Von Thilo Boss
Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) ist die Förderbank des Bunds. CEO.Table sprach mit dem KfW-Vorstandsvorsitzenden Stefan Wintels über Förderziele, die Umsetzung von Infrastrukturprojekten und wie Deutschland wieder im Wettbewerb mit den USA zu einem attraktiven Investitionsstandort werden kann.
Herr Wintels, in der vergangenen Woche haben Sie angekündigt, dass die KfW den Wirtschaftsstandort Deutschland fördern und die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands stärken will. Ist das eine Kurskorrektur mit Blick auf die Rezession, in der das Land nun schon im dritten Jahr feststeckt?
Nein, das haben wir schon in der Vergangenheit gemacht, seit Gründung der Kreditanstalt für Wiederaufbau vor über 75 Jahren. Insofern lag meine Betonung auch auf „verstärkt“. Aber warum tun wir das? Die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands hat seit 2014 enorm abgenommen. Im IMD World Competitiveness Ranking lag Deutschland im Jahr 2014 auf Platz 6 – heute sind wir auf Platz 24. Das ist keine Position, aus der wir heraus Zukunft gestalten können. Der KfW geht es im Kern darum, dass wir mit den Mitteln einer Förderbank dazu beitragen, diese Zukunftsfähigkeit des Landes zu stärken.
Wie kann das gelingen?
Wir brauchen vor allem Wachstum. Ich möchte das anhand einer Zahl verdeutlichen. Seit 2019 sind die USA um rund zwölf Prozent gewachsen, Deutschland weniger als ein Prozent. Wäre die deutsche Volkswirtschaft nur um die Hälfte so stark gewachsen wie die USA, wären – ceteris paribus – im letzten Jahr die Steuereinnahmen um fast 50 Milliarden Euro höher gewesen. Mit diesem Geld hätten wir zusätzlich einen Teil unserer Infrastruktur modernisieren, das Bildungswesen ausbauen und Innovation fördern können. Wachstum und damit verbundene Steuereinnahmen sind Voraussetzung, um Zukunftsinvestitionen zu tätigen.
Aber Sie können ja nicht mit der Gießkanne in der Breite fördern. Wo setzen Sie Schwerpunkte? In der Transformation des Energiesystems, in der Digitalisierung, in der KI-Förderung, bei der Mittelstandförderung oder beim Häuslebau? Die Liste könnte problemlos fortgeschrieben werden.
Auch die KfW kann keine Initialzündung geben, salopp formuliert. Es wäre schön, wenn wir diese Fähigkeit hätten. Wir müssen Felder identifizieren, wo die meisten Investitionen getätigt und benötigt werden. Dazu zählen sicherlich die Transformation des Energiesystems und die Digitalisierung sowie die Förderung des Mittelstands und innovativer junger Unternehmen. Beispiel Infrastruktur: Nach unseren Schätzungen kann die öffentliche Hand etwa zehn Prozent der notwendigen Investitionen von fünf Billionen Euro bis 2045 stemmen, rund 90 Prozent müssen von privaten Investoren kommen. Insofern wird es jetzt insbesondere darauf ankommen, dass wir privates Kapital in erheblichem Umfang mobilisieren.
Stellt sich die Frage, wie Sie Investoren überzeugen können?
Zunächst einmal müssen die Rahmenbedingungen stimmen – dazu zählen zum Beispiel weniger Bürokratie, ein gutes Fachkräfteangebot und eine wettbewerbsfähige Steuerlast. Inzwischen gehen vier von fünf Euro an neuen Investitionen ins Ausland.
Als KfW können wir Investoren, Finanzwirtschaft und Politik zusammenbringen und haben das im letzten Jahr – zusammen mit der Deutschen Bank – bei der ersten Investorenkonferenz in Frankfurt für die Energiewende auch getan.
Mit zinsverbilligten Krediten aus Haushaltsmitteln unterstützen wir Unternehmen aktuell bei Vorhaben im Bereich Digitalisierung und Innovation. Ganz neu ist, dass wir das Angebot um einen Zuschuss aus Eigenmitteln aufgestockt haben. Aber das ist nur ein Beispiel aus unserem Förderangebot.
Zudem beteiligen wir uns an Public-Private-Partnerships, die zwingend notwendig sind, um die Modernisierung der Infrastruktur voranzutreiben. Hier sollten wir mutiger sein und zusammen mit institutionellen Investoren darüber nachdenken, wie wir die Aufgaben lösen können. Unsere Beteiligung an zwei Netzbetreibern ist ein gutes Beispiel dafür. Davon profitieren im Übrigen auch die Beschäftigten.
Wie meinen Sie das?
Beteiligungsgewinne aus Infrastrukturprojekten können zur Dynamisierung der Rente beitragen. Und Anleihen, die wir ausgeben, sind interessant für Privatanleger. In Kanada und den Niederlanden wird das bereits gemacht. Wenn wir es schaffen, das private Geldvermögen in Deutschland mit einem Volumen von über 8.000 Milliarden Euro teilweise zu mobilisieren, können wir Finanzierungslücken schließen – die Angebote müssen aber attraktiv sein für die Bürgerinnen und Bürger.
Stichwort Finanzierungslücken. Sie wollen einen Großteil ihrer Mittel auf dem Kapitalmarkt aufnehmen. Werden dadurch die Konditionen für die KfW-Kredite schlechter?
Wir haben das große Privileg, dass wir uns als Bank mit AAA-Rating wie die Bundesrepublik Deutschland refinanzieren können. Wir zahlen nur einen kleinen Aufschlag, der sogar unter anderen AAA-Emittenten wie einer EIB oder auch der EU-Kommission liegt. Das ist unser großer Vorteil. Wir refinanzieren uns nicht über Spareinlagen, sondern ausschließlich am Kapitalmarkt, und haben mittlerweile über 450 Milliarden Euro Gegenwert emittiert. In diesem Jahr gehen wir davon aus, dass wir etwa 65 bis 70 Milliarden Euro aufnehmen. Kurzfristig haben wir zudem auf dem Geldmarkt noch die Möglichkeit, erhebliche Beträge zu mobilisieren, wobei uns das Eigenkapital von fast 40 Milliarden Euro zugutekommt. Liquidität ist also grundsätzlich nicht unser Engpass.
Für die Infrastrukturprojekte werden Sie aber nur Investoren finden, wenn auch die Rendite stimmt. Können Sie das gewährleisten?
Das ist nicht unsere Aufgabe. Als KfW sind wir selbst Investor und wir finanzieren Investitionen. Wir können zum Beispiel als Anker-Investor eine gewisse Sicherheit geben. Und wenn wir eine Anleihe begeben, weiß jeder, was er bekommt. Schon heute sind wir einer der größten weltweiten Emittenten von grünen Anleihen, sogenannten Green Bonds, und haben mittlerweile über 80 Milliarden Euro am Kapitalmarkt ausstehen. 2025 werden wir wieder etwa zehn Milliarden Euro emittieren.
Warum sind die Investoren dann aber so zurückhaltend?
Auf meinen Auslandsreisen stelle ich zwar eine große Skepsis fest, ob es uns hierzulande gelingt, die Rahmenbedingungen deutlich zu verbessern. Aber gleichzeitig spüre ich auch eine Sehnsucht nach dem sicheren und bewährten Standort Deutschland. Viele institutionelle Investoren sind in den USA überinvestiert. Der Kapitalzufluss in die Vereinigten Staaten ist überproportional hoch. Das ist unsere Chance, mit besseren Rahmenbedingungen Kapital für mehr Wachstum für Deutschland zu gewinnen.
Dies muss insbesondere für langfristige Investitionen in Infrastrukturprojekte gelten. Diese sind stark von regulatorischen und steuerlichen Rahmenbedingungen geprägt. Jeder Infrastrukturinvestor schaut sich das Cashflow-Profil über diesen langen Zeitraum an und möchte möglichst schnell ein Payback.
Nochmal kurz zusammengefasst, wo müssen wir besser werden, damit wieder mehr Kapital nach Deutschland fließt?
Wir müssen langfristig verlässliche Rahmenbedingungen bieten. Es ist daher wichtig, dass auch die Politik dazu in einem regelmäßigen Dialog mit Investoren steht. Das sogenannte Risiko-Rendite-Profil muss stimmen. Infrastrukturinvestitionen in Deutschland sind nicht risikolos. Man bepreist sie zwar mit einer geringeren Risikoprämie als in einem Schwellen- oder Entwicklungsland und auch in vielen anderen EU-Staaten. Aber gleichwohl gibt es eine Risikoprämie. Die Aufgabe der Politik muss es daher sein, dass diese Prämie so gering wie möglich ist, um das Risiko abzusenken. Deswegen sind auch stabile, demokratische Verhältnisse in unserem Land so wichtig, weil sie für langfristige Verlässlichkeit stehen.
Sie sprechen in Bezug auf Deutschland von Verlässlichkeit und einem überproportionalen Kapitalzufluss in die USA. Mit US-Präsident Donald Trump und seinen unberechenbaren Vorstößen dürfte die Attraktivität Deutschlands für Investitionen steigen. Oder?
Die Entkopplung der USA von Europa hat nicht erst mit Donald Trump begonnen, sondern schon deutlich früher. Aus meiner Sicht schon seit der Finanzkrise. Das hat vier wesentliche Gründe. Erstens: die technologische Entkopplung. Die technologische Dominanz und die daraus resultierenden Abhängigkeit von den USA ist fast schon erdrückend. Zweitens: der US-Kapitalmarkt ist seit der Finanzkrise deutlich stärker gewachsen als der europäische Kapitalmarkt und hat heute eine Bedeutung, die er Anfang der 1990er-Jahre noch nicht hatte. Drittens: Bürokratie. Sie ist in den USA wesentlich geringer als in Europa und bestimmt maßgeblich die Rahmenbedingungen, in denen Unternehmen investieren. Und viertens Wirtschaftspolitik: Sie ist in den USA zunehmen protektionistisch und versucht, die USA wieder zu reindustrialisieren.
In dieser Gemengelage wird es aus meiner Sicht jetzt darauf ankommen, dass sich Deutschland auf seine Stärken konzentriert. Wir haben in vielen Feldern, von Forschung und Entwicklung bis zu vielen gut ausgebildeten Fachkräften – Wettbewerbsvorteile. Diese müssen wir nutzen. Wenn wir zudem mit aller Kraft den europäischen Binnenmarkt vollenden, werden wir den Grundstein legen, dass das Kapital zurück in die EU und damit auch nach Deutschland fließt.
Der gebürtige Nordhorner Stefan Wintels steht seit November 2021 an der Spitze der KfW. Er studierte Betriebswirtschaft an der TU Berlin und der University of Illinois. Wintels arbeitete u.a. in Führungspositionen der Deutschen Bank und der Citygroup, unter anderem als deren Deutschland-Chef.