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Software zuerst, Hardware später – wie sich die Rüstungsindustrie neu erfindet

Die Rüstungsindustrie kehrt ihre Entwicklungslogik um: Software wird jetzt zuerst entwickelt, bevor die Hardware folgt. KI und digitale Fähigkeiten treiben den Wandel, während klassische Hersteller unter Druck geraten.

13. Dezember 2025
Amikam Norkin. Der frühere Kommandeur der israelischen Luftwaffe (2017–2022) ist ein enger Vertrauter der deutschen Luftwaffenführung und fungiert heute als Vermittler für die deutsch-israelische Sicherheitskooperation.

Aufstrebende Verteidigungsunternehmen drehen ihre Entwicklungslogik um. „Unternehmen entwickeln heute die Software und produzieren dann die Hardware“, beschreibt Amikam Norkin, ehemaliger Kommandeur der israelischen Luftwaffe und heute Investor, den fundamentalen Wandel der Branche im Gespräch mit Table.Briefings. Das US-Start-up Anduril sei als Software-Unternehmen gestartet und habe deshalb gegen Lockheed Martin und Boeing einen Auftrag für unbemannte Kampfdrohnen gewonnen. „Künstliche Intelligenz und digitale Fähigkeiten treiben die Industrie, klassische Hardware-Hersteller geraten unter Druck.“

Deutsche Start-ups scheitern am Scaling – genau dort, wo hiesige Industriekonzerne glänzen. Norkin sieht eine komplementäre Stärkenverteilung – auch zwischen Israel und Deutschland. „Die Israelis sind gut in Innovation. Aber eine kleine Firma zu einem Konzern zu machen – da haben wir weniger Wissen“, sagt er. Deutschland verfüge über genau diese industrielle Kompetenz, das Wissen, wie man Industrie aufbaut. Israelische Start-ups suchten internationale Partner für den Sprung vom Prototyp zur Massenproduktion.

Nach Jahren der Zurückhaltung interessieren sich Investoren verstärkt für den Defense-Markt. Die geopolitische Lage und massive Budgeterhöhungen in Deutschland, Japan, Indien und den USA ziehen Kapital in den Verteidigungssektor. „Die Investoren riechen die Veränderung“, sagt Norkin. Regierungen änderten ihre Prozesse und suchten gezielt nach neuen Technologien – schneller und günstiger. Für Start-ups ergebe sich eine hervorragende Gelegenheit. „Man sieht jetzt mehr und mehr Fonds weltweit, die über Defense sprechen.“ Der Markt, der lange gemieden wurde, ist plötzlich attraktiv (siehe Grafik).

So stark stiegen die Investitionen in Rüstungsstartups 2025 an – zur Darstellung von Grafiken und Karten aktivieren Sie bitte den Bilderdownload in den Einstellungen oberhalb dieses Briefings.

Der deutsche Markt sei zu komfortabel für Start-ups. Deutsche Gründer hätten einen Heimvorteil, der später zum Nachteil werden könne, beobachtet Norkin. „Der lokale Markt ist groß, man hat gute und breite Möglichkeiten im ersten Schritt.“ Israelische Start-ups müssten automatisch international denken, weil der Heimatmarkt winzig sei. Nach dem Combat Proof durch die israelischen Streitkräfte zielten sie sofort auf die USA, Singapur, Indien. Deutsche Unternehmen müssten von Anfang an strategisch planen, wie sie international wachsen – statt einzig auf deutsche Souveränitätsbestrebungen zu setzen.

Das wachsende Militärsegment Space erfordert geduldiges Kapital – zehn bis 15 Jahre statt fünf. Als Investor warnt Norkin vor falschen Erwartungen im Weltraumsektor. „Man kann keinen Space-Fonds für fünf Jahre auflegen“, sagt er klar. Die Timeline sei deutlich länger als in anderen Tech-Bereichen. Bei zivilen Weltraumlösungen sehe er zu wenig Entwicklung, im militärischen Bereich dagegen mehr Fortschritt. Space werde zur Schlüsseldomäne, aber die Investitionszyklen blieben lang.

Dual-Use bleibt Theorie für die meisten Start-ups. Grundsätzlich sei Dual-Use der richtige Ansatz, räumt Norkin ein. „Aber kleine Unternehmen können nicht zwei Produkte parallel managen.“ Seine klare Empfehlung an Gründer und CEOs, deren Firmen neu in den Defence-Markt eintreten: Die Entscheidung am Anfang treffen, fokussieren. Der zivile Markt sei größer, aber die regulatorischen Hürden im Verteidigungsbereich niedriger. „Wenn man über Europa fliegen will, braucht man eine Lizenz. Über dem Schlachtfeld nicht.“ Erst nach der Marktdurchdringung im ersten Segment sollten Start-ups das zweite angehen.

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Letzte Aktualisierung: 13. Dezember 2025