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Erscheinungsdatum: 28. März 2025

Warten auf den großen Wurf

Deutschland befindet sich inmitten einer tiefen strukturellen Wirtschaftskrise und ist in seiner derzeitigen Verfassung international nicht mehr wettbewerbsfähig. In dieser ernsten Lage gehen die Koalitionsverhandlungen in Berlin jetzt in die entscheidende Phase. Ich erwarte, dass dabei der Krisensituation wirklich Rechnung getragen und alles getan wird, um einen weiteren wirtschaftlichen Abstieg zu verhindern.

Ob Union und SPD wirklich die Weichen für Wohlstand und Arbeitsplätze richtig stellen, ist noch lange nicht ausgemacht. Gewiss: Das milliardenschwere Sondervermögen für notwendige Investitionen in Deutschlands Verteidigungsfähigkeit und die Ertüchtigung seiner Infrastruktur kann neue Dynamik entfachen. Und natürlich profitiert unsere Wirtschaft von einer leistungsfähigen Infrastruktur. Strukturell wettbewerbsfähig wird der Standort Deutschland dadurch aber noch lange nicht. Vielmehr muss unser Land auf breiter Front schneller, beweglicher und günstiger werden, um wieder auf den Wachstumspfad zurückzukehren.

Ganz wichtig ist, dass die fortschreitende Deindustrialisierung gestoppt wird. Es vergeht inzwischen doch kaum ein Tag ohne Meldungen über Produktionsverlagerungen, Betriebsschließungen und Arbeitsplatzabbau. Diesen Aderlass wird unser Land nicht mehr lange verkraften. Gemessen am Ernst der Lage hören wir aus den Koalitionsverhandlungen immer noch viel zu viel Ideologie. Zu wenig sehen wir noch mutige Aufräumarbeiten, um falsche wirtschafts- und sozialpolitische Entscheidungen der jüngeren Vergangenheit zu korrigieren. Das ist jetzt die Führungsaufgabe der Parteispitzen!

Die Politik muss sich jetzt ehrlich machen: Sie selbst hat in vielen Jahren dazu beigetragen, dass das Deutschland des Jahres 2025 international nicht mehr wettbewerbsfähig ist. Umso größer ist nun die Chance: Finden CDU/CSU und SPD die Kraft zu echten Strukturreformen, kann dies der Beginn einer neuen Erfolgsgeschichte unseres Landes sein. Ich erwarte jetzt einen großen Wurf, nicht lähmendes Klein-Klein.

Die angekündigten Entlastungen bei den Energiekosten gehen schon mal in die richtige Richtung. Doch hier wird es auf die zügige Umsetzung ankommen. Und dabei müssen zwingend die Energiepreise unserer internationalen Mitbewerber der Maßstab sein. Ich prophezeie, dass andernfalls insbesondere die energieintensive Industrie bis weit in den industriellen Mittelstand hinein nicht mehr am Standort Deutschland investieren wird.

Entlastungen bei den Energiepreisen werden schnell zur Makulatur, wenn an anderen Stellen nichts passiert oder sogar neue Belastungen hinzu kommen. Etwa in der Steuer- und Sozialpolitik: Hier fehlen mir Krisenbewusstsein und Reformbereitschaft. Wir brauchen eine Begrenzung der Steuerlast für Unternehmen auf maximal 25 Prozent und eine Rückführung der Sozialbeiträge unter die 40-Prozent-Marke.

Ebenso muss die Politik verstehen, dass die überbordende Bürokratie unsere Unternehmen schlichtweg fertig macht. Ich erwarte, dass auch einmal Gesetzesregelungen im großen Stil gestrichen werden. Es ist der Politik nicht verboten, hier den gleichen Ehrgeiz zu zeigen wie in den vielen Jahren des Bürokratie-Aufbaus zuvor.

Arndt G. Kirchhoff ist Unternehmerpräsident von NRW und Vorsitzender des Aufsichtsrats der Kirchhoff Automotive SE mit Sitz in Iserlohn.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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