nach der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima wurde die Kernkraft in Deutschland endgültig beerdigt. Zwar träumt CDU-Chef Friedrich Merz noch von kleinen und neuartigen Reaktoren. Und nach Russlands Einmarsch in der Ukraine wurde kurz debattiert, ob der Atom-Ausstieg verzögert werden sollte. Doch eine Bundesregierung mit Beteiligung der Grünen wird das Thema wohl nicht wieder auf die Agenda heben.
Anders sieht die Lage in China aus. Die Volksrepublik ist einer der letzten Staaten, die noch im großen Maßstab neue Atom-Reaktoren bauen. Allerdings kommt es auf den Baustellen häufig zu Verzögerungen, so dass China seine Ausbau-Ziele erneut zu verfehlen droht. Und das Problem der Endlagerung des radioaktiven Abfalls ist auch noch ungelöst.
Mit weitaus größerem Elan baut China derweil die Erneuerbaren Energien aus. Mancherorts werden so viele neue Solar- und Windkraftwerke errichtet, dass die Netzbetreiber kaum mit dem Anschluss ans Stromnetz hinterherkommen. Und das Angebot an Energiespeichern reicht auch noch lange nicht aus. Deswegen bleibt die Kohle auch in naher Zukunft weiter die dominante Energiequelle.
Viele neue Erkenntnisse!
Um die Klimaziele zu erreichen, setzt China auch auf die Atomkraft. Jüngst hat die Regierung den Bau von sechs neuen Reaktoren bewilligt. In den nächsten 15 Jahren sollen 150 Reaktoren gebaut werden, wie der Vorsitzende des staatlichen Energiekonzerns China General Nuclear Power Group angekündigt hat. Das allein sind mehr als Deutschland je hatte. Die Volksrepublik ist schon jetzt zu einem der größten Produzenten von Atomstrom aufgestiegen. In den letzten dreißig Jahren hat China 54 Reaktoren errichtet, 20 weitere befinden sich im Bau.
Derzeit macht der Atomstrom jedoch nur gut fünf Prozent des chinesischen Strommixes aus. China produziert dennoch mehr Strom aus der Kernspaltung als durch Solarenergie (3,6 Prozent). Der aktuelle Fünfjahresplan sieht vor, dass die Kernenergie bis 2025 auf 70 Gigawatt Kapazität anwächst – von derzeit gut 50 Gigawatt. Zwischen 2022 und 2025 müssten also jährlich fünf Gigawatt an neuer AKW-Kapazität ans Netz gehen – gut fünf Reaktoren pro Jahr.
So ambitioniert diese Ziele klingen, die Realität vor Ort bleibt dahinter zurück. Zwischen 2016 und 2018 haben die Behörden keinen einzigen AKW-Neubau genehmigt (China.Table berichtete). Eigentlich sollten schon vor zwei Jahren 58 Gigawatt an AKW-Kapazität am Netz sein. Dieses Ziel wurde jedoch um einige Gigawatt verfehlt. Nach der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima von 2011 waren auch in China die Behörden vorsichtiger geworden. Damals verfügte die Regierung eine gründliche Sicherheitsprüfung und verhängte ein Moratorium für neue Projekte. Auch der Bau schon bewilligter Reaktoren verzögerte sich. An zwei Reaktoren wird schon seit 2012 gebaut, an drei weiteren seit 2015. Dabei sollten ursprünglich einige dieser Reaktoren innerhalb von vier Jahren fertiggestellt werden, wie ein Bauherr und Betreiber versichert hatte.
Laut dem Beratungs- und Analyseunternehmen Sinolytics kommt der Atom-Ausbau nun jedoch wieder in Schwung. “Chinas Regierung hat sich nun eindeutig zu einem raschen Ausbau seiner Kernenergiekapazität verpflichtet“, schreiben die Experten (China.Table berichtete). Die Atomenergie solle “aktiv und ordnungsgemäß gefördert werden”, so Chinas Nationale Energiebehörde in ihrem aktuellen Energie-Arbeitsleitfaden. Konkrete Ausbauziele werden – anders als bei anderen Energieträgern – zwar nicht genannt. Doch erstmals seit zehn Jahren betonen die Behörden den “aktiven Ausbau” der Kernenergie.
Der Atomausbau hilft, die Energiesicherheit des Landes sicherzustellen. Das Thema hat durch die Stromausfälle des letzten Jahres stark an politischer Relevanz gewonnen. “Die Kernenergie ist insofern ideal, als sie dazu beitragen kann, Chinas Energiesicherheit zu verbessern, die Abhängigkeit von Energie-Importen zu verringern und die Dekarbonisierungsziele zu erreichen”, sagt Bin Yan von Sinolytics gegenüber China.Table.
Es gibt allerdings Zweifel daran, ob China seine hoch gesteckten Ausbauziele erreichen kann. Die Zahl der Neuzulassungen steige nur sehr langsam, so die Experten von Trivium China, ebenfalls ein Beratungs- und Analyseunternehmen. China steht dabei vor dem Problem, dass AKWs große Projekte sind. “Der massive Umfang der derzeitigen Nuklearprojekte ist ein Hauptgrund für Verzögerungen bei den Bauarbeiten“, sagt Cory Combs von Trivium China gegenüber China.Table.
Kleinere, modulare Reaktoren befinden sich hingegen noch immer erst in der Entwicklung. Niemand wisse, wann diese kleineren Reaktoren wirtschaftlich tragfähig werden, so Combs. Das Ziel, 150 Reaktoren zu bauen, mache viel mehr Sinn, wenn es sich um kleinere, modulare Reaktoren handele. Diese könnten sich in Zukunft, quasi als Massenprodukte, industriell herstellen lassen. Das senkt im Vergleich zur derzeitigen Generation von AKWs die Kosten. Aufgrund der langen Bauzeit von im Durchschnitt sechs Jahren pro Reaktor geht der World Nuclear Industry Status Report davon aus, dass China bis 2030 über circa 100 Gigawatt an Atom-Kapazität verfügen wird.
Ein weiteres Problem betrifft die Standorte von AKWs. Die derzeit üblichen Reaktoren brauchen einen sicheren Zugang zu Kühlwasser, so Combs. Deshalb werden fast alle Reaktoren an den Küsten Chinas gebaut. Der Bau von bis zu 150 AKWs würde das Stromnetz an den Küsten allerdings überlasten. Combs sagt, dass “150 Reaktoren der aktuellen Generation entlang der Küste aus netztechnischer Sicht nicht machbar sind“. Eine mögliche Lösung liege in einer massiven Ausweitung der Energieübertragung und des Energiehandels zwischen den Provinzen. Doch solch eine politische Reform steckt noch in den Kinderschuhen. Neuere Reaktoren, die kein Kühlwasser brauchen, würden zwar seit Jahren entwickelt, aber sind noch nicht wirtschaftlich. Trotz dieser Probleme ist die Atomkraft aber “eine wichtige Säule für Chinas saubere Energiezukunft”, so Combs.
Für das Klima könnten die Verzögerungen beim Atom-Ausbau negative Folgen haben. Denn Kernkraftwerke liefern – abgesehen von sicherheitsbedingten Ausfällen – zuverlässig Strom. Sie sind nicht von Wind und Sonne abhängig. Es ist also wahrscheinlich, dass die Grundlast in China noch länger durch Kohlestrom gedeckt wird. Das sehen auch die Behörden so. “Die Kohlekraft wird noch lange eine wichtige Rolle bei der Gewährleistung der Energieversorgungssicherheit spielen”, so der Vizedirektor der Nationalen Energiebehörde Chinas.
Zudem steht auch China vor dem Grundproblem der Atomkraft: der Endlagerung der Spaltprodukte. Und je mehr Reaktoren es gibt, desto mehr Atommüll muss irgendwo sicher eingelagert werden – und das über dutzende Jahrtausende. Auch in China gibt es noch kein Endlager. Seit 35 Jahren wird nach einer geeigneten Lagerstätte gesucht. Ebenso wie in Deutschland und anderswo ist nicht mit einer schnellen Lösung zu rechnen. Immerhin taucht das Thema der Endlager im aktuellen 14. Fünfjahresplan auf.
Und im vergangenen Sommer wurde in einem zur Provinz Gansu gehörenden Teil der Wüste Gobi ein Areal für den Bau eines Untertage-Labors ausgewählt. Bis 2040 soll das dortige Gestein analysiert werden. Dann fällt die Entscheidung, ob die Region für ein Endlager infrage kommt. Nach den Plänen der Regierung wird es noch bis zum Jahr 2050 dauern, bis ein mögliches Endlager fertiggestellt ist.
Auch die Endlagerung von schwach- bis mittelradioaktiven Abfällen stößt an ihre Grenzen. Die Volksrepublik verfügt zwar über drei Endlager für diese Abfälle. Doch die Kapazitäten dieser Lager seien “angespannt und unzureichend”, wie ein Beamter der Nationalen Behörde für nukleare Sicherheit einräumt. Derzeit werden daher neue Endlager für schwach- bis mittelradioaktive Abfälle gesucht. Doch die Arbeit werde von der “Nicht in meinem Hinterhof”-Mentalität und Ängsten der Öffentlichkeit vor Strahlung erschwert, so der Beamte. Keine Provinz wolle ein Endlager bauen, sondern die Abfälle in andere Provinzen transportieren. Auch das ist ein weltweit bekanntes Problem, das auch Deutschland kennt. Es sei Aufgabe der Zentralregierung, die Standorte weiterer Endlager zu bestimmen, sagte ein Experte gegenüber der South China Morning Post.
China hat im ersten Quartal 2022 mehr als 25 Gigawatt neuer Kapazität Erneuerbarer Energien ans Netz gebracht. Die Windenergie-Kapazität stieg um 7,9 Gigawatt auf 337 Gigawatt. Die Solar-Kapazität verzeichnete einen Anstieg von 13,2 Gigawatt auf 318 Gigawatt. Das gab die Nationale Energiebehörde bekannt. Die neue Kapazität Erneuerbarer Energien machte demnach 80 Prozent aller neuen Stromerzeugungskapazität aus.
Stellenweise geht der Ausbau der Erneuerbaren sogar zu schnell. In der Wirtschafts-Hochburg Guangdong ging der Ausbau zuletzt so schnell voran, dass die Netzbetreiber nicht mit dem Anschluss neuer Kraftwerke an das Stromnetz hinterherkamen. Die Provinz hat nun einen Fünf-Punkte-Plan beschlossen, mit dem übermäßige Genehmigungen für den Solar-Ausbau “korrigiert” werden sollen, wie die Beratungsagentur Trivium lokale Medien zitiert. Die Behörden sollen demnach kurzfristig keine neuen Solar-Projekte mehr genehmigen.
Um das Problem der Überproduktion von Sonnenenergie zu lösen, bräuchte China mehr Energiespeicher (China.Table berichtete). Zur Mittagszeit, wenn Solar-Kraftwerke viel Strom liefern, könnte viel Energie angesammelt werden. Dadurch würden wilde Schwankungen bei den täglichen Strompreisen verhindert. Doch der Ausbau der Energiespeicher auf ein nennenswertes Niveau braucht Zeit.
Trotz des rapiden Ausbaus der Erneuerbaren Energien und auch aufgrund der damit einhergehenden Probleme, ist China weiterhin von Kohlestrom abhängig. Gut 60 Prozent der Stromproduktion wird mit Kohlekraft bestritten, wie die Daten der Nationalen Energiebehörde zeigen. “Obwohl die erneuerbaren Energien einen immer größeren Anteil an der chinesischen Energieerzeugungskapazität einnehmen, können sie mit der Gesamtenergieerzeugung aus Kohle einfach nicht konkurrieren“, schreiben die Analysten von Trivium China. Die Kapazität der Erneuerbaren Energien kann nur während eines kleinen Teils des Tages voll genutzt werden. Spielt das Wetter nicht mit, liefern Wind- und Solarkraftwerke weniger Strom. Der Ausbau der Energiespeicher wäre eine Option zur Minderung dieses Problems. nib
Russlands Erdgasexporte nach China sind in den ersten vier Monaten des Jahres im Vergleich zum gleichen Zeitraum 2021 um 60 Prozent gestiegen. Das teilte der russische Gasproduzent Gazprom mit, wie die Zeitung “South China Morning Post” am Montag berichtet.
Wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine haben viele Staaten ihre Gaslieferungen aus Russland drastisch reduziert. Laut Gazprom sind die Verkäufe in Länder außerhalb der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) in den ersten vier Monaten um 26,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen. Der Gas-Handel mit China hat hingegen offensichtlich stark zugenommen.
Russlands Gasexporte nach China werden seit 2019 über die Pipeline “Power of Siberia” abgewickelt. 2020 wurden rund 4,1 Milliarden Kubikmeter durch die Pipeline geliefert. Bis 2025 sollen sie auf 38 Milliarden Kubikmeter steigen. Dann hätte die “Power of Siberia” ihre volle Kapazität erreicht.
Im Februar hatten Russlands Präsident Wladimir Putin und sein chinesischer Amtskollege Xi Jinping Öl- und Gasverträge im Wert von schätzungsweise 117,5 Milliarden US-Dollar abgeschlossen (China.Table berichtete). Dazu gehört auch ein Gazprom-Vertrag über die Lieferung von zehn Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr nach China über eine neue Pipeline “Power of Siberia 2”, die von der russischen Insel Sachalin in die chinesische Provinz Heilongjiang entlanglaufen wird. Die neue Pipeline soll bis 2026 in Betrieb genommen werden und dann zusammen mit der bestehenden Pipeline die jährliche Erdgasversorgung auf 48 Milliarden Kubikmeter steigern. rad
China wird die Zölle auf Kohleimporte auf null senken. Das gab das Finanzministerium am Donnerstag bekannt. Die Zollsenkungen gelten von Anfang Mai bis Ende März 2023. Die Maßnahme zielt darauf ab, die Energiesicherheit des Landes zu gewährleisten. Zuvor lagen die Zölle gegenüber einigen Handelspartnern bei drei bis sechs Prozent.
Chinas Kohleimporte waren im März um 24 Prozent gesunken. Allerdings ist fragwürdig, ob die Maßnahme einen großen Effekt hat. Der Großteil der chinesischen Kohleversorgung stammt aus inländischen Quellen. Lediglich acht Prozent des Kohleverbrauchs wird importiert, wie Reuters berichtet. Die Zollsätze für wichtige Lieferanten wie Indonesien wurden schon in der Vergangenheit auf null Prozent gesetzt, wie Bloomberg berichtet. Der Zollsatz für Kohleimporte aus Russland lag jedoch zuvor bei sechs Prozent. Kohlehändler vermuten, dass die Importe aus Russland von der Zollsenkung profitieren werden.
Im vergangenen Jahr hatten die Kraftwerksbetreiber aufgrund hoher Kohlepreise keine ausreichenden Vorräte angelegt. Im Herbst kam es deswegen zu einer Stromkrise, die Industriebetriebe wochenlang in Aufruhr hielt und zu Stromrationierungen führte. Danach wurde die einheimische Kohleproduktion ausgeweitet und die Strompreise angepasst, sodass Kraftwerke auch bei hohen Kohlepreisen Gewinne machen können.
Die Behörden hatten die einheimische Kohleindustrie jüngst angewiesen, die Produktionskapazität in diesem Jahr um 300 Millionen Tonne zu steigern (China.Table berichtete). Ein staatsnahe Industrieverband bezweifelt jedoch, dass dieses Ziel erreicht werden kann. China könne in diesem Jahr lediglich 100 Millionen Tonnen an neuer Kapazität realisieren, sagte ein Analyst der China Coal Transportation and Distribution Association jüngst. Grund dafür seien Sicherheits- und Umweltregulierungen. Schon durch die Ausweitung der Kohleproduktion seit Ende letzten Jahres sind vermehrt Kohle-Kumpel bei Unfällen in den Minen der Volksrepublik ums Leben gekommen. nib
Der weltgrößte Elektroautobauer Tesla muss erneut Tausende Fahrzeuge seines “Model-3” in China zurückrufen. Insgesamt handele es sich um 14.684 Wagen, die zwischen Januar 2019 und März 2022 produziert worden seien, teilte die chinesische Aufsichtsbehörde mit. Es gehe um Softwareprobleme, die unter Extrembedingungen zu Kollisionen führen könnten. Für Tesla ist es bereits der zweite Rückruf im April. Der US-Konzern musste zuvor bereits rund 128.0000 Model-3-Autos wegen potenzieller Fehler bei Halbleiterteilen in die Werkstätten ordern. rtr/nib
nach der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima wurde die Kernkraft in Deutschland endgültig beerdigt. Zwar träumt CDU-Chef Friedrich Merz noch von kleinen und neuartigen Reaktoren. Und nach Russlands Einmarsch in der Ukraine wurde kurz debattiert, ob der Atom-Ausstieg verzögert werden sollte. Doch eine Bundesregierung mit Beteiligung der Grünen wird das Thema wohl nicht wieder auf die Agenda heben.
Anders sieht die Lage in China aus. Die Volksrepublik ist einer der letzten Staaten, die noch im großen Maßstab neue Atom-Reaktoren bauen. Allerdings kommt es auf den Baustellen häufig zu Verzögerungen, so dass China seine Ausbau-Ziele erneut zu verfehlen droht. Und das Problem der Endlagerung des radioaktiven Abfalls ist auch noch ungelöst.
Mit weitaus größerem Elan baut China derweil die Erneuerbaren Energien aus. Mancherorts werden so viele neue Solar- und Windkraftwerke errichtet, dass die Netzbetreiber kaum mit dem Anschluss ans Stromnetz hinterherkommen. Und das Angebot an Energiespeichern reicht auch noch lange nicht aus. Deswegen bleibt die Kohle auch in naher Zukunft weiter die dominante Energiequelle.
Viele neue Erkenntnisse!
Um die Klimaziele zu erreichen, setzt China auch auf die Atomkraft. Jüngst hat die Regierung den Bau von sechs neuen Reaktoren bewilligt. In den nächsten 15 Jahren sollen 150 Reaktoren gebaut werden, wie der Vorsitzende des staatlichen Energiekonzerns China General Nuclear Power Group angekündigt hat. Das allein sind mehr als Deutschland je hatte. Die Volksrepublik ist schon jetzt zu einem der größten Produzenten von Atomstrom aufgestiegen. In den letzten dreißig Jahren hat China 54 Reaktoren errichtet, 20 weitere befinden sich im Bau.
Derzeit macht der Atomstrom jedoch nur gut fünf Prozent des chinesischen Strommixes aus. China produziert dennoch mehr Strom aus der Kernspaltung als durch Solarenergie (3,6 Prozent). Der aktuelle Fünfjahresplan sieht vor, dass die Kernenergie bis 2025 auf 70 Gigawatt Kapazität anwächst – von derzeit gut 50 Gigawatt. Zwischen 2022 und 2025 müssten also jährlich fünf Gigawatt an neuer AKW-Kapazität ans Netz gehen – gut fünf Reaktoren pro Jahr.
So ambitioniert diese Ziele klingen, die Realität vor Ort bleibt dahinter zurück. Zwischen 2016 und 2018 haben die Behörden keinen einzigen AKW-Neubau genehmigt (China.Table berichtete). Eigentlich sollten schon vor zwei Jahren 58 Gigawatt an AKW-Kapazität am Netz sein. Dieses Ziel wurde jedoch um einige Gigawatt verfehlt. Nach der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima von 2011 waren auch in China die Behörden vorsichtiger geworden. Damals verfügte die Regierung eine gründliche Sicherheitsprüfung und verhängte ein Moratorium für neue Projekte. Auch der Bau schon bewilligter Reaktoren verzögerte sich. An zwei Reaktoren wird schon seit 2012 gebaut, an drei weiteren seit 2015. Dabei sollten ursprünglich einige dieser Reaktoren innerhalb von vier Jahren fertiggestellt werden, wie ein Bauherr und Betreiber versichert hatte.
Laut dem Beratungs- und Analyseunternehmen Sinolytics kommt der Atom-Ausbau nun jedoch wieder in Schwung. “Chinas Regierung hat sich nun eindeutig zu einem raschen Ausbau seiner Kernenergiekapazität verpflichtet“, schreiben die Experten (China.Table berichtete). Die Atomenergie solle “aktiv und ordnungsgemäß gefördert werden”, so Chinas Nationale Energiebehörde in ihrem aktuellen Energie-Arbeitsleitfaden. Konkrete Ausbauziele werden – anders als bei anderen Energieträgern – zwar nicht genannt. Doch erstmals seit zehn Jahren betonen die Behörden den “aktiven Ausbau” der Kernenergie.
Der Atomausbau hilft, die Energiesicherheit des Landes sicherzustellen. Das Thema hat durch die Stromausfälle des letzten Jahres stark an politischer Relevanz gewonnen. “Die Kernenergie ist insofern ideal, als sie dazu beitragen kann, Chinas Energiesicherheit zu verbessern, die Abhängigkeit von Energie-Importen zu verringern und die Dekarbonisierungsziele zu erreichen”, sagt Bin Yan von Sinolytics gegenüber China.Table.
Es gibt allerdings Zweifel daran, ob China seine hoch gesteckten Ausbauziele erreichen kann. Die Zahl der Neuzulassungen steige nur sehr langsam, so die Experten von Trivium China, ebenfalls ein Beratungs- und Analyseunternehmen. China steht dabei vor dem Problem, dass AKWs große Projekte sind. “Der massive Umfang der derzeitigen Nuklearprojekte ist ein Hauptgrund für Verzögerungen bei den Bauarbeiten“, sagt Cory Combs von Trivium China gegenüber China.Table.
Kleinere, modulare Reaktoren befinden sich hingegen noch immer erst in der Entwicklung. Niemand wisse, wann diese kleineren Reaktoren wirtschaftlich tragfähig werden, so Combs. Das Ziel, 150 Reaktoren zu bauen, mache viel mehr Sinn, wenn es sich um kleinere, modulare Reaktoren handele. Diese könnten sich in Zukunft, quasi als Massenprodukte, industriell herstellen lassen. Das senkt im Vergleich zur derzeitigen Generation von AKWs die Kosten. Aufgrund der langen Bauzeit von im Durchschnitt sechs Jahren pro Reaktor geht der World Nuclear Industry Status Report davon aus, dass China bis 2030 über circa 100 Gigawatt an Atom-Kapazität verfügen wird.
Ein weiteres Problem betrifft die Standorte von AKWs. Die derzeit üblichen Reaktoren brauchen einen sicheren Zugang zu Kühlwasser, so Combs. Deshalb werden fast alle Reaktoren an den Küsten Chinas gebaut. Der Bau von bis zu 150 AKWs würde das Stromnetz an den Küsten allerdings überlasten. Combs sagt, dass “150 Reaktoren der aktuellen Generation entlang der Küste aus netztechnischer Sicht nicht machbar sind“. Eine mögliche Lösung liege in einer massiven Ausweitung der Energieübertragung und des Energiehandels zwischen den Provinzen. Doch solch eine politische Reform steckt noch in den Kinderschuhen. Neuere Reaktoren, die kein Kühlwasser brauchen, würden zwar seit Jahren entwickelt, aber sind noch nicht wirtschaftlich. Trotz dieser Probleme ist die Atomkraft aber “eine wichtige Säule für Chinas saubere Energiezukunft”, so Combs.
Für das Klima könnten die Verzögerungen beim Atom-Ausbau negative Folgen haben. Denn Kernkraftwerke liefern – abgesehen von sicherheitsbedingten Ausfällen – zuverlässig Strom. Sie sind nicht von Wind und Sonne abhängig. Es ist also wahrscheinlich, dass die Grundlast in China noch länger durch Kohlestrom gedeckt wird. Das sehen auch die Behörden so. “Die Kohlekraft wird noch lange eine wichtige Rolle bei der Gewährleistung der Energieversorgungssicherheit spielen”, so der Vizedirektor der Nationalen Energiebehörde Chinas.
Zudem steht auch China vor dem Grundproblem der Atomkraft: der Endlagerung der Spaltprodukte. Und je mehr Reaktoren es gibt, desto mehr Atommüll muss irgendwo sicher eingelagert werden – und das über dutzende Jahrtausende. Auch in China gibt es noch kein Endlager. Seit 35 Jahren wird nach einer geeigneten Lagerstätte gesucht. Ebenso wie in Deutschland und anderswo ist nicht mit einer schnellen Lösung zu rechnen. Immerhin taucht das Thema der Endlager im aktuellen 14. Fünfjahresplan auf.
Und im vergangenen Sommer wurde in einem zur Provinz Gansu gehörenden Teil der Wüste Gobi ein Areal für den Bau eines Untertage-Labors ausgewählt. Bis 2040 soll das dortige Gestein analysiert werden. Dann fällt die Entscheidung, ob die Region für ein Endlager infrage kommt. Nach den Plänen der Regierung wird es noch bis zum Jahr 2050 dauern, bis ein mögliches Endlager fertiggestellt ist.
Auch die Endlagerung von schwach- bis mittelradioaktiven Abfällen stößt an ihre Grenzen. Die Volksrepublik verfügt zwar über drei Endlager für diese Abfälle. Doch die Kapazitäten dieser Lager seien “angespannt und unzureichend”, wie ein Beamter der Nationalen Behörde für nukleare Sicherheit einräumt. Derzeit werden daher neue Endlager für schwach- bis mittelradioaktive Abfälle gesucht. Doch die Arbeit werde von der “Nicht in meinem Hinterhof”-Mentalität und Ängsten der Öffentlichkeit vor Strahlung erschwert, so der Beamte. Keine Provinz wolle ein Endlager bauen, sondern die Abfälle in andere Provinzen transportieren. Auch das ist ein weltweit bekanntes Problem, das auch Deutschland kennt. Es sei Aufgabe der Zentralregierung, die Standorte weiterer Endlager zu bestimmen, sagte ein Experte gegenüber der South China Morning Post.
China hat im ersten Quartal 2022 mehr als 25 Gigawatt neuer Kapazität Erneuerbarer Energien ans Netz gebracht. Die Windenergie-Kapazität stieg um 7,9 Gigawatt auf 337 Gigawatt. Die Solar-Kapazität verzeichnete einen Anstieg von 13,2 Gigawatt auf 318 Gigawatt. Das gab die Nationale Energiebehörde bekannt. Die neue Kapazität Erneuerbarer Energien machte demnach 80 Prozent aller neuen Stromerzeugungskapazität aus.
Stellenweise geht der Ausbau der Erneuerbaren sogar zu schnell. In der Wirtschafts-Hochburg Guangdong ging der Ausbau zuletzt so schnell voran, dass die Netzbetreiber nicht mit dem Anschluss neuer Kraftwerke an das Stromnetz hinterherkamen. Die Provinz hat nun einen Fünf-Punkte-Plan beschlossen, mit dem übermäßige Genehmigungen für den Solar-Ausbau “korrigiert” werden sollen, wie die Beratungsagentur Trivium lokale Medien zitiert. Die Behörden sollen demnach kurzfristig keine neuen Solar-Projekte mehr genehmigen.
Um das Problem der Überproduktion von Sonnenenergie zu lösen, bräuchte China mehr Energiespeicher (China.Table berichtete). Zur Mittagszeit, wenn Solar-Kraftwerke viel Strom liefern, könnte viel Energie angesammelt werden. Dadurch würden wilde Schwankungen bei den täglichen Strompreisen verhindert. Doch der Ausbau der Energiespeicher auf ein nennenswertes Niveau braucht Zeit.
Trotz des rapiden Ausbaus der Erneuerbaren Energien und auch aufgrund der damit einhergehenden Probleme, ist China weiterhin von Kohlestrom abhängig. Gut 60 Prozent der Stromproduktion wird mit Kohlekraft bestritten, wie die Daten der Nationalen Energiebehörde zeigen. “Obwohl die erneuerbaren Energien einen immer größeren Anteil an der chinesischen Energieerzeugungskapazität einnehmen, können sie mit der Gesamtenergieerzeugung aus Kohle einfach nicht konkurrieren“, schreiben die Analysten von Trivium China. Die Kapazität der Erneuerbaren Energien kann nur während eines kleinen Teils des Tages voll genutzt werden. Spielt das Wetter nicht mit, liefern Wind- und Solarkraftwerke weniger Strom. Der Ausbau der Energiespeicher wäre eine Option zur Minderung dieses Problems. nib
Russlands Erdgasexporte nach China sind in den ersten vier Monaten des Jahres im Vergleich zum gleichen Zeitraum 2021 um 60 Prozent gestiegen. Das teilte der russische Gasproduzent Gazprom mit, wie die Zeitung “South China Morning Post” am Montag berichtet.
Wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine haben viele Staaten ihre Gaslieferungen aus Russland drastisch reduziert. Laut Gazprom sind die Verkäufe in Länder außerhalb der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) in den ersten vier Monaten um 26,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen. Der Gas-Handel mit China hat hingegen offensichtlich stark zugenommen.
Russlands Gasexporte nach China werden seit 2019 über die Pipeline “Power of Siberia” abgewickelt. 2020 wurden rund 4,1 Milliarden Kubikmeter durch die Pipeline geliefert. Bis 2025 sollen sie auf 38 Milliarden Kubikmeter steigen. Dann hätte die “Power of Siberia” ihre volle Kapazität erreicht.
Im Februar hatten Russlands Präsident Wladimir Putin und sein chinesischer Amtskollege Xi Jinping Öl- und Gasverträge im Wert von schätzungsweise 117,5 Milliarden US-Dollar abgeschlossen (China.Table berichtete). Dazu gehört auch ein Gazprom-Vertrag über die Lieferung von zehn Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr nach China über eine neue Pipeline “Power of Siberia 2”, die von der russischen Insel Sachalin in die chinesische Provinz Heilongjiang entlanglaufen wird. Die neue Pipeline soll bis 2026 in Betrieb genommen werden und dann zusammen mit der bestehenden Pipeline die jährliche Erdgasversorgung auf 48 Milliarden Kubikmeter steigern. rad
China wird die Zölle auf Kohleimporte auf null senken. Das gab das Finanzministerium am Donnerstag bekannt. Die Zollsenkungen gelten von Anfang Mai bis Ende März 2023. Die Maßnahme zielt darauf ab, die Energiesicherheit des Landes zu gewährleisten. Zuvor lagen die Zölle gegenüber einigen Handelspartnern bei drei bis sechs Prozent.
Chinas Kohleimporte waren im März um 24 Prozent gesunken. Allerdings ist fragwürdig, ob die Maßnahme einen großen Effekt hat. Der Großteil der chinesischen Kohleversorgung stammt aus inländischen Quellen. Lediglich acht Prozent des Kohleverbrauchs wird importiert, wie Reuters berichtet. Die Zollsätze für wichtige Lieferanten wie Indonesien wurden schon in der Vergangenheit auf null Prozent gesetzt, wie Bloomberg berichtet. Der Zollsatz für Kohleimporte aus Russland lag jedoch zuvor bei sechs Prozent. Kohlehändler vermuten, dass die Importe aus Russland von der Zollsenkung profitieren werden.
Im vergangenen Jahr hatten die Kraftwerksbetreiber aufgrund hoher Kohlepreise keine ausreichenden Vorräte angelegt. Im Herbst kam es deswegen zu einer Stromkrise, die Industriebetriebe wochenlang in Aufruhr hielt und zu Stromrationierungen führte. Danach wurde die einheimische Kohleproduktion ausgeweitet und die Strompreise angepasst, sodass Kraftwerke auch bei hohen Kohlepreisen Gewinne machen können.
Die Behörden hatten die einheimische Kohleindustrie jüngst angewiesen, die Produktionskapazität in diesem Jahr um 300 Millionen Tonne zu steigern (China.Table berichtete). Ein staatsnahe Industrieverband bezweifelt jedoch, dass dieses Ziel erreicht werden kann. China könne in diesem Jahr lediglich 100 Millionen Tonnen an neuer Kapazität realisieren, sagte ein Analyst der China Coal Transportation and Distribution Association jüngst. Grund dafür seien Sicherheits- und Umweltregulierungen. Schon durch die Ausweitung der Kohleproduktion seit Ende letzten Jahres sind vermehrt Kohle-Kumpel bei Unfällen in den Minen der Volksrepublik ums Leben gekommen. nib
Der weltgrößte Elektroautobauer Tesla muss erneut Tausende Fahrzeuge seines “Model-3” in China zurückrufen. Insgesamt handele es sich um 14.684 Wagen, die zwischen Januar 2019 und März 2022 produziert worden seien, teilte die chinesische Aufsichtsbehörde mit. Es gehe um Softwareprobleme, die unter Extrembedingungen zu Kollisionen führen könnten. Für Tesla ist es bereits der zweite Rückruf im April. Der US-Konzern musste zuvor bereits rund 128.0000 Model-3-Autos wegen potenzieller Fehler bei Halbleiterteilen in die Werkstätten ordern. rtr/nib