die Terrakotta-Armee aus Xi’an kennt wahrscheinlich jeder. Die bemalten Krieger und Pferdewagen aus der Grabanlage von Kaiser Qin Shihuangdi sind weltberühmt, in Deutschland und anderen Ländern gibt es dazu häufig Wanderausstellungen. In das Bild, das China nach Außen präsentieren möchte, passte der Fund bisher hervorragend, spiegelt er doch ein mächtiges Reich unter einem Herrscher wider.
Weit weniger bekannt sind die Entdeckungen in den Sanxingdui-Ruinen. Es wird angenommen, dass es sich um die Überreste des Shu-Königreichs handelt, das mindestens 4.800 Jahre alt war und mehr als 2.000 Jahre bestand. Diese Funde fordern jedoch auch das Bild einer einheitlichen chinesischen Identität heraus, schreibt Fabian Peltsch. Staatspräsident Xi Jinping treibt die Anerkennung von Sanxingdui als Unesco-Weltkulturerbe dennoch persönlich voran. Denn der nationale Mythos eines diversen und friedliebenden Handelspartners passt China in Zeiten der Neuen Seidenstraße gut ins Narrativ.
Verschiedene Narrative darüber, wie die Welt am besten funktionieren soll, zeigen sich auch bei G7 und Brics. Die Staaten-Zusammenschlüsse hatten sich Ende Juni zu einem Gipfeltreffen eingefunden. Frank Sieren hat sich die Abschlusserklärungen der beiden Veranstaltungen angesehen und schlussfolgert: Die G7 sind in mancher Hinsicht in der Defensive, die Brics-Länder argumentieren eher einbindend. Das ist eine Ansicht. Denn es zeigt sich auch: Die Brics-Erklärung ist ziemlich inhaltsleer, weil sie einen Minimalkompromiss darstellt. Die G7 sind sich indes überraschend einig.
Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre!
Die archäologischen Funde von Sanxingdui wirken wie aus einem surrealen Grusel-Film: Gigantische, Kastenköpfe. Kreaturen mit Stielaugen. Hybridwesen mit Schlangenkörpern und Vogelbeinen. Dazu ein vier Meter hoher Baum aus Bronze, auf dessen Ästen geheimnisvolle Vögel thronen. Sehen kann man die dramatisch ausgeleuchteten Artefakte im Sanxingdui-Museum im nordöstlichen Teil der Ausgrabungsstätte, rund 40 Kilometer von Sichuans Hauptstadt Chengdu entfernt.
Eine rätselhafte Kultur hat sie vor rund 3.000 Jahren in acht Opfergruben versenkt, von denen sechs seit ihrer Entdeckung Mitte der 1980er-Jahre freigelegt wurden. Ende März haben Archäologen weitere Objekte der Öffentlichkeit präsentiert, darunter einen Altar und eine Truhe in Form eines Schildkrötenpanzers. “Spektakuläre Funde”, wie Prof. Dr. Maria Khayutina, Sinologin und Expertin für das vorkaiserliche China an der LMU München, gegenüber China.Table erklärt. “Die westliche Welt interessiert sich leider recht wenig für Entdeckungen außerhalb ihres Kulturraums. Was man nicht kennt, wird oft einfach ignoriert.”
In China wurde in diesem Frühjahr dagegen tagelang live von den Grabungen berichtet. Sanxingdui ist hier längst Teil der Popkultur. Bei der diesjährigen CCTV-Neujahrsgala, dem größten Fernseh-Event der Welt, wurde eine Choreografie mit Sanxingdui-Hologrammen aufgeführt. Auf chinesischen E-Commerce-Seiten kann man Turnschuhe mit Sanxingdui-Motiven kaufen, auch T-Shirts, Stifthalter, Eis am Stiel und Emojis gibt es in Form der markanten Bronzeköpfe. 2016 kündigte Chinas Filmindustrie sogar einen von US-Starregisseur James Cameron co-produzierten Blockbuster an, in dem ein Besucher aus der Fremde die Sanxingdui-Kultur kennenlernt. Die Hauptrolle in “The Guest of Sanxingdui” soll niemand Geringerer als Arnold Schwarzenegger spielen, der auch gleich als internationaler Botschafter für die archäologische Stätte verpflichtet wurde.
Tatsächlich halten nicht nur chinesische Historiker Sanxingdui für eine der bedeutendsten archäologischen Entdeckungen des 20. Jahrhunderts – bedeutender noch als die Terrakotta-Armee aus Xi’an. Gleichzeitig wirken die Objekte so fremdartig, dass sie sich größtenteils nicht in eine Reihe mit anderen Funden aus China einordnen lassen. Wer waren die Erschaffer dieser seltsamen Werke? Welchen Zweck hatten sie? Schriftstücke oder menschliche Überreste fehlen, was die Sache noch rätselhafter macht. Im vergangenen Jahr sah sich die staatliche Zeitung Global Times sogar genötigt, einen Artikel zu veröffentlichen, in dem ein außerirdischer Ursprung der Sanxingdui-Zivilisation ausgeschlossen wurde.
Lange Zeit war es unter Chinas Historikern Konsens, dass sich die chinesische Zivilisation entlang des mittleren Tals des Gelben Flusses entwickelt hat. In den zentralen Ausgrabungsstätten von Anyang förderten Archäologen in den 1920er-Jahren Überreste der letzten Hauptstadt der Shang-Dynastie zutage. Hier entdeckte man auch einen Großteil der berühmten Orakelknochen, die als erste Beweise für die chinesische Schrifttradition gelten.
Während der Ausgrabungen wütete der Bürgerkrieg, wenig später marschierten die Japaner ein. Beides fachte die Sehnsucht nach einer einheitlichen chinesischen Identität noch an. Jungsteinzeitliche Ausgrabungsstätten im Verlauf des Yangzi oder Bronzefunde in Gansu hatten die Theorie der Wiege der Zivilisation im Herzen Chinas nach der Kulturrevolution bereits zum Bröckeln gebracht. Doch erst die hoch verfeinerten Bronze-Objekte im von Bergketten abgetrennten Sanxingdui stellten das alte Weltbild auf den Kopf.
Nach offizieller chinesischer Lesart handelt es sich bei den Sanxingdui-Stücken um Relikte des Königreichs Shu, das mehr als 2.000 Jahre bestanden haben soll. Die Shu sind jedoch mehr “Mystery als History”. “Shu ist als Name eines Königreichs bekannt, welches im heutigen Sichuan 1.000 Jahre später existierte”, sagt Khayutina. “Ob zwischen ihm und Sanxingdui ein direkter Zusammenhang bestand, halte ich für nicht eindeutig geklärt.” Einige Wissenschaftler vertreten die Ansicht, dass die Menschen von Sanxingdui Verbindungen zu Kulturen in Birma, Zentralasien und Indien pflegten. Die Hobbywissenschaftlerin Su San erklärt in zwei Büchern gar, dass die Sanxingdui-Gesellschaft vom Roten Meer abstamme. Die Beweislage dafür ist allerdings ebenso dünn wie die Behauptung, Sanxingdui hätte in regem Austausch mit Aliens gestanden.
Chinesische Historiker suchen in Sanxingdui heute vor allem nach Gemeinsamkeiten. Professor Zhao Hao von der Peking Universität, der an den Grabungen in Grube Nr. 8 beteiligt ist, erklärte vergangene Woche im Staatsfernsehen, dass man Grundmotive der chinesischen Kultur wie Drachen oder die für die Shang-Dynastie typischen Zun-Gefäße auch in Sanxingdui findet. “Die Idee von einer Kultur, in der verschiedene Einflüsse zusammenkommen, passt viel besser zum Konzept einer modernen Nation als das alte Weltbild”, erklärt Khayutina. Und tatsächlich gilt Sanxingdui in China heute vor allem als Beweis dafür, wie vielfältig die chinesische Kultur auch außerhalb des vermeintlichen Zentrums erblühte.
Staatspräsident Xi Jinping, der die Anerkennung von Sanxingdui als Unesco-Weltkulturerbe persönlich vorantreibt, weiß um die Macht eines nationalen Mythos, der das Bild vom diversen und friedliebenden Handelspartner in Zeiten der Neuen Seidenstraße unterstreicht (China.Table berichtete). Die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua zitierte ihn im Oktober 2021 mit den Worten, dass die Ausgrabungen von Sanxingdui “den Ursprung und die Entwicklung der chinesischen Kultur, ihre glorreichen Errungenschaften sowie ihre großen Beiträge zur Kultur dieser Welt offenbaren.”
Auch dank Xi erlebt China gerade ein “Goldenes Zeitalter der Archäologie mit chinesischen Merkmalen”, schreibt die South China Morning Post. Während die Sanxingdui-Funde in den 80er-Jahren noch auf Fahrrädern abtransportiert wurden, gehört die Ausgrabungsstätte heute zu den modernsten der Welt. Mehr als 120 Wissenschaftler aus dem ganzen Land arbeiten hier. Über den Gruben wurden Labore errichtet, in denen Luftfeuchtigkeit und Temperatur exakt austariert werden. Die Archäologen stecken in Schutzanzügen. Kein Haar und keine Hautschuppe soll die Radiokarbon- und DNA-Untersuchungen verfälschen.
Auch eine neue, 30.000 Quadratmeter große Ausstellungshalle für die jüngsten Funde ist in Planung. “China schätzt sein kulturelles Erbe und instrumentalisiert es auch”, sagt Khayutina. “An jedem bedeutenden Fundort werden bombastische Museumsanlagen eröffnet, von denen Europa nur träumen kann.”
Die Ausgrabungen in den letzten verbliebenen Opfergruben sollen Anfang nächsten Jahres abgeschlossen sein. Die Forschung über die Sanxingdui-Kultur stehe jedoch erst am Anfang, sagt Wang Wei, Historiker an der Chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften in Peking. “Der nächste Schritt ist die Suche nach größerer Architektur, in der zum Beispiel der zuletzt gefundene Altar gestanden haben könnte”. Dann wird vielleicht auch das für die chinesische Geschichtsschreibung drängende Rätsel gelöst, wie diese hoch entwickelte Zivilisation so plötzlich von der Bildfläche verschwinden konnte.
Abschlusserklärungen von Gipfeltreffen haben einen besonderen Wert. Während Politiker einzelner Nationen ihre Position freier beziehen können, gilt es in den Abschlusserklärungen einer Gruppe von Ländern einen Konsens zu finden. Die Sichtweisen müssen verhandelt werden und sind deshalb austarierter, belastbarer und wirklichkeitsnäher als nationale Positionen.
In diesen Krisenzeiten mit der Covid-Pandemie und dem Ukraine-Krieg ist es besonders schwierig, einen Konsens zu finden, weil sich Positionen radikalisieren. Gleichzeitig wird deutlich sichtbarer, in welche Richtung die jeweiligen Gruppen neigen. Deshalb lohnt es sich, die Abschlusserklärungen der G7 und Brics mit ein wenig Abstand noch einmal genau anzuschauen. Dass sie diesmal fast parallel stattfanden, erleichtert einen Vergleich. Der Informationsstand der Teilnehmer war der gleiche.
Offensichtlich ist: Die aufsteigenden Brics-Staaten haben grundlegend eine andere Sicht auf die Welt als die etablierten G7-Länder. Die G7 wurden 1973 gegründet. Sie repräsentieren hoch entwickelte, zum Teil bereits stagnierende Industrienationen von drei Kontinenten, die Demokratien Deutschland, Frankreich, England, Italien, Japan, Kanada und die USA.
Brics hingegen wurde 2009 gegründet und repräsentiert aufsteigende, zum Teil noch stark wachsende Länder von fünf Kontinenten. Ihre Mitglieder sind Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika. Es sind sowohl Demokratien als auch Diktaturen.
Die G7-Staaten wachsen zwar generell nicht mehr so stark (im Jahr 2021 waren es 1,4 Prozent), schaffen allerdings mit 10 Prozent der Weltbevölkerung einen Anteil von 45 Prozent an der Weltwirtschaft. Dieser Anteil sinkt jedoch stetig. Vor 30 Jahren betrug er noch über 70 Prozent.
Die Brics-Staaten hingegen repräsentieren immerhin 40 Prozent der Weltbevölkerung, kommen aber derzeit erst auf einen Anteil an der Weltwirtschaft von 25 Prozent. Der Anteil steigt aber stark an, weil die Brics schneller wachsen. Im Jahr 2021 betrug der Zuwachs 5,6 Prozent.
Die G7 sind in mancher Hinsicht in der Defensive. Der Verteidigungsdruck ist größer. Den spürt man in der Abschlusserklärung der G7 sehr deutlich. Fokuspunkt ist das Verhalten Russlands. Gleich zu Beginn heißt es denn auch, die G7 steht “vereint, um die Regierung und die Menschen der Ukraine zu unterstützen” und stellt sich gegen “Wladimir Putins Regime” und seinen “nicht zu rechtfertigenden Aggressionskrieg gegen die Ukraine.” Als Nebeneffekt gibt die Invasion den G7 also einen gemeinsamen Gegner, der verbindend wirkt. Die Vereinten Nationen werden an dieser Stelle gar nicht erst erwähnt. Stattdessen geht es allgemein um eine “regelbasierte Weltordnung.” An dieser Stelle spielt China keine Rolle.
Auch im folgenden Absatz über den Klimawandel wird China erstaunlicherweise nicht erwähnt, sondern erst im Absatz über die “Stabilität der Weltwirtschaft”, und dort zuerst als unnachgiebiger Gläubiger von Entwicklungsländern. Die G7 fordert China auf, “sich an den notwendigen Schuldenverhandlungen nach dem Prinzip der Gleichbehandlung und der gegenseitigen Berechenbarkeit konstruktiv zu beteiligen”.
In Absatz 5 dann, unter dem Stichwort “Außen- und Sicherheitspolitik”, steht wiederum China im Mittelpunkt: Es gäbe “keine rechtliche Basis für Chinas expansiven maritimen Ansprüche in südchinesischen Meer.” Die G7 fordern China zudem auf, den “Regeln der United Nations Convention on the Law of the Sea (UNCLOS) zu folgen.” Diese wurde allerdings von den USA selbst nie unterschrieben.
Dass es “notwendig ist, mit China hinsichtlich der gemeinsamen globalen Herausforderungen zu kooperieren”, erwähnen die G7-Länder nur am Rande. Viel wichtiger ist es ihnen, China dazu aufzufordern, “Druck auf Russland auszuüben, den UN-Resolutionen Folge zu leisten, die militärische Aggression zu stoppen und seine Truppen umgehend und bedingungslos aus der Ukraine abzuziehen.”
Auch die Situation in Hongkong wird erwähnt: Peking soll “sich an seine Zusagen in der Sino-British Joint Declaration zu Hongkong und das Basic Law halten, das Rechte, Freiheiten und einen hohen Grad an Autonomie für Hongkong garantiert.” Was Chinas Rolle in der Weltwirtschaft betrifft, will die G7, ein global “geteiltes Verständnis von Chinas nicht transparenten und marktverzerrenden Interventionen aufbauen”.
Die G7 Länder wollen koordinierte Maßnahmen ergreifen, “um ein Level Playing Field für unsere Wirtschaft und unsere Arbeitnehmer zu bilden und die strategischen Abhängigkeiten zu reduzieren”. Sie zeigen sich “tief besorgt über die Menschenrechtslage in China” und wollen weiterhin “für universelle Werte werben”. Daher fordern sie China auf, die Menschenrechte zu respektieren, und zwar auch in Tibet und Xinjiang, “wo Zwangsarbeit eine unserer größten Sorgen ist”.
Der Blickwinkel der G7 ist also: Unsere Regeln gelten und wer ihnen nicht folgt, bekommt Druck und darf nicht mitspielen. Sie teilen sie nach allen Seiten aus. Die G7 kritisieren in dem Dokument auch Nordkorea, Myanmar, Iran, Afghanistan, Libyen, Jemen und Syrien.
Die Brics-Erklärung hat hingegen einen anderen Ton. Das Dokument richtet sich an keiner Stelle explizit gegen andere Länder, auch nicht gegen die G7 oder gar gegen die USA. Ihr Tenor lautet viel mehr: Alle sollen miteinander einen Konsens finden, die UN soll dabei eine zentrale Rolle spielen. Die fünf Brics-Staaten betonen denn auch nicht für wen und gegen wen sie sind, sondern die eigenen, gemeinsamen globalen Ziele: “gegenseitiger Respekt, Verständnis, Gleichberechtigung und Solidarität”, aber auch “offen, einbindend und konsensorientiert” zu sein. Das sind zwar Ziele, die von den eigenen Mitgliedsländern zum Teil mit Füßen getreten werden, für die Zukunft sind sie aber eine akzeptable Richtung, auf die man sich einigen kann.
Erst im dritten Absatz unter Punkt 21 geht es überhaupt um den internationalen Umgang miteinander: Die Brics “respektieren die Souveränität und territoriale Integrität aller Staaten.” Sie fordern, Streitigkeiten sollten friedlich durch “Dialog und Verhandlungen” gelöst werden. Im Ukrainekonflikt wollen die Länder ihr Mitglied Russland nicht brüskieren, sondern unterstützten unter Punkt 22 “Gespräche zwischen Russland und der Ukraine.” Die humanitäre Lage in und um die Ukraine “wurde diskutiert”. Brics “unterstützt die Bemühungen des UN-Generalsekretärs, humanitäre Hilfe zu leisten auf der Basis von Menschlichkeit, Neutralität und Unvoreingenommenheit.”
Die Brics-Länder argumentieren also eher einbindend. Die G7-Staaten zeigen sich eher maßregelnd und ausschließend. Die Haltung der Brics spiegelt hier eher die Positionen der meisten Länder der Welt wider als die der G7. Das sieht man zum Beispiel daran, dass von 193 Nationen 170 die Sanktionen gegen Russland nicht mittragen. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass die Positionen der Brics-Länder in den kommenden Jahren und Jahrzehnten mit zunehmender Wirtschaftskraft eine wichtigere Rolle spielen, während die G7 weiter an Durchsetzungskraft verlieren.
Die Stadt Peking hat eine Impfpflicht für öffentliche Orte eingeführt. Ab dem 11. Juli müssen Besucher von stark besuchten öffentlichen Orten wie beispielsweise außerschulischen Bildungseinrichtungen, Bibliotheken, Museen, Kinos, Sporthallen, Internetcafés und Veranstaltungsorten eine Erst-Impfung gegen das Corona-Virus vorweisen. Personen, die aus medizinischen Gründen keine Impfung erhalten können, sind von der Maßnahme ausgenommen. Es ist das erste Mal, dass eine Stadt in China eine Impfpflicht einführt. Restaurants und öffentliche Verkehrsmittel sind von dieser Regelung ausgenommen. In der Stadt Peking waren im September letzten Jahres 97,7 Prozent der erwachsenen Bevölkerung geimpft, wie Reuters berichtet.
Die Impfpflicht gilt auch für medizinisches Personal, das in gemeinnützigen Einrichtungen arbeitet, Paket- und Expresslieferdienste und Konferenzteilnehmer, wie Bloomberg berichtet. Diese Personengruppen sollen sogar eine Booster-Impfung vorweisen müssen, um normal weiterarbeiten zu dürfen. Auch hier gelten medizinische Ausnahmen.
Der stellvertretende Direktor der städtischen Gesundheitskommission, Li Ang, forderte Menschen ab 60 Jahren zudem auf, sich gegen das Virus impfen zu lassen. Diese Gruppe gilt als besonders gefährdet. Li zufolge sollten Pflegekräfte in Heimen und Besucher eine Auffrischungsimpfung erhalten. Der Gesundheitscode Pekings, mit dem die Stadt die Bewegungen der Menschen kontrolliert, soll demnach aktualisiert werden und den Impfstatus prominenter anzeigen. nib
Die USA drängen die Niederlande, die Exporte von Maschinen zur Herstellung von Chips zu verbieten. Bisher hatten sich die USA mit einem Exportverbot für Hightech-Maschinen zufriedengegeben. Nun soll die niederländische Regierung dem lokalen Weltmarktführer ASML auch vorschreiben, ältere Technologien nicht mehr in die Volksrepublik zu verkaufen, wie Bloomberg berichtet.
Laut informierten Kreisen wollen die USA erreichen, dass ASML keine älteren Lithographiegeräte zur Chip-Herstellung exportieren darf. Die mit diesen Maschinen hergestellten Chips finden noch immer Anwendung in Autos, Robotern und Smartphones. Ein Exportverbot würde die chinesischen Chip-Hersteller hart treffen. Die niederländische Regierung muss dem US-Ansinnen noch zustimmen. Auch auf japanische Behörden übt die US-Regierung Druck aus.
Das Unternehmen Tokyo Electron ist ein weiterer wichtiger Zulieferer für die Chip-Industrie. Nachdem die US-Wünsche gegenüber den Niederlanden öffentlich gemacht wurden, beschuldigte China die USA des “technologischen Terrorismus“, wie Zhao Lijian, Sprecher des Außenministeriums sagte. Er ließ offen, ob China Gegenmaßnahmen einleiten werde. nib
Volkswagen will in China mehrere Tausend Software-Entwickler einstellen. Das geht aus Äußerungen des VW-Chefs Herbert Diess hervor. Der digitale Wandel sei der wichtigste Umbruch, vor dem der Konzern stehe. Selbstfahrende Autos, Entertainment und digitale Gadgets seien eine große Herausforderung für die Autoindustrie. In China steht Volkswagen vor der Aufgabe, sich an die lokalen Wünsche der Kundinnen und Kunden anzupassen, die im digitalen Bereich oft andere Vorstellungen hätten als Verbraucher im Westen.
In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung sagte Diess, es gäbe keine Pläne, das umstrittene Werk in Xinjiang zu schließen. Laut Diess müsse der lokale Partner SAIC “sicherstellen”, dass “wir in unserem Werk mit Minderheitsbeteiligung alles tun, damit dort nicht diskriminiert wird“. Diess zeigt sich davon überzeugt, dass sich die Situation der Minderheiten in Xinjiang verbessern wird, wenn VW den Standort behält. “Ich will deshalb auch baldmöglichst selbst dorthin reisen”, kündigte Diess an. nib
Papst Franziskus hofft, das umstrittene Abkommen mit der Volksrepublik China zur Einsetzung von Bischöfen erneuern zu können – allerdings gebe es noch Abstimmungsprobleme, sagte Franziskus der Nachrichtenagentur Reuters. “Aber die Vereinbarung ist gut, und ich hoffe, dass sie im Oktober verlängert werden kann”, so der Papst weiter.
Als Verhandler mit Peking sei Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin im Einsatz, erklärte Franziskus. Parolin sei “ein Mann mit hohem diplomatischem Ansehen” und wisse, wie man sich in China bewege. “In Anbetracht einer festgefahrenen Situation muss man das Mögliche suchen, nicht das Ideale, denn Diplomatie ist die Kunst des Möglichen und der Verwirklichung des Möglichen”, so Franziskus.
Das im Oktober 2018 in Kraft getretene vorläufige Abkommen wurde 2020 erstmals um weitere zwei Jahre verlängert. Die Frist läuft im Herbst aus. Die Vereinbarung zwischen Peking und dem Vatikan, deren Wortlaut unter Verschluss gehalten wird, steht in der Kritik, weil sie das Leben katholischer Christen in der Volksrepublik nicht verbessere. rtr/ari
Noch heute kann Hans van Ess sich gut daran erinnern, wie die ihm damals so fremden Düfte in die Nase drangen. Er stand neben seinem Vater, dem Islamwissenschaftler Josef van Ess, auf dem Basar in Beirut und sah die Gewürze, die zu Haufen auf Tischen entlang der Straße aufgetürmt waren. Kardamom, Nelken, Curry, Safran und Piment – ein Meer aus Farben. Um den Jungen herum wuselnde Menschen und das Stimmengewirr feilschender Händler. Ein Erlebnis, das ihn nachhaltig prägen sollte.
Heute ist Hans van Ess 60 Jahre alt und Sinologe an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Außerdem ist er Präsident der Max Weber Stiftung zur Förderung der Forschung. Schwerpunktmäßig befasst er sich mit dem Konfuzianismus, der chinesischen Geschichtsschreibung sowie der Zentralasienkunde mit Bezug auf China und die Mongolei.
Auf seiner ersten China-Reise kam van Ess ins Staunen. Vier Semester Sinologie sollten reichen. Dachte er. Er reiste mit zwei Chinesen und einem Deutschen zwei Monate durchs Land. Was als Abenteuer geplant war, wurde jedoch zum Kraftakt. “Es ging erst mal gar nichts. Ich verstand nur vielleicht 20 Prozent von dem, was ich hörte. Und von sprechen konnte keine Rede sein”, sagt van Ess. Am Abend sei er völlig erschöpft gewesen. Das habe ihn Demut gelehrt.
Die Grammatik sei zwar gar nicht schwer. Die chinesische Sprache schöpfe aber viel aus Sprichwörtern, die sich auf das Altchinesische beziehen. “Man braucht ein tieferes Verständnis von der chinesischen Geschichte, um die Sprache wirklich zu lernen”, sagt er. Nach seinem Magister zog van Ess nach Shanghai. Ein Dreivierteljahr dauerte es schließlich, bis er sich eingelebt hatte.
Wegen der immer noch harten Coronabeschränkungen war van Ess lange nicht mehr in China. Der letzte Aufenthalt war 2019 ein Forschungsbesuch in Peking. Dazu kommt das schon länger andauernde Spannungsfeld, in dem sich Deutschland und China befinden. Die USA stehen auf der einen Seite, China auf der anderen. Dazwischen eingeklemmt ist Deutschland. “Eine relativ unangenehme Situation”, sagt van Ess. Es liege an der Politik, Kompromisslösungen zu finden. Dass beide Seiten zufrieden sind, ist aber kaum zu erreichen.
“Wer China besuchen will, sollte alles vergessen, was er oder sie darüber gelesen hat”, sagt van Ess. Zu empfehlen sei der erste chinesische Literaturnobelpreisträger Mo Yan. Besucher sollten auch einen Schritt aus den Großstädten herauswagen. Das macht van Ess bei vielen seiner Besuche. Wenn er in Peking ist, fährt er immer gerne für ein paar Tage ins Umland. Dort können Besucher noch ganz andere Eindrücke sammeln und ein anderes China kennenlernen. Tim Winter
Maria Kipfelsberger ist neue Finanzchef bei Airbus Helicopters in Qingdao. Kipfelsberger war zuvor Program Controller im Bereich Commercial Helicopter and Development in Donauwörth.
Wei Kai Lee ist neuer Leiter für die Region Asien-Pazifik beim Schweizer Investmenthaus Vontobel. Sein Vorgänger war Ulrich Behm. Lee arbeitet von Singapur aus.
Angus Hui wechselt vom Anlagen-Berater Schroders zu Fullerton Fund Management. Für den Jobwechsel zieht er von Hongkong nach Singapur. Bei Fullerton Fund Management übernimmt er den Bereich Fixed Income.
Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!
Mobiles Straßencafé: Seit Beginn der Corona-Pandemie und der damit verbundenen Schließung von Cafés und Restaurants haben findige Gastronomen Möglichkeiten entwickelt, um weiterhin Kaffee an die Kundinnen und Kunden zu bringen. Der mobile Kaffeeladen wird auf dem Moped oder Dreirad transportiert: Klapptisch, Siebträgermaschine, Becher, Eismaschine und ein kleiner Stromgenerator – fertig ist das Kaffeemobil.
die Terrakotta-Armee aus Xi’an kennt wahrscheinlich jeder. Die bemalten Krieger und Pferdewagen aus der Grabanlage von Kaiser Qin Shihuangdi sind weltberühmt, in Deutschland und anderen Ländern gibt es dazu häufig Wanderausstellungen. In das Bild, das China nach Außen präsentieren möchte, passte der Fund bisher hervorragend, spiegelt er doch ein mächtiges Reich unter einem Herrscher wider.
Weit weniger bekannt sind die Entdeckungen in den Sanxingdui-Ruinen. Es wird angenommen, dass es sich um die Überreste des Shu-Königreichs handelt, das mindestens 4.800 Jahre alt war und mehr als 2.000 Jahre bestand. Diese Funde fordern jedoch auch das Bild einer einheitlichen chinesischen Identität heraus, schreibt Fabian Peltsch. Staatspräsident Xi Jinping treibt die Anerkennung von Sanxingdui als Unesco-Weltkulturerbe dennoch persönlich voran. Denn der nationale Mythos eines diversen und friedliebenden Handelspartners passt China in Zeiten der Neuen Seidenstraße gut ins Narrativ.
Verschiedene Narrative darüber, wie die Welt am besten funktionieren soll, zeigen sich auch bei G7 und Brics. Die Staaten-Zusammenschlüsse hatten sich Ende Juni zu einem Gipfeltreffen eingefunden. Frank Sieren hat sich die Abschlusserklärungen der beiden Veranstaltungen angesehen und schlussfolgert: Die G7 sind in mancher Hinsicht in der Defensive, die Brics-Länder argumentieren eher einbindend. Das ist eine Ansicht. Denn es zeigt sich auch: Die Brics-Erklärung ist ziemlich inhaltsleer, weil sie einen Minimalkompromiss darstellt. Die G7 sind sich indes überraschend einig.
Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre!
Die archäologischen Funde von Sanxingdui wirken wie aus einem surrealen Grusel-Film: Gigantische, Kastenköpfe. Kreaturen mit Stielaugen. Hybridwesen mit Schlangenkörpern und Vogelbeinen. Dazu ein vier Meter hoher Baum aus Bronze, auf dessen Ästen geheimnisvolle Vögel thronen. Sehen kann man die dramatisch ausgeleuchteten Artefakte im Sanxingdui-Museum im nordöstlichen Teil der Ausgrabungsstätte, rund 40 Kilometer von Sichuans Hauptstadt Chengdu entfernt.
Eine rätselhafte Kultur hat sie vor rund 3.000 Jahren in acht Opfergruben versenkt, von denen sechs seit ihrer Entdeckung Mitte der 1980er-Jahre freigelegt wurden. Ende März haben Archäologen weitere Objekte der Öffentlichkeit präsentiert, darunter einen Altar und eine Truhe in Form eines Schildkrötenpanzers. “Spektakuläre Funde”, wie Prof. Dr. Maria Khayutina, Sinologin und Expertin für das vorkaiserliche China an der LMU München, gegenüber China.Table erklärt. “Die westliche Welt interessiert sich leider recht wenig für Entdeckungen außerhalb ihres Kulturraums. Was man nicht kennt, wird oft einfach ignoriert.”
In China wurde in diesem Frühjahr dagegen tagelang live von den Grabungen berichtet. Sanxingdui ist hier längst Teil der Popkultur. Bei der diesjährigen CCTV-Neujahrsgala, dem größten Fernseh-Event der Welt, wurde eine Choreografie mit Sanxingdui-Hologrammen aufgeführt. Auf chinesischen E-Commerce-Seiten kann man Turnschuhe mit Sanxingdui-Motiven kaufen, auch T-Shirts, Stifthalter, Eis am Stiel und Emojis gibt es in Form der markanten Bronzeköpfe. 2016 kündigte Chinas Filmindustrie sogar einen von US-Starregisseur James Cameron co-produzierten Blockbuster an, in dem ein Besucher aus der Fremde die Sanxingdui-Kultur kennenlernt. Die Hauptrolle in “The Guest of Sanxingdui” soll niemand Geringerer als Arnold Schwarzenegger spielen, der auch gleich als internationaler Botschafter für die archäologische Stätte verpflichtet wurde.
Tatsächlich halten nicht nur chinesische Historiker Sanxingdui für eine der bedeutendsten archäologischen Entdeckungen des 20. Jahrhunderts – bedeutender noch als die Terrakotta-Armee aus Xi’an. Gleichzeitig wirken die Objekte so fremdartig, dass sie sich größtenteils nicht in eine Reihe mit anderen Funden aus China einordnen lassen. Wer waren die Erschaffer dieser seltsamen Werke? Welchen Zweck hatten sie? Schriftstücke oder menschliche Überreste fehlen, was die Sache noch rätselhafter macht. Im vergangenen Jahr sah sich die staatliche Zeitung Global Times sogar genötigt, einen Artikel zu veröffentlichen, in dem ein außerirdischer Ursprung der Sanxingdui-Zivilisation ausgeschlossen wurde.
Lange Zeit war es unter Chinas Historikern Konsens, dass sich die chinesische Zivilisation entlang des mittleren Tals des Gelben Flusses entwickelt hat. In den zentralen Ausgrabungsstätten von Anyang förderten Archäologen in den 1920er-Jahren Überreste der letzten Hauptstadt der Shang-Dynastie zutage. Hier entdeckte man auch einen Großteil der berühmten Orakelknochen, die als erste Beweise für die chinesische Schrifttradition gelten.
Während der Ausgrabungen wütete der Bürgerkrieg, wenig später marschierten die Japaner ein. Beides fachte die Sehnsucht nach einer einheitlichen chinesischen Identität noch an. Jungsteinzeitliche Ausgrabungsstätten im Verlauf des Yangzi oder Bronzefunde in Gansu hatten die Theorie der Wiege der Zivilisation im Herzen Chinas nach der Kulturrevolution bereits zum Bröckeln gebracht. Doch erst die hoch verfeinerten Bronze-Objekte im von Bergketten abgetrennten Sanxingdui stellten das alte Weltbild auf den Kopf.
Nach offizieller chinesischer Lesart handelt es sich bei den Sanxingdui-Stücken um Relikte des Königreichs Shu, das mehr als 2.000 Jahre bestanden haben soll. Die Shu sind jedoch mehr “Mystery als History”. “Shu ist als Name eines Königreichs bekannt, welches im heutigen Sichuan 1.000 Jahre später existierte”, sagt Khayutina. “Ob zwischen ihm und Sanxingdui ein direkter Zusammenhang bestand, halte ich für nicht eindeutig geklärt.” Einige Wissenschaftler vertreten die Ansicht, dass die Menschen von Sanxingdui Verbindungen zu Kulturen in Birma, Zentralasien und Indien pflegten. Die Hobbywissenschaftlerin Su San erklärt in zwei Büchern gar, dass die Sanxingdui-Gesellschaft vom Roten Meer abstamme. Die Beweislage dafür ist allerdings ebenso dünn wie die Behauptung, Sanxingdui hätte in regem Austausch mit Aliens gestanden.
Chinesische Historiker suchen in Sanxingdui heute vor allem nach Gemeinsamkeiten. Professor Zhao Hao von der Peking Universität, der an den Grabungen in Grube Nr. 8 beteiligt ist, erklärte vergangene Woche im Staatsfernsehen, dass man Grundmotive der chinesischen Kultur wie Drachen oder die für die Shang-Dynastie typischen Zun-Gefäße auch in Sanxingdui findet. “Die Idee von einer Kultur, in der verschiedene Einflüsse zusammenkommen, passt viel besser zum Konzept einer modernen Nation als das alte Weltbild”, erklärt Khayutina. Und tatsächlich gilt Sanxingdui in China heute vor allem als Beweis dafür, wie vielfältig die chinesische Kultur auch außerhalb des vermeintlichen Zentrums erblühte.
Staatspräsident Xi Jinping, der die Anerkennung von Sanxingdui als Unesco-Weltkulturerbe persönlich vorantreibt, weiß um die Macht eines nationalen Mythos, der das Bild vom diversen und friedliebenden Handelspartner in Zeiten der Neuen Seidenstraße unterstreicht (China.Table berichtete). Die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua zitierte ihn im Oktober 2021 mit den Worten, dass die Ausgrabungen von Sanxingdui “den Ursprung und die Entwicklung der chinesischen Kultur, ihre glorreichen Errungenschaften sowie ihre großen Beiträge zur Kultur dieser Welt offenbaren.”
Auch dank Xi erlebt China gerade ein “Goldenes Zeitalter der Archäologie mit chinesischen Merkmalen”, schreibt die South China Morning Post. Während die Sanxingdui-Funde in den 80er-Jahren noch auf Fahrrädern abtransportiert wurden, gehört die Ausgrabungsstätte heute zu den modernsten der Welt. Mehr als 120 Wissenschaftler aus dem ganzen Land arbeiten hier. Über den Gruben wurden Labore errichtet, in denen Luftfeuchtigkeit und Temperatur exakt austariert werden. Die Archäologen stecken in Schutzanzügen. Kein Haar und keine Hautschuppe soll die Radiokarbon- und DNA-Untersuchungen verfälschen.
Auch eine neue, 30.000 Quadratmeter große Ausstellungshalle für die jüngsten Funde ist in Planung. “China schätzt sein kulturelles Erbe und instrumentalisiert es auch”, sagt Khayutina. “An jedem bedeutenden Fundort werden bombastische Museumsanlagen eröffnet, von denen Europa nur träumen kann.”
Die Ausgrabungen in den letzten verbliebenen Opfergruben sollen Anfang nächsten Jahres abgeschlossen sein. Die Forschung über die Sanxingdui-Kultur stehe jedoch erst am Anfang, sagt Wang Wei, Historiker an der Chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften in Peking. “Der nächste Schritt ist die Suche nach größerer Architektur, in der zum Beispiel der zuletzt gefundene Altar gestanden haben könnte”. Dann wird vielleicht auch das für die chinesische Geschichtsschreibung drängende Rätsel gelöst, wie diese hoch entwickelte Zivilisation so plötzlich von der Bildfläche verschwinden konnte.
Abschlusserklärungen von Gipfeltreffen haben einen besonderen Wert. Während Politiker einzelner Nationen ihre Position freier beziehen können, gilt es in den Abschlusserklärungen einer Gruppe von Ländern einen Konsens zu finden. Die Sichtweisen müssen verhandelt werden und sind deshalb austarierter, belastbarer und wirklichkeitsnäher als nationale Positionen.
In diesen Krisenzeiten mit der Covid-Pandemie und dem Ukraine-Krieg ist es besonders schwierig, einen Konsens zu finden, weil sich Positionen radikalisieren. Gleichzeitig wird deutlich sichtbarer, in welche Richtung die jeweiligen Gruppen neigen. Deshalb lohnt es sich, die Abschlusserklärungen der G7 und Brics mit ein wenig Abstand noch einmal genau anzuschauen. Dass sie diesmal fast parallel stattfanden, erleichtert einen Vergleich. Der Informationsstand der Teilnehmer war der gleiche.
Offensichtlich ist: Die aufsteigenden Brics-Staaten haben grundlegend eine andere Sicht auf die Welt als die etablierten G7-Länder. Die G7 wurden 1973 gegründet. Sie repräsentieren hoch entwickelte, zum Teil bereits stagnierende Industrienationen von drei Kontinenten, die Demokratien Deutschland, Frankreich, England, Italien, Japan, Kanada und die USA.
Brics hingegen wurde 2009 gegründet und repräsentiert aufsteigende, zum Teil noch stark wachsende Länder von fünf Kontinenten. Ihre Mitglieder sind Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika. Es sind sowohl Demokratien als auch Diktaturen.
Die G7-Staaten wachsen zwar generell nicht mehr so stark (im Jahr 2021 waren es 1,4 Prozent), schaffen allerdings mit 10 Prozent der Weltbevölkerung einen Anteil von 45 Prozent an der Weltwirtschaft. Dieser Anteil sinkt jedoch stetig. Vor 30 Jahren betrug er noch über 70 Prozent.
Die Brics-Staaten hingegen repräsentieren immerhin 40 Prozent der Weltbevölkerung, kommen aber derzeit erst auf einen Anteil an der Weltwirtschaft von 25 Prozent. Der Anteil steigt aber stark an, weil die Brics schneller wachsen. Im Jahr 2021 betrug der Zuwachs 5,6 Prozent.
Die G7 sind in mancher Hinsicht in der Defensive. Der Verteidigungsdruck ist größer. Den spürt man in der Abschlusserklärung der G7 sehr deutlich. Fokuspunkt ist das Verhalten Russlands. Gleich zu Beginn heißt es denn auch, die G7 steht “vereint, um die Regierung und die Menschen der Ukraine zu unterstützen” und stellt sich gegen “Wladimir Putins Regime” und seinen “nicht zu rechtfertigenden Aggressionskrieg gegen die Ukraine.” Als Nebeneffekt gibt die Invasion den G7 also einen gemeinsamen Gegner, der verbindend wirkt. Die Vereinten Nationen werden an dieser Stelle gar nicht erst erwähnt. Stattdessen geht es allgemein um eine “regelbasierte Weltordnung.” An dieser Stelle spielt China keine Rolle.
Auch im folgenden Absatz über den Klimawandel wird China erstaunlicherweise nicht erwähnt, sondern erst im Absatz über die “Stabilität der Weltwirtschaft”, und dort zuerst als unnachgiebiger Gläubiger von Entwicklungsländern. Die G7 fordert China auf, “sich an den notwendigen Schuldenverhandlungen nach dem Prinzip der Gleichbehandlung und der gegenseitigen Berechenbarkeit konstruktiv zu beteiligen”.
In Absatz 5 dann, unter dem Stichwort “Außen- und Sicherheitspolitik”, steht wiederum China im Mittelpunkt: Es gäbe “keine rechtliche Basis für Chinas expansiven maritimen Ansprüche in südchinesischen Meer.” Die G7 fordern China zudem auf, den “Regeln der United Nations Convention on the Law of the Sea (UNCLOS) zu folgen.” Diese wurde allerdings von den USA selbst nie unterschrieben.
Dass es “notwendig ist, mit China hinsichtlich der gemeinsamen globalen Herausforderungen zu kooperieren”, erwähnen die G7-Länder nur am Rande. Viel wichtiger ist es ihnen, China dazu aufzufordern, “Druck auf Russland auszuüben, den UN-Resolutionen Folge zu leisten, die militärische Aggression zu stoppen und seine Truppen umgehend und bedingungslos aus der Ukraine abzuziehen.”
Auch die Situation in Hongkong wird erwähnt: Peking soll “sich an seine Zusagen in der Sino-British Joint Declaration zu Hongkong und das Basic Law halten, das Rechte, Freiheiten und einen hohen Grad an Autonomie für Hongkong garantiert.” Was Chinas Rolle in der Weltwirtschaft betrifft, will die G7, ein global “geteiltes Verständnis von Chinas nicht transparenten und marktverzerrenden Interventionen aufbauen”.
Die G7 Länder wollen koordinierte Maßnahmen ergreifen, “um ein Level Playing Field für unsere Wirtschaft und unsere Arbeitnehmer zu bilden und die strategischen Abhängigkeiten zu reduzieren”. Sie zeigen sich “tief besorgt über die Menschenrechtslage in China” und wollen weiterhin “für universelle Werte werben”. Daher fordern sie China auf, die Menschenrechte zu respektieren, und zwar auch in Tibet und Xinjiang, “wo Zwangsarbeit eine unserer größten Sorgen ist”.
Der Blickwinkel der G7 ist also: Unsere Regeln gelten und wer ihnen nicht folgt, bekommt Druck und darf nicht mitspielen. Sie teilen sie nach allen Seiten aus. Die G7 kritisieren in dem Dokument auch Nordkorea, Myanmar, Iran, Afghanistan, Libyen, Jemen und Syrien.
Die Brics-Erklärung hat hingegen einen anderen Ton. Das Dokument richtet sich an keiner Stelle explizit gegen andere Länder, auch nicht gegen die G7 oder gar gegen die USA. Ihr Tenor lautet viel mehr: Alle sollen miteinander einen Konsens finden, die UN soll dabei eine zentrale Rolle spielen. Die fünf Brics-Staaten betonen denn auch nicht für wen und gegen wen sie sind, sondern die eigenen, gemeinsamen globalen Ziele: “gegenseitiger Respekt, Verständnis, Gleichberechtigung und Solidarität”, aber auch “offen, einbindend und konsensorientiert” zu sein. Das sind zwar Ziele, die von den eigenen Mitgliedsländern zum Teil mit Füßen getreten werden, für die Zukunft sind sie aber eine akzeptable Richtung, auf die man sich einigen kann.
Erst im dritten Absatz unter Punkt 21 geht es überhaupt um den internationalen Umgang miteinander: Die Brics “respektieren die Souveränität und territoriale Integrität aller Staaten.” Sie fordern, Streitigkeiten sollten friedlich durch “Dialog und Verhandlungen” gelöst werden. Im Ukrainekonflikt wollen die Länder ihr Mitglied Russland nicht brüskieren, sondern unterstützten unter Punkt 22 “Gespräche zwischen Russland und der Ukraine.” Die humanitäre Lage in und um die Ukraine “wurde diskutiert”. Brics “unterstützt die Bemühungen des UN-Generalsekretärs, humanitäre Hilfe zu leisten auf der Basis von Menschlichkeit, Neutralität und Unvoreingenommenheit.”
Die Brics-Länder argumentieren also eher einbindend. Die G7-Staaten zeigen sich eher maßregelnd und ausschließend. Die Haltung der Brics spiegelt hier eher die Positionen der meisten Länder der Welt wider als die der G7. Das sieht man zum Beispiel daran, dass von 193 Nationen 170 die Sanktionen gegen Russland nicht mittragen. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass die Positionen der Brics-Länder in den kommenden Jahren und Jahrzehnten mit zunehmender Wirtschaftskraft eine wichtigere Rolle spielen, während die G7 weiter an Durchsetzungskraft verlieren.
Die Stadt Peking hat eine Impfpflicht für öffentliche Orte eingeführt. Ab dem 11. Juli müssen Besucher von stark besuchten öffentlichen Orten wie beispielsweise außerschulischen Bildungseinrichtungen, Bibliotheken, Museen, Kinos, Sporthallen, Internetcafés und Veranstaltungsorten eine Erst-Impfung gegen das Corona-Virus vorweisen. Personen, die aus medizinischen Gründen keine Impfung erhalten können, sind von der Maßnahme ausgenommen. Es ist das erste Mal, dass eine Stadt in China eine Impfpflicht einführt. Restaurants und öffentliche Verkehrsmittel sind von dieser Regelung ausgenommen. In der Stadt Peking waren im September letzten Jahres 97,7 Prozent der erwachsenen Bevölkerung geimpft, wie Reuters berichtet.
Die Impfpflicht gilt auch für medizinisches Personal, das in gemeinnützigen Einrichtungen arbeitet, Paket- und Expresslieferdienste und Konferenzteilnehmer, wie Bloomberg berichtet. Diese Personengruppen sollen sogar eine Booster-Impfung vorweisen müssen, um normal weiterarbeiten zu dürfen. Auch hier gelten medizinische Ausnahmen.
Der stellvertretende Direktor der städtischen Gesundheitskommission, Li Ang, forderte Menschen ab 60 Jahren zudem auf, sich gegen das Virus impfen zu lassen. Diese Gruppe gilt als besonders gefährdet. Li zufolge sollten Pflegekräfte in Heimen und Besucher eine Auffrischungsimpfung erhalten. Der Gesundheitscode Pekings, mit dem die Stadt die Bewegungen der Menschen kontrolliert, soll demnach aktualisiert werden und den Impfstatus prominenter anzeigen. nib
Die USA drängen die Niederlande, die Exporte von Maschinen zur Herstellung von Chips zu verbieten. Bisher hatten sich die USA mit einem Exportverbot für Hightech-Maschinen zufriedengegeben. Nun soll die niederländische Regierung dem lokalen Weltmarktführer ASML auch vorschreiben, ältere Technologien nicht mehr in die Volksrepublik zu verkaufen, wie Bloomberg berichtet.
Laut informierten Kreisen wollen die USA erreichen, dass ASML keine älteren Lithographiegeräte zur Chip-Herstellung exportieren darf. Die mit diesen Maschinen hergestellten Chips finden noch immer Anwendung in Autos, Robotern und Smartphones. Ein Exportverbot würde die chinesischen Chip-Hersteller hart treffen. Die niederländische Regierung muss dem US-Ansinnen noch zustimmen. Auch auf japanische Behörden übt die US-Regierung Druck aus.
Das Unternehmen Tokyo Electron ist ein weiterer wichtiger Zulieferer für die Chip-Industrie. Nachdem die US-Wünsche gegenüber den Niederlanden öffentlich gemacht wurden, beschuldigte China die USA des “technologischen Terrorismus“, wie Zhao Lijian, Sprecher des Außenministeriums sagte. Er ließ offen, ob China Gegenmaßnahmen einleiten werde. nib
Volkswagen will in China mehrere Tausend Software-Entwickler einstellen. Das geht aus Äußerungen des VW-Chefs Herbert Diess hervor. Der digitale Wandel sei der wichtigste Umbruch, vor dem der Konzern stehe. Selbstfahrende Autos, Entertainment und digitale Gadgets seien eine große Herausforderung für die Autoindustrie. In China steht Volkswagen vor der Aufgabe, sich an die lokalen Wünsche der Kundinnen und Kunden anzupassen, die im digitalen Bereich oft andere Vorstellungen hätten als Verbraucher im Westen.
In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung sagte Diess, es gäbe keine Pläne, das umstrittene Werk in Xinjiang zu schließen. Laut Diess müsse der lokale Partner SAIC “sicherstellen”, dass “wir in unserem Werk mit Minderheitsbeteiligung alles tun, damit dort nicht diskriminiert wird“. Diess zeigt sich davon überzeugt, dass sich die Situation der Minderheiten in Xinjiang verbessern wird, wenn VW den Standort behält. “Ich will deshalb auch baldmöglichst selbst dorthin reisen”, kündigte Diess an. nib
Papst Franziskus hofft, das umstrittene Abkommen mit der Volksrepublik China zur Einsetzung von Bischöfen erneuern zu können – allerdings gebe es noch Abstimmungsprobleme, sagte Franziskus der Nachrichtenagentur Reuters. “Aber die Vereinbarung ist gut, und ich hoffe, dass sie im Oktober verlängert werden kann”, so der Papst weiter.
Als Verhandler mit Peking sei Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin im Einsatz, erklärte Franziskus. Parolin sei “ein Mann mit hohem diplomatischem Ansehen” und wisse, wie man sich in China bewege. “In Anbetracht einer festgefahrenen Situation muss man das Mögliche suchen, nicht das Ideale, denn Diplomatie ist die Kunst des Möglichen und der Verwirklichung des Möglichen”, so Franziskus.
Das im Oktober 2018 in Kraft getretene vorläufige Abkommen wurde 2020 erstmals um weitere zwei Jahre verlängert. Die Frist läuft im Herbst aus. Die Vereinbarung zwischen Peking und dem Vatikan, deren Wortlaut unter Verschluss gehalten wird, steht in der Kritik, weil sie das Leben katholischer Christen in der Volksrepublik nicht verbessere. rtr/ari
Noch heute kann Hans van Ess sich gut daran erinnern, wie die ihm damals so fremden Düfte in die Nase drangen. Er stand neben seinem Vater, dem Islamwissenschaftler Josef van Ess, auf dem Basar in Beirut und sah die Gewürze, die zu Haufen auf Tischen entlang der Straße aufgetürmt waren. Kardamom, Nelken, Curry, Safran und Piment – ein Meer aus Farben. Um den Jungen herum wuselnde Menschen und das Stimmengewirr feilschender Händler. Ein Erlebnis, das ihn nachhaltig prägen sollte.
Heute ist Hans van Ess 60 Jahre alt und Sinologe an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Außerdem ist er Präsident der Max Weber Stiftung zur Förderung der Forschung. Schwerpunktmäßig befasst er sich mit dem Konfuzianismus, der chinesischen Geschichtsschreibung sowie der Zentralasienkunde mit Bezug auf China und die Mongolei.
Auf seiner ersten China-Reise kam van Ess ins Staunen. Vier Semester Sinologie sollten reichen. Dachte er. Er reiste mit zwei Chinesen und einem Deutschen zwei Monate durchs Land. Was als Abenteuer geplant war, wurde jedoch zum Kraftakt. “Es ging erst mal gar nichts. Ich verstand nur vielleicht 20 Prozent von dem, was ich hörte. Und von sprechen konnte keine Rede sein”, sagt van Ess. Am Abend sei er völlig erschöpft gewesen. Das habe ihn Demut gelehrt.
Die Grammatik sei zwar gar nicht schwer. Die chinesische Sprache schöpfe aber viel aus Sprichwörtern, die sich auf das Altchinesische beziehen. “Man braucht ein tieferes Verständnis von der chinesischen Geschichte, um die Sprache wirklich zu lernen”, sagt er. Nach seinem Magister zog van Ess nach Shanghai. Ein Dreivierteljahr dauerte es schließlich, bis er sich eingelebt hatte.
Wegen der immer noch harten Coronabeschränkungen war van Ess lange nicht mehr in China. Der letzte Aufenthalt war 2019 ein Forschungsbesuch in Peking. Dazu kommt das schon länger andauernde Spannungsfeld, in dem sich Deutschland und China befinden. Die USA stehen auf der einen Seite, China auf der anderen. Dazwischen eingeklemmt ist Deutschland. “Eine relativ unangenehme Situation”, sagt van Ess. Es liege an der Politik, Kompromisslösungen zu finden. Dass beide Seiten zufrieden sind, ist aber kaum zu erreichen.
“Wer China besuchen will, sollte alles vergessen, was er oder sie darüber gelesen hat”, sagt van Ess. Zu empfehlen sei der erste chinesische Literaturnobelpreisträger Mo Yan. Besucher sollten auch einen Schritt aus den Großstädten herauswagen. Das macht van Ess bei vielen seiner Besuche. Wenn er in Peking ist, fährt er immer gerne für ein paar Tage ins Umland. Dort können Besucher noch ganz andere Eindrücke sammeln und ein anderes China kennenlernen. Tim Winter
Maria Kipfelsberger ist neue Finanzchef bei Airbus Helicopters in Qingdao. Kipfelsberger war zuvor Program Controller im Bereich Commercial Helicopter and Development in Donauwörth.
Wei Kai Lee ist neuer Leiter für die Region Asien-Pazifik beim Schweizer Investmenthaus Vontobel. Sein Vorgänger war Ulrich Behm. Lee arbeitet von Singapur aus.
Angus Hui wechselt vom Anlagen-Berater Schroders zu Fullerton Fund Management. Für den Jobwechsel zieht er von Hongkong nach Singapur. Bei Fullerton Fund Management übernimmt er den Bereich Fixed Income.
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Mobiles Straßencafé: Seit Beginn der Corona-Pandemie und der damit verbundenen Schließung von Cafés und Restaurants haben findige Gastronomen Möglichkeiten entwickelt, um weiterhin Kaffee an die Kundinnen und Kunden zu bringen. Der mobile Kaffeeladen wird auf dem Moped oder Dreirad transportiert: Klapptisch, Siebträgermaschine, Becher, Eismaschine und ein kleiner Stromgenerator – fertig ist das Kaffeemobil.