kaum waren die Treffen mit Spitzenpolitikern, Fototermine und eine Ordensverleihung in Taipeh absolviert, stieg Nancy Pelosi wieder in den Jet und entschwand in Richtung Seoul. Sie hinterlässt eine aufgewühlte Region. Eine Folge ihres einschneidenden Besuchs: Die deutsche Botschafterin Patricia Flor wurde ins chinesische Außenministerium zitiert. Grund war die Unterstützung Baerbocks für die Integrität Taiwans anlässlich der steigenden Spannungen. Warum Peking dieses harsche Mittel ausgerechnet gegen Deutschland anwendet, analysiert heute Marcel Grzanna.
Die gedankliche Nähe der Lage um Taiwan zur Ukraine-Situation, die Baerbock hergestellt hat, missfällt Peking gewaltig. Die Ukraine ist ein diplomatisch allseits anerkanntes Land, so die chinesische Sicht, während Taiwan ein isoliertes Territorium sei. Für Baerbock ähneln sich die Szenarien dagegen: Die Großmacht bedroht den friedlichen, kleineren Nachbarn, mit dem sie einen Gebietsstreit hat.
Die deutsche Außenpolitik muss nun selbstverständlich nicht der chinesischen Sicht der Dinge folgen. Doch es fällt auch auf, wie wenig Dialog die neue Regierung mit China bisher pflegt. Von “Partner und Rivale” steht der Rivale ganz weit im Vordergrund. Auch wenn persönliche Besuchstermine von Scholz und Baerbock in Peking derzeit schwer zu vereinbaren sind, wäre es jetzt Zeit für eine Phase intensiver Gesprächsangebote als Ausgleich für Kritik, die dann durchaus auch harsch sein darf.
Angela Stanzel von der Stiftung Wissenschaft und Politik weist im Interview mit Michael Radunski darauf hin: Pekings Strafen richten sich nur gegen Taiwan und nicht gegen die USA. Von Pelosis Flugzeug hat sich die Volksbefreiungsarmee wohlweislich ferngehalten, dafür folgen jetzt Sanktionen gegen taiwanische Firmen. Eine geschickte Strategie. Statt mit hohem Risiko die Supermacht zu bedrohen, erhöht Peking den Druck auf die Insel, die sie als eigenes Territorium wahrnimmt.
Eine weitere Folge der Pelosi-Visite: Am Donnerstag geht ein Manöver der Marine mit scharfer Munition viel zu dicht an Taiwans Küste los. China sanktioniert zudem Taiwans Wirtschaft mit besorgniserregenden Folgen für die Lieferketten. Die profilierte Politikbeobachterin Zsuzsa Anna Ferenczy hat für uns ihre Einschätzung der Lage aufgeschrieben. Die ehemalige Beraterin des EU-Parlaments erwartet künftig weitere Besuche von EU-Abgeordneten in Taiwan, um der Insel den Rücken zu stärken.
Eine 82-Jährige versetzt die Welt in Aufregung. Mit einem Lächeln hinter ihrem Mundschutz wies Nancy Pelosi am Mittwochvormittag auf das Ungleichgewicht hin, mit dem die Volksrepublik China bereits auf die Ankündigung ihres Besuches in Taiwan reagiert hatte. Krieg, Feuer, Tod – das chinesische Rhetorik-Arsenal kannte keine apokalyptische Grenze.
Als im April eine Handvoll US-Senatoren und -Parlamentarier zwei Tage lang offizielle Termine in dem Inselstaat wahrnahmen, hielt sich Peking mit Drohgebärden dagegen deutlich zurück. “Damals haben Sie keinen großen Wirbel veranstaltet”, sagte Pelosi im Rahmen einer Pressekonferenz an der Seite von Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen. Vielleicht sei das nun auch die Begründung für die massiven Drohungen, mutmaßte Pelosi. “Weil sie bei den Männern nichts gesagt haben.” Gelächter im Saal.
Doch die humorvolle Pelosi konnte auch ernsthaft. Ihren Kurztrip nach Taiwan von weniger als 24 Stunden garnierte sie mit zahlreichen Botschaften an die Gastgeber, an die Welt, aber vor allem an die Volksrepublik. Peking könne zwar dafür sorgen, dass Taiwan an internationalen Treffen der Staatengemeinschaft nicht teilnimmt. Aber sie (Pelosi) hoffe, es sei durch ihren Besuch klargeworden, dass sich China nicht in den Weg stellen könne, “wenn Leute nach Taiwan kommen”.
Verbal setzte sie zahlreiche Nadelstiche gegen Peking. Sie adressierte Tsai Ing-wen als Präsidentin und sprach in Bezug auf das Verhältnis der USA und Taiwan von “unseren beiden Ländern”. Offiziell akzeptiert Washington die Ein-China-Politik, die für Peking den eigenen Anspruch auf Taiwan unterstreicht und den Status Taiwans als eigenständiges Land eliminieren soll. Pelosi ist zwar keine Vertreterin der amerikanischen Regierung. Dennoch versicherte sie, dass ihr Land, die Vereinigten Staaten, fest an der Seite Taiwans stehe.
Was die kommenden Tage angeht, steht Taiwan zunächst aber wohl alleine da. Rings um die Insel werden chinesische Marine und Luftwaffe bis einschließlich Sonntag sechs Manöver durchführen und dabei bewusst das taiwanische Gebiet verletzen. Einen Vorgeschmack gab es am Mittwoch, als 22 chinesische Kampfflugzeuge kurzzeitig in den Luftraum eindrangen. In den kommenden Tagen sollen Soldaten aus der Volksrepublik laut Ankündigung bis auf wenige Kilometer an die Küste der Insel heranrücken.
Wenn Peking seinen Drohungen im Vorfeld des Besuchs schon keine Taten folgen ließ, dann soll nun offenbar das nachträgliche Säbelrasseln für die gewünschte Abschreckung sorgen. Eine Taktik, die Taiwan trotz aller Routine im Umgang mit chinesischen Aggressionen in Alarmbereitschaft versetzt. “Wir als Betroffene können es uns nicht leisten, so etwas auf die leichte Schulter zu nehmen”, sagt Shieh Jhy-Wey, offizieller Vertreter der taiwanischen Regierung in Deutschland, im Gespräch mit China.Table.
“Unsere Demokratie ist nicht verhandelbar”, so Shieh. Pelosis Besuch sei ein Meilenstein, weil er das stillschweigende Einverständnis des Westens und Taiwans, aber auch Japans und Südkoreas, die Demokratie gegen Chinas Autokraten verteidigen zu wollen, “in Form einer präzisen Handlung artikuliert hat”, sagt Shieh.
In China dürfte man sich darüber im Klaren sein, dass die eigene Glaubwürdigkeit gelitten hat und mit ein paar Manövern so leicht nicht zu reparieren ist. Das gilt vor allem auch für das eigene Land. Nicht wenige Bürger waren davon ausgegangen, dass es ihre Regierung mit der Kriegsdrohung tatsächlich ernst meint.
Um einigermaßen das Gesicht zu wahren, verlegte Chinas Außenminister Wang Yi die Konsequenzen kurzerhand in die Zukunft. Mit erhobenem Zeigefinger nannte der Minister im CCTV-Interview den Besuch Pelosis eine Farce und versprach, dass China all jene bestrafen werde, die das Land verärgern würden. Zumindest dieses Mal blieb Peking den Beweis dafür schuldig.
Statt abzuschrecken und das Ausland auf Chinas Kurs zu zwingen, provoziert Pekings Brachial-Diplomatie eine wachsende Ablehnung gegenüber seinen Methoden. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock nimmt inzwischen fast jede Gelegenheit wahr, die chinesische Regierung darauf hinzuweisen, dass der Westen nicht bereit ist, die Aggression gegen Taiwan zu akzeptieren. Das kritische Auftreten Deutschlands bleibt China nicht verborgen.
Am Mittwoch wurde die erst seit wenigen Wochen amtierende deutsche Botschafterin in Peking, Patricia Flor, vom chinesischen Außenministerium einbestellt. Wenig später veröffentlichte das Auswärtige Amt in Berlin eine Stellungnahme, in der sich Baerbock zum wiederholten Mal zur Ein-China-Politik bekennt. Die US-Regierung hatte bereits vor Pelosis Besuch klargestellt, dass sie an der Ein-China-Politik festhält.
Das kompromisslose Auftreten Pekings schafft in Deutschland zunehmend ein Bewusstsein dafür, dass Konflikte mit China unvermeidbar sind, wenn man in dieser Beziehung nicht in die Rolle des belächelten Jasagers gedrängt werden möchte. “Wir können dem Konflikt mit China über zentrale Fragen nicht aus dem Weg gehen. Taiwan ist eine dieser Fragen“, sagte Jürgen Hardt (CDU), außenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag der Nachrichtenagentur AFP. Er habe an Pelosis Reise “nichts zu kritisieren”.
Auch in der EU setzt ein Sinneswandel ein, glaubt Zsuzsa Anna Ferenczy, ehemalige politische Beraterin im Europäischen Parlament (siehe Standpunkt). Bislang hätten die EU-Mitgliedsstaaten zwar noch kein gemeinsames Konzept für ihr Vorgehen im Falle eines künftigen Taiwan-Konflikts entwickelt. “Dennoch sind sich die Mitgliedsstaaten einig, dass es Zeit für einen Wandel in der Taiwan-Politik ist – denn China hat sich verändert“, sagt Ferenczy, die heute als Assistenzprofessorin an der Nationalen Dong Hwa Universität im taiwanischen Hualien tätig ist. In diesem Zusammenhang verfolge Brüssel die Entwicklungen in Taiwan im Kontext des indopazifischen Raums genau, auch weil es in diesem Gebiet eigene Interessen zu schützen habe.
Der EU-Parlamentarier Reinhard Bütikofer von den Grünen forderte im Gespräch mit der Deutschen Presseagentur, die EU müsse sich ein Beispiel an Pelosi nehmen. “Auch wir in Europa dürfen nicht achselzuckend zusehen, wie die Volksrepublik versucht, die Welt an die Vorstellung zu gewöhnen, dass eine erzwungene Einverleibung Taiwans unvermeidlich sei”, sagte Bütikofer. Um eine Eskalation um Taiwan zu verhindern, sei es wichtig, Chinas zunehmend übergriffiger Außenpolitik nicht nachzugeben.
Übergriffe glaubt die Volksrepublik sich besonders wegen ihrer gestiegenen wirtschaftlichen Bedeutung leisten zu können. Taiwan soll den Ärger nun zu spüren bekommen. In ihrer Wut über Pelosis Reise setzte Chinas Regierung am Mittwoch kurzerhand auf Einfuhrverbote für Zitrusfrüchte und verpackten Fisch aus Taiwan. Die fadenscheinigen Gründe des Zolls: Registrierungsmängel.
Das Militärmanöver wird zudem die Gewässer vor Taiwans Seehäfen für mehrere Tage teilweise blockieren. Taiwans Transportministerium suchte mit Japan und den Philippinen bereits alternative Routen für die Dauer der Manöver. Taiwan weiß zudem um seine eigenen Trümpfe. Das Land ist wichtiger Lieferant von Halbleitern an die Volksrepublik. Solange China nicht in der Lage ist, sich ohne Qualitätsverlust mit der nötigen Hochtechnologie selbst zu versorgen, könnte Taipeh mit einem Export-Stopp von Halbleitern seinerseits der chinesischen Wirtschaft schaden.
Nancy Pelosi machte sich am Nachmittag derweil auf den Weg nach Südkorea.
Nancy Pelosi ist nach Taiwan gereist – trotz ernster Bedenken aus der US-Regierung, während China massiv mit militärischer Gewalt gedroht hatte. Ist da jemand über das Ziel hinausgeschossen?
Nein, das sehe ich nicht so. Es gibt doch kein Verbot für US-Politiker nach Taiwan zu reisen. Und es ist auch nicht das erste Mal, dass die Spitze des amerikanischen Repräsentantenhauses eine solche Reise unternommen hat. Was man kritisieren kann, ist der Zeitpunkt, den Pelosi für ihre Reise gewählt hat.
Inwiefern?
Xi Jinping steht derzeit unter enormen innenpolitischen Druck: Die chinesische Wirtschaft wächst nur noch schwach, zudem will Xi im Herbst eine dritte Amtszeit als Präsident beginnen. Also Pelosi hätte durchaus einen anderen, besseren Zeitpunkt wählen können, zu dem sie dann nicht eine derartige Krise ausgelöst hätte.
Ich meinte auch nicht Pelosi, sondern das Verhalten Chinas: Die Androhung militärischer Gewalt bis hin zu Aussagen, Chinas Militär solle doch einfach das Flugzeug von Nancy Pelosi abschießen.
Das geht in der Tat absolut zu weit. Ohne Zweifel. Aber man muss dazu auch sagen, dass die Aussage des ehemaligen Chefredakteurs der Global Times nicht unbedingt die Sichtweise der Regierung in Peking widerspiegelt. Die chinesische Führungsspitze will offensichtlich keine militärische Eskalation, geschweige denn, einfach ein amerikanisches Flugzeug abschießen.
Wie hoch ist die Gefahr eines Krieges um Taiwan?
Zunächst muss man leider festhalten, dass sich die Lage verschärft hat. China zieht Truppen zusammen und hat militärische Manöver angekündigt. Das alles ist natürlich nicht gut. Aber die Gefahr eines Krieges sehe ich nicht. Den will weder China noch Amerika.
Klingt nur ganz anders, was man derzeit aus Peking so hört.
Stimmt. Aber schauen wir nicht auf die Worte, sondern auf die Taten. Und die deuten darauf hin, dass Peking darauf spekuliert, dass man eine Wiedervereinigung mit Taiwan vor 2049 auch ohne eine militärische Invasion erreichen kann.
Wie sehen diese Taten aus?
Es bleibt bei Drohen und Einschüchterungsversuchen. Im Grund geht es Peking um eine internationale Isolierung Taiwans. Man unternimmt Cyberangriffe, verbreitet Falschinformationen, und erhöht die wirtschaftliche Abhängigkeit.
Und dennoch zieht man das Militär an der Küste zu Taiwan zusammen. Das bleibt ohne Folgen?
Hoffentlich. Denn auch wenn man keinen Krieg will, die Gefahr eines ungewollten Zwischenfalls erhöht sich natürlich enorm. Eine falsche Entscheidung, ein aus Versehen abgegebener Schuss, kann eine schlimme Gewaltspirale in Gang setzen. Das Risiko einer ungewollten militärischen Eskalation ist gestiegen.
Es ist bemerkenswert: Im Vorfeld des Besuchs richteten sich Chinas Drohungen gegen Pelosi und die USA. Chinas “Strafe” für den Besuch richtet sich hingegen gegen Taiwan …
… genau. Das ist das typische Verhalten Chinas. Peking geht immer auf den vermeintlich schwächsten Akteur los. Man versucht, ein Exempel zu statuieren. So geht China auch in Europa vor – gegen Schweden, Litauen oder Norwegen.
Wie gravierend sind denn Chinas Strafmaßnahmen gegen Taiwan?
Der ökonomische Druck wächst weiter. Und das hat dann auch Folgen für uns. Sand wird weltweit in der Baubranche benötigt. Im Bereich Halbleiter hat Deutschland gerade Taiwan auserkoren zum größten alternativen Halbleiterhersteller für die deutsche Industrie. Wenn Chinas Führung tatsächlich gegen Taiwans Chips-Industrie vorgehen würde, hätte das gravierende Folgen für uns und die globalen Lieferketten.
Bei all dem drängt sich mir nun doch die Frage auf, wie sinnvoll der Besuch von Frau Pelosi überhaupt war.
Bei Pelosi vermischen sich hier in der Tat zwei Ebenen. Einerseits ist Taiwan für Pelosi schon immer wichtig gewesen. Das sollte man ihr auch zugestehen. Andererseits war es auch eine PR-Show für Pelosi. Die Demokraten stehen vor den Midterm-Wahlen enorm unter Druck, Pelosis eigene politische Zukunft ist mehr als ungewiss. Es geht ihr auch darum, einen politischen Fußabdruck zu hinterlassen.
Also in Zukunft lieber keine Politiker-Reisen mehr nach Taiwan?
Nein. Im Grunde sind solche Besuche sinnvoll. Sie senden ein klares Zeichen, dass die USA weiter fest an Taiwans Seite stehen. Auch dieser Besuch hat Taiwan einen moralischen Boost gegeben. Zudem zeigt man auch anderen Ländern in Asien, dass sie sich auf die Unterstützung der USA verlassen können. Und all das ist dann natürlich auch ein Zeichen an China.
Was sollte dann nächstes Mal anders sei, damit die Reise nicht zu einer PR-Show verkommt?
Es wäre sinnvoller, wenn man solche Besuche mit den Verbündeten absprechen würde. Es hätte doch eine ganz andere Wirkungskraft, wenn nach dem Besuch von US-Politikern auch europäische oder deutsche Politiker nach Taiwan fliegen würden.
Apropos Verbündete: Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock und auch die deutsche Botschafterin in Peking, Patricia Flor, haben sich sehr deutlich auf die Seite Taiwans gestellt. Ist ein solch lautes Vorgehen sinnvoll?
Es ist zeitgemäß, denn es ist eine Reaktion auf Chinas immer lauter werdendes Verhalten, auch hier in Europa, wenn ich nur an das Beispiel Litauen denke. Vor allem, wenn es um Taiwan geht, bekommt die Welt immer deutlicher Chinas wolfskriegerisches Verhalten zu spüren.
Deutschlands Politik war bislang: wenn Kritik, dann nicht in der Öffentlichkeit. Sind diese Zeiten vorbei?
Ja, die Zeit der stillen Diplomatie mit China ist vorbei. Das ist gescheitert.
Was hat das für Folgen für das deutsch-chinesische Verhältnis?
Es ist derzeit schlecht und wird wohl noch schlechter werden. Es gibt derzeit kaum Möglichkeiten, einen offenen und konstruktiven Austausch zu haben. Von daher glaube ich auch nicht, dass wir durch dieses neue Verhalten allzu viel aufs Spiel setzen.
Zeit für eine neue Taiwan-Politik?
Nicht ganz. Denn Deutschland sollte einen Punkt klar aufzeigen: Berlin hält sich an die Abmachungen mit Peking, die rote Linie “Ein-China” hält man ganz klar ein. Es ist vielmehr Peking, das den Status Quo von Taiwan verändert hat. Denn dieser Status Quo beinhaltet, dass wir Austausch mit Taiwan haben, inklusive Politiker-Besuche. Diese Übereinkunft mit China hatte einst dazu geführt, dass 1997 der deutsche Wirtschaftsminister Günter Rexrodt nach Taiwan gereist ist. Es gibt also viel Spielraum, um die Beziehungen zu Taiwan zu intensivieren, ohne die vereinbarte rote Linie zu überschreiten. Daran muss man China erinnern.
Also sollte nach Nancy Pelosi nun Annalena Baerbock nach Taiwan reisen?
Warum nicht? Es muss natürlich nicht die Außenministerin sein, aber wir sollten den Austausch mit Taiwan wieder verstärken. Dabei geht es nicht nur um Besuche. Ein gegenseitiges Investitionsabkommen zwischen Deutschland und Taiwan wäre eine Möglichkeit. Und international muss man Taiwan aus der Isolation holen und wieder mehr in internationale Organisationen einbinden. Gerade in Zeiten einer globalen Corona-Pandemie sollten wir Taiwan in der Weltgesundheitsorganisation wieder einen Beobachterstatus geben.
Angela Stanzel ist China-Expertin bei der Stiftung für Wissenschaft und Politik in Berlin.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat China aufgerufen, im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine neutral zu bleiben. Bei einer Online-Veranstaltung mit australischen Studentinnen und Studenten sagte Selenskyj, er würde es bevorzugen, wenn China den russischen Angriffskrieg wie andere Staaten auch verurteilte. Die derzeitige Neutralität der Volksrepublik sei jedoch besser als eine aktive Unterstützung Chinas für Russland, so der Präsident der Ukraine. “Es ist wichtig für uns, dass China Russland nicht hilft”, sagte er.
China hat den russischen Krieg in der Ukraine bisher nicht kritisiert, die westlichen Sanktionen gegen Russland aber verurteilt. Militärische Unterstützung hat China jedoch nicht geleistet. nib
Mit dem Projekt “China Spektrum” will der Berliner China-Thinktank Merics zusammen mit dem China-Institut der Universität Trier die Debatten innerhalb Chinas sichtbar machen und das breite Meinungsspektrum abbilden, das in der Volksrepublik vorhanden ist. Zwar hat unter Xi Jinping als Staats- und Parteichef die Zensur deutlich angezogen und die Meinungsfreiheit wurde massiv eingeschränkt. Doch lebhafte Debatten jenseits der offiziellen Linien der kommunistischen Führung finden weiter statt – vor allem in chinesischen Online-Foren und sozialen Medien.
“Gerade dort, wo Bürger:innen persönlich betroffen sind, können staatliche Zensoren Online-Debatten nicht vollständig ersticken“, schreiben die Projektleiterinnen Kristin Shi-Kupfer von der Uni Trier und Katja Drinhausen von Merics in ihrer ersten Analyse. Schwerpunktthemen der ersten Ausgabe der Online-Publikation China Spektrum sind Debatten über den Krieg in der Ukraine, das Corona-Krisenmanagement der chinesischen Führung und Kritik am Vorgehen Peking gegen den IT-Sektor.
Bei allen Themen gehe es darum, “nicht nur einzelne Stimmen oder Artikel, sondern eine erhebliche Bandbreite an Meinungen abzubilden und in Bezug zu offiziellen Positionen zu setzen,” erklärt Drinhausen. Wenn bestimmte Themen überhaupt kontrovers diskutiert werden können, liegt das nach Einschätzung von Shi-Kupfer auch an Differenzen innerhalb der politischen und wirtschaftlichen Eliten. “Wir können aus den Debatten vorsichtige Rückschlüsse ziehen, was innerhalb der Eliten an Konsens herrscht und wie groß die Bandbreite an Positionen zu einem Thema ist.”
Das Projekt wird von der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit (FNF) gefördert und ist auf zwei Jahre angelegt ist. Die erste Studie können Sie hier online lesen. flee
Die deutschen Exporteure haben im ersten Halbjahr wegen der guten Nachfrage aus den EU-Ländern, den USA und China eine Rekordeinnahme verbucht. Die Ausfuhren wuchsen allein im Juni um 4,5 Prozent im Vergleich zum Vormonat und summierten sich damit auf 134,3 Milliarden Euro, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch mitteilte. Das ist bereits der dritte Anstieg in Folge nach plus 1,3 Prozent im Mai und plus 4,6 Prozent im April. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten diesmal lediglich mit einem Wachstum von 1,0 Prozent gerechnet.
Die Exporte in die Volksrepublik China stiegen um 2,4 Prozent auf 8,9 Milliarden Euro. In die Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) wurden Waren im Wert von 72,9 Milliarden Euro exportiert und damit um 3,9 Prozent mehr als im Vormonat. Die meisten deutschen Exporte gingen im Juni in die Vereinigten Staaten. Dorthin wurden kalender- und saisonbereinigt 6,2 Prozent mehr Waren exportiert als im Mai, insgesamt summierten sich die US-Exporte damit auf 14,2 Milliarden Euro.
Ökonomen warnen jedoch vor zu viel Euphorie. “Preiserhöhungen können das nominale Exportvolumen erhöhen, ohne dass real tatsächlich mehr exportiert wurde”, warnte der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel. “Preisbereinigt dürfte vom Exportzuwachs weniger übrig bleiben”, sagte auch der Chefökonom der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank AG, Alexander Krüger. “Der Außenhandel bleibt vorerst ein konjunkturelles Sorgenkind.”
Die Importe legten im Juni bereits den fünften Monat in Folge zu, allerdings fiel das Plus mit 0,2 Prozent deutlich schwächer aus als in den Vormonaten. Die Handelsbilanz – Exporte minus Importe – wies im Juni wieder ein deutliches Plus von 6,4 Milliarden Euro aus. Im Mai hatte es lediglich bei 0,8 Milliarden Euro gelegen. rtr/nib
Der chinesische Baumaschinen-Hersteller Sany und der KI-Spezialist Pony.ai wollen gemeinsam selbstfahrende Lastwagen entwickeln. Die Lkw-Sparte von Sany hat einen Prototyp bereits mit Software von Pony, dem “virtuellen Fahrer”, kombiniert und für Tests auf die Straße geschickt. Für Sany bestand die Herausforderung darin, sämtliche Funktionen des Fahrzeugs digital ansteuern zu lassen. Erste Auslieferungen sollen noch in diesem Jahr erfolgen. Bis 2024 ist die Herstellung von 10.000 Stück pro Jahr geplant. Die Computerhardware liefert der Grafikkartenspezialist Nvidia aus den USA. fin
Brüssel strebt derzeit eine Verbesserung der Zusammenarbeit mit Taiwan an. Bislang haben die EU-Mitgliedstaaten allerdings noch kein gemeinsames Konzept für den Fall eines künftigen Taiwan-Konflikts entwickelt. Dennoch sind sich die Mitgliedstaaten einig, dass es Zeit für einen Wandel in der Taiwan-Politik ist – denn China hat sich verändert. In diesem Zusammenhang verfolgt Brüssel die Entwicklungen in Taiwan im Kontext des indopazifischen Raums genau, auch weil die EU in diesem Gebiet eigene Interessen zu schützen hat. Eine Störung in der Region hätte schwerwiegende Folgen für Europa, was in der noch umzusetzenden Indo-Pazifik-Strategie der EU ausdrücklich festgehalten ist.
In diesem Prozess kommt der Koordinierung mit den Partnern in der Region eine Schlüsselrolle zu. In diesem Zusammenhang steht auch die Tatsache, dass sich die Hohe Vertreterin der EU der Erklärung der G7-Außenminister angeschlossen hat, die am Tag von Pelosis Besuch veröffentlicht wurde. Sie betont die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung des Friedens in der Straße von Taiwan. Die Volksrepublik China wird aufgefordert, den Status quo nicht einseitig zu ändern.
Wie Brüssel die Dynamik in der Taiwan-Straße letztlich bewerten und darauf reagieren wird, hängt nun auch von Chinas Verhalten und den Vergeltungsmaßnahmen nach Pelosis Besuch ab. Wie Peking bereits angedeutet hat, dürfte die chinesische Reaktion weitere wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen gegen Taiwan und groß angelegte militärische Übungen in der Region umfassen. Was seine staatliche Wirtschaftsstrategie angeht, so setzt China in den Beziehungen zu Taiwan seit Jahren sowohl auf positive Maßnahmen, etwa die Senkung der Zölle auf Frischobsteinfuhren 2005, als auch auf Strafmaßnahmen wie die jüngsten Importverbote für Ananas und Zuckeräpfel. Durch die gegenseitige, aber asymmetrische Abhängigkeit der beiden Länder voneinander – Taiwan ist weitaus stärker von China abhängig als umgekehrt – hat Peking einen Hebel geschaffen, um Taiwan unter Druck zu setzen, einzuschüchtern und der Insel Kosten aufzuerlegen, während es gleichzeitig versucht, die dortige innenpolitische Landschaft zu verändern. Diese Bemühungen haben jedoch in Taiwan inzwischen die Unterstützung für Peking schwinden lassen und insgesamt zu einem Backlash geführt.
Die chinesische Führung versucht, auf der internationalen Bühne, aber auch im Inland durch markige Worte ein starkes Image zu zementieren. Es liegt jedoch nicht in Pekings Interesse, die Stabilität in der Region, so fragil sie auch sein mag, zu stören. Im chinesischen Interesse liegt aber sehr wohl, das Bild eines starken und entschlossenen Führers aufrechtzuerhalten. Der Parteitag im Herbst nähert sich, auf dem Xi Jinping aller Voraussicht nach für eine dritte Amtszeit wiedergewählt werden wird – das stellt eine Premiere dar und ist ein Bruch mit den bisherigen Gepflogenheiten.
Ein Umdenken in Brüssel in Bezug auf Taiwan ist also bereits im Gange, und man geht langsam von stillen Gesprächen zu praktischer Politik über. In diesem Sinne hat Taiwan als gleichgesinnter Partner bereits Eingang in den politischen Diskurs in Brüssel gefunden. Gegenwärtig sieht Brüssel Taiwan durch die Brille der Demokratie sowie des Handels und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, weniger durch die Brille der Sicherheit, weshalb es in Brüssel auch keine Diskussion über einen “Taiwan-Ernstfall” gibt. Die EU betrachtet Taiwan als eine verlässliche und gleichgesinnte Demokratie im indopazifischen Raum, ganz im Gegensatz zur Volksrepublik China, die seit Jahrzehnten vor allem als strategischer Partner eingebunden wird.
Im Jahr 2019 bezeichnete Brüssel die Volksrepublik China sowohl als Partner als auch als “systemischen Rivalen”, was auf eine wachsende Skepsis gegenüber der Fortsetzung einer “Business-as-usual”-Kooperation mit China hindeutet. Angesichts der Bereitschaft Pekings, wirtschaftlichen Zwang und Desinformation auf Kosten der europäischen Interessen einzusetzen, überrascht die veränderte Wahrnehmung in Brüssel nicht.
Diese neue Dynamik in Bezug auf Taiwan bleibt zwar im Rahmen der Ein-China-Politik der EU, aber sie ist real und bietet trotz ihrer Grenzen einen tatsächlichen Handlungsspielraum, den viele in Europa nicht erkannt haben. Es wird wichtig sein, dies sowohl innerhalb der EU als auch in Taiwan zu kommunizieren, da beide Seiten mit den Erwartungen Zuhause umgehen müssen.
Die Bedeutung Taiwans ist in der EU durch Erklärungen, Berichte und Beschlüsse, aber auch durch Besuche von europäischen und nationalen Parlamenten sowie durch die Intensivierung des bilateralen Handelsdialogs mit der Europäischen Kommission erneut ins Bewusstsein gerückt. All dies sind beispiellose Aktivitäten eines Blocks, der in Bezug auf China meist als gespalten und inkohärent und in Bezug auf Taiwan als zurückhaltend gilt. Im europäischen Kontext betrachtet, stellen diese Aktivitäten einen Präzedenzfall für die zukünftige Zusammenarbeit zwischen der EU und Taiwan dar.
Die EU-Mitgliedstaaten arbeiten nun daran, ihre strategischen Abhängigkeiten von China und Russland zu verringern und ihre wirtschaftliche und politische Widerstandsfähigkeit zu stärken. Dies hat die Bedeutung Taiwans in den geostrategischen Bemühungen Brüssels weiter erhöht, was meiner Ansicht nach genau der Grund ist, warum die neue Dynamik in den Beziehungen zwischen der EU und Taiwan anhalten wird. Die Tatsache, dass das Europäische Parlament im November 2021 eine Delegation seines Sonderausschusses für Desinformation nach Taiwan entsandt hat, war kein Zufall; sowohl Taiwan als auch die EU sind Opfer von Chinas Einflussnahme und Desinformationskampagnen geworden, und beide können hier voneinander lernen.
Pekings Bemühungen, die Demokratie durch Desinformation zu untergraben, schaden China unterdessen selbst. Auch die Beziehungen zur EU leiden darunter. Ironischerweise haben sie sogar dazu beigetragen, Taiwan enger an die EU zu binden. Vor diesem Hintergrund erwarte ich, dass die Unterstützung durch die EU, insbesondere durch das Europäische Parlament, fortgesetzt und verstärkt wird. Ich erwarte auch, dass einige Mitgliedstaaten wie Litauen, Tschechien und die Slowakei weiterhin eine Vorreiterrolle spielen werden. Ich glaube aber auch, dass Länder wie Deutschland die Bedeutung Taiwans in ihren Bemühungen, ihre strategische Abhängigkeit von China zu verringern, nicht aus den Augen verlieren werden.
Nationale parlamentarische Besuche werden in der Tat zur neuen Normalität, ungeachtet der Meinungsvielfalt innerhalb der Mitgliedstaaten. Die Regierungen müssen taiwanfreundliche Ideen gegen die Möglichkeit chinesischer Vergeltungsmaßnahmen abwägen, wenn sie auf eine engere Zusammenarbeit mit Taiwan pochen. Ausgehend von den jüngsten Erfahrungen werden die Besuche des Europäischen Parlaments fortgesetzt, um konkrete Möglichkeiten zur Zusammenarbeit im Handel und im Austausch in Wissenschaft, Forschung, Kultur und Bildung zu finden. Angesichts der Tatsache, dass die EU der größte Investor in Taiwan ist, scheinen die EU-Mitgliedstaaten verstanden zu haben, dass jede Störung in der Meerenge vor Taiwan ihre Interessen untergraben würde. Auf welche Weise sie diese Interessen tatsächlich verteidigen würden, bleibt jedoch abzuwarten; dies ist eine Frage der militärischen Fähigkeiten und des politischen Handlungswillens.
Ein folgenreicher Zusammenstoß in der Meerenge liegt in niemandes Interesse, weder in dem Pekings noch in dem Washingtons und schon gar nicht in dem Taiwans. Peking betrachtet die Stabilität in der Region als unverzichtbar für die Verfolgung seines Entwicklungskurses, um seine Macht im eigenen Land zu behaupten und seinen Einfluss im Ausland geltend zu machen. Der Zugang zu den europäischen Märkten ist für China lebenswichtig, sodass eine weitere Schwächung der bilateralen Beziehungen nicht im Sinne Pekings ist.
Ihre Legitimität zu erhalten ist eine wichtige Priorität für die Partei. Unter den gegenwärtigen Umständen erfordert das eine harte, aber vernünftige Reaktion. Pekings feindselige Rhetorik, der wirtschaftliche Zwang, die Drohungen und Vergeltungsmaßnahmen sowie weitere militärische Provokationen haben bereits zugenommen, um Taiwan zu bestrafen und die eigene Basis zu stärken. Ich erwarte, dass Peking diese Bemühungen in den kommenden Wochen noch verstärken und versuchen wird, das Bild eines starken Chinas zu vermitteln, das sich von Washington nicht einschüchtern lässt. Eine starke Unterstützung im Innern wird für Peking bei der Verfolgung seiner globalen Agenda von entscheidender Bedeutung bleiben.
Zsuzsa Anna Ferenczy ist Assistenzprofessorin an der Nationalen Dong Hwa Universität, Hualien, Taiwan, und ehemalige politische Beraterin im Europäischen Parlament.
Huang Shilin ist als stellvertretender Chairman von CATL zurückgetreten. Als Ursache des Rückzugs des 56-Jährigen wurden persönliche Gründe angegeben. Analysten sagen, Huang plane, sich stärker in den Bereichen Solarenergie und Energiespeicherung zu engagieren.
Shirley Shen wird neue Leiterin des Bereichs Onshore Equities China bei der Investmentbank Morgan Stanley. Shen war vorher seit 20 Jahren bei der China International Capital Corp. in hohen Leitungspositionen tätig.
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Den “Orden der günstigen Wolke mit spezieller Kordel” verleiht Taiwan an Personen, die sich besonders um das Land verdient gemacht haben. Erst 21 Mal wurde diese Ehrenmedaille seit 1941 vergeben. Nancy Pelosi wurde nun diese große Ehre zuteil. Sie wurde bei ihrem aufsehenerregenden Besuch in Taiwan mit dieser höchsten zivilen Auszeichnung des Landes ausgezeichnet. An “eine der treuesten Freundinnen”, sagte Tsai Ing-wen. Den Orden will sich Pelosi ins Kongressbüro hängen. “Oder ihn dort tragen”, scherzt die 82-Jährige.
kaum waren die Treffen mit Spitzenpolitikern, Fototermine und eine Ordensverleihung in Taipeh absolviert, stieg Nancy Pelosi wieder in den Jet und entschwand in Richtung Seoul. Sie hinterlässt eine aufgewühlte Region. Eine Folge ihres einschneidenden Besuchs: Die deutsche Botschafterin Patricia Flor wurde ins chinesische Außenministerium zitiert. Grund war die Unterstützung Baerbocks für die Integrität Taiwans anlässlich der steigenden Spannungen. Warum Peking dieses harsche Mittel ausgerechnet gegen Deutschland anwendet, analysiert heute Marcel Grzanna.
Die gedankliche Nähe der Lage um Taiwan zur Ukraine-Situation, die Baerbock hergestellt hat, missfällt Peking gewaltig. Die Ukraine ist ein diplomatisch allseits anerkanntes Land, so die chinesische Sicht, während Taiwan ein isoliertes Territorium sei. Für Baerbock ähneln sich die Szenarien dagegen: Die Großmacht bedroht den friedlichen, kleineren Nachbarn, mit dem sie einen Gebietsstreit hat.
Die deutsche Außenpolitik muss nun selbstverständlich nicht der chinesischen Sicht der Dinge folgen. Doch es fällt auch auf, wie wenig Dialog die neue Regierung mit China bisher pflegt. Von “Partner und Rivale” steht der Rivale ganz weit im Vordergrund. Auch wenn persönliche Besuchstermine von Scholz und Baerbock in Peking derzeit schwer zu vereinbaren sind, wäre es jetzt Zeit für eine Phase intensiver Gesprächsangebote als Ausgleich für Kritik, die dann durchaus auch harsch sein darf.
Angela Stanzel von der Stiftung Wissenschaft und Politik weist im Interview mit Michael Radunski darauf hin: Pekings Strafen richten sich nur gegen Taiwan und nicht gegen die USA. Von Pelosis Flugzeug hat sich die Volksbefreiungsarmee wohlweislich ferngehalten, dafür folgen jetzt Sanktionen gegen taiwanische Firmen. Eine geschickte Strategie. Statt mit hohem Risiko die Supermacht zu bedrohen, erhöht Peking den Druck auf die Insel, die sie als eigenes Territorium wahrnimmt.
Eine weitere Folge der Pelosi-Visite: Am Donnerstag geht ein Manöver der Marine mit scharfer Munition viel zu dicht an Taiwans Küste los. China sanktioniert zudem Taiwans Wirtschaft mit besorgniserregenden Folgen für die Lieferketten. Die profilierte Politikbeobachterin Zsuzsa Anna Ferenczy hat für uns ihre Einschätzung der Lage aufgeschrieben. Die ehemalige Beraterin des EU-Parlaments erwartet künftig weitere Besuche von EU-Abgeordneten in Taiwan, um der Insel den Rücken zu stärken.
Eine 82-Jährige versetzt die Welt in Aufregung. Mit einem Lächeln hinter ihrem Mundschutz wies Nancy Pelosi am Mittwochvormittag auf das Ungleichgewicht hin, mit dem die Volksrepublik China bereits auf die Ankündigung ihres Besuches in Taiwan reagiert hatte. Krieg, Feuer, Tod – das chinesische Rhetorik-Arsenal kannte keine apokalyptische Grenze.
Als im April eine Handvoll US-Senatoren und -Parlamentarier zwei Tage lang offizielle Termine in dem Inselstaat wahrnahmen, hielt sich Peking mit Drohgebärden dagegen deutlich zurück. “Damals haben Sie keinen großen Wirbel veranstaltet”, sagte Pelosi im Rahmen einer Pressekonferenz an der Seite von Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen. Vielleicht sei das nun auch die Begründung für die massiven Drohungen, mutmaßte Pelosi. “Weil sie bei den Männern nichts gesagt haben.” Gelächter im Saal.
Doch die humorvolle Pelosi konnte auch ernsthaft. Ihren Kurztrip nach Taiwan von weniger als 24 Stunden garnierte sie mit zahlreichen Botschaften an die Gastgeber, an die Welt, aber vor allem an die Volksrepublik. Peking könne zwar dafür sorgen, dass Taiwan an internationalen Treffen der Staatengemeinschaft nicht teilnimmt. Aber sie (Pelosi) hoffe, es sei durch ihren Besuch klargeworden, dass sich China nicht in den Weg stellen könne, “wenn Leute nach Taiwan kommen”.
Verbal setzte sie zahlreiche Nadelstiche gegen Peking. Sie adressierte Tsai Ing-wen als Präsidentin und sprach in Bezug auf das Verhältnis der USA und Taiwan von “unseren beiden Ländern”. Offiziell akzeptiert Washington die Ein-China-Politik, die für Peking den eigenen Anspruch auf Taiwan unterstreicht und den Status Taiwans als eigenständiges Land eliminieren soll. Pelosi ist zwar keine Vertreterin der amerikanischen Regierung. Dennoch versicherte sie, dass ihr Land, die Vereinigten Staaten, fest an der Seite Taiwans stehe.
Was die kommenden Tage angeht, steht Taiwan zunächst aber wohl alleine da. Rings um die Insel werden chinesische Marine und Luftwaffe bis einschließlich Sonntag sechs Manöver durchführen und dabei bewusst das taiwanische Gebiet verletzen. Einen Vorgeschmack gab es am Mittwoch, als 22 chinesische Kampfflugzeuge kurzzeitig in den Luftraum eindrangen. In den kommenden Tagen sollen Soldaten aus der Volksrepublik laut Ankündigung bis auf wenige Kilometer an die Küste der Insel heranrücken.
Wenn Peking seinen Drohungen im Vorfeld des Besuchs schon keine Taten folgen ließ, dann soll nun offenbar das nachträgliche Säbelrasseln für die gewünschte Abschreckung sorgen. Eine Taktik, die Taiwan trotz aller Routine im Umgang mit chinesischen Aggressionen in Alarmbereitschaft versetzt. “Wir als Betroffene können es uns nicht leisten, so etwas auf die leichte Schulter zu nehmen”, sagt Shieh Jhy-Wey, offizieller Vertreter der taiwanischen Regierung in Deutschland, im Gespräch mit China.Table.
“Unsere Demokratie ist nicht verhandelbar”, so Shieh. Pelosis Besuch sei ein Meilenstein, weil er das stillschweigende Einverständnis des Westens und Taiwans, aber auch Japans und Südkoreas, die Demokratie gegen Chinas Autokraten verteidigen zu wollen, “in Form einer präzisen Handlung artikuliert hat”, sagt Shieh.
In China dürfte man sich darüber im Klaren sein, dass die eigene Glaubwürdigkeit gelitten hat und mit ein paar Manövern so leicht nicht zu reparieren ist. Das gilt vor allem auch für das eigene Land. Nicht wenige Bürger waren davon ausgegangen, dass es ihre Regierung mit der Kriegsdrohung tatsächlich ernst meint.
Um einigermaßen das Gesicht zu wahren, verlegte Chinas Außenminister Wang Yi die Konsequenzen kurzerhand in die Zukunft. Mit erhobenem Zeigefinger nannte der Minister im CCTV-Interview den Besuch Pelosis eine Farce und versprach, dass China all jene bestrafen werde, die das Land verärgern würden. Zumindest dieses Mal blieb Peking den Beweis dafür schuldig.
Statt abzuschrecken und das Ausland auf Chinas Kurs zu zwingen, provoziert Pekings Brachial-Diplomatie eine wachsende Ablehnung gegenüber seinen Methoden. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock nimmt inzwischen fast jede Gelegenheit wahr, die chinesische Regierung darauf hinzuweisen, dass der Westen nicht bereit ist, die Aggression gegen Taiwan zu akzeptieren. Das kritische Auftreten Deutschlands bleibt China nicht verborgen.
Am Mittwoch wurde die erst seit wenigen Wochen amtierende deutsche Botschafterin in Peking, Patricia Flor, vom chinesischen Außenministerium einbestellt. Wenig später veröffentlichte das Auswärtige Amt in Berlin eine Stellungnahme, in der sich Baerbock zum wiederholten Mal zur Ein-China-Politik bekennt. Die US-Regierung hatte bereits vor Pelosis Besuch klargestellt, dass sie an der Ein-China-Politik festhält.
Das kompromisslose Auftreten Pekings schafft in Deutschland zunehmend ein Bewusstsein dafür, dass Konflikte mit China unvermeidbar sind, wenn man in dieser Beziehung nicht in die Rolle des belächelten Jasagers gedrängt werden möchte. “Wir können dem Konflikt mit China über zentrale Fragen nicht aus dem Weg gehen. Taiwan ist eine dieser Fragen“, sagte Jürgen Hardt (CDU), außenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag der Nachrichtenagentur AFP. Er habe an Pelosis Reise “nichts zu kritisieren”.
Auch in der EU setzt ein Sinneswandel ein, glaubt Zsuzsa Anna Ferenczy, ehemalige politische Beraterin im Europäischen Parlament (siehe Standpunkt). Bislang hätten die EU-Mitgliedsstaaten zwar noch kein gemeinsames Konzept für ihr Vorgehen im Falle eines künftigen Taiwan-Konflikts entwickelt. “Dennoch sind sich die Mitgliedsstaaten einig, dass es Zeit für einen Wandel in der Taiwan-Politik ist – denn China hat sich verändert“, sagt Ferenczy, die heute als Assistenzprofessorin an der Nationalen Dong Hwa Universität im taiwanischen Hualien tätig ist. In diesem Zusammenhang verfolge Brüssel die Entwicklungen in Taiwan im Kontext des indopazifischen Raums genau, auch weil es in diesem Gebiet eigene Interessen zu schützen habe.
Der EU-Parlamentarier Reinhard Bütikofer von den Grünen forderte im Gespräch mit der Deutschen Presseagentur, die EU müsse sich ein Beispiel an Pelosi nehmen. “Auch wir in Europa dürfen nicht achselzuckend zusehen, wie die Volksrepublik versucht, die Welt an die Vorstellung zu gewöhnen, dass eine erzwungene Einverleibung Taiwans unvermeidlich sei”, sagte Bütikofer. Um eine Eskalation um Taiwan zu verhindern, sei es wichtig, Chinas zunehmend übergriffiger Außenpolitik nicht nachzugeben.
Übergriffe glaubt die Volksrepublik sich besonders wegen ihrer gestiegenen wirtschaftlichen Bedeutung leisten zu können. Taiwan soll den Ärger nun zu spüren bekommen. In ihrer Wut über Pelosis Reise setzte Chinas Regierung am Mittwoch kurzerhand auf Einfuhrverbote für Zitrusfrüchte und verpackten Fisch aus Taiwan. Die fadenscheinigen Gründe des Zolls: Registrierungsmängel.
Das Militärmanöver wird zudem die Gewässer vor Taiwans Seehäfen für mehrere Tage teilweise blockieren. Taiwans Transportministerium suchte mit Japan und den Philippinen bereits alternative Routen für die Dauer der Manöver. Taiwan weiß zudem um seine eigenen Trümpfe. Das Land ist wichtiger Lieferant von Halbleitern an die Volksrepublik. Solange China nicht in der Lage ist, sich ohne Qualitätsverlust mit der nötigen Hochtechnologie selbst zu versorgen, könnte Taipeh mit einem Export-Stopp von Halbleitern seinerseits der chinesischen Wirtschaft schaden.
Nancy Pelosi machte sich am Nachmittag derweil auf den Weg nach Südkorea.
Nancy Pelosi ist nach Taiwan gereist – trotz ernster Bedenken aus der US-Regierung, während China massiv mit militärischer Gewalt gedroht hatte. Ist da jemand über das Ziel hinausgeschossen?
Nein, das sehe ich nicht so. Es gibt doch kein Verbot für US-Politiker nach Taiwan zu reisen. Und es ist auch nicht das erste Mal, dass die Spitze des amerikanischen Repräsentantenhauses eine solche Reise unternommen hat. Was man kritisieren kann, ist der Zeitpunkt, den Pelosi für ihre Reise gewählt hat.
Inwiefern?
Xi Jinping steht derzeit unter enormen innenpolitischen Druck: Die chinesische Wirtschaft wächst nur noch schwach, zudem will Xi im Herbst eine dritte Amtszeit als Präsident beginnen. Also Pelosi hätte durchaus einen anderen, besseren Zeitpunkt wählen können, zu dem sie dann nicht eine derartige Krise ausgelöst hätte.
Ich meinte auch nicht Pelosi, sondern das Verhalten Chinas: Die Androhung militärischer Gewalt bis hin zu Aussagen, Chinas Militär solle doch einfach das Flugzeug von Nancy Pelosi abschießen.
Das geht in der Tat absolut zu weit. Ohne Zweifel. Aber man muss dazu auch sagen, dass die Aussage des ehemaligen Chefredakteurs der Global Times nicht unbedingt die Sichtweise der Regierung in Peking widerspiegelt. Die chinesische Führungsspitze will offensichtlich keine militärische Eskalation, geschweige denn, einfach ein amerikanisches Flugzeug abschießen.
Wie hoch ist die Gefahr eines Krieges um Taiwan?
Zunächst muss man leider festhalten, dass sich die Lage verschärft hat. China zieht Truppen zusammen und hat militärische Manöver angekündigt. Das alles ist natürlich nicht gut. Aber die Gefahr eines Krieges sehe ich nicht. Den will weder China noch Amerika.
Klingt nur ganz anders, was man derzeit aus Peking so hört.
Stimmt. Aber schauen wir nicht auf die Worte, sondern auf die Taten. Und die deuten darauf hin, dass Peking darauf spekuliert, dass man eine Wiedervereinigung mit Taiwan vor 2049 auch ohne eine militärische Invasion erreichen kann.
Wie sehen diese Taten aus?
Es bleibt bei Drohen und Einschüchterungsversuchen. Im Grund geht es Peking um eine internationale Isolierung Taiwans. Man unternimmt Cyberangriffe, verbreitet Falschinformationen, und erhöht die wirtschaftliche Abhängigkeit.
Und dennoch zieht man das Militär an der Küste zu Taiwan zusammen. Das bleibt ohne Folgen?
Hoffentlich. Denn auch wenn man keinen Krieg will, die Gefahr eines ungewollten Zwischenfalls erhöht sich natürlich enorm. Eine falsche Entscheidung, ein aus Versehen abgegebener Schuss, kann eine schlimme Gewaltspirale in Gang setzen. Das Risiko einer ungewollten militärischen Eskalation ist gestiegen.
Es ist bemerkenswert: Im Vorfeld des Besuchs richteten sich Chinas Drohungen gegen Pelosi und die USA. Chinas “Strafe” für den Besuch richtet sich hingegen gegen Taiwan …
… genau. Das ist das typische Verhalten Chinas. Peking geht immer auf den vermeintlich schwächsten Akteur los. Man versucht, ein Exempel zu statuieren. So geht China auch in Europa vor – gegen Schweden, Litauen oder Norwegen.
Wie gravierend sind denn Chinas Strafmaßnahmen gegen Taiwan?
Der ökonomische Druck wächst weiter. Und das hat dann auch Folgen für uns. Sand wird weltweit in der Baubranche benötigt. Im Bereich Halbleiter hat Deutschland gerade Taiwan auserkoren zum größten alternativen Halbleiterhersteller für die deutsche Industrie. Wenn Chinas Führung tatsächlich gegen Taiwans Chips-Industrie vorgehen würde, hätte das gravierende Folgen für uns und die globalen Lieferketten.
Bei all dem drängt sich mir nun doch die Frage auf, wie sinnvoll der Besuch von Frau Pelosi überhaupt war.
Bei Pelosi vermischen sich hier in der Tat zwei Ebenen. Einerseits ist Taiwan für Pelosi schon immer wichtig gewesen. Das sollte man ihr auch zugestehen. Andererseits war es auch eine PR-Show für Pelosi. Die Demokraten stehen vor den Midterm-Wahlen enorm unter Druck, Pelosis eigene politische Zukunft ist mehr als ungewiss. Es geht ihr auch darum, einen politischen Fußabdruck zu hinterlassen.
Also in Zukunft lieber keine Politiker-Reisen mehr nach Taiwan?
Nein. Im Grunde sind solche Besuche sinnvoll. Sie senden ein klares Zeichen, dass die USA weiter fest an Taiwans Seite stehen. Auch dieser Besuch hat Taiwan einen moralischen Boost gegeben. Zudem zeigt man auch anderen Ländern in Asien, dass sie sich auf die Unterstützung der USA verlassen können. Und all das ist dann natürlich auch ein Zeichen an China.
Was sollte dann nächstes Mal anders sei, damit die Reise nicht zu einer PR-Show verkommt?
Es wäre sinnvoller, wenn man solche Besuche mit den Verbündeten absprechen würde. Es hätte doch eine ganz andere Wirkungskraft, wenn nach dem Besuch von US-Politikern auch europäische oder deutsche Politiker nach Taiwan fliegen würden.
Apropos Verbündete: Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock und auch die deutsche Botschafterin in Peking, Patricia Flor, haben sich sehr deutlich auf die Seite Taiwans gestellt. Ist ein solch lautes Vorgehen sinnvoll?
Es ist zeitgemäß, denn es ist eine Reaktion auf Chinas immer lauter werdendes Verhalten, auch hier in Europa, wenn ich nur an das Beispiel Litauen denke. Vor allem, wenn es um Taiwan geht, bekommt die Welt immer deutlicher Chinas wolfskriegerisches Verhalten zu spüren.
Deutschlands Politik war bislang: wenn Kritik, dann nicht in der Öffentlichkeit. Sind diese Zeiten vorbei?
Ja, die Zeit der stillen Diplomatie mit China ist vorbei. Das ist gescheitert.
Was hat das für Folgen für das deutsch-chinesische Verhältnis?
Es ist derzeit schlecht und wird wohl noch schlechter werden. Es gibt derzeit kaum Möglichkeiten, einen offenen und konstruktiven Austausch zu haben. Von daher glaube ich auch nicht, dass wir durch dieses neue Verhalten allzu viel aufs Spiel setzen.
Zeit für eine neue Taiwan-Politik?
Nicht ganz. Denn Deutschland sollte einen Punkt klar aufzeigen: Berlin hält sich an die Abmachungen mit Peking, die rote Linie “Ein-China” hält man ganz klar ein. Es ist vielmehr Peking, das den Status Quo von Taiwan verändert hat. Denn dieser Status Quo beinhaltet, dass wir Austausch mit Taiwan haben, inklusive Politiker-Besuche. Diese Übereinkunft mit China hatte einst dazu geführt, dass 1997 der deutsche Wirtschaftsminister Günter Rexrodt nach Taiwan gereist ist. Es gibt also viel Spielraum, um die Beziehungen zu Taiwan zu intensivieren, ohne die vereinbarte rote Linie zu überschreiten. Daran muss man China erinnern.
Also sollte nach Nancy Pelosi nun Annalena Baerbock nach Taiwan reisen?
Warum nicht? Es muss natürlich nicht die Außenministerin sein, aber wir sollten den Austausch mit Taiwan wieder verstärken. Dabei geht es nicht nur um Besuche. Ein gegenseitiges Investitionsabkommen zwischen Deutschland und Taiwan wäre eine Möglichkeit. Und international muss man Taiwan aus der Isolation holen und wieder mehr in internationale Organisationen einbinden. Gerade in Zeiten einer globalen Corona-Pandemie sollten wir Taiwan in der Weltgesundheitsorganisation wieder einen Beobachterstatus geben.
Angela Stanzel ist China-Expertin bei der Stiftung für Wissenschaft und Politik in Berlin.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat China aufgerufen, im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine neutral zu bleiben. Bei einer Online-Veranstaltung mit australischen Studentinnen und Studenten sagte Selenskyj, er würde es bevorzugen, wenn China den russischen Angriffskrieg wie andere Staaten auch verurteilte. Die derzeitige Neutralität der Volksrepublik sei jedoch besser als eine aktive Unterstützung Chinas für Russland, so der Präsident der Ukraine. “Es ist wichtig für uns, dass China Russland nicht hilft”, sagte er.
China hat den russischen Krieg in der Ukraine bisher nicht kritisiert, die westlichen Sanktionen gegen Russland aber verurteilt. Militärische Unterstützung hat China jedoch nicht geleistet. nib
Mit dem Projekt “China Spektrum” will der Berliner China-Thinktank Merics zusammen mit dem China-Institut der Universität Trier die Debatten innerhalb Chinas sichtbar machen und das breite Meinungsspektrum abbilden, das in der Volksrepublik vorhanden ist. Zwar hat unter Xi Jinping als Staats- und Parteichef die Zensur deutlich angezogen und die Meinungsfreiheit wurde massiv eingeschränkt. Doch lebhafte Debatten jenseits der offiziellen Linien der kommunistischen Führung finden weiter statt – vor allem in chinesischen Online-Foren und sozialen Medien.
“Gerade dort, wo Bürger:innen persönlich betroffen sind, können staatliche Zensoren Online-Debatten nicht vollständig ersticken“, schreiben die Projektleiterinnen Kristin Shi-Kupfer von der Uni Trier und Katja Drinhausen von Merics in ihrer ersten Analyse. Schwerpunktthemen der ersten Ausgabe der Online-Publikation China Spektrum sind Debatten über den Krieg in der Ukraine, das Corona-Krisenmanagement der chinesischen Führung und Kritik am Vorgehen Peking gegen den IT-Sektor.
Bei allen Themen gehe es darum, “nicht nur einzelne Stimmen oder Artikel, sondern eine erhebliche Bandbreite an Meinungen abzubilden und in Bezug zu offiziellen Positionen zu setzen,” erklärt Drinhausen. Wenn bestimmte Themen überhaupt kontrovers diskutiert werden können, liegt das nach Einschätzung von Shi-Kupfer auch an Differenzen innerhalb der politischen und wirtschaftlichen Eliten. “Wir können aus den Debatten vorsichtige Rückschlüsse ziehen, was innerhalb der Eliten an Konsens herrscht und wie groß die Bandbreite an Positionen zu einem Thema ist.”
Das Projekt wird von der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit (FNF) gefördert und ist auf zwei Jahre angelegt ist. Die erste Studie können Sie hier online lesen. flee
Die deutschen Exporteure haben im ersten Halbjahr wegen der guten Nachfrage aus den EU-Ländern, den USA und China eine Rekordeinnahme verbucht. Die Ausfuhren wuchsen allein im Juni um 4,5 Prozent im Vergleich zum Vormonat und summierten sich damit auf 134,3 Milliarden Euro, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch mitteilte. Das ist bereits der dritte Anstieg in Folge nach plus 1,3 Prozent im Mai und plus 4,6 Prozent im April. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten diesmal lediglich mit einem Wachstum von 1,0 Prozent gerechnet.
Die Exporte in die Volksrepublik China stiegen um 2,4 Prozent auf 8,9 Milliarden Euro. In die Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) wurden Waren im Wert von 72,9 Milliarden Euro exportiert und damit um 3,9 Prozent mehr als im Vormonat. Die meisten deutschen Exporte gingen im Juni in die Vereinigten Staaten. Dorthin wurden kalender- und saisonbereinigt 6,2 Prozent mehr Waren exportiert als im Mai, insgesamt summierten sich die US-Exporte damit auf 14,2 Milliarden Euro.
Ökonomen warnen jedoch vor zu viel Euphorie. “Preiserhöhungen können das nominale Exportvolumen erhöhen, ohne dass real tatsächlich mehr exportiert wurde”, warnte der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel. “Preisbereinigt dürfte vom Exportzuwachs weniger übrig bleiben”, sagte auch der Chefökonom der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank AG, Alexander Krüger. “Der Außenhandel bleibt vorerst ein konjunkturelles Sorgenkind.”
Die Importe legten im Juni bereits den fünften Monat in Folge zu, allerdings fiel das Plus mit 0,2 Prozent deutlich schwächer aus als in den Vormonaten. Die Handelsbilanz – Exporte minus Importe – wies im Juni wieder ein deutliches Plus von 6,4 Milliarden Euro aus. Im Mai hatte es lediglich bei 0,8 Milliarden Euro gelegen. rtr/nib
Der chinesische Baumaschinen-Hersteller Sany und der KI-Spezialist Pony.ai wollen gemeinsam selbstfahrende Lastwagen entwickeln. Die Lkw-Sparte von Sany hat einen Prototyp bereits mit Software von Pony, dem “virtuellen Fahrer”, kombiniert und für Tests auf die Straße geschickt. Für Sany bestand die Herausforderung darin, sämtliche Funktionen des Fahrzeugs digital ansteuern zu lassen. Erste Auslieferungen sollen noch in diesem Jahr erfolgen. Bis 2024 ist die Herstellung von 10.000 Stück pro Jahr geplant. Die Computerhardware liefert der Grafikkartenspezialist Nvidia aus den USA. fin
Brüssel strebt derzeit eine Verbesserung der Zusammenarbeit mit Taiwan an. Bislang haben die EU-Mitgliedstaaten allerdings noch kein gemeinsames Konzept für den Fall eines künftigen Taiwan-Konflikts entwickelt. Dennoch sind sich die Mitgliedstaaten einig, dass es Zeit für einen Wandel in der Taiwan-Politik ist – denn China hat sich verändert. In diesem Zusammenhang verfolgt Brüssel die Entwicklungen in Taiwan im Kontext des indopazifischen Raums genau, auch weil die EU in diesem Gebiet eigene Interessen zu schützen hat. Eine Störung in der Region hätte schwerwiegende Folgen für Europa, was in der noch umzusetzenden Indo-Pazifik-Strategie der EU ausdrücklich festgehalten ist.
In diesem Prozess kommt der Koordinierung mit den Partnern in der Region eine Schlüsselrolle zu. In diesem Zusammenhang steht auch die Tatsache, dass sich die Hohe Vertreterin der EU der Erklärung der G7-Außenminister angeschlossen hat, die am Tag von Pelosis Besuch veröffentlicht wurde. Sie betont die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung des Friedens in der Straße von Taiwan. Die Volksrepublik China wird aufgefordert, den Status quo nicht einseitig zu ändern.
Wie Brüssel die Dynamik in der Taiwan-Straße letztlich bewerten und darauf reagieren wird, hängt nun auch von Chinas Verhalten und den Vergeltungsmaßnahmen nach Pelosis Besuch ab. Wie Peking bereits angedeutet hat, dürfte die chinesische Reaktion weitere wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen gegen Taiwan und groß angelegte militärische Übungen in der Region umfassen. Was seine staatliche Wirtschaftsstrategie angeht, so setzt China in den Beziehungen zu Taiwan seit Jahren sowohl auf positive Maßnahmen, etwa die Senkung der Zölle auf Frischobsteinfuhren 2005, als auch auf Strafmaßnahmen wie die jüngsten Importverbote für Ananas und Zuckeräpfel. Durch die gegenseitige, aber asymmetrische Abhängigkeit der beiden Länder voneinander – Taiwan ist weitaus stärker von China abhängig als umgekehrt – hat Peking einen Hebel geschaffen, um Taiwan unter Druck zu setzen, einzuschüchtern und der Insel Kosten aufzuerlegen, während es gleichzeitig versucht, die dortige innenpolitische Landschaft zu verändern. Diese Bemühungen haben jedoch in Taiwan inzwischen die Unterstützung für Peking schwinden lassen und insgesamt zu einem Backlash geführt.
Die chinesische Führung versucht, auf der internationalen Bühne, aber auch im Inland durch markige Worte ein starkes Image zu zementieren. Es liegt jedoch nicht in Pekings Interesse, die Stabilität in der Region, so fragil sie auch sein mag, zu stören. Im chinesischen Interesse liegt aber sehr wohl, das Bild eines starken und entschlossenen Führers aufrechtzuerhalten. Der Parteitag im Herbst nähert sich, auf dem Xi Jinping aller Voraussicht nach für eine dritte Amtszeit wiedergewählt werden wird – das stellt eine Premiere dar und ist ein Bruch mit den bisherigen Gepflogenheiten.
Ein Umdenken in Brüssel in Bezug auf Taiwan ist also bereits im Gange, und man geht langsam von stillen Gesprächen zu praktischer Politik über. In diesem Sinne hat Taiwan als gleichgesinnter Partner bereits Eingang in den politischen Diskurs in Brüssel gefunden. Gegenwärtig sieht Brüssel Taiwan durch die Brille der Demokratie sowie des Handels und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, weniger durch die Brille der Sicherheit, weshalb es in Brüssel auch keine Diskussion über einen “Taiwan-Ernstfall” gibt. Die EU betrachtet Taiwan als eine verlässliche und gleichgesinnte Demokratie im indopazifischen Raum, ganz im Gegensatz zur Volksrepublik China, die seit Jahrzehnten vor allem als strategischer Partner eingebunden wird.
Im Jahr 2019 bezeichnete Brüssel die Volksrepublik China sowohl als Partner als auch als “systemischen Rivalen”, was auf eine wachsende Skepsis gegenüber der Fortsetzung einer “Business-as-usual”-Kooperation mit China hindeutet. Angesichts der Bereitschaft Pekings, wirtschaftlichen Zwang und Desinformation auf Kosten der europäischen Interessen einzusetzen, überrascht die veränderte Wahrnehmung in Brüssel nicht.
Diese neue Dynamik in Bezug auf Taiwan bleibt zwar im Rahmen der Ein-China-Politik der EU, aber sie ist real und bietet trotz ihrer Grenzen einen tatsächlichen Handlungsspielraum, den viele in Europa nicht erkannt haben. Es wird wichtig sein, dies sowohl innerhalb der EU als auch in Taiwan zu kommunizieren, da beide Seiten mit den Erwartungen Zuhause umgehen müssen.
Die Bedeutung Taiwans ist in der EU durch Erklärungen, Berichte und Beschlüsse, aber auch durch Besuche von europäischen und nationalen Parlamenten sowie durch die Intensivierung des bilateralen Handelsdialogs mit der Europäischen Kommission erneut ins Bewusstsein gerückt. All dies sind beispiellose Aktivitäten eines Blocks, der in Bezug auf China meist als gespalten und inkohärent und in Bezug auf Taiwan als zurückhaltend gilt. Im europäischen Kontext betrachtet, stellen diese Aktivitäten einen Präzedenzfall für die zukünftige Zusammenarbeit zwischen der EU und Taiwan dar.
Die EU-Mitgliedstaaten arbeiten nun daran, ihre strategischen Abhängigkeiten von China und Russland zu verringern und ihre wirtschaftliche und politische Widerstandsfähigkeit zu stärken. Dies hat die Bedeutung Taiwans in den geostrategischen Bemühungen Brüssels weiter erhöht, was meiner Ansicht nach genau der Grund ist, warum die neue Dynamik in den Beziehungen zwischen der EU und Taiwan anhalten wird. Die Tatsache, dass das Europäische Parlament im November 2021 eine Delegation seines Sonderausschusses für Desinformation nach Taiwan entsandt hat, war kein Zufall; sowohl Taiwan als auch die EU sind Opfer von Chinas Einflussnahme und Desinformationskampagnen geworden, und beide können hier voneinander lernen.
Pekings Bemühungen, die Demokratie durch Desinformation zu untergraben, schaden China unterdessen selbst. Auch die Beziehungen zur EU leiden darunter. Ironischerweise haben sie sogar dazu beigetragen, Taiwan enger an die EU zu binden. Vor diesem Hintergrund erwarte ich, dass die Unterstützung durch die EU, insbesondere durch das Europäische Parlament, fortgesetzt und verstärkt wird. Ich erwarte auch, dass einige Mitgliedstaaten wie Litauen, Tschechien und die Slowakei weiterhin eine Vorreiterrolle spielen werden. Ich glaube aber auch, dass Länder wie Deutschland die Bedeutung Taiwans in ihren Bemühungen, ihre strategische Abhängigkeit von China zu verringern, nicht aus den Augen verlieren werden.
Nationale parlamentarische Besuche werden in der Tat zur neuen Normalität, ungeachtet der Meinungsvielfalt innerhalb der Mitgliedstaaten. Die Regierungen müssen taiwanfreundliche Ideen gegen die Möglichkeit chinesischer Vergeltungsmaßnahmen abwägen, wenn sie auf eine engere Zusammenarbeit mit Taiwan pochen. Ausgehend von den jüngsten Erfahrungen werden die Besuche des Europäischen Parlaments fortgesetzt, um konkrete Möglichkeiten zur Zusammenarbeit im Handel und im Austausch in Wissenschaft, Forschung, Kultur und Bildung zu finden. Angesichts der Tatsache, dass die EU der größte Investor in Taiwan ist, scheinen die EU-Mitgliedstaaten verstanden zu haben, dass jede Störung in der Meerenge vor Taiwan ihre Interessen untergraben würde. Auf welche Weise sie diese Interessen tatsächlich verteidigen würden, bleibt jedoch abzuwarten; dies ist eine Frage der militärischen Fähigkeiten und des politischen Handlungswillens.
Ein folgenreicher Zusammenstoß in der Meerenge liegt in niemandes Interesse, weder in dem Pekings noch in dem Washingtons und schon gar nicht in dem Taiwans. Peking betrachtet die Stabilität in der Region als unverzichtbar für die Verfolgung seines Entwicklungskurses, um seine Macht im eigenen Land zu behaupten und seinen Einfluss im Ausland geltend zu machen. Der Zugang zu den europäischen Märkten ist für China lebenswichtig, sodass eine weitere Schwächung der bilateralen Beziehungen nicht im Sinne Pekings ist.
Ihre Legitimität zu erhalten ist eine wichtige Priorität für die Partei. Unter den gegenwärtigen Umständen erfordert das eine harte, aber vernünftige Reaktion. Pekings feindselige Rhetorik, der wirtschaftliche Zwang, die Drohungen und Vergeltungsmaßnahmen sowie weitere militärische Provokationen haben bereits zugenommen, um Taiwan zu bestrafen und die eigene Basis zu stärken. Ich erwarte, dass Peking diese Bemühungen in den kommenden Wochen noch verstärken und versuchen wird, das Bild eines starken Chinas zu vermitteln, das sich von Washington nicht einschüchtern lässt. Eine starke Unterstützung im Innern wird für Peking bei der Verfolgung seiner globalen Agenda von entscheidender Bedeutung bleiben.
Zsuzsa Anna Ferenczy ist Assistenzprofessorin an der Nationalen Dong Hwa Universität, Hualien, Taiwan, und ehemalige politische Beraterin im Europäischen Parlament.
Huang Shilin ist als stellvertretender Chairman von CATL zurückgetreten. Als Ursache des Rückzugs des 56-Jährigen wurden persönliche Gründe angegeben. Analysten sagen, Huang plane, sich stärker in den Bereichen Solarenergie und Energiespeicherung zu engagieren.
Shirley Shen wird neue Leiterin des Bereichs Onshore Equities China bei der Investmentbank Morgan Stanley. Shen war vorher seit 20 Jahren bei der China International Capital Corp. in hohen Leitungspositionen tätig.
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Den “Orden der günstigen Wolke mit spezieller Kordel” verleiht Taiwan an Personen, die sich besonders um das Land verdient gemacht haben. Erst 21 Mal wurde diese Ehrenmedaille seit 1941 vergeben. Nancy Pelosi wurde nun diese große Ehre zuteil. Sie wurde bei ihrem aufsehenerregenden Besuch in Taiwan mit dieser höchsten zivilen Auszeichnung des Landes ausgezeichnet. An “eine der treuesten Freundinnen”, sagte Tsai Ing-wen. Den Orden will sich Pelosi ins Kongressbüro hängen. “Oder ihn dort tragen”, scherzt die 82-Jährige.