CEO.Talk
Erscheinungsdatum: 07. Februar 2025

Warum braucht Hensoldt Fachkräfte aus der Autoindustrie, Herr Immisch?

Von Kristián Kudela

Die deutsche Rüstungsindustrie baut seit dem Ausbruch des Kriegs in der Ukraine Produktionskapazitäten auf. Gesucht sind vor allem qualifizierte Fachkräfte und Ingenieure. Beschäftigte aus der Automobilindustrie sind deshalb begehrt. Darüber sprach CEO.Table mit Hensoldt-Vorstand und CHRO Lars Immisch.

Herr Immisch,Sie sind derzeit in Gesprächen mit der Continental AG und der Robert Bosch GmbH, um bis zu 200 Mitarbeiter zu übernehmen. Suchen Sie gezielt in der Autobranche nach Fachkräften?

Fachkräfte in der Automobilindustrie sind gut ausgebildet. Erfahrene Ingenieure und Facharbeiter sind sowohl im mechanischen als auch im elektronischen Bereich in beiden Branchen zu finden. Die Kompetenzen sind also durchaus vergleichbar. Nach einer relativ kurzen Einarbeitungszeit sind die Ingenieure und Fachkräfte bei uns einsetzbar. Bei Conti konnten wir noch einen weiteren Effekt nutzen: Wir können nach der Werksschließung in Wetzlar ganze oder Teile von Teams übernehmen. Das verkürzt die Einarbeitungszeit noch einmal enorm. Ein weiterer Aspekt ist, wenn man so will, ein politischer: Wir bekennen uns zu unserer Verantwortung in der Region Wetzlar, aber auch im Großraum Stuttgart und Ulm in Baden-Württemberg. Dort wollen wir Arbeitsplätze sichern und wichtige Kompetenzen in Deutschland erhalten.

Stellen Sie mehr Produktionskräfte oder Ingenieure ein?

Beides. Wir gehen davon aus, dass die Verteidigungsausgaben in Deutschland und den Nato-Staaten auf mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen – perspektivisch auch darüber hinaus. Damit wird auch die Auftragslage bei Hensoldt über die Effekte des Sondervermögens von 100 Milliarden Euro hinaus weiter wachsen.

Der Schwerpunkt liegt bei uns aber eindeutig bei den FuE-Leistungen. Wir sind ein Hightech-Unternehmen und müssen in unserer Sensortechnik und im Optronik-Bereich weiter Maßstäbe setzen, zumal wir mit vielen unserer Produkte an der Schwelle zur weiteren Digitalisierung stehen. Um diesen Hochlauf zu garantieren, brauchen wir gute Ingenieure, die auch Erfahrungen in der Serienfertigung haben. Der Automobilsektor hat das zu bieten.

Serienfertigung? Warum ist das so wichtig?

Die Verteidigungsindustrie in Deutschland ist durch geringe Stückzahlen nach Ende des Kalten Krieges zum Manufakturgeschäft geworden. Das ändert sich jetzt, weil sich auch die Bedrohungsszenarien mit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine geändert haben. Wir fahren jetzt die Produktionsmengen deutlich hoch. Wenn wir früher vielleicht 50 Laserentfernungsmesser im Jahr gebaut haben, müssen wir heute 1.000 fertigen. Das erfordert eine Umstellung der Arbeitsprozesse. Wer eine Produktion in einer Fertigungsstraße kennt, kann seine Erfahrungen bei uns sehr gut einbringen. Dieses Know-how können wir gebrauchen.

Wir haben bereits von dem Zwei-Prozent-Ziel gesprochen. Robert Habeck fordert als Kanzlerkandidat der Grünen jetzt sogar schon über 3,5 Prozent. Wenn damit mehr Bestellungen einhergehen, werden Sie aber erst Produktionskapazitäten aufbauen müssen. Können Sie dann die Nachfrage überhaupt befriedigen?

Ja, das können wir. Dafür brauchen wir aber Planungssicherheit über einen längeren Zeitraum und eine Vorlaufzeit für die Einstellung neuer Mitarbeiter und den Bau von Produktionsanlagen, um die Produktion hochzufahren. Ein gutes Beispiel für die Leistungsfähigkeit von Hensoldt ist das mobile Luftverteidigungsradar TRML 4D. Nach Ausbruch des Kriegs in der Ukraine haben wir es geschafft, die Produktion von drei auf 15 und künftig auf 20 im Jahr zu steigern. Das zeigt: Wir sind bereit, die neuen Herausforderungen zu bewältigen.

Nochmal nachgehakt zu den Fachkräften: Sie konnten bislang den Bedarf decken und werden dies auch in den kommenden Jahren schaffen?

Seit Ausbruch des Kriegs in der Ukraine haben wir unsere Belegschaft pro Jahr in einem vierstelligen Bereich gesteigert. Das ist uns gelungen, weil wir ein attraktiver Arbeitgeber sind. Und deswegen bin ich auch optimistisch für die Zukunft. Aber wir müssen uns insgesamt anstrengen. Wir müssen verstärkt ausbilden, Arbeitskräfte aus anderen Branchen integrieren und auch qualifizierte Kräfte aus dem Ausland anwerben. Ich bin mir sicher, dass dies Hensoldt gelingen wird.

Wie viele Mitarbeiter werden Sie 2025 einstellen?

Genau ist das schwer zu prognostizieren. Das hängt mit der Auftragsvergabe zusammen. Aber jetzt kann ich schon sagen, dass wir die 1.000-Marke überschreiten werden.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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