Hensoldt-CEO Oliver Dörre erwartet von der Strafzollpolitik von US-Präsident Donald Trump keine negativen Auswirkungen für den deutschen Radar- und Sensorspezialisten. Die Verflechtungen und gegenseitigen Abhängigkeiten der Rüstungsindustrien in Europa und Übersee seien dafür viel zu groß, sagte der Vorstandsvorsitzende im Gespräch mit dem CEO.Table.
So würde Hensoldt etwa Laserentfernungsmesser für den Abrams-Kampfpanzer nach Übersee liefern. Mit den US-amerikanischen Rüstungskonzernen Boeing oder Raytheon arbeite der MDax-Konzern sehr eng zusammen. Und mit Lockheed Martin habe Hensoldt erst im vergangenen Jahr ein Kooperationsabkommen geschlossen. „Und viele US-Waffensysteme sind für die Bundeswehr alternativlos. Deswegen gehe ich nicht davon aus, dass wir wie bei den Konsumgütern von Zöllen betroffen sein werden“, sagte Dörre weiter. Zudem erwartet der Vorstandsvorsitzende keine Lieferengpässe, da sich das bayerische Unternehmen in den vergangenen Jahren robust aufgestellt und die Lieferanten diversifiziert habe und über eine hohe Fertigungstiefe verfüge.
Für Großaufträge der Bundeswehr und anderer europäischer Streitkräfte sieht sich Hensoldt gut aufgestellt. Schon mit dem Beginn des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine habe das Management entschieden, in den Aufbau neuer Produktionskapazitäten zu investieren. „Wir sind gerüstet. Der neue Bundesverteidigungsminister ist jetzt am Zug. Wir können die Aufträge zeitnah abarbeiten“, sagte Dörre.
In den letzten drei Jahren hat Hensoldt rund eine Milliarde Euro für Investitionen in die Hand genommen. Gut eine halbe Milliarde Euro ist davon in die Digitalisierung und Vernetzung der Produkte geflossen und 250 Millionen Euro in die Absicherung der Lieferketten. Im Sommer nimmt das neue Werk in Oberkochen seine Arbeit auf, wo optronische Systeme vor allem für das Heer und die Marine hergestellt werden.
Dörre verwies zudem darauf, dass der Konzern auch die Kapazitäten für das Luftverteidigungsradar TRML-4D seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs massiv hochgefahren habe. Die Produktionsmenge sei von drei auf heute 15 Systeme pro Jahr gesteigert worden. Die Reservekapazität betrage rund 50 Prozent. Inzwischen gebe es aber bereits Überlegungen, eine zweite Fertigungslinie aufzubauen. Nach Schätzungen des Konzerns braucht Europa für eine lückenlose Luftraumüberwachung 100 TRML-4D. Das System ist in der Lage, die schnelle Erkennung und Verfolgung von etwa 1.500 Zielen in einem Radius von bis zu 250 Kilometern zu erkennen – von Drohnen über Marschflugkörper bis hin zu Kampfjets.
Dörre strebt bei der Konsolidierung des zersplitterten europäischen Rüstungssektors Kooperationen an, wenn dadurch Synergien gehoben werden. Zusammenschlüsse ergeben für ihn nur Sinn, wenn die Leistungsfähigkeit beider Unternehmen auf dem gleichen Niveau liege. Hensoldt: „Ein Zusammenschluss hat auch Nachteile. Die Integration zweier Unternehmen bindet Kräfte und Ressourcen. Wir brauchen aber angesichts der russischen Bedrohung jetzt eine leistungsfähige Rüstungsindustrie.“
Hensoldt rechnet 2025 mit einem Anstieg der Umsätze. Der Korridor dafür liegt laut dem Unternehmen zwischen 2,5 bis 2,6 Milliarden Euro. 2024 erzielte Hensoldt einen Umsatz von 2,24 Milliarden Euro. Bis 2030 will der MDax-Konzern die Erlöse auf mindestens fünf Milliarden Euro im Jahr steigern. Nach der Übernahme der ESG-Gruppe arbeiten bei Hensoldt circa 9.000 Beschäftigte.
Das ganze Interview mit Oliver Dörre können Sie unter dem Link abrufen.