Executive Summary
Erscheinungsdatum: 15. Februar 2025

Krise am Wohnungsmarkt: Keine Besserung in Sicht

Die Krise am Wohnungsmarkt lässt sich nach Einschätzung der Bau- und Immobilienwirtschaft von der nächsten Bundesregierung nur mit einem weitreichenden Reformpaket auflösen. Dazu zählen bundesweit vereinfachte und standardisierte Bauvorschriften, geringere Steuern und Abgaben, eine umfangreichere Förderung sowie digitalisierte, beschleunigte Planungsverfahren. „Hohe Zinsen, staatliche Auflagen, lange Genehmigungsprozesse haben das Bauen teuer gemacht und den Neubau nahezu zum Erliegen gebracht. So kann es nicht weitergehen“, sagt Vonovia-Vorstandschef Rolf Buch, CEO von dem größten Immobilienkonzern Deutschlands.

Im Wohnungsbau, so der CEO des Dax-Konzerns weiter, brauche Deutschland einen klaren Schnitt. „Wir müssen weg von den starren Regulierungen hin zu vereinfachten Vorschriften wie dem Gebäudetyp E.“ Der „Hamburg Standard“ für kostengünstiges Bauen sei ein guter Anfang. Sinkende Baukosten ermöglichten bezahlbaren Neubau. „Wir brauchen eine sofortige Kehrtwende in der Wohnungspolitik. Andernfalls verschärft sich die Wohnungsnot“, sagte Buch dem CEO.Table weiter. Dazu Peter Hübner, Bauindustriepräsident und Vorstandsmitglied der Strabag AG : „Das Land erstickt an Vorgaben und Vorschriften. Es gibt allein 16 Landesbauordnungen und 16 Landesvergabegesetze. Bauanträge werden zurückgeschickt, weil die Pläne falsch gefaltet wurden. Entgegen der Faltrichtlinie. Das hätte sich selbst Kafka nicht ausdenken können.“

Die Immobilienweisen haben zur Flaute am Bau in dieser Woche ihr Frühjahrsgutachten vorgestellt, das vom „ZIA Zentraler Immobilienausschuss“ in Auftrag gegeben wird und als Gradmesser der Branche gilt. Laut dem Expertenrat ist 2025 nur noch mit der Fertigstellung von 230.000 Wohneinheiten zu rechnen. Trifft die Prognose zu, setzt sich der Rückgang neu gebauter Wohneinheiten dann seit mehr als zehn Jahren fort, obwohl die Bundesregierung noch bei Amtsantritt ein Ziel von 400.000 Neubauwohnungen angekündigt hatte. Diese sollte die Wohnungsnot mit den damit verbundenen Mietpreissteigerungen in Ballungsräumen mildern.

So wurden 2021 in Deutschland 380.900 Wohnungen genehmigt, 2023 nur noch 259.600. Im Zeitraum von Januar bis August 2024 waren es lediglich 149.900 Wohnungen, 19,4 Prozent oder 33.900 Wohnungen weniger als im Vorjahreszeitraum. „Dass der am Boden liegende Wohnungsbau überhaupt kein Wahlkampfthema ist, hätte ich nicht für möglich gehalten. Dabei ist die Schaffung von bezahlbaren Wohnraum Sozial- und Standortpolitik“, sagt Bauindustriepräsident Hübner.

Bereits Endes des vergangenen Jahres hatte schon der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in seinem Jahresgutachten vor den Folgen der Wohnungsnot gewarnt. „In den Ballungsräumen ist Wohnraum besonders knapp. Das ist nicht nur ein soziales, sondern auch ein gesamtwirtschaftliches Problem. Die Knappheit von Wohnraum hemmt den Zuzug von Arbeitskräften in produktive Regionen. Um diese Knappheit zu verringern, sollten das Angebot an Wohnraum erhöht und der Wohnungsbestand effizienter genutzt werden“, schreiben die Professoren.

Zudem verweisen sie darauf, dass sich in Deutschland die Preise für Wohnimmobilien seit dem Jahr 2010 mehr als verdoppelt hätten. Neumieten seien im selben Zeitraum um gut 60 Prozent und Bestandsmieten um rund 20 Prozent gestiegen. „In Ballungsräumen und wirtschaftlich starken ländlichen Regionen hat die Wohnraumnachfrage stark zugenommen“, so der Sachverständigenrat weiter.

Ein Hemmnis für den Neubau sind gestiegene Materialkosten und ein hohes Zinsniveau. Die Bremer Zech Group, mit 4,5 Milliarden Euro Umsatz fünftgrößter Baukonzern Deutschlands, empfiehlt deshalb in einem ersten Schritt überall dort Kosten zu senken, wo es möglich ist, um den Wohnungsbau anzukurbeln. „Damit wir zur Wohnraumbeschaffung wieder ins Bauen kommen, sind zwei Parameter wesentlich: Zum einen benötigen wir verlässliche Rahmenbedingungen hinsichtlich der Fördermittel und zum anderen müssten die Kommunen, zumindest temporär, die Bauauflagen absenken“, sagt Iris Dilger, Geschäftsführende Gesellschafterin von „DIE WOHNKOMPANIE Rhein-Main “, einer Zech-Tochter, in der Bauträgeraktivitäten des hanseatischen Konzerns gebündelt sind.

Als Beispiel führt die Unternehmerin die Stellplatzverordnung im Frankfurter Umland an, wo in der Regel zwei Stellplätze pro Wohnung vorgeschrieben sind. Die können meist nur über Tiefgaragen zur Verfügung gestellt werden. „Der Bau von Tiefgaragen verteuert das Bauvorhaben pro Stellplatz um circa 50.000 Euro und macht rund zehn Prozent der Herstellungskosten aus“, rechnet Dilger vor. Anders formuliert: geringere Auflagen führen zu weniger Kosten, senken Preise und machen den Bau für Privatinvestoren attraktiver. Hübner sagt: „Konkret brauchen wir eine verlässliche Förderkulisse, die für alle verständlich ist. Das Bekenntnis zum einfachen Bauen mit einem Kahlschlag überbordender Anforderungen an Gebäude und Bürokratie – und eine Regulatorik, die bezahlbaren Wohnraum und Klimaschutz gemeinsam denkt.“ Dazu gehöre auch die Modifizierung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG), damit neben der Energieeffizienz auch die Reduzierung von CO₂ in den Blick genommen werde.

Die Immobilienwirtschaft ist ein zentraler Träger der Binnenkonjunktur. 2023 erwirtschafteten 810.000 Unternehmen einen Umsatz von 730 Milliarden Euro, was 19 Prozent der Bruttowertschöpfung entspricht. Im Wohnungsbau sind 320.000 Menschen beschäftigt.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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