Executive Summary
Erscheinungsdatum: 03. Januar 2025

Ausländische Fachkräfte dringend gesucht

Von Thilo Boss

Die deutsche Wirtschaft bleibt auch in der Rezession weiter auf qualifizierte Zuwanderung ausländischer Fachkräfte angewiesen. „Um unsere Unternehmen am Laufen zu halten, brauchen wir mehr Arbeitskräfte auch aus dem Ausland“, sagt der Präsident des Verbandes Deutscher Maschinen und Anlagenbau (VDMA), Bertram Kawlath. Dafür müssten die richtigen Weichen gestellt werden, um Anreize zu schaffen und unnötige Hilfen abzubauen.

Um die dringend notwendige Fachkräfteeinwanderung zu erleichtern, fordert der VDMA-Präsident vor allem eine Beschleunigung der Anerkennungsverfahren. Diese würden mit teilweise über sechs Monaten deutlich zu lange dauern. „Das bedeutet Planungsunsicherheit und Intransparenz für die Unternehmen sowie für die ausländischen Fachkräfte.“

Der Maschinen- und Anlagenbau beschäftigt hierzulande rund 1,3 Millionen Erwerbstätige. Damit ist er der größte industrielle Arbeitgeber im Land und zählt neben dem Automobilsektor, der Grundstoffindustrie, der Bau- und Immobilienwirtschaft sowie der Pharmaindustrie zu den Schlüsselbranchen Deutschlands. Wegen der wirtschaftlichen Talfahrt und der hohen Produktionskosten hatten im zweiten Halbjahr des vergangenen Jahres mehrere deutsche Unternehmen einen massiven Stellenabbau angekündigt, darunter ZF, Continental, VW, ThyssenKrupp, SAP, Robert Bosch und die Deutsche Bank.

Enzo Weber, Leiter Prognosen und gesamtwirtschaftliche Analysen am Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), verweist darauf, dass die deutschen Unternehmen mit Blick auf einen zukünftigen Aufschwung und den Transformationsprozess der Wirtschaft zur Klimaneutralität im eigenen Interesse Fachkräfte nicht mit einem „Goldenen Handschlag“ abbauen sollten. „Das wäre ein Fehler. Technisch gut qualifizierte Leute sind knapp und werden es bleiben. Scheiden sie aus dem Berufsleben aus, fehlen sie beim Umbau der Wirtschaft und reißen eine Lücke, die nur noch schwer zu schließen ist“, sagt Weber.

Wie schwierig es derzeit ist, Fachkräfte zu gewinnen, zeigen unter anderem Umfragen des VDMA, der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) sowie eine aktuelle Studie des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) zur Logistik. Bei den Maschinen- und Anlagenbauern konnten 2024 nur zwei von drei Betrieben offene Fachkräftestellen besetzen. Bei der DIHK-Erhebung gaben von 23.000 befragten Firmen an, dass 43 Prozent der offenen Stellen zumindest teilweise nicht besetzt werden konnten. Das IW rechnete aus, dass zwischen Juli 2023 und Juni 2024 in Verkehrs- und Logistikberufen für 26,9 Prozent der offenen Stellen keine passenden Mitarbeiter zu finden waren. Und allein im MINT-Bereich fehlen nach den Berechnungen der Kölner bundesweit derzeit mehr als 200.000 Fachkräfte.

Laut Arbeitsmarktexperte Weber wird Deutschland in den kommenden 15 Jahren rein wegen der Alterung sieben Millionen Arbeitskräfte verlieren, wenn es keinen Ausgleich gibt. Bei den Maschinen- und Anlagenbauern ist jeder vierte Beschäftigte derzeit 55 Jahre und älter. Die nachwachsende Generation, so Weber, stelle schon jetzt pro Jahr gut 400 000 Arbeitskräfte weniger als in die Rente ausschieden. Gleichzeitig versiege perspektivisch die Zuwanderung aus Europa, da auch die Länder der EU im gleichen Maße wie in Deutschland altern. „ Seit 2010 ist die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten Ausländer in Deutschland um vier Millionen gestiegen. Hätte es diese massive Zuwanderung in Jobs nicht gegeben, wäre die Erwerbstätigkeit längst geschrumpft“, sagt Weber.

Weber als auch Kawlath fordern von der neuen Bundesregierung einfachere und effizientere Anwerbungsmethoden. Der Arbeitsmarktforscher empfiehlt digitalisierte Zuwanderungsprozesse, um bürokratische Hemmnisse abzubauen und schlägt zudem vor, Netzwerke mit Rückkehrern aus Deutschland und deutschen Institutionen in den Drittstaaten aufzubauen. Der VDMA-Präsident spricht sich dafür aus, das Zeitarbeitsverbot bei der Einwanderung abzuschaffen und die Anerkennung der ausländischen Abschlüsse zu erleichtern.

Zum 21. November 2024 verzeichnete die Bundesagentur für Arbeit (BA) deutschlandweit 961.377 offene Stellen. Darunter waren zuletzt 555.240 Stellen (dies entspricht 57,8 Prozent) auf dem EURES Portal veröffentlicht, die somit für Bewerberinnen und Bewerber aus dem Ausland zur Verfügung stehen.

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Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025

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