Executive Summary
Erscheinungsdatum: 09. August 2025

New Space: „Wir können in Deutschland die gesamte Wertschöpfungskette abdecken“

Die Test-Rakete „Spectrum“ von Isar Aerospace hebt zu einem Testflug vom Andøya Spaceport in Norwegen ab. (dpa picture alliance)
In Deutschland entsteht ein Ökosystem an jungen Raumfahrtunternehmen, die vor allem auf kommerzielle Angebote abzielen. Während es erste Erfolge gibt, ist der Druck enorm.

Ein Grund für die rasante Entwicklung bei deutschen Space-Start-ups ist der schnell wachsende Bedarf an Transportmöglichkeiten ins All. In den kommenden Jahren soll die Anzahl der Starts im zweistelligen Bereich wachsen, wie unter anderem die Space Foundation in ihrem „The Space Report“ schreibt.

Bei Isar Aerospace aus München hoffen viele Marktbeobachter auf ein europäisches SpaceX: Das Start-up wurde 2018 als Spin-off der Technischen Universität München gegründet, seit einigen Wochen ist es ein Milliardenunternehmen – unter anderem hatte der FC Chelsea-Miteigentümer und Milliardär Todd Boehly in das Start-up von CEO Daniel Metzler, Josef Fleischmann und Markus Brandl investiert. Als Investor und Chairman früh bei Isar Aerospace aktiv wurde Bulent Altan, ehemals Vice President bei SpaceX und ein prominentes Gesicht der europäischen New-Space-Szene.

Der erste Raketenstart von Isar Aerospace markiert einen Meilenstein in der europäischen Raumfahrt: Am 30. März hob die Trägerrakete „Spectrum“ vom Startplatz des Andøya Spaceport in Norwegen erfolgreich ab. Isar Aerospace ist damit das erste privat finanzierte Unternehmen Europas, dem ein Mikro-Launcher-Start gelang – auch wenn die Rakete kurz nach dem Start explodierte und ins Meer stürzte.

Noch auf einen erfolgreichen Start hin arbeitet die Rocket Factory Augsburg (RFA). Gerade hat das Unternehmen einen Führungswechsel vollzogen: Indulis Kalnins, ein erfahrener Raumfahrtingenieur und Branchenexperte, wurde zum neuen CEO berufen. Er soll das Unternehmen gezielt auf den überfälligen Erstflug der Rakete „RFA ONE“ ausrichten.

Die größten Herausforderungen für deutsche Start-ups sind fehlendes Wachstumskapital und bürokratische Hürden bei der Auftragsvergabe. „Entscheidend für die Skalierung ist zudem, die Brücke von der Weltraumtechnologie zu weiteren Anwendungen hier auf der Erde zu schlagen“, sagt Barbara Mehner von UntenehmerTUM, dem universitätsnahen Start-up-Zentrum in München, zu Table.Briefings. Gefragt seien deshalb nicht nur Investoren, „sondern auch mutige Anker-Kunden aus Politik und Industrie, die dieses Potenzial erkennen und nutzen“.

Während Mikro-Launcher-Unternehmen wie Isar Aerospace und RFA mit zwei- oder dreistelligen Millionenbeträgen auskommen müssen, ist die Entwicklung staatlicher Angebote erheblich teurer. Die Entwicklung der Ariane-6-Rakete, die allerdings auch deutlich mehr Nutzlast tragen kann, hat etwa vier Milliarden Euro gekostet. Am Bau waren gut ein Dutzend Länder beteiligt. Die Oberstufe wird in Bremen montiert, die Tanks der Oberstufe und Teile des Triebwerks kommen aus Augsburg beziehungsweise Ottobrunn.

Die Bundesregierung fördert den New-Space-Bereich auch im Rahmen ihrer Hightech-Agenda, etwa durch einen Space Innovation Hub, der als zentrale Plattform für Austausch und Kooperation dient, sowie finanzielle Unterstützung für Start-ups und Raumfahrtprojekte. Einige Brancheninsider zeigen sich gegenüber Table.Briefings allerdings skeptisch, ob wirklich nennenswerte Mittel dafür bereitgestellt werden.

„Der Schlüssel für mehr Tempo im europäischen Raumfahrtsektor liegt im offenen Wettbewerb und in Rahmenbedingungen, die uns im globalen Vergleich nicht benachteiligen“, sagt UnternehmerTUM-Direktorin Mehner, die auch Co-Initiatorin des ESA Business Accelerator Germany ist. Es sei zwar ein starkes Signal, dass die Politik mit Initiativen für Start-ups zunehmend den Weg ebnet. „Darauf müssen wir jetzt aber konsequent weiter aufbauen, um die europäische Souveränität im All zu sichern.“

Die europäische Weltraumagentur ESA hat gerade die Teilnehmer ihres „European Launcher Challenge“-Programms bekanntgegeben. Mit dabei: Isar Aerospace und Rocket Factory Augsburg. Im Gegenzug zur Bereitstellung von Fördermitteln verpflichten sich die Teilnehmer, spätestens bis 2027 einen erfolgreichen orbitalen Erstflug durchzuführen.

Sowohl Isar Aerospace als auch Rocket Factory Augsburg haben sich bereits institutionelle Aufträge und Förderverträge gesichert, insbesondere von der ESA und nationalen Raumfahrtagenturen. Wenn die Raketen einmal einsatzbereit sind, wollen beide Unternehmen auch kommerzielle Kunden bedienen, um deren Nutzlasten ins All zu transportieren. Erste Verträge wurden nach eigenen Angaben bereits abgeschlossen.

Solche Nutzlasten kommen auch von anderen Start-up-Unternehmen: Ororatech aus München hat Verträge mit unterschiedlichen Kunden weltweit, darunter zweistellige Millionengeschäfte mit Regierungen wie die von Griechenland oder Kanada, Behörden und Notfalldienste in Nordamerika sowie Versorgungsunternehmen, Versicherer und Forstwirtschaft.

Das Unternehmen betreibt die größte dedizierte Wildfire-Satellitenkonstellation der Welt und kombiniert die Daten zu einer digitalen, globalen Zwillingserde, um Waldbrände in Echtzeit zu erfassen und vorauszusagen. Während in Los Angeles derzeit erneut heftige Waldbrände mehrere Städte bedrohen, hat Ororatech einen Vertrag mit dem US-Bundesstaat Kalifornien abgeschlossen.

„Der Flaschenhals der Space-Wirtschaft ist der Mangel an Transportmöglichkeiten“, sagt Ororatech-Gründer Thomas Grübler zu Table.Briefings. Um acht seiner Satelliten ins All zu befördern, hat das Start-up eine ganze Rakete für sich gekauft. „Der Druck, unser Angebot auch in den Markt zu bringen, ist so groß, dass wir nicht auf einzelne Launch-Plätze warten können“, sagt Grübler.

Mit Deutschland als Standort für sein Unternehmen ist Grübler sehr zufrieden. Ororatech entwickelt mittlerweile nicht nur die Wärmekamera-Module und wertet die Daten aus, sondern baut die kompletten Satelliten selbst – mitten in München. Die hiesige Weltraumwirtschaft sei breit aufgestellt. „Wir können hier die gesamte Wertschöpfungskette abdecken“, sagt er.

Letzte Aktualisierung: 09. August 2025
Teilen
Kopiert!