细节决定成败 – Details machen den Unterschied. Nachdem Amelie Richter für die Ausgabe 39 des China.Table-Briefings die noch beinahe druckfrischen Annexe des EU-China-Investitionsabkommens CAI durchgesehen hat, wollen wir in den kommenden Tagen tiefer in die Details einsteigen. Zu den Auswirkungen des Abkommens auf deutsche und europäische Marktteilnehmer lesen Sie Näheres in unseren China.Table-Analysen zum CAI. Den Anfang macht Michael Radunski. Er untersucht die geplanten Regelungen für Medien. Sein Fazit: in wichtigen Bereichen der Medien und Informationen lässt sich die EU von China über den Tisch ziehen.
Die Entwicklung von modernsten Arzneimitteln auf der Basis von mRNA verspricht gewaltige Marktpotenziale. Das Prinzip ist der Öffentlichkeit erst seit der Pandemie und der Entwicklung von Impfstoffen bekannt geworden. Der mRNA-Forschung chinesischer Unternehmen geht Finn Mayer-Kuckuk nach und beleuchtet dabei auch die Hintergründe des internationalen Kampfes um die besten Corona-Impfstoffe.
Deutschlands Technologiebranche steht im Fokus von chinesischen Investoren. Das zeigt eine Studie des Instituts für Weltwirtschaft mit der Peking Universität. Für China bedeutet der Zugang zu deutschen Firmen auch, dass sich damit Türen öffnen zu Schlüsseltechnologien.
Chinas Anspruch, eines Tages technisch auf Augenhöhe mit der EU und den USA mitzuspielen, betrifft auch die Biomedizin. Eher unbeachtet von der Öffentlichkeit arbeiten gleich zwei Gruppen an Impfungen auf Basis der mRNA-Technik, die als vorderste Front moderner Krankheitsbekämpfung gilt. Der in Deutschland mehrheitlich eingesetzte Impfstoff von Biontech verwendet ebenfalls mRNA. Langfristig will China im großen Stil in die Entwicklung und Produktion entsprechender Arzneimittel einsteigen und auch hier vom Westen unabhängig sein.
Das erste Unternehmen mit einem mRNA-Impfstoff in der Entwicklung trägt auf Englisch den Namen Stemirna Therapeutics. Dieser zunächst sperrig klingende Name erschließt sich beim Blick auf das Logo etwas besser: Das “RNA” am Ende ist farblich hervorgehoben. Das Unternehmen arbeitet in einem zweiten Forschungszweig an einer Stammzellen-Datenbank – das erklärt den ersten Namensteil, der sich aus dem Englischen “stem cell” herleitet. Auf Chinesisch heißt das Unternehmen “Si Weishengwu” (斯微生物), kurz Siwei. Es sitzt in Shanghai und entwickelt die mRNA-Wirkstoffe zusammen mit der Tongji-Universität.
Finanz- und Vertriebspartner ist die Pharmafirma Tibet Rhodiola aus Lhasa. Das Unternehmen ist durchaus schon als Impfstoffhersteller in Erscheinung getreten und stellt derzeit auch in russischem Auftrag Sputnik V her. Stemirna und Tibet Rhodiola beginnen derzeit eine klinische Studie des mRNA-Impfstoffs. Über Details schweigen die Unternehmen bisher noch.
Stemirna forscht schon seit 2016 an mRNA. Das ist nicht ungewöhnlich: Weltweit haben Biomediziner in den vergangenen Jahren entsprechende Start-ups gegründet. Tatsächlich waren auch in Deutschland Biontech und Curevac nicht die einzigen Neugründungen mit mRNA-Fokus. Die Frage ist eher, wie weit die konkrete Produktentwicklung jeweils fortgeschritten war, als die Seuche kam. Biontech und Moderna hatten den Vorteil, bereits mit echten Therapiestudien in den Krankenhäusern präsent zu sein. Biontech hatte zudem zusammen mit Pfizer bereits an Grippeimpfstoffen gearbeitet – die Partner kannten sich also Anfang 2020 bereits, als Covid-19 ausbrach.
Stemirna liegt nun im Zeitplan der Entwicklung anscheinend etwas hinter Curevac, hat aber je nach Dauer der Studie gute Chancen, noch einen Markt für sein Produkt vorzufinden. Schließlich will China seine Bevölkerung erst bis Mitte 2022 durchgeimpft haben. Corona hätte dem Unternehmen dann einen riesigen Schub gegeben – genau wie den westlichen Konkurrenten.
Das zweite chinesische mRNA-Projekt läuft als Kooperation zwischen der Wissenschaftsakademie der Volksbefreiungsarmee und zwei Privatunternehmen:
Mitte vergangenen Jahres haben die klinischen Studien begonnen. Derzeit ist nicht ganz klar, was bisher dabei herausgekommen ist. Ein marktfähiges Vakzin jedenfalls nicht, das wäre bekannt geworden.
China interessiert sich jedoch nicht nur im Kampf gegen Covid-19 für mRNA. Auch wenn es sich dabei nicht um das Allheilmittel handelt, das einige bereits daraus machen: Die neue Technik wird vermutlich schon bald eines der wichtigsten Arbeitsmittel der Arzneikunde sein. Schließlich lassen sich damit vermutlich mehrere Arten von Krebs heilen, erbliche Krankheiten ausgleichen oder Autoimmunerkrankungen kontrollieren. Sie ermöglicht auch Impfungen gegen Erkältung, HIV, Herpes oder Malaria. Es ist bereits die Rede von einer “Ära der mRNA” in der Medizin. Klar, dass China mitmischen will. Auch ist zu hören, dass der rasche Aufbau großer Produktionskapazitäten für mRNA-Wirkstoffe wegen der Pandemie der EU und den USA einen Vorteil verschafft hat. Denn die Wirkstoffe lassen sich nach der Pandemie leicht für andere Anwendungen umwidmen.
Vermutlich aus diesem Grund war im vergangenen Jahr das Interesse riesig, eine Vereinbarung mit Biontech über den Aufbau einer Herstellungslinie für die Corona-Impfung in China abzuschließen. Bisher laufen die Anlagen nicht. Aber das industriepolitische Muster ist bekannt: die Weltmarktführer einzuladen, im Inland zu produzieren. Dazu gehört es, chinesisches Personal in den fortschrittlichsten Techniken auszubilden. Die mRNA-Revolution ist hier eine Chance für China. Wie im Fall des Elektroautos stehen alle Volkswirtschaften gemeinsam erst an der Startlinie. Kein Land kann hier jahrzehntelange Erfahrung vorweisen.
China hat in Gestalt des Staatskonzerns Fosun das Potenzial von mRNA-Vakzinen sogar früher erkannt als die EU und Deutschland. Das Unternehmen hat Biontech im vergangenen Frühjahr sehr früh eine Kapitalbeteiligung angeboten – während die Bundesrepublik sich hier vornehm zurückgehalten hat. Nur Konkurrent Curevac hat staatliches Kapital erhalten.
Als Biontech der EU-Kommission im Herbst eine Belieferung mit mehreren hundert Millionen Dosen angeboten hat, die über die ursprünglichen Verträge hinausgehen sollte, hat diese ausdrücklich abgelehnt. Fosun hat dagegen im Dezember dankbar zugegriffen. Xi Jinping hatte da eben die “wichtige Anweisung” erlassen, “die Bekämpfung von Seuchen entschlossen umzusetzen”.
Reziprozität ist das große Ziel, das EU-Politiker durch das Investitionsabkommen mit China (CAI) erreichen wollten. Sieben Jahre lang wurde mit Peking verhandelt, wie ein Mantra immer wieder die ersehnte Gleichbehandlung rezitiert. Nun endlich steht das Abkommen mit der Volksrepublik. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen preist das “EU-China Comprehensive Agreement on Investment” als einen “wichtigen Meilenstein in den Beziehungen zu China und für Europas wertebasierte Handelsagenda”. Doch ein näherer Blick in die Dokumente zeigt: Der von der Leyen’sche Meilenstein entpuppt sich in manchen Bereichen als Mühlstein am Hals der Europäer. Gerade im wichtigen Bereich der Presse und Informationen ist von der angestrebten Gleichbehandlung nichts zu finden.
So wird in Annex I des CAI auf vier Seiten ausgiebig festgehalten, dass europäischen Investoren der chinesische Medienmarkt auch in Zukunft de facto verschlossen bleibt. Ob bei Nachrichtenagenturen, Zeitungen, Zeitschriften, Radio- und Fernsehstationen oder auch Online-Nachrichtenservices sowie digitalen Plattformen: ohne die Zustimmung der chinesischen Regierung geht nichts. Lediglich bei Internetsuchdiensten dürfe man sich einkaufen, allerdings muss der ausländische Anteil unter 50 Prozent bleiben. Selbst im Fall von chinesisch-ausländischen Publikationskooperationen wird laut CAI das Recht der finalen Zustimmung auf chinesischer Seite bleiben.
Während diese Investitionsbedingungen in einer generellen Verbotstonlage gehalten sind, hat Peking für das Ausstrahlen ausländischer Radio- und Fernsehprogramme minutiöse Vorgaben durchsetzen können. So heißt es etwa auf Seite 31 des Annex I, dass ohne Zustimmung der staatlichen Behörde für Radio und Fernsehen zwischen 19 Uhr und 22 Uhr in China keine ausländischen Filme oder TV-Serien gezeigt werden dürfen.
Ausländische Dokumentationen bedürfen zu jeder Tageszeit einer expliziten Genehmigung durch die staatlichen Behörden. Und für das Kinderprogramm gilt: zwischen 17 Uhr und 22 Uhr dürfen nur chinesischen Cartoons ausgestrahlt werden. Insgesamt dürfen ausländische Filme und TV-Serien in China nicht 25 Prozent des Tagesvolumens überschreiten – andere Inhalte müssen gar unter 15 Prozent bleiben.
Im Sinne der Gleichbehandlung müssten die europäischen Vorgaben für chinesische Investitionen im Medienbereich nun ebenso rigide, die Programme für Funk und Fernsehen ebenfalls auf die Minute durchgeplant sein. Die EU garantiert jedoch “Nationale Behandlung”, sprich: Die europäischen Staaten sollen chinesischen Investoren jeweils die gleichen Rechte zusichern wie lokalen Interessenten. Elf EU-Mitglieder – darunter Bulgarien, Tschechien, Ungarn, Polen oder die Slowakei – behielten sich allerdings das Recht vor, chinesische Investoren gesondert zu behandeln.
Einzig Frankreich nahm sich das chinesische Vorgehen zum Vorbild und legte ähnliche Restriktionen wie Peking vor: Demnach dürfen chinesische Investitionen in bestehende Medienhäuser nicht mehr als 20 Prozent des Kapitals oder der Stimmrechte überschreiten. Die übrigen großen EU-Staaten wie Deutschland, Italien oder Spanien lassen hingegen ihre Medienbranchen für China auch weiterhin uneingeschränkt geöffnet.
Dabei ist der Kampf um Informationen und deren Deutungshoheit in vollem Gange. Immer häufiger steht Aussage gegen Aussage: Die Geschehnisse in Xinjiang werden im Westen teilweise als Genozid bezeichnet, während die chinesische Seite von erfolgreichen Ausbildungslagern spricht. Auch bezüglich der Corona-Pandemie sind die konträren Sichtweisen in Ost und West über Ursprung, Bekämpfungsstrategie und vermeintliche Hilfen deutlich sichtbar.
Staatspräsident Xi Jinping macht aus seiner Ansicht keinen Hehl. Schon im Februar 2016 sagte Xi: “Wo immer die Leser sein mögen, wo immer die Zuschauer, dort müssen Propagandaberichte ihre Tentakeln ausbreiten.” Auf dem 19. Nationalen Volkskongress im Oktober 2017 brachte er Chinas Ziele der Weltöffentlichkeit in blumigeren Worten nahe. “Wir werden unsere Kapazitäten in der internationalen Kommunikation verbessern, damit Chinas Geschichten gut erzählt werden und damit ein wahrer, mehrdimensionaler und umfassender Blick auf China ermöglicht wird. Das wird die kulturelle Soft-Power unseres Landes verstärken.”
China lässt diesen Worten auch Taten folgen: Zwischen 2008 und 2018 investierte die Volksrepublik insgesamt 2,3 Milliarden US-Dollar in die europäische Medienbranche. Das Projekt Map!nfluence untersucht, wie Chinas Investitionen die Berichterstattung beeinflussen: Negative Berichte über die Volksrepublik sind in den entsprechenden Medien fast vollständig verschwunden. Das Bild von China wurde in den Berichten immer positiver.
Und so ist Europa mit dem CAI dem erstrebenswerten Ziel der Gleichbehandlung zumindest im Bereich Presse und Medien kein Stück nähergekommen. Im Gegenteil, das CAI verschriftlicht das Ungleichgewicht und gleicht damit einer Kapitulation: Während CGTN, der Auslandskanal des chinesischen Staatsfernsehens CCTV, europaweit frei zu empfangen ist, werden in China immer mehr europäische Sender und Nachrichtenseiten gesperrt – von der französischen Le Monde über die Deutsche Welle bis hin zur britischen BBC.
Deutschland ist eines der wichtigsten Zielländer für chinesische Investoren und liegt, gemessen am Kapitalstock im Ausland, auf Platz zehn aller chinesischen Investitionsländer. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel in Kooperation mit der Peking Universität (China’s Investments in Germany and the Impact of the COVID-19 Pandemic). “Der entscheidende Schub für chinesische Auslandsinvestitionen in Deutschland kam durch den Paradigmenwechsel der chinesischen Regierung, das Wirtschaftswachstum im Inland vor allem durch Innovation und qualitativ hochwertige Produktionsaktivitäten steigern zu wollen”, schreibt die Autorin und IfW-Forscherin Wan-Hsin Liu in der Studie.
Bei Großprojekten von mindestens 100 Millionen US-Dollar stehen laut der Studie die deutsche Transport- und Technologiebranche im Fokus der Investoren. In den Transportsektor flossen in den letzten 15 Jahren über 21 Milliarden Dollar, davon fast 6,5 Milliarden Dollar von Staatsunternehmen. Über 90 Prozent der Gelder wurden in den letzten fünf Jahren investiert.
In den Technologiesektor flossen knapp sechs Milliarden Dollar, hauptsächlich durch Investitionsprojekte von Unternehmen, die nicht in staatlichem Besitz sind – auch hier fast 90 Prozent der Summe in den letzten fünf Jahren. Interessant auch: Seit 2018 investierten nichtstaatliche chinesische Unternehmen rund 1,3 Milliarden Dollar in den deutschen Gesundheitsbereich. Rückläufig indes sind die chinesischen Investitionen in Deutschlands Immobiliensektor. asi
Chinas EU-Botschafter Zhang Ming hat Lager in der westchinesischen Provinz Xinjiang mit vermeintlich ähnlichen Einrichtungen in Europa und den USA verglichen. “Länder wie die USA, Großbritannien und Frankreich haben Deradikalisierungszentren oder Korrekturzentren eingerichtet. Chinas Maßnahmen unterscheiden sich nicht ganz davon”, sagte Zhang gestern über Lager für die muslimische Minderheit der Uiguren bei einer Online-Veranstaltung des Brüsseler Think-Tanks European Policy Center. Zhang machte keine näheren Angaben zu vermeintlichen “Deradikalisierungszentren” in den genannten Ländern, um seine Behauptung zu unterstützen.
In Xinjiang gehe es um “die Bekämpfung von Terrorismus, Extremismus und Separatismus, nicht um Menschenrechtsverletzungen”, sagte Zhang. In den vergangenen vier Jahren habe es in Xinjiang keinen einzigen Terroranschlag gegeben, fügte er hinzu. “Die Menschen fühlen sich viel sicherer, sie können nachts gut schlafen.”
Zu möglichen EU-Sanktionen gegen China wegen Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang sagte Zhang: “Wir wollen Dialog, nicht Konfrontation.” Die EU-Seite solle Sanktionen aber genau abwägen. “Wenn einige auf Konfrontation bestehen, werden wir nicht nachgeben”, so Zhang.
Der britische Außenminister Dominic Raab betonte Medienberichten zufolge ebenfalls gestern, dass sich Großbritannien eine positive Beziehung zu China wünsche, jedoch nicht auf Kosten der Werte: “Wir werden niemals nachgeben oder aufhören, für unsere Werte einzutreten, einschließlich der Werte offener Gesellschaften, Demokratie und Menschenrechte“, sagte Raab. ari
Die Messenger-App Signal wurde auf dem chinesischen Festland blockiert. Seit Montagabend gibt es laut Nutzern Störungen beim Senden und Empfangen von Nachrichten mit Signal. Zudem gibt es Probleme bei der Registrierung. Derzeit ist Signal nur noch über eine VPN-Verbindung nutzbar. Darüber kann die sogenannte “Große Firewall” Chinas umgangen und weiter Nachrichten über Signal empfangen werden.
Signal wirbt mit einer lückenlosen Verschlüsselung. Das bedeutet, dass von außen keinerlei Zugriffe auf die Inhalte der Nachrichten zwischen Absendern und Empfängern getätigt werden können. So wurde Signal sehr häufig etwa unter den Anhängern der Demokratiebewegung in Hongkong benutzt, um sich für Demonstrationen zu verabreden.
Einen offiziellen Grund für die Sperrung von Signal in China gaben die dortigen Behörden nicht an. Mit der Blockade verstärkt sich der Eindruck, dass Peking den Einfluss der öffentlichen und privaten Diskurse im Land einzudämmen versucht. Neben Twitter und Facebook, die seit langem in China geblockt sind, wurde zuletzt auch die Social-Audio-Plattform Clubhouse verboten. niw
US-Senator Mitt Romney fordert einen ökonomischen und diplomatischen Boykott der Olympischen Winterspiele 2022. China unter Führung der KP verdiene keine olympische Aufmerksamkeit, so Romney in einem Meinungsbeitrag für die New York Times. Vielmehr müsse China “wegen des Genozids an den Uiguren und anderen Minderheiten” sowie “der Unterdrückung friedlicher Demonstranten in Hongkong” verurteilt werden.
Ein sportlicher Boykott der Spiele sei nicht der richtige Ansatz, so Romney. Ein reiner Athletenboykott werde die Kommunistische Partei Chinas nicht zu einer Verhaltensänderung bewegen (China Table berichtete). Der US-Senator fordert stattdessen, dass US-Amerikaner – mit Ausnahme der Athleten, ihrer Trainer und Familien – den Winterspielen fernbleiben sollten. US-Touristen sollten nicht anreisen, um der KP Chinas weniger Einnahmen zu ermöglichen. Statt Diplomaten und Vertreter des Weißen Hauses nach Peking zu schicken, sollte die US-Regierung chinesische Dissidenten und Minderheitenvertreter einladen. Und auch der Fernsehsender NBC sollte nur sehr ausgewählt berichten, so Romneys Forderung.
Romney ruft befreundete Staaten dazu auf, sich einem ökonomischen und diplomatischen Boykott anzuschließen. Der US-Senator kritisiert auch das IOC für die Vergabe der Spiele an Peking. “In autoritären Staaten waren die Olympischen Spiele häufiger ein Propagandawerkzeug als ein Hebel für Reformen”, so Romney. nib
Peking hat den staatlichen Unternehmen in Myanmar angeordnet, nicht benötigtes Personal aus dem Land zu evakuieren, wie die South China Morning Post berichtet. Das vergangene Wochenende war das blutigste seit dem Putsch vor sechs Wochen, der die demokratisch gewählte Regierung von Aung San Sui Kyi stürzte. Dutzende Demonstranten kamen durch Gewaltanwendung der Militärs ums Leben. Laut Medienberichten wurden im Laufe der Proteste auch 32 chinesische Fabriken in Brand gesteckt. Wer für die Brände verantwortlich ist, blieb zunächst unklar. Laut Süddeutscher Zeitung vermuteten einige Demonstranten, die Militärjunta habe verbündete Gangs angestiftet, um eine Legitimation für noch stärkere Gewaltanwendung zu erhalten. Laut SZ könnten jedoch auch anti-chinesische Ressentiments hinter den Brandanschlägen stecken, weil Peking die Militärjunta im UN-Sicherheitsrat protegiert.
Nachdem die chinesische Botschaft die Plünderung und Zerstörung von Fabriken sowie verletzte chinesische Beschäftigte beklagte und zum Schutz chinesischer Unternehmer und Bürger aufrief, reagierten die Militärs mit der Verhängung des Kriegsrechts. nib
Huawei kündigt ein neues Lizenzierungsmodell an, wonach sich die Höhe der Lizenzgebühren für seine 5G-Technologie künftig nach den Preisen der Smartphones der Lizenznehmer orientieren werden. So werden maximal 2,50 US-Dollar pro Gerät fällig, wie das Unternehmen aus Shenzhen am Dienstag bekannt gab. Huawei geht davon aus, dass es zwischen 2019 und 2021 etwa 1,2 bis 1,3 Milliarden US-Dollar an Einnahmen aus der Patentlizenzierung einnehmen wird.
Mit der Veröffentlichung des Lizenzmodells für die eigene 5G-Technologie wolle Huawei der Branche eine transparentere Kostenstruktur geben, sagte Song Liuping, Chefjustiziar von Huawei.
Huawei hält weltweit die meisten 5G-Patente: Bis Ende 2020 hielt das Unternehmen mehr als 100.000 aktive Patente, gegenüber etwas mehr als 85.000 aktiven Patenten Ende 2019.
Die Financial Times berichtet, dass das Unternehmen seine Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen verstärkt hat, um Pekings Forderung nach einheimischen Innovationen nachzukommen. Die Investitionen für Forschung und Entwicklungen beliefen sich 2019 auf 131,7 Milliarden Yuan (umgerechnet 17 Milliarden Euro), was etwa 15,3 Prozent des Jahresumsatzes entspricht. 2020 sollen die F&E-Ausgaben nach Angaben eines leitenden Angestellten gestiegen sein, der jedoch keine weiteren Einzelheiten bekannt gab.
Der Technologiekonzern sieht sich immer wieder Vorwürfen aus den USA ausgesetzt, sich unrechtmäßig beim intellektuellen Eigentum bei westlichen Firmen bedient zu haben. Dem widersprach Francis Gurry, ehemaliger Generaldirektor der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO). Laut Gurry sei Huawei weltweit führend in Sachen Innovation. Im vergangenen Jahr habe das Unternehmen 5.464 internationale Patentanmeldungen eingereicht, verglichen mit 3.093 für Samsung aus Südkorea. niw
Im Laufe seiner Präsidentschaft hat Donald Trump die US-Zölle auf Importe aus China mehrmals erhöht, von durchschnittlich etwa 3 Prozent zum Zeitpunkt seines Amtsantritts im Januar 2017 auf über 20 Prozent zu Jahresende 2019. Aus diesem Grund liegen die US-Durchschnittszölle auf chinesische Güter im Wesentlichen auf dem gleichen Niveau wie Anfang der 1930er Jahre, als die Vereinigten Staaten auf Grundlage des Smoot-Hawley-Zollgesetzes dem Rest der Welt Zölle auferlegten. Dabei handelte es sich um eine protektionistische Maßnahme, die zahlreiche Ökonomen für das Ausmaß der Weltwirtschaftskrise verantwortlich machen. Nachdem nun Präsident Joe Biden viele der Maßnahmen Trumps rückgängig macht – wie etwa Importzölle auf europäische Waren – muss er entscheiden, ob er auch die von seinem Amtsvorgänger gegenüber China verhängten Zölle außer Kraft setzen wird.
Biden wird dies nicht aus Rücksichtnahme auf das Wohl der chinesischen Arbeiterinnen und Arbeiter oder Firmen tun, nicht zuletzt, weil er sich vor dem Vorwurf schützen muss, zu weich gegenüber Amerikas wichtigstem globalen Rivalen zu agieren. Allerdings bestehen drei triftigere Gründe, die Zölle abzuschaffen: sie haben amerikanischen Arbeitskräften und Firmen geschadet, nicht für einen Rückgang des gesamten US-Handelsdefizits gesorgt und den Respekt für globale Wirtschaftsregeln wohl weiter untergraben.
Von allen evidenzbasierten Studien US-amerikanischer Ökonominnen und Ökonomen hat keine einzige ergeben, dass amerikanische Haushalte oder Unternehmen von Trumps Handelskrieg profitiert hätten. Mary Amiti von der Federal Reserve Bank of New York, Stephen Redding von der Princeton University und David Weinstein von der Columbia University haben die sechs Zollerhöhungen auf chinesische Waren des Jahres 2018 untersucht, aufgrund derer sich der Anteil der US-Importe, die mit einem Zoll von 10 Prozent oder höher belegt sind, von 3,5 Prozent auf 10,6 Prozent erhöhte. Anders als von Trump und seinen hochrangigen Handelsvertretern behauptet, schlugen sich die höheren Zölle fast vollständig in höheren Preisen für amerikanische Verbraucher nieder.
Als Reaktion auf die Zollerhöhungen verteuerten sich unterdessen auch die US-Importe ähnlicher Güter aus anderen Ländern. Obwohl also die US-Regierung zusätzliche Zolleinnahmen kassierte, handelte es sich dabei lediglich um einen Transfer von den amerikanischen Haushalten zum US-Finanzministerium. Andere Studien sind zu ähnlichen Schlussfolgerungen gelangt.
Da chinesische Konsumgüter in den USA überproportional häufig von Haushalten mit mittlerem und niedrigem Einkommen gekauft werden, können Trumps Zölle de facto als regressive Steuer betrachtet werden. Damit verzerrten sie die ohnehin schon sehr ungleiche Einkommensverteilung in Amerika noch weiter.
Chinas Vergeltungszölle auf amerikanische Produkte haben in den USA zusätzliche wirtschaftliche Einbußen verursacht, die sich in einem geringeren Absatz langlebiger Güter wie etwa Autos zeigen. Michael Waugh von der New York University stellte fest, dass die Autoverkäufe in US-Regionen, die den chinesischen Handelsrepressalien stärker ausgesetzt sind, deutlich zurückgingen (um etwa 15 Prozent). Das lässt auf einen Rückgang der Haushaltseinkommen schließen. Überdies war in diesen Regionen auch ein Beschäftigungsrückgang zu verzeichnen.
Für manche US-Sektoren, die im Wettbewerb mit chinesischen Importen stehen, ergab sich ein gewisser Schutz. Dieser Vorteil wurde jedoch durch die Arbeitsplatzvernichtung in Sektoren, die chinesische Vorleistungen einsetzen – darunter Dienstleistungen und auch Fertigung – ebenso aufgewogen wie durch Arbeitsplatzverluste aufgrund der geringeren US-Exporte nach China.
Auch die US-Handelsbilanz erfuhr keine Verbesserung durch Trumps Zölle. Das bilaterale Defizit mit China lag im Jahr 2019 im Wesentlichen gleich hoch (etwa 345 Milliarden US-Dollar) wie 2016, dem letzten vollen Jahr der Regierung unter Präsident Barack Obama. Diese Entwicklung war Ausdruck gleichmäßiger Rückgänge der US-Exporte nach China sowie der Importe aus China im Ausmaß von jeweils etwa 10 Milliarden Dollar.
Dieses Muster setzte sich 2020 fort. Das bilaterale Defizit verringerte sich zwar auf 311 Milliarden Dollar, dies lag aber zum Teil daran, dass sich die gesamten US-Importe aufgrund der pandemiebedingten Rezession rückläufig präsentierten. Und obwohl die US-Exporte nach China im Rahmen des “Phase-1”-Handelsabkommens der beiden Länder im Jahr 2019 von 107 Milliarden Dollar auf 125 Milliarden Dollar anstiegen, entspricht dieser Wert etwa dem Niveau von 2018, ist aber niedriger als 2017, als die entsprechende Gesamtsumme bei 130 Milliarden Dollar lag.
Die höheren US-Zölle auf chinesische Güter haben lediglich dafür gesorgt, dass sich der Import mancher Produkte auf andere Länder verlagerte. Die bilaterale Handelsbilanz mit China spielt für das Wohlergehen der Amerikaner nur eine untergeordnete Rolle, aber das US-Handelsbilanzdefizit, das 2020 auf ein 12-Jahres-Rekordhoch kletterte, ist Ausdruck eines Mangels an nationalen Ersparnissen im Verhältnis zu den nationalen Investitionen in den USA.
China könnte zwar mehr tun, um seine eigenen Handelshemmnisse abzubauen, aber diese sind nicht der Grund für den Handelsüberschuss des Landes. Tatsächlich deuten meine gemeinsam mit Jiandong Ju und Kang Shi durchgeführten Untersuchungen darauf hin, dass Chinas Importliberalisierung in den frühen 2000er Jahren zu einem Anstieg des gesamten Handelsüberschusses beigetragen hat.
Man könnte argumentieren, dass die USA ihre Abhängigkeit von China im Bereich Handel aus Gründen der nationalen Sicherheit reduzieren sollten. Da aber die USA über mehr Instrumente für die nationale Sicherheit verfügen als fast jedes andere Land, müssen sie sich bei der Verfolgung dieser strategischen Ziele nicht auf Zölle verlassen. Tatsächlich wäre es im nationalen Interesse der USA, sich bei der Welthandelsorganisation (WTO) für Reformen einzusetzen, die den Einsatz von Zöllen für nicht-wirtschaftliche Zwecke delegitimieren.
Die Aufhebung der Zölle Trumps auf chinesische Waren ist entscheidend, um das Vertrauen in das globale Handelssystem wiederherzustellen. Im September 2020 entschied ein Streitschlichtungsgremium der WTO, dass die US-Zölle gemäß der Regeln der Welthandelsorganisation unrechtmäßig seien. Die USA haben zwar das Recht, gegen diese Entscheidung Berufung einzulegen, aber die Trump-Administration hat das Berufungsgremium der WTO außer Gefecht gesetzt, als sie sich weigerte, nach Ablauf der Amtszeit der bisherigen Amtsinhaber neue Richter zu bestätigen. Dadurch ist das Gremium nun nicht mehr beschlussfähig.
Diese WTO-Entscheidung zu ignorieren, könnte die Glaubwürdigkeit des erklärten Interesses der Biden-Administration an der Stärkung des regelbasierten globalen Systems untergraben. Aber es stellt sich die Frage, ob die USA für die Abschaffung der bestehenden Trump-Zölle versuchen sollten, im Gegenzug etwas von China zu bekommen?
Biden sollte das durchaus tun, wenn er etwas Brauchbares herausholen kann, wie etwa das einseitige Bekenntnis Chinas, bis 2060 CO2-Neutralität erreichen zu wollen, in eine verbindliche internationale Zusage umzuwandeln. Aber je länger die Trumps Zölle bestehen bleiben, desto länger werden Amerikas Haushalte mit mittlerem und niedrigem Einkommen die Last zu tragen haben. Ebenso wie die Smoot-Hawley-Zölle in den 1930er Jahren wird die fortgesetzte Einhebung der Trump-Zölle Bidens Ziel einer umfassenden wirtschaftlichen Erholung entgegenstehen.
Shang-Jin Wei ist ehemaliger Chefvolkswirt der Asiatischen Entwicklungsbank und Professor für Finanz- und Wirtschaftswissenschaften an der Columbia Business School sowie an der School of International and Public Affairs der Columbia University. Aus dem Englischen von Helga Klinger-Groier.
Copyright: Project Syndicate, 2021.
www.project-syndicate.org
细节决定成败 – Details machen den Unterschied. Nachdem Amelie Richter für die Ausgabe 39 des China.Table-Briefings die noch beinahe druckfrischen Annexe des EU-China-Investitionsabkommens CAI durchgesehen hat, wollen wir in den kommenden Tagen tiefer in die Details einsteigen. Zu den Auswirkungen des Abkommens auf deutsche und europäische Marktteilnehmer lesen Sie Näheres in unseren China.Table-Analysen zum CAI. Den Anfang macht Michael Radunski. Er untersucht die geplanten Regelungen für Medien. Sein Fazit: in wichtigen Bereichen der Medien und Informationen lässt sich die EU von China über den Tisch ziehen.
Die Entwicklung von modernsten Arzneimitteln auf der Basis von mRNA verspricht gewaltige Marktpotenziale. Das Prinzip ist der Öffentlichkeit erst seit der Pandemie und der Entwicklung von Impfstoffen bekannt geworden. Der mRNA-Forschung chinesischer Unternehmen geht Finn Mayer-Kuckuk nach und beleuchtet dabei auch die Hintergründe des internationalen Kampfes um die besten Corona-Impfstoffe.
Deutschlands Technologiebranche steht im Fokus von chinesischen Investoren. Das zeigt eine Studie des Instituts für Weltwirtschaft mit der Peking Universität. Für China bedeutet der Zugang zu deutschen Firmen auch, dass sich damit Türen öffnen zu Schlüsseltechnologien.
Chinas Anspruch, eines Tages technisch auf Augenhöhe mit der EU und den USA mitzuspielen, betrifft auch die Biomedizin. Eher unbeachtet von der Öffentlichkeit arbeiten gleich zwei Gruppen an Impfungen auf Basis der mRNA-Technik, die als vorderste Front moderner Krankheitsbekämpfung gilt. Der in Deutschland mehrheitlich eingesetzte Impfstoff von Biontech verwendet ebenfalls mRNA. Langfristig will China im großen Stil in die Entwicklung und Produktion entsprechender Arzneimittel einsteigen und auch hier vom Westen unabhängig sein.
Das erste Unternehmen mit einem mRNA-Impfstoff in der Entwicklung trägt auf Englisch den Namen Stemirna Therapeutics. Dieser zunächst sperrig klingende Name erschließt sich beim Blick auf das Logo etwas besser: Das “RNA” am Ende ist farblich hervorgehoben. Das Unternehmen arbeitet in einem zweiten Forschungszweig an einer Stammzellen-Datenbank – das erklärt den ersten Namensteil, der sich aus dem Englischen “stem cell” herleitet. Auf Chinesisch heißt das Unternehmen “Si Weishengwu” (斯微生物), kurz Siwei. Es sitzt in Shanghai und entwickelt die mRNA-Wirkstoffe zusammen mit der Tongji-Universität.
Finanz- und Vertriebspartner ist die Pharmafirma Tibet Rhodiola aus Lhasa. Das Unternehmen ist durchaus schon als Impfstoffhersteller in Erscheinung getreten und stellt derzeit auch in russischem Auftrag Sputnik V her. Stemirna und Tibet Rhodiola beginnen derzeit eine klinische Studie des mRNA-Impfstoffs. Über Details schweigen die Unternehmen bisher noch.
Stemirna forscht schon seit 2016 an mRNA. Das ist nicht ungewöhnlich: Weltweit haben Biomediziner in den vergangenen Jahren entsprechende Start-ups gegründet. Tatsächlich waren auch in Deutschland Biontech und Curevac nicht die einzigen Neugründungen mit mRNA-Fokus. Die Frage ist eher, wie weit die konkrete Produktentwicklung jeweils fortgeschritten war, als die Seuche kam. Biontech und Moderna hatten den Vorteil, bereits mit echten Therapiestudien in den Krankenhäusern präsent zu sein. Biontech hatte zudem zusammen mit Pfizer bereits an Grippeimpfstoffen gearbeitet – die Partner kannten sich also Anfang 2020 bereits, als Covid-19 ausbrach.
Stemirna liegt nun im Zeitplan der Entwicklung anscheinend etwas hinter Curevac, hat aber je nach Dauer der Studie gute Chancen, noch einen Markt für sein Produkt vorzufinden. Schließlich will China seine Bevölkerung erst bis Mitte 2022 durchgeimpft haben. Corona hätte dem Unternehmen dann einen riesigen Schub gegeben – genau wie den westlichen Konkurrenten.
Das zweite chinesische mRNA-Projekt läuft als Kooperation zwischen der Wissenschaftsakademie der Volksbefreiungsarmee und zwei Privatunternehmen:
Mitte vergangenen Jahres haben die klinischen Studien begonnen. Derzeit ist nicht ganz klar, was bisher dabei herausgekommen ist. Ein marktfähiges Vakzin jedenfalls nicht, das wäre bekannt geworden.
China interessiert sich jedoch nicht nur im Kampf gegen Covid-19 für mRNA. Auch wenn es sich dabei nicht um das Allheilmittel handelt, das einige bereits daraus machen: Die neue Technik wird vermutlich schon bald eines der wichtigsten Arbeitsmittel der Arzneikunde sein. Schließlich lassen sich damit vermutlich mehrere Arten von Krebs heilen, erbliche Krankheiten ausgleichen oder Autoimmunerkrankungen kontrollieren. Sie ermöglicht auch Impfungen gegen Erkältung, HIV, Herpes oder Malaria. Es ist bereits die Rede von einer “Ära der mRNA” in der Medizin. Klar, dass China mitmischen will. Auch ist zu hören, dass der rasche Aufbau großer Produktionskapazitäten für mRNA-Wirkstoffe wegen der Pandemie der EU und den USA einen Vorteil verschafft hat. Denn die Wirkstoffe lassen sich nach der Pandemie leicht für andere Anwendungen umwidmen.
Vermutlich aus diesem Grund war im vergangenen Jahr das Interesse riesig, eine Vereinbarung mit Biontech über den Aufbau einer Herstellungslinie für die Corona-Impfung in China abzuschließen. Bisher laufen die Anlagen nicht. Aber das industriepolitische Muster ist bekannt: die Weltmarktführer einzuladen, im Inland zu produzieren. Dazu gehört es, chinesisches Personal in den fortschrittlichsten Techniken auszubilden. Die mRNA-Revolution ist hier eine Chance für China. Wie im Fall des Elektroautos stehen alle Volkswirtschaften gemeinsam erst an der Startlinie. Kein Land kann hier jahrzehntelange Erfahrung vorweisen.
China hat in Gestalt des Staatskonzerns Fosun das Potenzial von mRNA-Vakzinen sogar früher erkannt als die EU und Deutschland. Das Unternehmen hat Biontech im vergangenen Frühjahr sehr früh eine Kapitalbeteiligung angeboten – während die Bundesrepublik sich hier vornehm zurückgehalten hat. Nur Konkurrent Curevac hat staatliches Kapital erhalten.
Als Biontech der EU-Kommission im Herbst eine Belieferung mit mehreren hundert Millionen Dosen angeboten hat, die über die ursprünglichen Verträge hinausgehen sollte, hat diese ausdrücklich abgelehnt. Fosun hat dagegen im Dezember dankbar zugegriffen. Xi Jinping hatte da eben die “wichtige Anweisung” erlassen, “die Bekämpfung von Seuchen entschlossen umzusetzen”.
Reziprozität ist das große Ziel, das EU-Politiker durch das Investitionsabkommen mit China (CAI) erreichen wollten. Sieben Jahre lang wurde mit Peking verhandelt, wie ein Mantra immer wieder die ersehnte Gleichbehandlung rezitiert. Nun endlich steht das Abkommen mit der Volksrepublik. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen preist das “EU-China Comprehensive Agreement on Investment” als einen “wichtigen Meilenstein in den Beziehungen zu China und für Europas wertebasierte Handelsagenda”. Doch ein näherer Blick in die Dokumente zeigt: Der von der Leyen’sche Meilenstein entpuppt sich in manchen Bereichen als Mühlstein am Hals der Europäer. Gerade im wichtigen Bereich der Presse und Informationen ist von der angestrebten Gleichbehandlung nichts zu finden.
So wird in Annex I des CAI auf vier Seiten ausgiebig festgehalten, dass europäischen Investoren der chinesische Medienmarkt auch in Zukunft de facto verschlossen bleibt. Ob bei Nachrichtenagenturen, Zeitungen, Zeitschriften, Radio- und Fernsehstationen oder auch Online-Nachrichtenservices sowie digitalen Plattformen: ohne die Zustimmung der chinesischen Regierung geht nichts. Lediglich bei Internetsuchdiensten dürfe man sich einkaufen, allerdings muss der ausländische Anteil unter 50 Prozent bleiben. Selbst im Fall von chinesisch-ausländischen Publikationskooperationen wird laut CAI das Recht der finalen Zustimmung auf chinesischer Seite bleiben.
Während diese Investitionsbedingungen in einer generellen Verbotstonlage gehalten sind, hat Peking für das Ausstrahlen ausländischer Radio- und Fernsehprogramme minutiöse Vorgaben durchsetzen können. So heißt es etwa auf Seite 31 des Annex I, dass ohne Zustimmung der staatlichen Behörde für Radio und Fernsehen zwischen 19 Uhr und 22 Uhr in China keine ausländischen Filme oder TV-Serien gezeigt werden dürfen.
Ausländische Dokumentationen bedürfen zu jeder Tageszeit einer expliziten Genehmigung durch die staatlichen Behörden. Und für das Kinderprogramm gilt: zwischen 17 Uhr und 22 Uhr dürfen nur chinesischen Cartoons ausgestrahlt werden. Insgesamt dürfen ausländische Filme und TV-Serien in China nicht 25 Prozent des Tagesvolumens überschreiten – andere Inhalte müssen gar unter 15 Prozent bleiben.
Im Sinne der Gleichbehandlung müssten die europäischen Vorgaben für chinesische Investitionen im Medienbereich nun ebenso rigide, die Programme für Funk und Fernsehen ebenfalls auf die Minute durchgeplant sein. Die EU garantiert jedoch “Nationale Behandlung”, sprich: Die europäischen Staaten sollen chinesischen Investoren jeweils die gleichen Rechte zusichern wie lokalen Interessenten. Elf EU-Mitglieder – darunter Bulgarien, Tschechien, Ungarn, Polen oder die Slowakei – behielten sich allerdings das Recht vor, chinesische Investoren gesondert zu behandeln.
Einzig Frankreich nahm sich das chinesische Vorgehen zum Vorbild und legte ähnliche Restriktionen wie Peking vor: Demnach dürfen chinesische Investitionen in bestehende Medienhäuser nicht mehr als 20 Prozent des Kapitals oder der Stimmrechte überschreiten. Die übrigen großen EU-Staaten wie Deutschland, Italien oder Spanien lassen hingegen ihre Medienbranchen für China auch weiterhin uneingeschränkt geöffnet.
Dabei ist der Kampf um Informationen und deren Deutungshoheit in vollem Gange. Immer häufiger steht Aussage gegen Aussage: Die Geschehnisse in Xinjiang werden im Westen teilweise als Genozid bezeichnet, während die chinesische Seite von erfolgreichen Ausbildungslagern spricht. Auch bezüglich der Corona-Pandemie sind die konträren Sichtweisen in Ost und West über Ursprung, Bekämpfungsstrategie und vermeintliche Hilfen deutlich sichtbar.
Staatspräsident Xi Jinping macht aus seiner Ansicht keinen Hehl. Schon im Februar 2016 sagte Xi: “Wo immer die Leser sein mögen, wo immer die Zuschauer, dort müssen Propagandaberichte ihre Tentakeln ausbreiten.” Auf dem 19. Nationalen Volkskongress im Oktober 2017 brachte er Chinas Ziele der Weltöffentlichkeit in blumigeren Worten nahe. “Wir werden unsere Kapazitäten in der internationalen Kommunikation verbessern, damit Chinas Geschichten gut erzählt werden und damit ein wahrer, mehrdimensionaler und umfassender Blick auf China ermöglicht wird. Das wird die kulturelle Soft-Power unseres Landes verstärken.”
China lässt diesen Worten auch Taten folgen: Zwischen 2008 und 2018 investierte die Volksrepublik insgesamt 2,3 Milliarden US-Dollar in die europäische Medienbranche. Das Projekt Map!nfluence untersucht, wie Chinas Investitionen die Berichterstattung beeinflussen: Negative Berichte über die Volksrepublik sind in den entsprechenden Medien fast vollständig verschwunden. Das Bild von China wurde in den Berichten immer positiver.
Und so ist Europa mit dem CAI dem erstrebenswerten Ziel der Gleichbehandlung zumindest im Bereich Presse und Medien kein Stück nähergekommen. Im Gegenteil, das CAI verschriftlicht das Ungleichgewicht und gleicht damit einer Kapitulation: Während CGTN, der Auslandskanal des chinesischen Staatsfernsehens CCTV, europaweit frei zu empfangen ist, werden in China immer mehr europäische Sender und Nachrichtenseiten gesperrt – von der französischen Le Monde über die Deutsche Welle bis hin zur britischen BBC.
Deutschland ist eines der wichtigsten Zielländer für chinesische Investoren und liegt, gemessen am Kapitalstock im Ausland, auf Platz zehn aller chinesischen Investitionsländer. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel in Kooperation mit der Peking Universität (China’s Investments in Germany and the Impact of the COVID-19 Pandemic). “Der entscheidende Schub für chinesische Auslandsinvestitionen in Deutschland kam durch den Paradigmenwechsel der chinesischen Regierung, das Wirtschaftswachstum im Inland vor allem durch Innovation und qualitativ hochwertige Produktionsaktivitäten steigern zu wollen”, schreibt die Autorin und IfW-Forscherin Wan-Hsin Liu in der Studie.
Bei Großprojekten von mindestens 100 Millionen US-Dollar stehen laut der Studie die deutsche Transport- und Technologiebranche im Fokus der Investoren. In den Transportsektor flossen in den letzten 15 Jahren über 21 Milliarden Dollar, davon fast 6,5 Milliarden Dollar von Staatsunternehmen. Über 90 Prozent der Gelder wurden in den letzten fünf Jahren investiert.
In den Technologiesektor flossen knapp sechs Milliarden Dollar, hauptsächlich durch Investitionsprojekte von Unternehmen, die nicht in staatlichem Besitz sind – auch hier fast 90 Prozent der Summe in den letzten fünf Jahren. Interessant auch: Seit 2018 investierten nichtstaatliche chinesische Unternehmen rund 1,3 Milliarden Dollar in den deutschen Gesundheitsbereich. Rückläufig indes sind die chinesischen Investitionen in Deutschlands Immobiliensektor. asi
Chinas EU-Botschafter Zhang Ming hat Lager in der westchinesischen Provinz Xinjiang mit vermeintlich ähnlichen Einrichtungen in Europa und den USA verglichen. “Länder wie die USA, Großbritannien und Frankreich haben Deradikalisierungszentren oder Korrekturzentren eingerichtet. Chinas Maßnahmen unterscheiden sich nicht ganz davon”, sagte Zhang gestern über Lager für die muslimische Minderheit der Uiguren bei einer Online-Veranstaltung des Brüsseler Think-Tanks European Policy Center. Zhang machte keine näheren Angaben zu vermeintlichen “Deradikalisierungszentren” in den genannten Ländern, um seine Behauptung zu unterstützen.
In Xinjiang gehe es um “die Bekämpfung von Terrorismus, Extremismus und Separatismus, nicht um Menschenrechtsverletzungen”, sagte Zhang. In den vergangenen vier Jahren habe es in Xinjiang keinen einzigen Terroranschlag gegeben, fügte er hinzu. “Die Menschen fühlen sich viel sicherer, sie können nachts gut schlafen.”
Zu möglichen EU-Sanktionen gegen China wegen Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang sagte Zhang: “Wir wollen Dialog, nicht Konfrontation.” Die EU-Seite solle Sanktionen aber genau abwägen. “Wenn einige auf Konfrontation bestehen, werden wir nicht nachgeben”, so Zhang.
Der britische Außenminister Dominic Raab betonte Medienberichten zufolge ebenfalls gestern, dass sich Großbritannien eine positive Beziehung zu China wünsche, jedoch nicht auf Kosten der Werte: “Wir werden niemals nachgeben oder aufhören, für unsere Werte einzutreten, einschließlich der Werte offener Gesellschaften, Demokratie und Menschenrechte“, sagte Raab. ari
Die Messenger-App Signal wurde auf dem chinesischen Festland blockiert. Seit Montagabend gibt es laut Nutzern Störungen beim Senden und Empfangen von Nachrichten mit Signal. Zudem gibt es Probleme bei der Registrierung. Derzeit ist Signal nur noch über eine VPN-Verbindung nutzbar. Darüber kann die sogenannte “Große Firewall” Chinas umgangen und weiter Nachrichten über Signal empfangen werden.
Signal wirbt mit einer lückenlosen Verschlüsselung. Das bedeutet, dass von außen keinerlei Zugriffe auf die Inhalte der Nachrichten zwischen Absendern und Empfängern getätigt werden können. So wurde Signal sehr häufig etwa unter den Anhängern der Demokratiebewegung in Hongkong benutzt, um sich für Demonstrationen zu verabreden.
Einen offiziellen Grund für die Sperrung von Signal in China gaben die dortigen Behörden nicht an. Mit der Blockade verstärkt sich der Eindruck, dass Peking den Einfluss der öffentlichen und privaten Diskurse im Land einzudämmen versucht. Neben Twitter und Facebook, die seit langem in China geblockt sind, wurde zuletzt auch die Social-Audio-Plattform Clubhouse verboten. niw
US-Senator Mitt Romney fordert einen ökonomischen und diplomatischen Boykott der Olympischen Winterspiele 2022. China unter Führung der KP verdiene keine olympische Aufmerksamkeit, so Romney in einem Meinungsbeitrag für die New York Times. Vielmehr müsse China “wegen des Genozids an den Uiguren und anderen Minderheiten” sowie “der Unterdrückung friedlicher Demonstranten in Hongkong” verurteilt werden.
Ein sportlicher Boykott der Spiele sei nicht der richtige Ansatz, so Romney. Ein reiner Athletenboykott werde die Kommunistische Partei Chinas nicht zu einer Verhaltensänderung bewegen (China Table berichtete). Der US-Senator fordert stattdessen, dass US-Amerikaner – mit Ausnahme der Athleten, ihrer Trainer und Familien – den Winterspielen fernbleiben sollten. US-Touristen sollten nicht anreisen, um der KP Chinas weniger Einnahmen zu ermöglichen. Statt Diplomaten und Vertreter des Weißen Hauses nach Peking zu schicken, sollte die US-Regierung chinesische Dissidenten und Minderheitenvertreter einladen. Und auch der Fernsehsender NBC sollte nur sehr ausgewählt berichten, so Romneys Forderung.
Romney ruft befreundete Staaten dazu auf, sich einem ökonomischen und diplomatischen Boykott anzuschließen. Der US-Senator kritisiert auch das IOC für die Vergabe der Spiele an Peking. “In autoritären Staaten waren die Olympischen Spiele häufiger ein Propagandawerkzeug als ein Hebel für Reformen”, so Romney. nib
Peking hat den staatlichen Unternehmen in Myanmar angeordnet, nicht benötigtes Personal aus dem Land zu evakuieren, wie die South China Morning Post berichtet. Das vergangene Wochenende war das blutigste seit dem Putsch vor sechs Wochen, der die demokratisch gewählte Regierung von Aung San Sui Kyi stürzte. Dutzende Demonstranten kamen durch Gewaltanwendung der Militärs ums Leben. Laut Medienberichten wurden im Laufe der Proteste auch 32 chinesische Fabriken in Brand gesteckt. Wer für die Brände verantwortlich ist, blieb zunächst unklar. Laut Süddeutscher Zeitung vermuteten einige Demonstranten, die Militärjunta habe verbündete Gangs angestiftet, um eine Legitimation für noch stärkere Gewaltanwendung zu erhalten. Laut SZ könnten jedoch auch anti-chinesische Ressentiments hinter den Brandanschlägen stecken, weil Peking die Militärjunta im UN-Sicherheitsrat protegiert.
Nachdem die chinesische Botschaft die Plünderung und Zerstörung von Fabriken sowie verletzte chinesische Beschäftigte beklagte und zum Schutz chinesischer Unternehmer und Bürger aufrief, reagierten die Militärs mit der Verhängung des Kriegsrechts. nib
Huawei kündigt ein neues Lizenzierungsmodell an, wonach sich die Höhe der Lizenzgebühren für seine 5G-Technologie künftig nach den Preisen der Smartphones der Lizenznehmer orientieren werden. So werden maximal 2,50 US-Dollar pro Gerät fällig, wie das Unternehmen aus Shenzhen am Dienstag bekannt gab. Huawei geht davon aus, dass es zwischen 2019 und 2021 etwa 1,2 bis 1,3 Milliarden US-Dollar an Einnahmen aus der Patentlizenzierung einnehmen wird.
Mit der Veröffentlichung des Lizenzmodells für die eigene 5G-Technologie wolle Huawei der Branche eine transparentere Kostenstruktur geben, sagte Song Liuping, Chefjustiziar von Huawei.
Huawei hält weltweit die meisten 5G-Patente: Bis Ende 2020 hielt das Unternehmen mehr als 100.000 aktive Patente, gegenüber etwas mehr als 85.000 aktiven Patenten Ende 2019.
Die Financial Times berichtet, dass das Unternehmen seine Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen verstärkt hat, um Pekings Forderung nach einheimischen Innovationen nachzukommen. Die Investitionen für Forschung und Entwicklungen beliefen sich 2019 auf 131,7 Milliarden Yuan (umgerechnet 17 Milliarden Euro), was etwa 15,3 Prozent des Jahresumsatzes entspricht. 2020 sollen die F&E-Ausgaben nach Angaben eines leitenden Angestellten gestiegen sein, der jedoch keine weiteren Einzelheiten bekannt gab.
Der Technologiekonzern sieht sich immer wieder Vorwürfen aus den USA ausgesetzt, sich unrechtmäßig beim intellektuellen Eigentum bei westlichen Firmen bedient zu haben. Dem widersprach Francis Gurry, ehemaliger Generaldirektor der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO). Laut Gurry sei Huawei weltweit führend in Sachen Innovation. Im vergangenen Jahr habe das Unternehmen 5.464 internationale Patentanmeldungen eingereicht, verglichen mit 3.093 für Samsung aus Südkorea. niw
Im Laufe seiner Präsidentschaft hat Donald Trump die US-Zölle auf Importe aus China mehrmals erhöht, von durchschnittlich etwa 3 Prozent zum Zeitpunkt seines Amtsantritts im Januar 2017 auf über 20 Prozent zu Jahresende 2019. Aus diesem Grund liegen die US-Durchschnittszölle auf chinesische Güter im Wesentlichen auf dem gleichen Niveau wie Anfang der 1930er Jahre, als die Vereinigten Staaten auf Grundlage des Smoot-Hawley-Zollgesetzes dem Rest der Welt Zölle auferlegten. Dabei handelte es sich um eine protektionistische Maßnahme, die zahlreiche Ökonomen für das Ausmaß der Weltwirtschaftskrise verantwortlich machen. Nachdem nun Präsident Joe Biden viele der Maßnahmen Trumps rückgängig macht – wie etwa Importzölle auf europäische Waren – muss er entscheiden, ob er auch die von seinem Amtsvorgänger gegenüber China verhängten Zölle außer Kraft setzen wird.
Biden wird dies nicht aus Rücksichtnahme auf das Wohl der chinesischen Arbeiterinnen und Arbeiter oder Firmen tun, nicht zuletzt, weil er sich vor dem Vorwurf schützen muss, zu weich gegenüber Amerikas wichtigstem globalen Rivalen zu agieren. Allerdings bestehen drei triftigere Gründe, die Zölle abzuschaffen: sie haben amerikanischen Arbeitskräften und Firmen geschadet, nicht für einen Rückgang des gesamten US-Handelsdefizits gesorgt und den Respekt für globale Wirtschaftsregeln wohl weiter untergraben.
Von allen evidenzbasierten Studien US-amerikanischer Ökonominnen und Ökonomen hat keine einzige ergeben, dass amerikanische Haushalte oder Unternehmen von Trumps Handelskrieg profitiert hätten. Mary Amiti von der Federal Reserve Bank of New York, Stephen Redding von der Princeton University und David Weinstein von der Columbia University haben die sechs Zollerhöhungen auf chinesische Waren des Jahres 2018 untersucht, aufgrund derer sich der Anteil der US-Importe, die mit einem Zoll von 10 Prozent oder höher belegt sind, von 3,5 Prozent auf 10,6 Prozent erhöhte. Anders als von Trump und seinen hochrangigen Handelsvertretern behauptet, schlugen sich die höheren Zölle fast vollständig in höheren Preisen für amerikanische Verbraucher nieder.
Als Reaktion auf die Zollerhöhungen verteuerten sich unterdessen auch die US-Importe ähnlicher Güter aus anderen Ländern. Obwohl also die US-Regierung zusätzliche Zolleinnahmen kassierte, handelte es sich dabei lediglich um einen Transfer von den amerikanischen Haushalten zum US-Finanzministerium. Andere Studien sind zu ähnlichen Schlussfolgerungen gelangt.
Da chinesische Konsumgüter in den USA überproportional häufig von Haushalten mit mittlerem und niedrigem Einkommen gekauft werden, können Trumps Zölle de facto als regressive Steuer betrachtet werden. Damit verzerrten sie die ohnehin schon sehr ungleiche Einkommensverteilung in Amerika noch weiter.
Chinas Vergeltungszölle auf amerikanische Produkte haben in den USA zusätzliche wirtschaftliche Einbußen verursacht, die sich in einem geringeren Absatz langlebiger Güter wie etwa Autos zeigen. Michael Waugh von der New York University stellte fest, dass die Autoverkäufe in US-Regionen, die den chinesischen Handelsrepressalien stärker ausgesetzt sind, deutlich zurückgingen (um etwa 15 Prozent). Das lässt auf einen Rückgang der Haushaltseinkommen schließen. Überdies war in diesen Regionen auch ein Beschäftigungsrückgang zu verzeichnen.
Für manche US-Sektoren, die im Wettbewerb mit chinesischen Importen stehen, ergab sich ein gewisser Schutz. Dieser Vorteil wurde jedoch durch die Arbeitsplatzvernichtung in Sektoren, die chinesische Vorleistungen einsetzen – darunter Dienstleistungen und auch Fertigung – ebenso aufgewogen wie durch Arbeitsplatzverluste aufgrund der geringeren US-Exporte nach China.
Auch die US-Handelsbilanz erfuhr keine Verbesserung durch Trumps Zölle. Das bilaterale Defizit mit China lag im Jahr 2019 im Wesentlichen gleich hoch (etwa 345 Milliarden US-Dollar) wie 2016, dem letzten vollen Jahr der Regierung unter Präsident Barack Obama. Diese Entwicklung war Ausdruck gleichmäßiger Rückgänge der US-Exporte nach China sowie der Importe aus China im Ausmaß von jeweils etwa 10 Milliarden Dollar.
Dieses Muster setzte sich 2020 fort. Das bilaterale Defizit verringerte sich zwar auf 311 Milliarden Dollar, dies lag aber zum Teil daran, dass sich die gesamten US-Importe aufgrund der pandemiebedingten Rezession rückläufig präsentierten. Und obwohl die US-Exporte nach China im Rahmen des “Phase-1”-Handelsabkommens der beiden Länder im Jahr 2019 von 107 Milliarden Dollar auf 125 Milliarden Dollar anstiegen, entspricht dieser Wert etwa dem Niveau von 2018, ist aber niedriger als 2017, als die entsprechende Gesamtsumme bei 130 Milliarden Dollar lag.
Die höheren US-Zölle auf chinesische Güter haben lediglich dafür gesorgt, dass sich der Import mancher Produkte auf andere Länder verlagerte. Die bilaterale Handelsbilanz mit China spielt für das Wohlergehen der Amerikaner nur eine untergeordnete Rolle, aber das US-Handelsbilanzdefizit, das 2020 auf ein 12-Jahres-Rekordhoch kletterte, ist Ausdruck eines Mangels an nationalen Ersparnissen im Verhältnis zu den nationalen Investitionen in den USA.
China könnte zwar mehr tun, um seine eigenen Handelshemmnisse abzubauen, aber diese sind nicht der Grund für den Handelsüberschuss des Landes. Tatsächlich deuten meine gemeinsam mit Jiandong Ju und Kang Shi durchgeführten Untersuchungen darauf hin, dass Chinas Importliberalisierung in den frühen 2000er Jahren zu einem Anstieg des gesamten Handelsüberschusses beigetragen hat.
Man könnte argumentieren, dass die USA ihre Abhängigkeit von China im Bereich Handel aus Gründen der nationalen Sicherheit reduzieren sollten. Da aber die USA über mehr Instrumente für die nationale Sicherheit verfügen als fast jedes andere Land, müssen sie sich bei der Verfolgung dieser strategischen Ziele nicht auf Zölle verlassen. Tatsächlich wäre es im nationalen Interesse der USA, sich bei der Welthandelsorganisation (WTO) für Reformen einzusetzen, die den Einsatz von Zöllen für nicht-wirtschaftliche Zwecke delegitimieren.
Die Aufhebung der Zölle Trumps auf chinesische Waren ist entscheidend, um das Vertrauen in das globale Handelssystem wiederherzustellen. Im September 2020 entschied ein Streitschlichtungsgremium der WTO, dass die US-Zölle gemäß der Regeln der Welthandelsorganisation unrechtmäßig seien. Die USA haben zwar das Recht, gegen diese Entscheidung Berufung einzulegen, aber die Trump-Administration hat das Berufungsgremium der WTO außer Gefecht gesetzt, als sie sich weigerte, nach Ablauf der Amtszeit der bisherigen Amtsinhaber neue Richter zu bestätigen. Dadurch ist das Gremium nun nicht mehr beschlussfähig.
Diese WTO-Entscheidung zu ignorieren, könnte die Glaubwürdigkeit des erklärten Interesses der Biden-Administration an der Stärkung des regelbasierten globalen Systems untergraben. Aber es stellt sich die Frage, ob die USA für die Abschaffung der bestehenden Trump-Zölle versuchen sollten, im Gegenzug etwas von China zu bekommen?
Biden sollte das durchaus tun, wenn er etwas Brauchbares herausholen kann, wie etwa das einseitige Bekenntnis Chinas, bis 2060 CO2-Neutralität erreichen zu wollen, in eine verbindliche internationale Zusage umzuwandeln. Aber je länger die Trumps Zölle bestehen bleiben, desto länger werden Amerikas Haushalte mit mittlerem und niedrigem Einkommen die Last zu tragen haben. Ebenso wie die Smoot-Hawley-Zölle in den 1930er Jahren wird die fortgesetzte Einhebung der Trump-Zölle Bidens Ziel einer umfassenden wirtschaftlichen Erholung entgegenstehen.
Shang-Jin Wei ist ehemaliger Chefvolkswirt der Asiatischen Entwicklungsbank und Professor für Finanz- und Wirtschaftswissenschaften an der Columbia Business School sowie an der School of International and Public Affairs der Columbia University. Aus dem Englischen von Helga Klinger-Groier.
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