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Erscheinungsdatum: 20. Januar 2025

Zhang Yu: Brücken bauen in turbulenten Zeiten

Seit 20 Jahren verbindet Zhang Yu Deutschland und China durch Kunst und Kultur. Interkultureller Dialog sei heute wichtiger denn je, sagt die Unternehmerin. Ihr nächstes Großprojekt ist ein Konzert mit chinesischer Rockmusik und deutscher Klassik in der Berliner Philharmonie.

Es dauert eine Weile, bis man sich einen Überblick über die zahlreichen Projekte von Prof. Zhang Yu 张彧 verschafft hat. Die 51-Jährige hat in ihrem Leben bereits viel erreicht – als Unternehmerin, Buchautorin, Kunstmäzenin und Brückenbauerin zwischen Deutschland und China – auch wenn sie selbst den Begriff Brückenbauerin etwas „überstrapaziert findet“.

Seit mehr als 20 Jahren widmet sie sich dem kulturellen Austausch, unter anderem durch Großausstellungen wie „Die 8 der Wege“ in den Berliner Uferhallen. Interkultureller Dialog sei heute nötiger denn je, betont Zhang: „Ich habe in den deutsch-chinesischen Beziehungen schon viele Höhen und Tiefen erlebt.“ Doch aktuell erlebe Deutschland ein besonders „turbulentes Klima“. Und auch in China habe sich die einstige Begeisterung für Deutschland merklich abgekühlt.

„In China betrachtet man Deutschland heute differenzierter und zurückhaltender“, erklärt sie. „Früher war die Begeisterung aber auch manchmal fast blind: Brot, Bier und Autos, alles super“, sagt sie. Nach wie vor gebe es Lücken in der gegenseitigen Wahrnehmung. Ihr bevorzugtes Mittel, diese zu schließen, ist seit Jahren die Kunst und Kultur – ein etwas neutralerer Boden für den Dialog als die Politik. Für den 22. Januar 2025 hat sie beispielsweise ein Konzert im Kammermusiksaal der Berliner Philharmonie organisiert. Unter dem Titel „Music Connected! The Classics meets Chinese Rock“ treten das Sinfonieorchester Berlin und die chinesische Rockband MOSAIK gemeinsam auf. Anlass ist das 30-jährige Jubiläum der Städtepartnerschaft zwischen Berlin und Peking.

Nach Deutschland kam Zhang ursprünglich zum Studieren. Ihr Vater hatte das Ziel vorgeschlagen, da er Deutschland auf einer Reise als hochentwickelt und sicher erlebt hatte. „Er sagte: ‚Dort kann man mit offenen Türen schlafen, so sicher ist es'“, erinnert sie sich. Mit zwei Koffern landete sie schließlich in Berlin. „Ich war Anfang der 90er-Jahre Teil der ersten Generation von privat finanzierten Studierenden.“ Entgegen dem Wunsch ihrer „Tiger-Mutter“, die wollte, dass sie, wie sie selbst, Jura studiert, entschied sich Zhang für Publizistik und Japanologie an der FU Berlin. „Das war eine Art Rebellion gegen mein Elternhaus – ich wollte einmal meine eigene Entscheidung treffen.“

Zhang stammt aus einer gebildeten Familie, doch in der Kulturrevolution wurde ihnen genau das zum Verhängnis. „Der eine Großvater war Industrieller und der andere Handelsunternehmer. Dazu waren sie auch noch Intellektuelle mit internationalen Verbindungen in die USA und nach Japan – schlimmer konnte es in der damaligen Atmosphäre nicht kommen.“ Später habe sie verstanden, warum ihre Mutter so auf Jura bestanden hatte: Sie wollte, geprägt von den Ungerechtigkeiten der Kulturrevolution, anderen Gerechtigkeit verschaffen. „Sie hat Menschen mit ihrem juristischen Wissen geholfen, auch wenn sie nur mit Hühnern und Eiern bezahlen konnten“, erinnert sich die Tochter. So gelang es ihrer Mutter, die Familienehre wiederherzustellen, die in jener schweren Zeit gelitten hatte. „Zu uns Kindern war sie sehr streng“, sagt Zhang. Von ihrer Mutter habe sie Disziplin, Perfektionismus und auch eine soziale Ader geerbt, die sich zum Beispiel in dem von ihr ins Leben gerufenen Female Impact Summit widerspiegelt – der soll Frauen in Führungspositionen stärken.

Auch sie selbst musste sich als oftmals einzige Chinesin in ihrem Umfeld den Weg nach oben erkämpfen. Neben ihren „rebellischen“ Studienfächern erwarb sie zusätzlich einen Master of Business Administration (MBA), der ihr schließlich den Weg in die Geschäftswelt ebnete. „Damals hatten viele Beratungsfirmen noch keine China-Desks oder Netzwerke zur Implementierung vor Ort. Genau diese Lücke habe ich mit meiner Beratungsfirma für den chinesischen Markt gefüllt – wir wollten als First Mover das Beratungsunternehmen Roland Berger schlagen.“ 1999 gründete Zhang die China Communications Consulting, später die China Communications Holding. Später verkaufte sie ihr Unternehmen – in einer Boom-Zeit, wie sie sagt. „Man muss loslassen können, gerade wenn es gut läuft. Ich bereue es nicht. Heute bin ich über 50 und möchte meine Zeit auf eine andere Weise sinnvoll nutzen, auch um gesellschaftlich etwas zu bewegen."

2008 gründete Zhang den Förderverein Gesellschaft für Deutsch-Chinesischen Kulturellen Austausch e.V. (GeKA). Seitdem hat sie zahlreiche Projekte realisiert, auch mit staatlichen Museen in China. Ein Highlight war für sie selbst die Ausstellung „Micro Era. Medienkunst aus China", die vom 5. September 2019 bis zum 26. Januar 2020 im Kulturforum Berlin präsentiert wurde. Die Kooperation zwischen GeKA und der Nationalgalerie Berlin wurde von einem umfangreichen Rahmenprogramm begleitet, darunter ein chinesisches Filmwochenende im Babylon-Kino. „Ich achte sehr auf Qualität“, betont Zhang, die selbst seit Jahren Kunst sammelt und einige Stücke bald dem Humboldtforum für eine Ausstellung leihen wird.

Diese Liebe für die Kunst und das Kreative habe auch mit ihrer Familie zu tun: Ihr Großvater sammelte Kunst, ihre Mutter malte in ihrer Freizeit. „In meiner Kindheit und Jugend war Kunst immer präsent, aber meine 'Tiger-Mutter' erlaubte mir neben dem Lernen keine anderen Hobbys außer dem Malen.“ Sie überlegt kurz. „Vielleicht bricht sich heute meine kreative Ader auf diese Weise Bahn, die ich als Kind und Jugendliche nicht so richtig ausleben konnte – bei all dem Pauken“, sagt sie und lacht. Fabian Peltsch

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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