, wo er seit dem Jahr 2016 als Vice President Europe tätig ist.

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      • Autoindustrie

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      Wachstum vor Klimazielen

      China will pauschale Beschränkungen des Energieverbrauchs lockern. Damit soll sichergestellt werden, dass die Umwelt- und Klimaziele des Landes nicht das Wirtschaftswachstum untergraben oder die Energiesicherheit gefährden. Das beschloss die Elite der Kommunistischen Partei auf der alljährlichen “Central Economic Work Conference” des Zentralkomitees. Diese Konferenz ist ein wichtiges wirtschaftliches Planungstreffen und legt die wirtschaftliche Agenda für das nächste Jahr fest.

      Chinas wirtschaftliche Aufgabe im Jahr 2022 sei es, “der Stabilität Priorität einzuräumen”, teilte die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua nach dem Ende der Konferenz am vergangenen Freitag mit. So langsam schälen sich die Details heraus. Die Volksrepublik wird demnach dazu übergehen, die Kohlendioxidemissionen aus dem Gesamtenergieverbrauch zu begrenzen, um seine Umweltziele zu erreichen. Das soll die bisherigen Zielvorgaben für den Energieverbrauch ersetzen.

      Der Fokus liegt in Zukunft also nicht mehr auf dem Energieverbrauch, sondern auf der Senkung des CO2-Ausstoßes. China wolle so schnell wie möglich von diesen Energieverbrauchszielen zu einer “doppelten Kontrolle” sowohl der gesamten CO2-Emissionen als auch der CO2-Intensität übergehen, hieß es in dem Papier. “Dies entfacht die Hoffnung, dass China ein Ziel für eine Obergrenze für die Gesamt-CO2-Emissionen festlegen wird”, sagte Li Shuo von Greenpeace Ostasien. Die neue Vorgabe könnte zum Beispiel zu einer stärkeren Ausweitung der erneuerbaren Energien führen. Denn die die Vorgabe, den Energieverbrauch zu kontrollieren, habe auch die Produktion von Erneuerbaren beeinflusst.

      China hatte sich bislang strenge nationale und regionale Ziele für den Gesamtenergieverbrauch und die Energieintensität gesetzt – also die Menge an Energie, die pro Einheit Wirtschaftswachstum verbraucht wird. Einige Provinzen mit hohem Energieverbrauch haben jedoch Schwierigkeiten, diese Ziele zu erreichen.

      China ist der größte Kohleverbraucher der Welt und emittiert zudem die meisten Treibhausgase im Jahr. Kohlestrom wird nun von den Wirtschaftsplanern weiterhin als “Basis” des Energiesystems definiert. Energieexperten gehen davon aus, dass im nächsten Jahr somit keine Beschleunigung des Kohleausstiegs zu erwarten ist. Lauri Myllyvirta prognostiziert, dass die CO2-Emissionen im kommenden Jahr weiter steigen werden. Darauf deutet der von der Planungskonferenz gelegte Schwerpunkt auf wirtschaftliche Stabilität. Hinzu komme, dass vor den alle fünf Jahre stattfindenden Parteitagen immer ein Bauboom ausgelöst wurde. Durch neue, häufig CO2-intensive Infrastrukturprojekte wird das Wachstum künstlich angekurbelt, sodass die politischen Eliten gut dastehen. Dies sei auch vor dem Parteitag im nächsten Jahr zu erwarten, auf dem sich Xi Jinping eine dritte Amtszeit sichern will, so der Energieexperte vom Centre for Research on Energy and Clean Air in Helsinki. niw / nib / rtr

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        • Kohle

        Unternehmen müssen Emissionsdaten offenlegen

        Einige in China tätige Unternehmen müssen demnächst die von ihnen verursachten CO2-Emissionen offenlegen. Das chinesische Umweltministerium hat jüngst eine “Verwaltungsmaßnahme” genehmigt, die Unternehmen zur Offenlegung von Umweltinformationen verpflichtet. Einige Unternehmen müssen demnach die gesamten CO2-Emissionen für das laufende und das vorangegangene Jahr sowie die jährlichen Emissionen aller Treibhausgase öffentlich bekannt geben, wie die Beratungsagentur Trivium China bestätigt.

        Die Maßnahme zielt jedoch nur auf Unternehmen, die:

        • vom Umweltministerium als “große Emittenten” von Treibhausgasen definiert werden. Bisher wurden Unternehmen unter diese Kategorie gefasst, die einen hohen Ausstoß von Schwefeldioxid, Stickoxiden, Ruß (Partikel/Staub) und flüchtigen organischen Verbindungen verursachen. Es ist davon auszugehen, dass demnächst auch Firmen als “große Emittenten” erfasst werden, die viel CO2 verursachen,
        • obligatorischen Audits für saubere Produktion unterliegen,
        • börsennotierte oder schuldenemittierende Unternehmen, die in der Vergangenheit für Umweltverstöße strafrechtlich verantwortlich gemacht oder mit erheblichen Verwaltungsstrafen belegt wurden,
        • andere Unternehmen und Einrichtungen gemäß anderen Gesetzen und Vorschriften.

        Es müssen also nicht alle Unternehmen und auch nicht alle börsennotierten Unternehmen Informationen über ihre Emissionen offenlegen. Ursprünglich hatte die chinesische Wertpapieraufsichtsbehörde geplant, dass alle in China börsennotierten Unternehmen bis 2020 Umweltinformationen offenlegen müssen (China.Table berichtete). Es wird spekuliert, dass der Corona-Ausbruch die Verschiebung verursacht hat.

        Trotz dieser Einschränkungen ist die Maßnahme ein wichtiger Schritt, so Trivium China. In der Vergangenheit haben nur wenige chinesische Unternehmen freiwillig Daten zu den von ihnen verursachten CO2-Emissionen offengelegt. Die Gesetze sahen das bisher nicht vor. Die chinesischen Transparenz-Standards lagen bisher weit hinter internationalen Standards zurück. “Obligatorische Offenlegungspflichten für Kohlenstoffemissionen werden es sowohl den Regulierungsbehörden als auch den Anlegern erleichtern, festzustellen, wie Unternehmen zu Kohlenstoffemissionen beitragen“, so die Einschätzung der Experten von Trivium China. Diese Transparenz ist eine wichtige Grundbedingung, damit Investoren mit “Klima-Gewissen” die Bemühungen zum Klimaschutz von Unternehmen einschätzen können. nib

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          Portrait

          Li Shuo – Politikberater bei Greenpeace Ostasien

          Greenpeace in China: Li Shuo, Klima- und Energiecampaigner für Greenpeace Ostasien.
          Li Shuo, Klima- und Energiecampaigner für Greenpeace Ostasien.

          Seine letzte arbeitsbedingte Reise vor Beginn der Corona-Pandemie führte ihn nach Deutschland, Berlin. Die Stadt ist ihm nicht fremd: 2015 arbeitete Li Shuo hier im Rahmen des Internationalen Klimaschutzstipendiums der Humboldt-Stiftung. Auf die Frage, ob er die Landessprache gelernt habe, antwortet er bescheiden, aber grammatisch einwandfrei auf Deutsch: “Ich verstehe mehr oder weniger, aber mein Sprechen ist nicht genug.” 

          Nach der Schule studierte Li zunächst Politikwissenschaft und internationale Beziehungen am Hopkins-Nanjing-Zentrum in der Hauptstadt der Provinz Jiangsu. Sein Abschlussjahr verbrachte er dann in Washington D.C. Im Anschluss kehrte er zurück in sein Heimatland China und nahm an einem Graduiertenprogramm teil, welches sich auf die Beziehungen zwischen China und den USA fokussiert. Es ist naheliegend, dass er mit dieser akademischen Laufbahn einen Job mit “internationalem Flair” anvisierte, wie er sagt.

          Bei Greenpeace arbeitet der 34-Jährige nun mit chinesischen Interessenvertretern und internationalen Akteuren gleichermaßen. Die Tätigkeit bei Greenpeace war für ihn zudem besonders reizvoll, da es sich um einen “Frontline-Job” handelt. Im chinesischen sozialwissenschaftlichen Bildungssystem lege man großen Wert auf Theorien und weniger auf Praxis, so Li. “Aber ich will mich unbedingt ins Wasser stürzen und schwimmen lernen.”

          “Dekarbonisierung ist keine Raketenwissenschaft.”

          Greenpeace ist eine der größten internationalen Nichtregierungsorganisationen in China. Die Organisation sei auch dort eine bekannte Marke, so Li Shuo. In der Struktur unterscheide sie sich aber deutlich von dem, was man gemeinhin mit Greenpeace verbindet. In China findet man keine Greenpeace-Aktivisten, die auf der Straße mit Flyern und Ballons neue Mitglieder anwerben. Von freiwilligen Mitgliedschaften und Fundraising nimmt Greenpeace in China Abstand. Im Pekinger Büro der Organisation sind derzeit an die 90 Mitarbeiter beschäftigt. Nachdem Li Shuo hier 2011 als Campaigner mit dem Fokus Klima begonnen hatte, weitete sich sein Arbeitsfeld über die vergangenen zehn Jahre deutlich aus: Luftverschmutzung, Energiepolitik, Wasser und Biodiversität sind Themenkomplexe, die inzwischen in seinen Kompetenzbereich fallen.

          Während er in seinem Job daran arbeitet, Chinas Klima- und Umweltpolitik zu optimieren, ist er auch in seinem Privatleben bemüht, den eigenen ökologischen Fußabdruck möglichst klein zu halten, zum Beispiel, indem er seinen Fleischkonsum reduziert. Bezüglich Chinas Energieerzeugung der Zukunft setzt Li eher auf den Ausbau und die Weiterentwicklung bereits bestehender Technologien. Über Projekte wie den chinesischen Kernfusions-Reaktor Künstliche Sonne sagt er: “Ich stehe nicht so auf Science-Fiction, um ehrlich zu sein”. Und ergänzt: “Dekarbonisierung ist in gewisser Weise keine Raketenwissenschaft.” Juliane Scholübbers

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            China.Table Redaktion

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              Liebe Leserin, lieber Leser,

              beim Umbau des chinesischen Energiesystems steht ein Thema an oberster Stelle: die Energiesicherheit. Die Abkehr von der Kohle, hin zu erneuerbaren Energien wird nicht allzu abrupt ablaufen. Die jüngste Stromkrise und fast schon regelmäßige lokale Stromausfälle über die letzten Jahre haben der Regierung die Notwendigkeit eines stabilen Wandels aufgezeigt. Gas wird dabei eine entscheidende Rolle spielen – sein Anteil am Energiemix steigt schon seit Jahren. China heizt vor allem mit importiertem Gas und ist von seinen Lieferanten abhängig, analysiert Christiane Kühl. Chinas Lösung? Mehr Gas vom Partner Russland statt vom Rivalen USA.

              Im Portrait stellen wir Ihnen heute Li Shuo vor. Er ist Campaigner bei Greenpeace Ostasien in Peking. Bei der größten internationalen NGO in China arbeitet er zu den Themen Klima, Energiepolitik, Luftverschmutzung, Wasser und Biodiversität. Doch die Arbeit von Greenpeace in China unterscheidet sich stark von der im westlichen Ausland, wie Juliane Scholübbers im Gespräch mit Li Shuo erfuhr.

              Im Verkehrssektor ist es Deutschland noch nicht gelungen, die CO2-Emissionen zu senken. Doch langsam drängen immer mehr E-Autos auf den Markt. Der chinesische Anbieter Nio will ebenfalls ein Stück des Kuchens und drängt zunehmend nach Europa. Christian Domke Seidel sprach mit Zhang Hui, Vice President von Nio Europe, über die Pläne des Unternehmens und neue Ansätze, Kunden zu überzeugen.

              Ihr
              Nico Beckert
              Bild von Nico  Beckert

              Analyse

              Mehr Gas für den Winter

              Schon länger ist China der größte Erdölimporteur der Welt. Seit 2018 führt es auch mehr Erdgas ein als jedes andere Land. Dabei nimmt Flüssiggas einen immer größeren Anteil ein. Und so könnte China 2021 Japan auch als größter Importeur von Flüssiggas (Liquefied Natural Gas/LNG) überholen. In diesem Herbst trieb die Energiekrise im Land – nur Wochen vor dem Einsetzen des kalten nordchinesischen Winters – die Nachfrage trotz horrender Gaspreise weiter nach oben.

              Zwar besitzt China eigene Gasvorkommen. Seine eingelagerten Gasreserven lagen 2020 bei 14,8 Billionen Kubikmetern. Trotzdem wurde das Gas im Sommer knapp. Während Erdgas durch die Pipelines etwa aus Russland regelmäßig einströmt, muss LNG mit Spezialfrachtern verschifft werden.

              Normalerweise kauft China das Flüssiggas für den Winter im zweiten Halbjahr jeden Jahres. Doch die Erholung nach der Pandemie war so überraschend dynamisch ausgefallen, dass der Energiebedarf höher war als erwartet. Hinzu kamen die Stromausfälle im Sommer. Beides führte im zweiten Quartal zu einem saisonal untypischen LNG-Nachfragehoch. Chinas LNG-Importe lagen im ersten Halbjahr um 28 Prozent über dem durch Corona eher niedrigen Vorjahresniveau. Die Weltmarktpreise für Gas stiegen in dieser Zeit rasant. Im Juli zogen sich Chinas Gaskäufer daher aus den überteuerten Spot-Märkten für Flüssiggas weitgehend zurück – um nur wenig später hektisch dorthin zurückzukehren. Die LNG-Importe des Landes schwankten zwischen März und Oktober daher stark.

              Nach Angaben der Nationalen Energiebehörde NEA wird Chinas Gesamtgasbedarf voraussichtlich auf 365 bis 370 Milliarden Kubikmeter (bcm) steigen und damit um 11 bis 13 Prozent höher liegen als 2020. Diese Zuwächse liegen deutlich über den Erwartungen vieler Analysten. IHS Markit etwa war von etwa sechs Prozent Nachfragewachstum in den Jahren 2021 bis 2025 ausgegangen.

              Schließlich schaltete sich inmitten der Energiekrise die Nationale Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC) ein. Sie werde beim Ausbau der heimischen Gasproduktion und bei der Einfuhr von LNG-Spotmärkten helfen. In einem eilig einberufenen Treffen wies die NDRC die staatlichen Öl- und Gaskonzerne Petrochina, Sinopec und CNOOC an, alles zu tun, damit im Winter genug Erdgas da ist.

              Erdgas für die Klimapolitik

              Die NDRC habe bereits knapp 175 Milliarden Kubikmeter Gas ordern lassen, berichtete der Fachdienst Natural Gas Intelligence Mitte November. Das reiche fast für die Heizsaison Mitte November bis Mitte März. Auch im vergangenen Jahr wurde im Winter das Gas knapp. Dieses Jahr befürchten Meteorologen, dass der Winter wegen des Klimaphänomens La Niña besonders kalt wird. Doch China will nicht nur warm durch die kalte Jahreszeit kommen. Es geht auch um langfristige Energiesicherheit. Dazu muss China seine eigene Gasproduktion schneller ausbauen. Aber es wird dennoch nicht um Erdgas aus dem Ausland herumkommen.

              Der Anteil des Erdgases am Energie-Mix soll auch im Rahmen der Klimapolitik steigen. Die Treibhausgas-Emissionen liegen bei Gas niedriger als bei Kohle oder Erdöl. Es gilt daher als wichtiger Rohstoff für den Übergang zur klimaneutralen Energiegewinnung. Im Vor-Corona-Jahr 2019 machte Erdgas in China nach Angaben der Internationalen Energie-Agentur IEA nur rund acht Prozent des Energieverbrauchs aus (10.390.620 Terajoule/TJ). Der Großteil davon fließt seit der Umstellung von Kohle- auf Gasheizungen in den Nullerjahren in die Raumwärme. Der für die Stromerzeugung abgezweigte Anteil ist minimal.

              China importiert überhaupt erst seit 2006 Erdgas. Das erste LNG kam 2006 aus Australien, das erste Pipeline-Gas folgte 2010 aus Zentralasien. Seither nimmt die Importabhängigkeit des energiehungrigen Landes immer weiter zu. Am meisten LNG bezieht die Volksrepublik aus Australien, gefolgt von den USA und Katar. Sowohl mit Washington als auch mit Canberra befindet Peking sich allerdings seit Monaten im Konflikt über Machtansprüche, Handelsfragen, Menschenrechte oder die Sicherheit im Indopazifik.

              Der Import ausgerechnet aus den Ländern, mit denen China im Clinch liegt, verdeutlicht die Nachteile der LNG-Strategie. Dass Peking aus diesen Staaten trotzdem immer mehr LNG beziehen muss, ist ein handfester geopolitischer Nachteil. Schon 2018 lag der Importanteil an Chinas Gasverbrauch bei 43 Prozent, davon 60 Prozent LNG. Dieser Anteil ist heute noch ähnlich; im September lag er bei gut 63 Prozent.

              LNG: Abhängigkeit von geopolitischen Rivalen

              Der Boom US-amerikanischen LNG in Chinas Energiemix ist dabei noch relativ jung. Anfang Januar 2020 sagte Chinas Unterhändler Liu He den USA – damals noch unter Ex-Präsident Donald Trump – in einem ersten Abkommen zur Lösung des Konflikts Energiekäufe im Tausch gegen Zollsenkungen zu. China verpflichtete sich, 2020 zusätzlich Rohstoffe für 18,5 Milliarden Dollar und 2021 für sogar 33,9 Milliarden Dollar aus den USA zu beziehen, je im Vergleich zu 2017. Von Januar bis August 2021 importierte China 5,44 Millionen Tonnen LNG aus den USA, 375 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. “Und China wird voraussichtlich noch mehr LNG-Importe aus den USA bekommen, da mindestens fünf chinesische Unternehmen in fortgeschrittenen Gesprächen sind, um sich langfristige LNG-Lieferungen von US-Exporteuren zu sichern”, zitierte die China Daily die Analystin Li Ziyue von Bloomberg New Energy Finance.

              Sinopec schloss mit dem US-Exporteur Venture Global LNG einen Liefervertrag über 20 Jahre. Doch nicht nur die großen Drei, sondern auch kleinere Firmen bestellen in Amerika: lokale Gaslieferanten wie zum Beispiel Zhejiang Energy, Stromfirmen oder andere Unternehmen, die mitverdienen wollen. So schloss laut Reuters etwa die privat geführte ENN Natural Gas Co. im Sommer einen 13-Jahresvertrag mit Cheniere Energy; es war der erste größere Gas-Deal zwischen beiden Ländern seit 2018.

              LNG lässt sich aber nicht einfach mal eben liefern. Um den Handel nachhaltig auszubauen, müssen sogenannte LNG-Terminals an der Küste entstehen. Die Anlagen dort können das Gas so stark abkühlen, dass es sich verflüssigt. Analysten sehen in den begrenzten Kapazitäten in China derzeit noch ein Hemmnis für eine rasante Ausweitung der Importe. Doch der Aufbau erfolgt so schnell wie eben vieles, das in China politisch gewollt wird. 2018 hatte China zehn LNG-Terminals, 2019 schon über 20. Weitere zehn sind im Bau oder geplant; und sie werden immer größer. In Yantai, Provinz Shandong, begann Sinopec im Dezember der Bau eines LNG-Terminals mit einer Kaianlage für LNG-Frachter, vier Tanks und Anlagen zur Weiterleitung des durch Erwärmung wieder gasförmig gemachten Rohstoffs. Sinopec und andere Konzerne errichten zudem riesige unterirdische Gas-Lagerstätten.

              Neue Pipelines für Differenzierung der Gaslieferanten

              Um den Gasbedarf zu decken und nicht zu abhängig vom LNG zu werden, setzt China parallel auf verstärkte Lieferungen von Erdgas aus den riesigen sibirischen Feldern Russlands. So soll die Gasmenge, die Russland durch die “Power of Siberia”-Pipeline täglich nach China pumpt, bis Jahresende gegenüber dem Stand vom August um die Hälfte steigen. Die russischen Lieferungen sind auch geopolitisch hochwillkommen, da sie Chinas Lieferanten-Pool diversifizieren. Schon jetzt ist der Gas-Handel zwischen China und Russland in diesem Jahr um 60 Prozent höher als im Vorjahreszeitraum, teilt die NEA mit. Petrochina hat bereits angekündigt, die Bestellungen über die Pipeline deutlich zu erhöhen, um im Olympia-Winter genug Gasvorräte zu haben.

              Auch die Lieferungen über Pipelines aus Myanmar, Kasachstan und anderen Staaten Zentralasiens werden voraussichtlich steigen. Insgesamt erwartet der Preisinformationsdienst S&P Global Platts, dass Chinas Pipeline-Gasimporte mit 162 Millionen Kubikmeter pro Tag in dieser Heizsaison um 19 Prozent höher liegen als vor einem Jahr.

              Die heimische Gasproduktion aus existierenden und neuen Gasfeldern will China ebenfalls steigern. Dazu gehören auch Offshore-Gasvorkommen. Im Juni nahm CNOOC zum Beispiel das erste von China erschlossene Gasfeld im Südchinesischen Meer namens Linshui 17-2 in Betrieb. Auch diese Expansion in umstrittene Territorien dürfte geopolitische Fragen aufwerfen.

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                “Wir wollen eine Nio-Community schaffen”

                Zhang Hui ist Vizepräsident von Nio in Europa
                Zhang Hui ist Vizepräsident von Nio in Europa

                Herr Zhang, welches Image soll Nio in Europa haben?

                Ganz oben steht unsere Mission ‘shape a joyful lifestyle’. Das ist der Grund, warum William Li 2014 dieses Unternehmen gegründet hat. Er wollte mithilfe der Technologien im Bereich Smart Electric Vehicle eine Plattform erschaffen, auf der Nio und die sogenannten ‘User von Nio’ miteinander ein positives Lebensgefühl, Freude und ihre Erfahrungen mit der Marke teilen und sich weiterentwickeln können. Es ist uns gelungen, dieses Image in China zu etablieren. Uns ist wichtig, dieses Image nun auch im europäischen Markt zu haben.

                Wie soll so ein Image transportiert werden?

                Unterschiedliche Aspekte führen zu diesem Image. Nio ist eine Premium-Marke. Wir bestehen auf die höchsten Qualitätsstandards. Der zweite Aspekt ist die Sicherheit. Der ES8, den wir seit Ende September auf dem norwegischen Markt haben, erhielt fünf Sterne beim EuroNCAP Crashtest. Punkt drei ist das Design. Auf diesen Säulen ruht das Image. Daneben steht unsere User-Community. Das Community-Feeling, das wir in China schon haben, soll es auch in Europa geben.

                Europäische Kunden gelten als weniger technikaffin als chinesische. Wie soll hierzulande das Communitybuilding funktionieren?

                Ich würde nicht sagen, dass die europäische Gesellschaft weniger Erfahrung mit Communitys hat. Youtube, Facebook, WhatsApp, Airbnb, Miles and More, Payback schaffen das bereits. Es geht nun darum, das auch im Mobilitätsbereich zu machen. Die Autoindustrie hat jedoch seit 130 Jahren eine andere Wertschöpfungskette. Das heißt andererseits nicht, dass man das nicht ändern kann. In Norwegen wollten wir vor dem Start ein User Advisory Board (UAB) gründen. Ziel war es, 200 User zu finden, weil Norwegen mit 5,5 Millionen Einwohnern ein kleines Land ist. Wir haben aber sogar 600 Bewerbungen bekommen. Nach der Eröffnung vom Nio House in Oslo kommen inzwischen bis zu 2.000 Besucher pro Tag. Viele davon nehmen an Events und Aktivitäten im Nio House teil. Wenn die Themen richtig und wichtig sind, ziehen wir eine Gruppe von Leuten an, auf deren Basis wir die Community gründen können.

                Europäische Kunden sind chinesischen Marken gegenüber sehr kritisch. Wie wollen sie die Akzeptanz erhöhen?

                Wir müssen Fakten schaffen.

                Dafür müssen die Leute ins Auto.

                Das gehört zu unserer Strategie. Wir wollen den Menschen die Möglichkeit bieten, über Testfahrten und andere Kanäle Zugang zum Fahrzeug zu bekommen. In China gibt es ein Sprichwort: ‘Etwas tausendmal zu hören ist nicht so überzeugend, wie es einmal gesehen zu haben.’

                Wie kommen die Pläne in Europa voran?

                Wir haben in Norwegen angefangen. 2022 starten wir in Deutschland und Schweden. Aber auch die anderen europäischen Märkte werden kommen. Zu den Stückzahlen kann ich keine genauen Angaben machen, aber wir wollen in naher Zukunft ein signifikanter Player im Premiumsegment sein. Das ist unser Ziel. In Europa haben wir derzeit rund 200 Mitarbeiter, verteilt auf unsere Standorte in München, Oxford und Oslo. In München ist unser europäisches und globales Headquarter für das Design. In Oxford betreiben wir Forschung und Entwicklung im Bereich ‘advanced engineering’ und in Oslo befindet sich die erste Vertriebs- und Service-Zentrale.

                Was bedeutet ‘advanced engineering’?

                Das bezieht sich auf die Fahrzeugarchitektur. Im Silicon Valley und in Shanghai forschen wir an der Künstlichen Intelligenz.

                Wie laufen Verkauf und Vertrieb in Europa ab?

                Für den Vertrieb haben wir sowohl ein Nio House als auch einen Nio Space. Das erste Nio House ist in Oslo. Es ist das erste außerhalb Chinas. Dort präsentieren wir die Autos und kommen mit den Kunden zusammen. Es wird also auch als Community-Place genutzt. Der Nio Space ist der zweite Point-of-sale. Es ist eine verkleinerte Form des Nio House. Für den Service haben wir ein Hybrid Modell. Einerseits ein eigener Service, andererseits ein Partner-Netzwerk. Das erste Nio Servicecenter wird zeitnah in Norwegen eröffnet.

                Ihre Mitbewerber haben in beinahe jedem Ort Niederlassungen. Ist das ein Ziel von Nio?

                Wie die Kollegen aus Wolfsburg aufgestellt sind, ist historisch bedingt. Uns ist bewusst, dass die Dichte des Netzwerks eine Rolle spielt. Deswegen wollen wir neue Formen anbieten – beispielsweise einen Service-Wagen. Den haben wir schon auf dem norwegischen Markt gelauncht. Das Partnernetzwerk dient dazu, dass wir zusätzlich in geografischer Nähe zum Kunden sind. Uns ist aber klar, dass nicht über Nacht ein paar tausend Service-Standorte entstehen. Wir glauben aber, dass wir über digitale Tools ein ähnliches Ergebnis erreichen können, wie der Wettbewerb.

                Gibt es Unterschiede zwischen europäischen und chinesischen Nio-Modellen?

                Im Grund genommen nicht. Weil wir für die Fahrzeuge von Beginn an ein internationales Design angestrebt haben. Es gibt keine Autos, die exklusiv nur für Europa oder China entwickelt werden. Wir passen nur Details an, die für die Funktionalität des Autos essentiell sind. Die Ladeklappe zum Beispiel. Aufgrund der unterschiedlichen Ladestandards in China und Europa sind die anders gebaut.

                Chinesische Autos haben meist kein fest integriertes Navi.

                In Europa haben wir unseren Navi-Service-Provider. Wir arbeiten für den ES8 mit TomTom zusammen.

                Auch das klassische Autoradio gibt es in China nicht.

                Wir haben ein Digitalradio im Angebot. Wir brauchen den lokalen Content und die lokalen Partner für unsere Kunden in Europa.

                Firmengründer Li hat eine Produktion in Europa nicht ausgeschlossen. Die Beteiligung an Lotus hat deswegen die Spekulationen angeheizt.

                Aktuell kann ich nur sagen, dass wir derzeit keine Produktion in Europa planen. Lotus ist ein anderes Thema. Nio Capital hat sich an Lotus beteiligt. Das ist eine unabhängige Firma, die den Namen Nio trägt – auch wenn Nio natürlich beteiligt ist.

                War die globale Strategie von Nio von Anfang an geplant?

                Das kann ich nur bestätigen. Es war von Anfang an das Ziel, ein globales Unternehmen aufzubauen. Eine Premiummarke muss global präsent sein. Es ist aber auch klar, dass dieses Ziel Schritt für Schritt erreicht werden muss. Von 2014 bis 2018 haben wir uns auf die Entwicklung des ersten Fahrzeugs konzentriert. Jetzt ist die Zeit gekommen, um ins Ausland zu gehen, was wir mit dem Markteintritt in Norwegen auch getan haben.

                Was haben sie bisher in Europa gelernt?

                Erstens, dass technische Anpassungen gemacht werden müssen: der Ladeanschluss, die Content-Provider, das Navi. Zweitens, dass Europa kein einzelner Markt ist, sondern aus 47 Ländern besteht, die von regionalen Kulturunterschieden geprägt sind. Und drittens haben wir gelernt, dass ein lokales Team für die lokalen Kunden wichtig ist. Der europäische Markt ist außerdem anders geprägt als der chinesische. Die Art unterscheidet sich von Land zu Land. Ein Beispiel: In China werden über 90 Prozent der Autos an Privatkunden verkauft. In Deutschland sind sechzig bis siebzig Prozent der Premium-Autos Dienstwagen. Das macht einen großen Unterschied in Bezug auf Angebot und Service.

                Im Oktober sind die Verkaufszahlen eingebrochen. Woran lag das?

                Die Zahlen im Oktober sind auf ein Fabrikupdate, das wir durchgeführt haben, zurückzuführen. In der einzigen Fabrik, in der wir Fahrzeuge herstellen, sind dadurch die Produktionsstückzahlen zurückgegangen.

                Die Halbleiter-Knappheit war kein Grund?

                Sicherlich ist auch Nio ein Unternehmen, das darunter leidet. Unsere Verkaufszahlen sind aber noch nicht zehn oder zwanzig Mal so hoch wie die mancher Mitbewerber. Wir hoffen, wie die ganze Industrie, dass sich die Situation Mitte nächsten Jahres deutlich verbessert hat.

                Startups in der Mobilitätsbranche brauchen viel Geld und Know-how. Sie haben prominente Investoren. Was haben die, außer Geld, eingebracht?

                Investoren sind Investoren. Nio funktioniert eigenständig. Aber zusätzlich bringen die jeweiligen Investoren Netzwerke in der gesamten Wertschöpfungskette mit ein. Sie erleichtern den Zugang zu bestimmten Ecosystemen. Gemeinsam können so bessere Kooperationen erreicht werden.

                Die chinesische Elektroautomarke Nio hat bis einschließlich November 80.940 Autos ausgeliefert – vor allem in China. Hinter der Firma stehen große Investoren wie Tencent und Baidu; sie gilt deshalb als das bekannteste Start-up im chinesischen Mobilitätssektor. Nio wurde daher von Anfang an immer wieder in einem Atemzug mit Tesla genannt. Nach einer Kursrallye war die Marke an der Börse zwischenzeitlich sogar mehr wert als BMW. Im Jahr 2022 werden erste Modelle auch in Deutschland zu haben sein.

                Zhang Hui ist ein Globetrotter. Der 49-Jährige lebt und arbeitet hauptsächlich in München, wo Nio sein globales Design-Headquarter hat. Regelmäßiges Pendeln nach Oslo und Shanghai ist daher Pflicht. Zhang kennt es nicht anders. Er hat in Peking, Pforzheim und Utah Wirtschaft studiert. Im Jahr 2002 begann seine Karriere beim Maschinenbauer Voith AG (Heidenheim) und dem Automobilzulieferer Kiekert (Heiligenhaus). 2010 übernahm er den Posten als General Managers bei Lotus China. Nach einem Zwischenspiel als Vorstandsmitglied beim Elektronikhersteller Leoni kam er zu Nio, wo er seit dem Jahr 2016 als Vice President Europe tätig ist.

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                  Wachstum vor Klimazielen

                  China will pauschale Beschränkungen des Energieverbrauchs lockern. Damit soll sichergestellt werden, dass die Umwelt- und Klimaziele des Landes nicht das Wirtschaftswachstum untergraben oder die Energiesicherheit gefährden. Das beschloss die Elite der Kommunistischen Partei auf der alljährlichen “Central Economic Work Conference” des Zentralkomitees. Diese Konferenz ist ein wichtiges wirtschaftliches Planungstreffen und legt die wirtschaftliche Agenda für das nächste Jahr fest.

                  Chinas wirtschaftliche Aufgabe im Jahr 2022 sei es, “der Stabilität Priorität einzuräumen”, teilte die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua nach dem Ende der Konferenz am vergangenen Freitag mit. So langsam schälen sich die Details heraus. Die Volksrepublik wird demnach dazu übergehen, die Kohlendioxidemissionen aus dem Gesamtenergieverbrauch zu begrenzen, um seine Umweltziele zu erreichen. Das soll die bisherigen Zielvorgaben für den Energieverbrauch ersetzen.

                  Der Fokus liegt in Zukunft also nicht mehr auf dem Energieverbrauch, sondern auf der Senkung des CO2-Ausstoßes. China wolle so schnell wie möglich von diesen Energieverbrauchszielen zu einer “doppelten Kontrolle” sowohl der gesamten CO2-Emissionen als auch der CO2-Intensität übergehen, hieß es in dem Papier. “Dies entfacht die Hoffnung, dass China ein Ziel für eine Obergrenze für die Gesamt-CO2-Emissionen festlegen wird”, sagte Li Shuo von Greenpeace Ostasien. Die neue Vorgabe könnte zum Beispiel zu einer stärkeren Ausweitung der erneuerbaren Energien führen. Denn die die Vorgabe, den Energieverbrauch zu kontrollieren, habe auch die Produktion von Erneuerbaren beeinflusst.

                  China hatte sich bislang strenge nationale und regionale Ziele für den Gesamtenergieverbrauch und die Energieintensität gesetzt – also die Menge an Energie, die pro Einheit Wirtschaftswachstum verbraucht wird. Einige Provinzen mit hohem Energieverbrauch haben jedoch Schwierigkeiten, diese Ziele zu erreichen.

                  China ist der größte Kohleverbraucher der Welt und emittiert zudem die meisten Treibhausgase im Jahr. Kohlestrom wird nun von den Wirtschaftsplanern weiterhin als “Basis” des Energiesystems definiert. Energieexperten gehen davon aus, dass im nächsten Jahr somit keine Beschleunigung des Kohleausstiegs zu erwarten ist. Lauri Myllyvirta prognostiziert, dass die CO2-Emissionen im kommenden Jahr weiter steigen werden. Darauf deutet der von der Planungskonferenz gelegte Schwerpunkt auf wirtschaftliche Stabilität. Hinzu komme, dass vor den alle fünf Jahre stattfindenden Parteitagen immer ein Bauboom ausgelöst wurde. Durch neue, häufig CO2-intensive Infrastrukturprojekte wird das Wachstum künstlich angekurbelt, sodass die politischen Eliten gut dastehen. Dies sei auch vor dem Parteitag im nächsten Jahr zu erwarten, auf dem sich Xi Jinping eine dritte Amtszeit sichern will, so der Energieexperte vom Centre for Research on Energy and Clean Air in Helsinki. niw / nib / rtr

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                    Unternehmen müssen Emissionsdaten offenlegen

                    Einige in China tätige Unternehmen müssen demnächst die von ihnen verursachten CO2-Emissionen offenlegen. Das chinesische Umweltministerium hat jüngst eine “Verwaltungsmaßnahme” genehmigt, die Unternehmen zur Offenlegung von Umweltinformationen verpflichtet. Einige Unternehmen müssen demnach die gesamten CO2-Emissionen für das laufende und das vorangegangene Jahr sowie die jährlichen Emissionen aller Treibhausgase öffentlich bekannt geben, wie die Beratungsagentur Trivium China bestätigt.

                    Die Maßnahme zielt jedoch nur auf Unternehmen, die:

                    • vom Umweltministerium als “große Emittenten” von Treibhausgasen definiert werden. Bisher wurden Unternehmen unter diese Kategorie gefasst, die einen hohen Ausstoß von Schwefeldioxid, Stickoxiden, Ruß (Partikel/Staub) und flüchtigen organischen Verbindungen verursachen. Es ist davon auszugehen, dass demnächst auch Firmen als “große Emittenten” erfasst werden, die viel CO2 verursachen,
                    • obligatorischen Audits für saubere Produktion unterliegen,
                    • börsennotierte oder schuldenemittierende Unternehmen, die in der Vergangenheit für Umweltverstöße strafrechtlich verantwortlich gemacht oder mit erheblichen Verwaltungsstrafen belegt wurden,
                    • andere Unternehmen und Einrichtungen gemäß anderen Gesetzen und Vorschriften.

                    Es müssen also nicht alle Unternehmen und auch nicht alle börsennotierten Unternehmen Informationen über ihre Emissionen offenlegen. Ursprünglich hatte die chinesische Wertpapieraufsichtsbehörde geplant, dass alle in China börsennotierten Unternehmen bis 2020 Umweltinformationen offenlegen müssen (China.Table berichtete). Es wird spekuliert, dass der Corona-Ausbruch die Verschiebung verursacht hat.

                    Trotz dieser Einschränkungen ist die Maßnahme ein wichtiger Schritt, so Trivium China. In der Vergangenheit haben nur wenige chinesische Unternehmen freiwillig Daten zu den von ihnen verursachten CO2-Emissionen offengelegt. Die Gesetze sahen das bisher nicht vor. Die chinesischen Transparenz-Standards lagen bisher weit hinter internationalen Standards zurück. “Obligatorische Offenlegungspflichten für Kohlenstoffemissionen werden es sowohl den Regulierungsbehörden als auch den Anlegern erleichtern, festzustellen, wie Unternehmen zu Kohlenstoffemissionen beitragen“, so die Einschätzung der Experten von Trivium China. Diese Transparenz ist eine wichtige Grundbedingung, damit Investoren mit “Klima-Gewissen” die Bemühungen zum Klimaschutz von Unternehmen einschätzen können. nib

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                      Li Shuo – Politikberater bei Greenpeace Ostasien

                      Greenpeace in China: Li Shuo, Klima- und Energiecampaigner für Greenpeace Ostasien.
                      Li Shuo, Klima- und Energiecampaigner für Greenpeace Ostasien.

                      Seine letzte arbeitsbedingte Reise vor Beginn der Corona-Pandemie führte ihn nach Deutschland, Berlin. Die Stadt ist ihm nicht fremd: 2015 arbeitete Li Shuo hier im Rahmen des Internationalen Klimaschutzstipendiums der Humboldt-Stiftung. Auf die Frage, ob er die Landessprache gelernt habe, antwortet er bescheiden, aber grammatisch einwandfrei auf Deutsch: “Ich verstehe mehr oder weniger, aber mein Sprechen ist nicht genug.” 

                      Nach der Schule studierte Li zunächst Politikwissenschaft und internationale Beziehungen am Hopkins-Nanjing-Zentrum in der Hauptstadt der Provinz Jiangsu. Sein Abschlussjahr verbrachte er dann in Washington D.C. Im Anschluss kehrte er zurück in sein Heimatland China und nahm an einem Graduiertenprogramm teil, welches sich auf die Beziehungen zwischen China und den USA fokussiert. Es ist naheliegend, dass er mit dieser akademischen Laufbahn einen Job mit “internationalem Flair” anvisierte, wie er sagt.

                      Bei Greenpeace arbeitet der 34-Jährige nun mit chinesischen Interessenvertretern und internationalen Akteuren gleichermaßen. Die Tätigkeit bei Greenpeace war für ihn zudem besonders reizvoll, da es sich um einen “Frontline-Job” handelt. Im chinesischen sozialwissenschaftlichen Bildungssystem lege man großen Wert auf Theorien und weniger auf Praxis, so Li. “Aber ich will mich unbedingt ins Wasser stürzen und schwimmen lernen.”

                      “Dekarbonisierung ist keine Raketenwissenschaft.”

                      Greenpeace ist eine der größten internationalen Nichtregierungsorganisationen in China. Die Organisation sei auch dort eine bekannte Marke, so Li Shuo. In der Struktur unterscheide sie sich aber deutlich von dem, was man gemeinhin mit Greenpeace verbindet. In China findet man keine Greenpeace-Aktivisten, die auf der Straße mit Flyern und Ballons neue Mitglieder anwerben. Von freiwilligen Mitgliedschaften und Fundraising nimmt Greenpeace in China Abstand. Im Pekinger Büro der Organisation sind derzeit an die 90 Mitarbeiter beschäftigt. Nachdem Li Shuo hier 2011 als Campaigner mit dem Fokus Klima begonnen hatte, weitete sich sein Arbeitsfeld über die vergangenen zehn Jahre deutlich aus: Luftverschmutzung, Energiepolitik, Wasser und Biodiversität sind Themenkomplexe, die inzwischen in seinen Kompetenzbereich fallen.

                      Während er in seinem Job daran arbeitet, Chinas Klima- und Umweltpolitik zu optimieren, ist er auch in seinem Privatleben bemüht, den eigenen ökologischen Fußabdruck möglichst klein zu halten, zum Beispiel, indem er seinen Fleischkonsum reduziert. Bezüglich Chinas Energieerzeugung der Zukunft setzt Li eher auf den Ausbau und die Weiterentwicklung bereits bestehender Technologien. Über Projekte wie den chinesischen Kernfusions-Reaktor Künstliche Sonne sagt er: “Ich stehe nicht so auf Science-Fiction, um ehrlich zu sein”. Und ergänzt: “Dekarbonisierung ist in gewisser Weise keine Raketenwissenschaft.” Juliane Scholübbers

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