dass er jahrelang die Zielscheibe chinesischer Geheimdienstuntersuchungen war, ist für den Menschenrechts-Experten Adrian Zenz nichts Neues. Dass, wie jetzt herauskam, auch ein europäischer Politiker von chinesischen Agenten rekrutiert wurde, um ihn zu diskreditieren, sei jedoch ein neues Level, sagt er im Interview mit Marcel Grzanna.
Zennz zeigt sich überrascht, wie leicht sich Menschen für so eine Sache einspannen lassen. Seine Forschungsarbeit zu den Arbeitslagern in Xinjiang sei niemals politisch motiviert gewesen. Zu Hause habe er mittlerweile zum Schutz seiner Familie ein Sicherheitssystem mit Kameras anbringen müssen. Weitermachen will er trotzdem.
Nach dem Versuch, Teile kritischer Infrastruktur am Hamburger Hafen zu übernehmen, steht die chinesische Reederei Cosco erneut in der Kritik. Die Gewerkschaft Verdi wirft ihr Tarifbruch vor, da sie eigene Arbeiter mitbringt, und nicht, wie üblich, lokale Hafenarbeiter die Fracht sichern lässt.
Cosco erwidert, bei dem Einsatz eigener Leute ginge es vor allem um Fragen der Effizienz. An einen Tarifvertrag fühle man sich nicht gebunden. Und so wird das Gebaren der Chinesen abermals zum Politikum. Und möglicherweise zum schlechten Vorbild für andere wie die Schweizer Reederei MSC, die sich ebenfalls in den Hafen einkaufen will.
Ihr Fabian Peltsch
Interview
Adrian Zenz: “Bei manchen fällt dieser Blödsinn auf fruchtbaren Boden”
Adrian Zenz ist wegen seiner bahnbrechenden Xinjiang-Forschung Ziel chinesischer Geheimdienstaktivitäten geworden.
Das chinesische Ministerium für Staatssicherheit hat laut einer Recherche mehrerer Medien einen Informanten auf Sie angesetzt, der sie diskreditieren sollte. Und das in Zusammenarbeit mit einem europäischen Politiker. Überrascht Sie das?
Nach all dem, was in den vergangenen Jahren passiert ist – all dem Dreck, mit dem ich von chinesischer Seite beworfen worden bin – überrascht es mich nicht. Aber es ist dennoch ein unangenehmes Gefühl, wenn man selbst nicht mehr beeinflussen kann, welches Bild in der Öffentlichkeit von einem gezeichnet wird.
Da bleibt immer etwas hängen.
Ich muss zugeben, dass ich wirklich naiv war zu glauben, dass diese Kampagne gegen mich so leicht zu durchschauen ist, dass die Chinesen alleine damit stehen würden. Ich bin negativ überrascht, wie viele Leute sich beeinflussen lassen von anderen Überlegungen, die nichts mit der empirischen Qualität zu tun haben, auf der meine Arbeit basiert.
China wirft ihnen vor, aus rechtsextremem Hass gegen Kommunisten zu agieren.
Das ist so absurd, dass ich erwartet hatte, dass alle das begreifen. Ich war nie politisch engagiert, geschweige denn extremistisch veranlagt. Ich bin politisch nicht einmal kategorisch festgelegt. Ich habe früher mal die CDU gewählt, heute finde ich Aspekte der grünen Außenpolitik gut. Es ist dermaßen an den Haaren herbeigezogen, mich als Rechtsradikalen zu diffamieren. Aber bei manchen fällt dieser Blödsinn wohl auf fruchtbaren Boden.
Ein Agent des Ministeriums für Staatssicherheit (MSS)namens Daniel Woo soll den rechtsradikalen flämischen Ex-Politiker Frank Creyelmann beauftragt haben, Skandale über Sie auszubuddeln. Haben Sie jemals einen der beiden getroffen?
Nein. Es gab nie eine physische Annäherung, auch nicht durch Dritte. Ich kenne die beiden Herren nicht. Aber natürlich gab es online regelmäßige Versuche der Kontaktaufnahme oder des Phishings. Ich habe E-Mails von Experten untersuchen lassen, die zu dem Schluss kamen, dass es das MSS war, das mich hacken wollte.
Leben Sie in Sorge?
Besonders zu Beginn meiner Veröffentlichungen war das eine sehr schwierige Zeit. Meine Frau und ich wussten ja gar nicht, was da auf uns zukommt. Wir haben drei Kinder. Es gab ständig diese unverhüllten Drohungen von chinesischer Seite gegen mich. Auf dem Höhepunkt der Kampagne gab es eine dreistündige Pressekonferenz in Peking zum Thema Adrian Zenz.
Stehen Sie in Kontakt mit US-Behörden?
Das tue ich. Deren Einschätzung ist, dass es sich um eine indirekte Bedrohungslage handelt. Aber der Austausch bleibt bestehen. Denn auch eine indirekte Bedrohung fühlt sich nicht gut an. Wir haben deshalb persönliche Maßnahmen ergriffen, um uns zu schützen. Unser Haus ist mit Überwachungskameras und einem Sicherheitssystem ausgerüstet.
Weshalb machen Sie weiter?
Weil es hier nicht um mich geht, sondern um etwas Historisches. China begeht Menschenrechtsverbrechen, die wir in Echtzeit beobachten und erforschen können. Das ist einmalig. Normalerweise lassen sich solche Verbrechen nur rückwirkend aufarbeiten.
Ist die Aufdeckung der chinesischen Geheimdienst-Methoden in Ihrem Sinne?
Dass diese Vorgehensweise durch das MSS aufgedeckt worden ist, kann nur von Vorteil sein. So versteht hoffentlich jeder, mit welchen Mitteln die Einflussnahme und Kampagnen gesteuert werden. Wenn über mich ein diffamierender Text erscheint, dann in zehn Sprachen gleichzeitig und auf unzähligen Plattformen. Aber wir alle sollten uns auch darüber im Klaren sein, dass dies nicht das Ende der Desinformation und Einflussnahme ist. China lernt stets dazu und investiert Milliardensummen in diese Kampagnen.
Adrian Zenz ist ein deutscher Anthropologe. Er ist vor allem für seine Forschung zu den Umerziehungslagern in Xinjiang bekannt.
Desinformation
Geheimdienste
Menschenrechte
Uiguren
Xinjiang
Zwangsarbeit
Analyse
Cosco ändert Arbeitsablauf in Hamburg: Verdi sieht Tarifbruch und erhebt Vorwürfe gegen vier Stellen
Der Container Terminal Tollerort CTT im Hamburger Hafen.
Cosco Shipping lässt in Hamburg künftig auf seinem kleineren Container-Schiff die Ladung von den eigenen Seeleuten sichern. Bislang ist das die Aufgabe der Lascher – spezielle Hafenarbeiter die nach Tarif bezahlt werden. Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) wirft der Reederei daher Tarifbruch vor. So konkret der Vorwurf auch ist, steckt Cosco dabei dennoch zwischen den Fronten. Denn der medienwirksame Angriff der Gewerkschaft richtet sich auch gegen die Hamburger Hafen und Logistik Aktiengesellschaft (HHLA AG), den Hamburger Senat und den Einstieg der Schweizer Reederei MSC.
Verdis Vorwurf gegen Cosco
Konkret geht es darum, dass Cosco das Laschen zukünftig von den eigenen Seeleuten durchführen lassen will. Also das Sichern der Ladung, das bisher die Lascher übernahmen. Von diesen Hafenarbeitern gibt es in Hamburg rund 500, die bei insgesamt vier Unternehmen arbeiten. Die HHLA heuert sie an, wenn sie irgendwo Container sichern sollen.
Dabei kann zwischen zwei Schiffsarten unterschieden werden. Zum einen die großen Containerschiffe, die im Falle von Cosco 20.000 TEU (Twenty-Foot Equivalent Unit) laden können – also 20.000 Container mit einer Länge von zwanzig Fuß. Hier müssen Lascher die Container sichern, weil die Crew viel zu klein ist, um die Arbeit durchzuführen.
Doch bei dem Vorwurf von Verdi geht es um die “Baltic Shearwater” von Cosco. Es ist ein sogenanntes Feederschiff – ein Containertaxi. Es kann etwa 1.600 TEU laden, die sie dann in andere Häfen bringt, wo die Ladung an Bord eines Containerriesen kommt. Beispielsweise in den Hafen HaminaKotka in Finnland. Die “Baltic Shearwater” ist alle zwei Wochen in Hamburg und wird von einer deutschen Tochterfirma (Diamond Line) betrieben.
Eine Frage der Sicherheit
Aus Sicht von Cosco ist das Laschen von Feedern durch Hafenarbeiter nicht flexibel genug. Die Schiffe müssten ihre Container oft an mehreren Terminals einsammeln. Jedes Mal Hafenpersonal kommen zu lassen, sei zeitraubend und unnötig. Schließlich seien die Seeleute ausreichend ausgebildet, um die Ware selbst zu sichern. Zumal dies manchmal auch während der Fahrt nötig sei und dann ebenfalls durch die Crew erledigt werden würde. Tatsächlich sei es, wenn auch nicht üblich, so zumindest nicht selten, dass gerade auf Feedern die Seeleute die Ladung sichern, sagt auch André Kretschmar, Fachbereichsleiter für die maritime Wirtschaft bei Verdi Hamburg. Die Gewerkschaft könne aber nur dann reagieren, wenn sie von dem Fall wüsste – wie eben jetzt bei Cosco.
Die Sicherheit ist dabei ein zentraler Aspekt, wie Markus Wichmann im Gespräch mit Table.Media erläutert. Er ist Inspektor bei der International Transport Workers’ Federation (ITF) in Hamburg. In Finnland seien die Container auf den Feedern rund fünf Monate mit Eis bedeckt. Dazu kommen Regen, Schnee und Wellengang. Jedes Jahr käme es zu mehreren Todesfällen, weil Seeleute unter diesen Bedingungen während der Fahrt Container erneut sichern müssten.
Reedereien können Laschen selbst übernehmen
“Mit dieser Ankündigung begeht Cosco Tarifbruch im Hafen und an Bord. Das betreffende Schiff hat einen Tarifvertrag, der klar vorgibt, dass Ladungssicherungsarbeiten aus Sicherheitsgründen von Hafenarbeitern und Hafenmitarbeiterinnen durchzuführen sind. Wir verurteilen scharf, dass Cosco jetzt hiervon abweichen will und fordern das Unternehmen auf, dafür zu sorgen, dass an Bord geltenden Tarifverträge auch eingehalten werden”, sagt Susana Pereira-Ventura von Verdi.
Cosco gibt an, dass es diesen Tarifvertrag nicht gibt. In einer Stellungnahme gegenüber Table.Media erklärt auch die HHLA: “Grundsätzlich haben Reedereien bei der Abfertigung von Feederschiffen im Hamburger Hafen die Möglichkeit, die Tätigkeit des Laschens selber zu übernehmen oder bei HHLA zu beauftragen.”
In den Niederlanden haben die Gewerkschaften bereits ein Gerichtsurteil erstritten, dass das Laschen von Hafenarbeitern durchgeführt werden muss. Die juristischen Bemühungen in Deutschland haben bisher noch zu keinem Ergebnis geführt – weder zugunsten der Gewerkschaften noch zugunsten der Reedereien.
Dass in dieser Situation Cosco das Laschen selbst übernehmen will, wertet die Gewerkschaft als Politikum. “Heute Cosco, morgen MSC?”, fragt Kretschmar eher rhetorisch. Im Gespräch mit Table.Media betont er, dass Cosco kein besonders aggressiver Partner sei. Allerdings sei es die Aufgabe von Verdi hier für Klarheit zu sorgen, um das Problem zukünftig zu vermeiden.
Zwar richtet sich der konkrete Vorwurf gegen Cosco, allerdings sei die Politik gefragt, den rechtlichen Rahmen zu ändern. Der Senat könne in der Hafenordnung festlegen, dass das Laschen nur von hiesigen Hafenarbeitern durchgeführt werden dürfte. Das sei bislang nicht passiert. Gleiches gilt für den Einsatz heimischer Schlepper. Andere Häfen seien in dieser Hinsicht viel weiter. “Jetzt muss die hiesige Politik aktiv werden, und endlich die gesetzliche Grundlage schaffen, dass derartiges Sozialdumping im Hamburger Hafen illegal wird”, fordert Kretschmar. Auch ITF-Inspektor Wichmann betont den schlechten Vorbildcharakter und befürchtet, dass das Vorgehen von Cosco Schule machen könnte.
Cosco
Hamburger Hafen
News
Weitere Todesopfer in Gansu und Qinghai
Notunterkünfte in der vom Erdbeben besonders stark betroffenen Provinz Gansu.
Die Zahl der Erdbebenopfer im Nordwesten Chinas ist laut Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua weiter gestiegen. Mindestens 131 Menschen sind dabei umgekommen. In der Provinz Gansu wurden bis Mittwochmorgen 113 Menschen tot aufgefunden. 782 wurden verletzt, wie die Behörden mitteilten. Im benachbarten Qinghai stieg die Zahl der Todesopfer auf 21, 186 Verletzte und 13 Vermisste (Stand: 16.00 Uhr am Mittwoch).
In der Region wurden mehr als 207.000 Häuser zerstört, wovon mehr als 145.000 Menschen betroffen waren. Mehr als 128.000 Hilfsgüter wie Zelte, Steppdecken, Zeltlampen und Klappbetten wurden bereits ausgeliefert. Das vom Beben betroffene Gebiet habe eine “sehr komplexe” Topografie zwischen zwei Hochebenen mit Höhen zwischen 1.800 und 4.300 Metern, berichtet das staatliche Fernsehen. Erschwert werden die Bergungsarbeiten durch eine Kältewelle. Die Temperaturen um das Epizentrum des Bebens in Gansu fielen am Dienstagabend auf etwa minus 15 Grad Celsius.
Beobachter sprachen vom schlimmsten Erdbeben in China seit August 2014. Damals kostete ein Beben in der Provinz Yunnan im Südwesten des Landes 617 Menschen das Leben. Erdbeben sind in chinesischen Provinzen wie Gansu, das an der nordöstlichen Grenze des tektonisch aktiven Qinghai-Tibet-Plateaus liegt, häufig. Das tödlichste Beben in China in den letzten Jahrzehnten ereignete sich 2008, als Sichuan von einem Beben der Stärke 8,0 heimgesucht wurde, bei dem fast 70.000 Menschen ums Leben kamen. rtr/fpe
Erdbeben
Extremwetter
Naturkatastrophe
Russlands Premier trifft Xi
Russlands Ministerpräsident Michail Mischustin und Chinas Staatschef Xi Jinping.
Chinas Staatschef Xi Jinping hat die engen Beziehungen zwischen seinem Land und Russland als “strategische Entscheidung” beider Seiten bezeichnet. Diese basiere auf den “grundlegenden Interessen beider Völker”, sagte Xi dem Staatssender CCTV zufolge dem russischen Ministerpräsidenten Michail Mischustin bei dessen Besuch in Peking am Mittwoch. Beide Länder sollten “die Zusammenarbeit in den Bereichen Wirtschaft, Handel, Energie, Vernetzung und anderen Gebieten vertiefen”, sagte Xi.
Mischustins zweitägiger Besuch in China folgt zwei Monate nach einer der selten gewordenen Auslandsreisen des russischen Präsidenten Wladimir Putin, bei der er seinen chinesischen Kollegen Xi in Peking traf. Mischustin sagte Protokollen zufolge bei einem Treffen mit Chinas Ministerpräsident Li Qiang am Dienstag, die Beziehungen zwischen Moskau und Peking hätten inzwischen ein “Allzeithoch” erreicht. ari
Geopolitik
Russland
Philippinen installieren japanisches Radarsystem
Die Philippinen haben ein neues Radarsysteminstalliert, um Chinas Aktivitäten und Bewegungen im Südchinesischen Meer zu überwachen. Das vom japanischen Unternehmen Mitsubishi Electric gebaute System wurde am Mittwoch auf einem Luftwaffenstützpunkt an der Nordwestküste in Betrieb genommen.
Das 98,56 Millionen Dollar teure Überwachungssystem ermögliche einen “ungehinderten Blick” auf einen Schauplatz jüngster Zwischenfälle mit China. Im Dezember waren chinesische Schiffe mit Wasserwerfern gegen philippinische Boote vorgegangen. Auch kam es zu Kollisionen mit Schiffen der philippinischen Küstenwache. Beide Seiten gaben sich gegenseitig die Schuld an dem Zusammenprall.
Die Inbetriebnahme des Radars markiert den ersten Einsatz von in Japan hergestellter Verteidigungsausrüstung in einem anderen Land. Tokio hatte 2014 die Regeln gelockert, um Rüstungsexporte unter bestimmten Bedingungen zu ermöglichen, insbesondere wenn die gelieferte Ausrüstung zum Frieden, zur internationalen Zusammenarbeit oder zur nationalen Sicherheit Japans beiträgt.
Der philippinische Verteidigungsminister wies am Mittwoch Vorwürfe Chinas zurück, sein Land provoziere Spannungen im Südchinesischen Meer. Kein anderes Land stelle wie China einen Anspruch auf das gesamte Südchinesische Meer, sagte Verteidigungsminister Gilberto Teodoro. rtr/fpe/ari
Philippinen
Südchinesisches Meer
Nicaragua und China bauen Handel aus
China und Nicaragua wollen mit einem Freihandelsabkommen ihre bilaterale Zusammenarbeit ausbauen. Der gebeutelte mittelamerikanische Staat erhält so wirtschaftliche Unterstützung, die das Regime von Präsident Daniel Ortega in Managua dringend braucht. Peking bekommt im Gegenzug mehr Einfluss in der geografischen Nähe der USA.
Die Ankündigung der strategischen Partnerschaft zwischen China und Nicaragua sei ein Neuanfang, um die Beziehungen der beiden Staaten voranzutreiben “und ein Modell der Solidarität, Zusammenarbeit und des gegenseitigen Nutzens aufzubauen”, zitierten Staatsmedien Präsident Xi Jinping aus einem Telefonat mit Ortega. Das Freihandelsabkommen soll demnach am 1. Januar in Kraft treten.
Westliche Länder hatten die Regierung von Präsident Ortega wegen Menschenrechtsverletzungen sanktioniert. Ortega hatte 2018 Proteste gegen niederschlagen lassen, mehrere hunderte Menschen wurde dabei getötet. 2021 ließ er während des Präsidentschaftswahlkampfs politische Gegner festnehmen. ari
Handel
Nicaragua
Zentralbank lässt Leitzins unverändert
Die chinesische Zentralbank hat bei ihrem monatlichen Zinsentscheid am Mittwoch die Leitzinsen wie erwartet unverändert gelassen. Der einjährige Leitzins (LPR) wurde demnach bei 3,45 Prozent belassen, der fünfjährige LPR blieb unverändert bei 4,20 Prozent. Die meisten neuen und ausstehenden Kredite in China basieren auf dem einjährigen LPR. Dieser wurde bis 2023 zweimal um insgesamt 20 Basispunkte gesenkt. Der Fünf-Jahres-Satz beeinflusst die Preisgestaltung von Hypotheken. Er wurde in diesem Jahr bislang um zehn Basispunkte gesenkt. Der LPR, den die Banken in der Regel ihren besten Kunden in Rechnung stellen, wird von 18 benannten Geschäftsbanken festgelegt, die der Zentralbank monatlich Zinsvorschläge unterbreiten.
Um die wirtschaftliche Erholung zu stärken, hat China bereits mehrere Konjunkturpakete geschnürt. Nach eigenen Angaben will die Regierung in der Geldpolitik “energisch und zielgerichtet” vorgehen. Analysten gehen aber davon aus, dass Peking einige Zeit brauchen wird, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Die Volksrepublik leidet unter der schwachen globalen Nachfrage und einer anhaltenden Immobilienkrise. rtr
Finanzpolitik
Konjunktur
Leitzinsen
Presseschau
Bei Gipfeltreffen in San Francisco: Xi kündigt Biden Angliederung von Taiwan an – verrät aber nicht, wann SPIEGEL China’s Xi says strong Russia ties a “strategic choice” THE HINDU Espionage from the East: “Russia Is a Storm, China Is Climate Change” SPIEGEL China Quietly Rebuilds Secretive Base for Nuclear Tests NEW YORK TIMES Anti-West-Strategie: So arbeiten Türkei und China gemeinsam gegen die EU WELT Wie Luftbuchungen in China dem Klima und der Biosprit-Industrie schaden HANDELSBLATT Türkei geht gegen Elektroautos aus China vor MERKUR Präsidentschaftswahl in Taiwan: China-Kritiker geht als Favorit ins Rennen – und erzürnt Peking MERKUR Hong Kong’s problems trace back to China. And also America ECONOMIST Von China verfolgter Aktivist: “Herr Cheng, auf Sie ist ein Kopfgeld von 117.000 Euro ausgesetzt. Wie lebt man damit?” SPIEGEL Chinesisches Raumflugzeug setzt mysteriöse Objekte im All aus FUTUREZONE Shenlong: Das wissen wir über die mysteriösen Objekte, die China in den Weltraum gebracht hat T3N
Standpunkt
Chinas kurzsichtige KI-Regelung
von Angela Huyue Zhang
Angela Huyue Zhang ist Professorin für Recht an der New York University.
Die Entscheidung des Pekinger Internetgerichts, dass von künstlicher Intelligenz erzeugte Inhalte unter das Urheberrecht fallen können, hat in der KI-Gemeinschaft für Aufsehen gesorgt, nicht zuletzt, weil sie im Widerspruch zu den Positionen anderer wichtiger Länder, einschließlich der USA, steht. Darum geht es unter anderem: Das Urteil unterstützt Chinas Bemühungen, die USA zu überholen und weltweit führend in der KI zu werden.
Nicht alle halten das Urteil für so bedeutsam. Einige Kommentatoren weisen darauf hin, dass das Pekinger Internetgericht eine relativ untergeordnete Institution ist, die in einem Rechtssystem arbeitet, in dem Gerichte nicht an Präzedenzfälle gebunden sind. Obwohl diese Interpretation technisch korrekt ist, geht sie am Kern der Sache vorbei, da sie sich eng auf das chinesische Recht in seiner geschriebenen Form konzentriert. Im chinesischen Rechtskontext spiegeln solche Entscheidungen nicht nur die Politik wider, sondern gestalten sie auch.
Peking baut regulatorische Hindernisse für KI ab
Im Jahr 2017 hat sich die chinesische Führung das ehrgeizige Ziel gesetzt, bis 2030 die weltweite Vorherrschaft der KI zu erreichen. Die Hindernisse auf dem Weg dorthin sind jedoch beträchtlich und nehmen weiter zu. Seit etwa einem Jahr machen es die USA China zunehmend schwerer, die Chips zu kaufen, die es für die Entwicklung fortgeschrittener KI-Technologien benötigt, wie zum Beispiel umfassende Sprachmodelle, die mit denen der USA konkurrieren können. Die Regierung von Präsident Joe Biden hat diese Regeln im Oktober weiter verschärft.
Als Reaktion auf diese Kampagne hat die chinesische Regierung eine gesamtgesellschaftliche Anstrengung unternommen, um die Entwicklung der KI zu beschleunigen, indem erhebliche Investitionen in den Sektor gelenkt und regulatorische Hindernisse abgebaut werden. In ihren Interim Measures for the Management of Generative Artificial Intelligence Services, die im August in Kraft traten, forderte die Regierung Verwaltungsbehörden und Gerichte auf allen Ebenen auf, gegenüber der KI eine vorsichtige und tolerante regulatorische Haltung einzunehmen.
Kommerzieller Wert von KI wird erhöht
Wenn die jüngste Entscheidung des Pekinger Internetgerichts ein Indiz ist, dann hat sich die Justiz diese Orientierung zu Herzen genommen. Denn die Möglichkeit, bestimmte KI-generierte Inhalte urheberrechtlich zu schützen, erhöht nicht nur unmittelbar den Anreiz zur Nutzung von KI, sondern auch den kommerziellen Wert von KI-Produkten und -Dienstleistungen.
Umgekehrt könnte die Verweigerung von Urheberrechten für KI-generierte Inhalte unbeabsichtigt betrügerische Praktiken fördern und digitale Künstler dazu verleiten, den Ursprung ihrer Werke falsch darzustellen. Eine Verwischung der Grenzen zwischen KI-generierten und von Menschen geschaffenen Werken würde die künftige Entwicklung grundlegender KI-Modelle gefährden, da diese in hohem Maße auf das Training mit qualitativ hochwertigen Daten aus von Menschen geschaffenen Inhalten angewiesen sind.
Für die USA scheinen die Vorteile eines Verbots des Urheberrechtsschutzes für KI-generierte Inhalte die Risiken zu überwiegen. Das US-Urheberrechtsamt hat sich in drei Fällen geweigert, solche Urheberrechte anzuerkennen, selbst wenn die Inhalte einen wesentlichen kreativen oder intellektuellen Beitrag von Menschen darstellten. In einem Fall versuchte ein Künstler mit über 600 Prompts, einem beträchtlichen Aufwand an Mühe und Kreativität, ein von einer KI generiertes Bild zu erstellen, das schließlich bei einem Kunstwettbewerb ausgezeichnet wurde, nur um dann zu erfahren, dass das Urheberrecht nicht anerkannt wird.
Entscheidung öffnet die Büchse der Pandora
Diese Zurückhaltung hat ihren Grund. Das Urteil des Pekinger Internetgerichts mag zwar zu Chinas aktuellen KI-Ambitionen passen, öffnet aber auch eine Büchse der Pandora mit rechtlichen und ethischen Herausforderungen. Wenn beispielsweise die Schöpfer ähnlicher KI-Kunstwerke Urheberrechtsverletzungen geltend machen, könnten chinesische Gerichte mit einer Flut von Rechtsstreitigkeiten konfrontiert werden und das zu einer Zeit, in der sich chinesische Gerichte mit der umstrittenen Frage auseinandersetzen müssen, ob Urheberrechtsinhaber für die Nutzung ihrer KI-generierten Werke im KI-Training entschädigt werden können. Dies macht eine Überarbeitung der bestehenden Urheberrechtsgesetze und -doktrinen durch die chinesischen Gerichte und den Gesetzgeber nahezu unvermeidlich.
Fragen des Urheberrechts und des KI-Trainings haben bereits in mehreren Ländern zu hitzigen Debatten geführt. In den USA haben Künstler, Schriftsteller und andere eine Reihe von Klagen eingereicht, in denen sie großen KI-Unternehmen wie OpenAI, Meta und Stability AI vorwerfen, ihre urheberrechtlich geschützten Werke ohne ihre Zustimmung für das Training von KI-Systemen zu verwenden. In Europa verlangt das vom Europäischen Parlament vorgeschlagene KI-Gesetz, dass Unternehmen alle urheberrechtlich geschützten Materialien offenlegen, die sie zum Trainieren generativer KI-Systeme verwenden – eine Regel, die KI-Firmen anfällig für Klagen wegen Urheberrechtsverletzungen machen und gleichzeitig den Einfluss der Urheberrechtsinhaber bei Entschädigungsverhandlungen erhöhen würde.
Nachlassen der menschlichen Kreativität
Die Beantwortung dieser Fragen könnte sich für China als besonders schwierig erweisen. Das chinesische Recht erlaubt die freie Nutzung von urheberrechtlich geschütztem Material nur unter sehr eingeschränkten Umständen. Da die chinesischen Gerichte ihre Urteile jedoch zunehmend an den Vorgaben aus Peking ausrichten, ist es wahrscheinlich, dass sie bald eine laxere Haltung einnehmen und immer mehr Ausnahmen zulassen werden, um die Nutzung von urheberrechtlich geschütztem Material durch KI-Unternehmen zu erleichtern.
Der Preis dafür könnte jedoch hoch sein. Eine nachsichtigere Haltung gegenüber der Verwendung von urheberrechtlich geschütztem Material für das KI-Training und die wahrscheinliche Flut von KI-generierten Inhalten auf dem chinesischen Markt könnte langfristig zum Nachlassen der menschlichen Kreativität führen.
Von der Regierung bis zu den Gerichten scheinen die chinesischen Behörden entschlossen zu sein, sicherzustellen, dass das Land im Bereich der KI führend sein kann. Die Folgen ihres Vorgehens könnten jedoch tiefgreifend und weitreichend sein. Es ist nicht undenkbar, dass dieser gesetzliche Trend zu sozialen Krisen wie massiven Arbeitsplatzverlusten in der Kreativwirtschaft und weit verbreiteter öffentlicher Unzufriedenheit führen könnte. Vorerst ist jedoch davon auszugehen, dass China seine KI-Industrie weiter fördern wird, koste es, was es wolle.
Übersetzung: Andreas Hubig
Angela Huyue Zhang, Professorin für Recht an der New York University, ist außerordentliche Professorin für Recht und Direktorin des Philip K. H. Center for Chinese Law an der University of Hongkong und Autorin des in Kürze erscheinenden Buches “High Wire: How China Regulates Big Tech and Governs its Economy” (Oxford University Press, 2024).
Eddie Wu, CEO der Alibaba Group, übernimmt auch die Führungsrolle für die E-Commerce-Plattformen Taobao und Tmall. Wu folgt auf Trudy Dai. Bereits im September hatte Wu Daniel Zhang als CEO ersetzt.
Markus Kamieth wird neuer Vorstandsvorsitzender bei BASF. Der 53-Jährige wird mit Ablauf der Hauptversammlung am 25. April die Nachfolge des scheidenden Vorstandsvorsitzenden Martin Brudermüller antreten. Kamieth war seit 2017 Mitglied des Vorstands und verantwortete unter anderem das China-Geschäft.
Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!
Dessert
Die mit Watte und Kunstfell gefütterte Winterjacke aus der Mao-Ära, die bis vor kurzem ausschließlich von älteren Herrschaften aufgetragen wurde, feiert diesen Winter bei Chinas Jugend ein Comeback. Die Nachfrage nach dem modisch totgeglaubten Dà huā ǎo 大花袄 ist auf Shopping-Kanälen wie Taobao seit November in die Höhe geschnellt. Das bequeme Hausjäckchen mit geblümten Muster fand in verschiedenen neuen Schnitten zuletzt sogar den Weg auf Chinas Laufstege. Der Jūn dàyī 军大衣 ist das männliche Äquivalent, eine steife Militärjacke aus dem Nordosten Chinas, mit der sich zuletzt auch Filmstar Andy Lau in der Öffentlichkeit ablichten ließ.
dass er jahrelang die Zielscheibe chinesischer Geheimdienstuntersuchungen war, ist für den Menschenrechts-Experten Adrian Zenz nichts Neues. Dass, wie jetzt herauskam, auch ein europäischer Politiker von chinesischen Agenten rekrutiert wurde, um ihn zu diskreditieren, sei jedoch ein neues Level, sagt er im Interview mit Marcel Grzanna.
Zennz zeigt sich überrascht, wie leicht sich Menschen für so eine Sache einspannen lassen. Seine Forschungsarbeit zu den Arbeitslagern in Xinjiang sei niemals politisch motiviert gewesen. Zu Hause habe er mittlerweile zum Schutz seiner Familie ein Sicherheitssystem mit Kameras anbringen müssen. Weitermachen will er trotzdem.
Nach dem Versuch, Teile kritischer Infrastruktur am Hamburger Hafen zu übernehmen, steht die chinesische Reederei Cosco erneut in der Kritik. Die Gewerkschaft Verdi wirft ihr Tarifbruch vor, da sie eigene Arbeiter mitbringt, und nicht, wie üblich, lokale Hafenarbeiter die Fracht sichern lässt.
Cosco erwidert, bei dem Einsatz eigener Leute ginge es vor allem um Fragen der Effizienz. An einen Tarifvertrag fühle man sich nicht gebunden. Und so wird das Gebaren der Chinesen abermals zum Politikum. Und möglicherweise zum schlechten Vorbild für andere wie die Schweizer Reederei MSC, die sich ebenfalls in den Hafen einkaufen will.
Ihr Fabian Peltsch
Interview
Adrian Zenz: “Bei manchen fällt dieser Blödsinn auf fruchtbaren Boden”
Adrian Zenz ist wegen seiner bahnbrechenden Xinjiang-Forschung Ziel chinesischer Geheimdienstaktivitäten geworden.
Das chinesische Ministerium für Staatssicherheit hat laut einer Recherche mehrerer Medien einen Informanten auf Sie angesetzt, der sie diskreditieren sollte. Und das in Zusammenarbeit mit einem europäischen Politiker. Überrascht Sie das?
Nach all dem, was in den vergangenen Jahren passiert ist – all dem Dreck, mit dem ich von chinesischer Seite beworfen worden bin – überrascht es mich nicht. Aber es ist dennoch ein unangenehmes Gefühl, wenn man selbst nicht mehr beeinflussen kann, welches Bild in der Öffentlichkeit von einem gezeichnet wird.
Da bleibt immer etwas hängen.
Ich muss zugeben, dass ich wirklich naiv war zu glauben, dass diese Kampagne gegen mich so leicht zu durchschauen ist, dass die Chinesen alleine damit stehen würden. Ich bin negativ überrascht, wie viele Leute sich beeinflussen lassen von anderen Überlegungen, die nichts mit der empirischen Qualität zu tun haben, auf der meine Arbeit basiert.
China wirft ihnen vor, aus rechtsextremem Hass gegen Kommunisten zu agieren.
Das ist so absurd, dass ich erwartet hatte, dass alle das begreifen. Ich war nie politisch engagiert, geschweige denn extremistisch veranlagt. Ich bin politisch nicht einmal kategorisch festgelegt. Ich habe früher mal die CDU gewählt, heute finde ich Aspekte der grünen Außenpolitik gut. Es ist dermaßen an den Haaren herbeigezogen, mich als Rechtsradikalen zu diffamieren. Aber bei manchen fällt dieser Blödsinn wohl auf fruchtbaren Boden.
Ein Agent des Ministeriums für Staatssicherheit (MSS)namens Daniel Woo soll den rechtsradikalen flämischen Ex-Politiker Frank Creyelmann beauftragt haben, Skandale über Sie auszubuddeln. Haben Sie jemals einen der beiden getroffen?
Nein. Es gab nie eine physische Annäherung, auch nicht durch Dritte. Ich kenne die beiden Herren nicht. Aber natürlich gab es online regelmäßige Versuche der Kontaktaufnahme oder des Phishings. Ich habe E-Mails von Experten untersuchen lassen, die zu dem Schluss kamen, dass es das MSS war, das mich hacken wollte.
Leben Sie in Sorge?
Besonders zu Beginn meiner Veröffentlichungen war das eine sehr schwierige Zeit. Meine Frau und ich wussten ja gar nicht, was da auf uns zukommt. Wir haben drei Kinder. Es gab ständig diese unverhüllten Drohungen von chinesischer Seite gegen mich. Auf dem Höhepunkt der Kampagne gab es eine dreistündige Pressekonferenz in Peking zum Thema Adrian Zenz.
Stehen Sie in Kontakt mit US-Behörden?
Das tue ich. Deren Einschätzung ist, dass es sich um eine indirekte Bedrohungslage handelt. Aber der Austausch bleibt bestehen. Denn auch eine indirekte Bedrohung fühlt sich nicht gut an. Wir haben deshalb persönliche Maßnahmen ergriffen, um uns zu schützen. Unser Haus ist mit Überwachungskameras und einem Sicherheitssystem ausgerüstet.
Weshalb machen Sie weiter?
Weil es hier nicht um mich geht, sondern um etwas Historisches. China begeht Menschenrechtsverbrechen, die wir in Echtzeit beobachten und erforschen können. Das ist einmalig. Normalerweise lassen sich solche Verbrechen nur rückwirkend aufarbeiten.
Ist die Aufdeckung der chinesischen Geheimdienst-Methoden in Ihrem Sinne?
Dass diese Vorgehensweise durch das MSS aufgedeckt worden ist, kann nur von Vorteil sein. So versteht hoffentlich jeder, mit welchen Mitteln die Einflussnahme und Kampagnen gesteuert werden. Wenn über mich ein diffamierender Text erscheint, dann in zehn Sprachen gleichzeitig und auf unzähligen Plattformen. Aber wir alle sollten uns auch darüber im Klaren sein, dass dies nicht das Ende der Desinformation und Einflussnahme ist. China lernt stets dazu und investiert Milliardensummen in diese Kampagnen.
Adrian Zenz ist ein deutscher Anthropologe. Er ist vor allem für seine Forschung zu den Umerziehungslagern in Xinjiang bekannt.
Desinformation
Geheimdienste
Menschenrechte
Uiguren
Xinjiang
Zwangsarbeit
Analyse
Cosco ändert Arbeitsablauf in Hamburg: Verdi sieht Tarifbruch und erhebt Vorwürfe gegen vier Stellen
Der Container Terminal Tollerort CTT im Hamburger Hafen.
Cosco Shipping lässt in Hamburg künftig auf seinem kleineren Container-Schiff die Ladung von den eigenen Seeleuten sichern. Bislang ist das die Aufgabe der Lascher – spezielle Hafenarbeiter die nach Tarif bezahlt werden. Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) wirft der Reederei daher Tarifbruch vor. So konkret der Vorwurf auch ist, steckt Cosco dabei dennoch zwischen den Fronten. Denn der medienwirksame Angriff der Gewerkschaft richtet sich auch gegen die Hamburger Hafen und Logistik Aktiengesellschaft (HHLA AG), den Hamburger Senat und den Einstieg der Schweizer Reederei MSC.
Verdis Vorwurf gegen Cosco
Konkret geht es darum, dass Cosco das Laschen zukünftig von den eigenen Seeleuten durchführen lassen will. Also das Sichern der Ladung, das bisher die Lascher übernahmen. Von diesen Hafenarbeitern gibt es in Hamburg rund 500, die bei insgesamt vier Unternehmen arbeiten. Die HHLA heuert sie an, wenn sie irgendwo Container sichern sollen.
Dabei kann zwischen zwei Schiffsarten unterschieden werden. Zum einen die großen Containerschiffe, die im Falle von Cosco 20.000 TEU (Twenty-Foot Equivalent Unit) laden können – also 20.000 Container mit einer Länge von zwanzig Fuß. Hier müssen Lascher die Container sichern, weil die Crew viel zu klein ist, um die Arbeit durchzuführen.
Doch bei dem Vorwurf von Verdi geht es um die “Baltic Shearwater” von Cosco. Es ist ein sogenanntes Feederschiff – ein Containertaxi. Es kann etwa 1.600 TEU laden, die sie dann in andere Häfen bringt, wo die Ladung an Bord eines Containerriesen kommt. Beispielsweise in den Hafen HaminaKotka in Finnland. Die “Baltic Shearwater” ist alle zwei Wochen in Hamburg und wird von einer deutschen Tochterfirma (Diamond Line) betrieben.
Eine Frage der Sicherheit
Aus Sicht von Cosco ist das Laschen von Feedern durch Hafenarbeiter nicht flexibel genug. Die Schiffe müssten ihre Container oft an mehreren Terminals einsammeln. Jedes Mal Hafenpersonal kommen zu lassen, sei zeitraubend und unnötig. Schließlich seien die Seeleute ausreichend ausgebildet, um die Ware selbst zu sichern. Zumal dies manchmal auch während der Fahrt nötig sei und dann ebenfalls durch die Crew erledigt werden würde. Tatsächlich sei es, wenn auch nicht üblich, so zumindest nicht selten, dass gerade auf Feedern die Seeleute die Ladung sichern, sagt auch André Kretschmar, Fachbereichsleiter für die maritime Wirtschaft bei Verdi Hamburg. Die Gewerkschaft könne aber nur dann reagieren, wenn sie von dem Fall wüsste – wie eben jetzt bei Cosco.
Die Sicherheit ist dabei ein zentraler Aspekt, wie Markus Wichmann im Gespräch mit Table.Media erläutert. Er ist Inspektor bei der International Transport Workers’ Federation (ITF) in Hamburg. In Finnland seien die Container auf den Feedern rund fünf Monate mit Eis bedeckt. Dazu kommen Regen, Schnee und Wellengang. Jedes Jahr käme es zu mehreren Todesfällen, weil Seeleute unter diesen Bedingungen während der Fahrt Container erneut sichern müssten.
Reedereien können Laschen selbst übernehmen
“Mit dieser Ankündigung begeht Cosco Tarifbruch im Hafen und an Bord. Das betreffende Schiff hat einen Tarifvertrag, der klar vorgibt, dass Ladungssicherungsarbeiten aus Sicherheitsgründen von Hafenarbeitern und Hafenmitarbeiterinnen durchzuführen sind. Wir verurteilen scharf, dass Cosco jetzt hiervon abweichen will und fordern das Unternehmen auf, dafür zu sorgen, dass an Bord geltenden Tarifverträge auch eingehalten werden”, sagt Susana Pereira-Ventura von Verdi.
Cosco gibt an, dass es diesen Tarifvertrag nicht gibt. In einer Stellungnahme gegenüber Table.Media erklärt auch die HHLA: “Grundsätzlich haben Reedereien bei der Abfertigung von Feederschiffen im Hamburger Hafen die Möglichkeit, die Tätigkeit des Laschens selber zu übernehmen oder bei HHLA zu beauftragen.”
In den Niederlanden haben die Gewerkschaften bereits ein Gerichtsurteil erstritten, dass das Laschen von Hafenarbeitern durchgeführt werden muss. Die juristischen Bemühungen in Deutschland haben bisher noch zu keinem Ergebnis geführt – weder zugunsten der Gewerkschaften noch zugunsten der Reedereien.
Dass in dieser Situation Cosco das Laschen selbst übernehmen will, wertet die Gewerkschaft als Politikum. “Heute Cosco, morgen MSC?”, fragt Kretschmar eher rhetorisch. Im Gespräch mit Table.Media betont er, dass Cosco kein besonders aggressiver Partner sei. Allerdings sei es die Aufgabe von Verdi hier für Klarheit zu sorgen, um das Problem zukünftig zu vermeiden.
Zwar richtet sich der konkrete Vorwurf gegen Cosco, allerdings sei die Politik gefragt, den rechtlichen Rahmen zu ändern. Der Senat könne in der Hafenordnung festlegen, dass das Laschen nur von hiesigen Hafenarbeitern durchgeführt werden dürfte. Das sei bislang nicht passiert. Gleiches gilt für den Einsatz heimischer Schlepper. Andere Häfen seien in dieser Hinsicht viel weiter. “Jetzt muss die hiesige Politik aktiv werden, und endlich die gesetzliche Grundlage schaffen, dass derartiges Sozialdumping im Hamburger Hafen illegal wird”, fordert Kretschmar. Auch ITF-Inspektor Wichmann betont den schlechten Vorbildcharakter und befürchtet, dass das Vorgehen von Cosco Schule machen könnte.
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Hamburger Hafen
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Weitere Todesopfer in Gansu und Qinghai
Notunterkünfte in der vom Erdbeben besonders stark betroffenen Provinz Gansu.
Die Zahl der Erdbebenopfer im Nordwesten Chinas ist laut Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua weiter gestiegen. Mindestens 131 Menschen sind dabei umgekommen. In der Provinz Gansu wurden bis Mittwochmorgen 113 Menschen tot aufgefunden. 782 wurden verletzt, wie die Behörden mitteilten. Im benachbarten Qinghai stieg die Zahl der Todesopfer auf 21, 186 Verletzte und 13 Vermisste (Stand: 16.00 Uhr am Mittwoch).
In der Region wurden mehr als 207.000 Häuser zerstört, wovon mehr als 145.000 Menschen betroffen waren. Mehr als 128.000 Hilfsgüter wie Zelte, Steppdecken, Zeltlampen und Klappbetten wurden bereits ausgeliefert. Das vom Beben betroffene Gebiet habe eine “sehr komplexe” Topografie zwischen zwei Hochebenen mit Höhen zwischen 1.800 und 4.300 Metern, berichtet das staatliche Fernsehen. Erschwert werden die Bergungsarbeiten durch eine Kältewelle. Die Temperaturen um das Epizentrum des Bebens in Gansu fielen am Dienstagabend auf etwa minus 15 Grad Celsius.
Beobachter sprachen vom schlimmsten Erdbeben in China seit August 2014. Damals kostete ein Beben in der Provinz Yunnan im Südwesten des Landes 617 Menschen das Leben. Erdbeben sind in chinesischen Provinzen wie Gansu, das an der nordöstlichen Grenze des tektonisch aktiven Qinghai-Tibet-Plateaus liegt, häufig. Das tödlichste Beben in China in den letzten Jahrzehnten ereignete sich 2008, als Sichuan von einem Beben der Stärke 8,0 heimgesucht wurde, bei dem fast 70.000 Menschen ums Leben kamen. rtr/fpe
Erdbeben
Extremwetter
Naturkatastrophe
Russlands Premier trifft Xi
Russlands Ministerpräsident Michail Mischustin und Chinas Staatschef Xi Jinping.
Chinas Staatschef Xi Jinping hat die engen Beziehungen zwischen seinem Land und Russland als “strategische Entscheidung” beider Seiten bezeichnet. Diese basiere auf den “grundlegenden Interessen beider Völker”, sagte Xi dem Staatssender CCTV zufolge dem russischen Ministerpräsidenten Michail Mischustin bei dessen Besuch in Peking am Mittwoch. Beide Länder sollten “die Zusammenarbeit in den Bereichen Wirtschaft, Handel, Energie, Vernetzung und anderen Gebieten vertiefen”, sagte Xi.
Mischustins zweitägiger Besuch in China folgt zwei Monate nach einer der selten gewordenen Auslandsreisen des russischen Präsidenten Wladimir Putin, bei der er seinen chinesischen Kollegen Xi in Peking traf. Mischustin sagte Protokollen zufolge bei einem Treffen mit Chinas Ministerpräsident Li Qiang am Dienstag, die Beziehungen zwischen Moskau und Peking hätten inzwischen ein “Allzeithoch” erreicht. ari
Geopolitik
Russland
Philippinen installieren japanisches Radarsystem
Die Philippinen haben ein neues Radarsysteminstalliert, um Chinas Aktivitäten und Bewegungen im Südchinesischen Meer zu überwachen. Das vom japanischen Unternehmen Mitsubishi Electric gebaute System wurde am Mittwoch auf einem Luftwaffenstützpunkt an der Nordwestküste in Betrieb genommen.
Das 98,56 Millionen Dollar teure Überwachungssystem ermögliche einen “ungehinderten Blick” auf einen Schauplatz jüngster Zwischenfälle mit China. Im Dezember waren chinesische Schiffe mit Wasserwerfern gegen philippinische Boote vorgegangen. Auch kam es zu Kollisionen mit Schiffen der philippinischen Küstenwache. Beide Seiten gaben sich gegenseitig die Schuld an dem Zusammenprall.
Die Inbetriebnahme des Radars markiert den ersten Einsatz von in Japan hergestellter Verteidigungsausrüstung in einem anderen Land. Tokio hatte 2014 die Regeln gelockert, um Rüstungsexporte unter bestimmten Bedingungen zu ermöglichen, insbesondere wenn die gelieferte Ausrüstung zum Frieden, zur internationalen Zusammenarbeit oder zur nationalen Sicherheit Japans beiträgt.
Der philippinische Verteidigungsminister wies am Mittwoch Vorwürfe Chinas zurück, sein Land provoziere Spannungen im Südchinesischen Meer. Kein anderes Land stelle wie China einen Anspruch auf das gesamte Südchinesische Meer, sagte Verteidigungsminister Gilberto Teodoro. rtr/fpe/ari
Philippinen
Südchinesisches Meer
Nicaragua und China bauen Handel aus
China und Nicaragua wollen mit einem Freihandelsabkommen ihre bilaterale Zusammenarbeit ausbauen. Der gebeutelte mittelamerikanische Staat erhält so wirtschaftliche Unterstützung, die das Regime von Präsident Daniel Ortega in Managua dringend braucht. Peking bekommt im Gegenzug mehr Einfluss in der geografischen Nähe der USA.
Die Ankündigung der strategischen Partnerschaft zwischen China und Nicaragua sei ein Neuanfang, um die Beziehungen der beiden Staaten voranzutreiben “und ein Modell der Solidarität, Zusammenarbeit und des gegenseitigen Nutzens aufzubauen”, zitierten Staatsmedien Präsident Xi Jinping aus einem Telefonat mit Ortega. Das Freihandelsabkommen soll demnach am 1. Januar in Kraft treten.
Westliche Länder hatten die Regierung von Präsident Ortega wegen Menschenrechtsverletzungen sanktioniert. Ortega hatte 2018 Proteste gegen niederschlagen lassen, mehrere hunderte Menschen wurde dabei getötet. 2021 ließ er während des Präsidentschaftswahlkampfs politische Gegner festnehmen. ari
Handel
Nicaragua
Zentralbank lässt Leitzins unverändert
Die chinesische Zentralbank hat bei ihrem monatlichen Zinsentscheid am Mittwoch die Leitzinsen wie erwartet unverändert gelassen. Der einjährige Leitzins (LPR) wurde demnach bei 3,45 Prozent belassen, der fünfjährige LPR blieb unverändert bei 4,20 Prozent. Die meisten neuen und ausstehenden Kredite in China basieren auf dem einjährigen LPR. Dieser wurde bis 2023 zweimal um insgesamt 20 Basispunkte gesenkt. Der Fünf-Jahres-Satz beeinflusst die Preisgestaltung von Hypotheken. Er wurde in diesem Jahr bislang um zehn Basispunkte gesenkt. Der LPR, den die Banken in der Regel ihren besten Kunden in Rechnung stellen, wird von 18 benannten Geschäftsbanken festgelegt, die der Zentralbank monatlich Zinsvorschläge unterbreiten.
Um die wirtschaftliche Erholung zu stärken, hat China bereits mehrere Konjunkturpakete geschnürt. Nach eigenen Angaben will die Regierung in der Geldpolitik “energisch und zielgerichtet” vorgehen. Analysten gehen aber davon aus, dass Peking einige Zeit brauchen wird, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Die Volksrepublik leidet unter der schwachen globalen Nachfrage und einer anhaltenden Immobilienkrise. rtr
Finanzpolitik
Konjunktur
Leitzinsen
Presseschau
Bei Gipfeltreffen in San Francisco: Xi kündigt Biden Angliederung von Taiwan an – verrät aber nicht, wann SPIEGEL China’s Xi says strong Russia ties a “strategic choice” THE HINDU Espionage from the East: “Russia Is a Storm, China Is Climate Change” SPIEGEL China Quietly Rebuilds Secretive Base for Nuclear Tests NEW YORK TIMES Anti-West-Strategie: So arbeiten Türkei und China gemeinsam gegen die EU WELT Wie Luftbuchungen in China dem Klima und der Biosprit-Industrie schaden HANDELSBLATT Türkei geht gegen Elektroautos aus China vor MERKUR Präsidentschaftswahl in Taiwan: China-Kritiker geht als Favorit ins Rennen – und erzürnt Peking MERKUR Hong Kong’s problems trace back to China. And also America ECONOMIST Von China verfolgter Aktivist: “Herr Cheng, auf Sie ist ein Kopfgeld von 117.000 Euro ausgesetzt. Wie lebt man damit?” SPIEGEL Chinesisches Raumflugzeug setzt mysteriöse Objekte im All aus FUTUREZONE Shenlong: Das wissen wir über die mysteriösen Objekte, die China in den Weltraum gebracht hat T3N
Standpunkt
Chinas kurzsichtige KI-Regelung
von Angela Huyue Zhang
Angela Huyue Zhang ist Professorin für Recht an der New York University.
Die Entscheidung des Pekinger Internetgerichts, dass von künstlicher Intelligenz erzeugte Inhalte unter das Urheberrecht fallen können, hat in der KI-Gemeinschaft für Aufsehen gesorgt, nicht zuletzt, weil sie im Widerspruch zu den Positionen anderer wichtiger Länder, einschließlich der USA, steht. Darum geht es unter anderem: Das Urteil unterstützt Chinas Bemühungen, die USA zu überholen und weltweit führend in der KI zu werden.
Nicht alle halten das Urteil für so bedeutsam. Einige Kommentatoren weisen darauf hin, dass das Pekinger Internetgericht eine relativ untergeordnete Institution ist, die in einem Rechtssystem arbeitet, in dem Gerichte nicht an Präzedenzfälle gebunden sind. Obwohl diese Interpretation technisch korrekt ist, geht sie am Kern der Sache vorbei, da sie sich eng auf das chinesische Recht in seiner geschriebenen Form konzentriert. Im chinesischen Rechtskontext spiegeln solche Entscheidungen nicht nur die Politik wider, sondern gestalten sie auch.
Peking baut regulatorische Hindernisse für KI ab
Im Jahr 2017 hat sich die chinesische Führung das ehrgeizige Ziel gesetzt, bis 2030 die weltweite Vorherrschaft der KI zu erreichen. Die Hindernisse auf dem Weg dorthin sind jedoch beträchtlich und nehmen weiter zu. Seit etwa einem Jahr machen es die USA China zunehmend schwerer, die Chips zu kaufen, die es für die Entwicklung fortgeschrittener KI-Technologien benötigt, wie zum Beispiel umfassende Sprachmodelle, die mit denen der USA konkurrieren können. Die Regierung von Präsident Joe Biden hat diese Regeln im Oktober weiter verschärft.
Als Reaktion auf diese Kampagne hat die chinesische Regierung eine gesamtgesellschaftliche Anstrengung unternommen, um die Entwicklung der KI zu beschleunigen, indem erhebliche Investitionen in den Sektor gelenkt und regulatorische Hindernisse abgebaut werden. In ihren Interim Measures for the Management of Generative Artificial Intelligence Services, die im August in Kraft traten, forderte die Regierung Verwaltungsbehörden und Gerichte auf allen Ebenen auf, gegenüber der KI eine vorsichtige und tolerante regulatorische Haltung einzunehmen.
Kommerzieller Wert von KI wird erhöht
Wenn die jüngste Entscheidung des Pekinger Internetgerichts ein Indiz ist, dann hat sich die Justiz diese Orientierung zu Herzen genommen. Denn die Möglichkeit, bestimmte KI-generierte Inhalte urheberrechtlich zu schützen, erhöht nicht nur unmittelbar den Anreiz zur Nutzung von KI, sondern auch den kommerziellen Wert von KI-Produkten und -Dienstleistungen.
Umgekehrt könnte die Verweigerung von Urheberrechten für KI-generierte Inhalte unbeabsichtigt betrügerische Praktiken fördern und digitale Künstler dazu verleiten, den Ursprung ihrer Werke falsch darzustellen. Eine Verwischung der Grenzen zwischen KI-generierten und von Menschen geschaffenen Werken würde die künftige Entwicklung grundlegender KI-Modelle gefährden, da diese in hohem Maße auf das Training mit qualitativ hochwertigen Daten aus von Menschen geschaffenen Inhalten angewiesen sind.
Für die USA scheinen die Vorteile eines Verbots des Urheberrechtsschutzes für KI-generierte Inhalte die Risiken zu überwiegen. Das US-Urheberrechtsamt hat sich in drei Fällen geweigert, solche Urheberrechte anzuerkennen, selbst wenn die Inhalte einen wesentlichen kreativen oder intellektuellen Beitrag von Menschen darstellten. In einem Fall versuchte ein Künstler mit über 600 Prompts, einem beträchtlichen Aufwand an Mühe und Kreativität, ein von einer KI generiertes Bild zu erstellen, das schließlich bei einem Kunstwettbewerb ausgezeichnet wurde, nur um dann zu erfahren, dass das Urheberrecht nicht anerkannt wird.
Entscheidung öffnet die Büchse der Pandora
Diese Zurückhaltung hat ihren Grund. Das Urteil des Pekinger Internetgerichts mag zwar zu Chinas aktuellen KI-Ambitionen passen, öffnet aber auch eine Büchse der Pandora mit rechtlichen und ethischen Herausforderungen. Wenn beispielsweise die Schöpfer ähnlicher KI-Kunstwerke Urheberrechtsverletzungen geltend machen, könnten chinesische Gerichte mit einer Flut von Rechtsstreitigkeiten konfrontiert werden und das zu einer Zeit, in der sich chinesische Gerichte mit der umstrittenen Frage auseinandersetzen müssen, ob Urheberrechtsinhaber für die Nutzung ihrer KI-generierten Werke im KI-Training entschädigt werden können. Dies macht eine Überarbeitung der bestehenden Urheberrechtsgesetze und -doktrinen durch die chinesischen Gerichte und den Gesetzgeber nahezu unvermeidlich.
Fragen des Urheberrechts und des KI-Trainings haben bereits in mehreren Ländern zu hitzigen Debatten geführt. In den USA haben Künstler, Schriftsteller und andere eine Reihe von Klagen eingereicht, in denen sie großen KI-Unternehmen wie OpenAI, Meta und Stability AI vorwerfen, ihre urheberrechtlich geschützten Werke ohne ihre Zustimmung für das Training von KI-Systemen zu verwenden. In Europa verlangt das vom Europäischen Parlament vorgeschlagene KI-Gesetz, dass Unternehmen alle urheberrechtlich geschützten Materialien offenlegen, die sie zum Trainieren generativer KI-Systeme verwenden – eine Regel, die KI-Firmen anfällig für Klagen wegen Urheberrechtsverletzungen machen und gleichzeitig den Einfluss der Urheberrechtsinhaber bei Entschädigungsverhandlungen erhöhen würde.
Nachlassen der menschlichen Kreativität
Die Beantwortung dieser Fragen könnte sich für China als besonders schwierig erweisen. Das chinesische Recht erlaubt die freie Nutzung von urheberrechtlich geschütztem Material nur unter sehr eingeschränkten Umständen. Da die chinesischen Gerichte ihre Urteile jedoch zunehmend an den Vorgaben aus Peking ausrichten, ist es wahrscheinlich, dass sie bald eine laxere Haltung einnehmen und immer mehr Ausnahmen zulassen werden, um die Nutzung von urheberrechtlich geschütztem Material durch KI-Unternehmen zu erleichtern.
Der Preis dafür könnte jedoch hoch sein. Eine nachsichtigere Haltung gegenüber der Verwendung von urheberrechtlich geschütztem Material für das KI-Training und die wahrscheinliche Flut von KI-generierten Inhalten auf dem chinesischen Markt könnte langfristig zum Nachlassen der menschlichen Kreativität führen.
Von der Regierung bis zu den Gerichten scheinen die chinesischen Behörden entschlossen zu sein, sicherzustellen, dass das Land im Bereich der KI führend sein kann. Die Folgen ihres Vorgehens könnten jedoch tiefgreifend und weitreichend sein. Es ist nicht undenkbar, dass dieser gesetzliche Trend zu sozialen Krisen wie massiven Arbeitsplatzverlusten in der Kreativwirtschaft und weit verbreiteter öffentlicher Unzufriedenheit führen könnte. Vorerst ist jedoch davon auszugehen, dass China seine KI-Industrie weiter fördern wird, koste es, was es wolle.
Übersetzung: Andreas Hubig
Angela Huyue Zhang, Professorin für Recht an der New York University, ist außerordentliche Professorin für Recht und Direktorin des Philip K. H. Center for Chinese Law an der University of Hongkong und Autorin des in Kürze erscheinenden Buches “High Wire: How China Regulates Big Tech and Governs its Economy” (Oxford University Press, 2024).
Eddie Wu, CEO der Alibaba Group, übernimmt auch die Führungsrolle für die E-Commerce-Plattformen Taobao und Tmall. Wu folgt auf Trudy Dai. Bereits im September hatte Wu Daniel Zhang als CEO ersetzt.
Markus Kamieth wird neuer Vorstandsvorsitzender bei BASF. Der 53-Jährige wird mit Ablauf der Hauptversammlung am 25. April die Nachfolge des scheidenden Vorstandsvorsitzenden Martin Brudermüller antreten. Kamieth war seit 2017 Mitglied des Vorstands und verantwortete unter anderem das China-Geschäft.
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Dessert
Die mit Watte und Kunstfell gefütterte Winterjacke aus der Mao-Ära, die bis vor kurzem ausschließlich von älteren Herrschaften aufgetragen wurde, feiert diesen Winter bei Chinas Jugend ein Comeback. Die Nachfrage nach dem modisch totgeglaubten Dà huā ǎo 大花袄 ist auf Shopping-Kanälen wie Taobao seit November in die Höhe geschnellt. Das bequeme Hausjäckchen mit geblümten Muster fand in verschiedenen neuen Schnitten zuletzt sogar den Weg auf Chinas Laufstege. Der Jūn dàyī 军大衣 ist das männliche Äquivalent, eine steife Militärjacke aus dem Nordosten Chinas, mit der sich zuletzt auch Filmstar Andy Lau in der Öffentlichkeit ablichten ließ.