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Künstliche Intelligenz: Wie die Kindheit in China neu geprägt wird

In China wächst eine Generation heran, deren Kindheit zum Hightech-Projekt wird. In Peking sind acht Stunden KI-Unterricht im Schuljahr bereits verpflichtend, andere Provinzen wollen nachziehen. Eltern haben weniger Berührungsängste mit der Technologie als hierzulande.

LF
26. November 2025
Spielende Kinder mit Roboter, in China bald Alltag? (Facebook-Seite von Mao Ning, Sprecherin von Chinas Außenministerium)

Jauchzend jagt eine Handvoll Kinder einem neuen Spielkameraden hinterher. Der rennt noch etwas schwerfällig, trägt ein zu großes weißes T-Shirt, außerdem leuchtet sein Gesicht blau. Das Video, das Kinder in einer Wohnanlage beim Spielen mit einem humanoiden Roboter zeigt, wirkt fast unheimlich normal. „Welcome to the future of playtime“, heißt es dazu auf dem Facebook-Account von Mao Ning, Sprecherin des chinesischen Außenministeriums.

Künstliche Intelligenz (KI) und Hightech prägen schon jetzt die Kindheit in China. Kinder haben in der Schule KI-Unterricht, lassen ihr Zimmer von Service-Robotern reinigen und bekommen von ihren Eltern KI-gestützte Spielzeuge geschenkt. Das klingt in unseren Ohren ungewohnt, vielleicht sogar irgendwie unheimlich. In China versprechen sich Eltern von KI ein immersives Spielerlebnis und leistungsfähigere Kinder.

Eltern in China gehen grundsätzlich unbedarfter an neue Technologien heran. Das zeigt auch der derzeitige KI-Boom: „Seitdem wir KI benutzen, geht die Lernfähigkeit meines Sohnes durch die Decke!“, jubelt ein Vater auf der Blogging-Plattform Zhihu. Er benutzt eine KI-Anwendung, die Pflanzen oder Gebäude identifiziert und interessante Fakten bereitstellt, die der Vater sonst mühsam selbst heraussuchen müsste. „Seitdem will mein Sohn auf Spaziergängen nicht mehr getragen werden, sondern rennt voller Ungeduld voraus“, so der Vater.

Bedenken zur Datensicherheit oder Privatsphäre seien bisher nicht weit verbreitet, sagt Guo Jingyi, die an der Pennsylvania State University zu Überwachungstechniken und datengetriebener Steuerung sozialer Netzwerke forscht. „Bedenken kommen höchstens von Eltern aus der Mittelschicht“, so Guo. Viele Eltern sind letztlich auf die Tech-Kenntnisse ihrer Kinder angewiesen: In ländlichen Gebieten Chinas helfen fast 40 Prozent der Kinder ihren Eltern beim Umgang mit digitalen Technologien, wie eine Untersuchung der Chinese Academy of Social Sciences zeigt. In Städten liegt der Wert immerhin bei gut 29 Prozent.

Kinder in China kommen immer früher in Kontakt mit KI. Eine chinesische Studie zeigt: Kinder in China stellen sich KI meist als einen humanoiden Roboter, als Service-Roboter oder als autonom fahrendes Auto vor – ein Spiegel dessen, wie sie mit KI in Kontakt kommen. Für die Studie wurden die Vorstellungen von KI von 75 Schülern der fünften und sechsten Klasse untersucht.

Bisher sind KI-gesteuerte Kinderspielzeuge und Lernhilfen vor allem ein gutes Geschäft. Der Sektor wird bis 2030 die Marke von 100 Milliarden Yuan (etwa 13 Milliarden Euro) überschreiten, prognostizieren die Shenzhen Toy Industry Association und JD.com. Damit handelt es sich um einen der am schnellsten wachsenden Bereiche der Verbraucher-KI. Viele der Tools sind jedoch noch ausbaufähig: Die Antworten der KI sind zu lang, oder sie missverstehen das Genuschel der Kinder, beschweren sich einige Eltern.

Wenn Eltern ihren Kindern das Smartphone überlassen, bringt das weitere Probleme mit sich. „Kinder laufen höhere Gefahr, online gescammt zu werden“, sagt Guo. Betrüger kontaktieren Kinder als falsche Polizisten oder Talentscouts und zwingen sie dazu, heimlich vom Handy ihrer Eltern Geld zu überweisen. Selbst bei freiwilligen In-App-Käufen oder Trinkgeldbeiträgen für Livestreamer begreifen Kinder oft nicht die Höhe der Beträge, die sie überweisen. Im chinesischen Internet finden sich zahlreiche Berichte über Eltern, deren Kinder in Betrugsfälle von bis zu 200.000 Yuan verwickelt wurden.

Zwar dürfen Kinder nach Vorgaben der chinesischen Regierung nur drei Stunden pro Woche Videospiele spielen oder Social Media nutzen. Zudem müssen Anwendungen einen verpflichtenden „Minor Mode“ entwickeln, also einen Modus für Minderjährige. Praktisch umgeht ein Großteil der Kinder diese Beschränkungen. Laut einer Studie des Beijing News-Thinktanks aus dem vergangenen Jahr halfen gar fast 60 Prozent der befragten Eltern ihren Kindern dabei. „Das ist auch eine Klassenfrage“, sagt Guo: „Eltern aus ärmeren Schichten bleibt oft nichts anderes, als ihr Kind mit dem Handy zu beschäftigen.“

Chinas Bildungsminister Huai Jinpeng setzt derweil auf die KI-Karte. Im Mai 2025 veröffentlichte das Bildungsministerium ein Weißbuch zu „smarter Bildung“. Ganz im Einklang mit der anwendungsorientierten, tech-optimistischen AI+-Strategie Chinas will das Ministerium künftig KI ins Klassenzimmer integrieren. In Peking sind acht Stunden KI-Unterricht im Schuljahr bereits verpflichtend, andere Provinzen wollen nachziehen.

Die chinesische Regierung erhofft sich auch, mithilfe von KI die klaffende Lücke zwischen Schülern auf dem Land und in den Städten schließen zu können. Im besten Fall läuft es wie in einer Schule eines ärmlichen Teils von Yunnan, die per Livestream dem Unterricht einer Eliteschule in Chengdu folgt. Nach einem Anfangsschock über das Tempo der Schule in Chengdu gelang es vielen Schülern laut einem Bericht, ihr Niveau massiv zu steigern. Jedoch könnten von KI-Tools jene Kinder am meisten profitieren, die ohnehin durch ihren Familienhintergrund einen Vorsprung haben.

Die Kinder selbst blicken recht positiv auf KI. Sie mache das Leben leichter, bequemer und effizienter, sagten die Kinder in der oben beschriebenen Studie über kindliche Vorstellungen von KI. Einige Kinder äußerten jedoch auch Sorgen: Er habe das Gefühl, sein Handy höre ihm heimlich zu, so ein Schüler. KI könnte zu einem Gefühl der Selbstgefälligkeit führen, so ein anderer Schüler: „KI macht die Leute faul.“

Letzte Aktualisierung: 04. Dezember 2025