Investitionsbooster, Förderprogramme und Absichtserklärungen können nur der erste Schritt sein, um Deutschland im internationalen Wettbewerb besser zu positionieren. Die eigentliche Aufgabe der Politik sei es, stabile Rahmenbedingungen zu schaffen. „Es liegt aber an der Privatwirtschaft, Innovationen wirklich in den Markt zu bringen“, sagt Mark Miller, Managing Partner und Gründer der M&A-Beratung Carlsquare, zu Table.Briefings.
Die von der Bundesregierung ausgewählten Zukunftsfelder hält er zwar für richtig. „Genau das sind die Felder, in denen die Karten gerade neu gemischt werden.“ Hier könnten in den nächsten Jahren neue Champions entstehen. Doch er sieht eine entscheidende Lücke: Große deutsche Konzerne zögern, mit hochinnovativen Start-ups zu kooperieren. Anders als internationale Schwergewichte wie IBM oder Samsung. Millers Sorge ist konkret: „Wenn unsere jungen Technologiefirmen erfolgreich werden, haben wir in Deutschland nicht genug Käufer.“ Das wertvolle Know-how droht bei einem Verkauf ins Ausland abzuwandern. Der entscheidende „Multiplikationseffekt“, bei dem erfolgreiche Gründungen wiederum in neue Start-ups investieren, müsse im Land gehalten werden.
Ein Treiber kommt aus einer anderen Ecke: dem Verteidigungssektor. Die stark gestiegenen Budgets schaffen neue Möglichkeiten. Miller sieht darin eine Chance, „endlich wieder große, international wettbewerbsfähige Plattform-Unternehmen in Deutschland aufzubauen“. Er verweist auf Drohnenfirmen wie Quantum Systems, die durch neue Anforderungen enormes Wissen im Bereich KI aufbauen. Solche Firmen könnten wachsen, an die Börse gehen und selbst zu Käufern werden.
Trotz der angespannten wirtschaftlichen Lage in Deutschland und internen Hürden wie etwa die ausufernde Bürokratie ist das Interesse aus dem Ausland ungebrochen. Investoren suchen weltweit nach technologischen Clustern, sagt Miller, und Deutschland gilt als sicher und verlässlich. „Dieses ‚Boring is the new Sexy‘ spielt uns hier in die Karten“, analysiert der M&A-Experte. Für einen US-amerikanischen Investor sei ein Investment hier mindestens so attraktiv wie in den USA, beim Zugang zu Talenten vielleicht sogar besser. Der Fokus bei einem Zukauf sei dabei klar die Substanz. „Der Hauptgrund ist die Technologie.“ Der Zugang zum europäischen Markt spiele eine untergeordnete Rolle.
“Ich erwarte im Herbst und im kommenden Frühling ein sehr lebendiges IPO-Umfeld.”
Doch die US-Zölle treffen die deutsche Exportwirtschaft empfindlich. Miller warnt vor Passivität. „Die aktuellen Zölle tun genug weh, um deutsche Firmen zu schwächen.“ Er bringt eine unkonventionelle Gegenmaßnahme ins Spiel: Zölle auf die Dienstleistungen US-amerikanischer Tech-Giganten in Europa. Zwar seien Zölle „ökonomisch nicht ideal“, doch die aktuelle Situation, in der vor allem Deutschland die Nachteile trage, könne „auch keine Dauerlösung sein“.
Nach unsicheren Jahren spürt Miller seit dem Frühjahr wieder eine Aufbruchstimmung am Transaktionsmarkt. Insbesondere der Software-Bereich zeige „extrem viel Bewegung“. Für den Herbst erwartet er zudem ein „sehr lebendiges IPO-Umfeld“. Kapital sei ausreichend vorhanden.
Am Ende, so Miller, gehe es jedoch um mehr als nur um Kapital und Technologie. Der entscheidende Hebel liege in der Mentalität. „Was uns oft fehlt, ist der Glaube an die eigene Kraft.“ Es brauche mehr Mut, Firmen konsequent wachsen zu lassen. Die Grundlagen seien vorhanden. Jetzt gehe es darum, die Ärmel hochzukrempeln und „wieder stärker zu einem Gründerland werden“.
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