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Erscheinungsdatum: 10. Januar 2025

Wie Birkenstock mit juristischer Finesse innovative Produkte schützen will

Von Anouk Schlung und Kristián Kudela

Um die Innovation hinter seinen Produkten zu schützen, geht das Schuhunternehmen Birkenstock einen neuen Schritt: Vor Gericht will die Firma erwirken, dass ihre Modelle „Arizona“ und „Gizeh“ als „Werke der angewandten Kunst" zählen, um so das Urheberrecht zu erhalten. Ziel ist, sich auf diese Weise vor Nachahmern zu schützen. Das Urheberrecht gilt bis zu 70 Jahre nach Tod des Erfinders – die zwei Modelle wären also auf lange Zeit geschützt.

Die Klagen von Birkenstock gegen drei Konkurrenten gingen bereits durch zwei Instanzen – mit unterschiedlichem Ausgang. Während das Landgericht Köln Birkenstock recht gab, entschied das Oberlandesgericht für die Gegenparteien. Nun liegt der Fall vorm Bundesgerichtshof (BGH), dessen erster Zivilsenat dazu am Donnerstag verhandelte. Die Entscheidung wird der BGH am 20. Februar 2025 verkünden.

Diese Fragen betreffen nicht nur Birkenstock: In den USA wird derzeit eine hitzige Debatte über die „ Walmart Birkin Bag “ geführt, ein günstiges Dupe der Hermès Birkin, die mit ihrem Preis von nur 78 Dollar für Aufruhr gesorgt hat. Hermès schützt die ikonische Birkin-Tasche durch eingetragene Marken und Geschmacksmuster (Design Patents in den USA), die Form und Gestaltung vor Nachahmung sichern sollen.

Die „Wirkin“, ein stilistisch ähnliches, jedoch nicht identisches Produkt, bewegt sich in einer rechtlichen Grauzone. Der Fall wirft grundsätzliche Fragen über den Umfang des Markenschutzes auf, insbesondere in Bezug auf die sogenannte „trade dress“-Doktrin, die das Gesamterscheinungsbild eines Produkts schützt. In diesem Zusammenhang sagt Adam Cohen, Partner bei der New Yorker Anwaltskanzlei Kane Kessler, dass „das US-Urheberrecht Gebrauchsgegenstände wie Schuhe nicht schützt, aber abtrennbare Elemente der Gebrauchsgegenstände schützen kann, wenn sie als eigenständige Kunstwerke wahrgenommen werden können".

Alli Elmunzer, Markenanwältin aus South Carolina und Gründerin von Influencer Legal, beschreibt die Situation mit Birkenstock als komplex. Deshalb könnte das Urteil zu einem „ gefährlichen Präzedenzfall führen, bei dem große Modemarken gängige Designmerkmale in stark verwässerten Märkten monopolisieren “.

Urheberrechtsprozesse sind meist von grundsätzlichen, nicht leicht zu klärenden Fragen gesäumt: Was ist Kunst? Und wo beginnt Nachahmung? Sebastian Creutz, Rechtsanwalt bei der Berliner Kanzlei Hertin Partner, zufolge ist der Ausgang des Birkenstock-Verfahrens deshalb so unvorhersehbar: „Das Urheberrecht schützt auch Werke von nur geringem schöpferischem Wert. Dennoch muss es sich um eine persönliche geistige Schöpfung handeln. Hier wird es weiter auf den Einzelfall ankommen.“

Marc Steinmayer, Rechtsanwalt bei der Berliner Kanzlei Hildebrandt erklärt: „Mit der Frage, was als Werk zählt, hat sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) bereits mehrfach beschäftigt – aktuell auch in einem ganz ähnlichen Verfahren, um einen europaweit einheitlichen Begriff zu schaffen.“

Die Schuhe könnten ihm zufolge zwar als Werk der angewandten Kunst gelten – „ob der BGH dies entscheiden wird, ist allerdings schwer vorauszusagen. Ich vermute eher, dass dieser Fall zunächst als Vorabentscheidungsverfahren an den EuGH und dann wieder zurück an den BGH gereicht werden wird.“

Je nachdem, wie der Prozess ausgeht, wird sich die Frage stellen, ob das Urteil einen Präzedenzfall schafft. Sollte er für Birkenstock erfolgreich ausgehen, „wäre das eine Stärkung des Urheberrechts und möglicherweise auch ein Anreiz für andere Rechteinhaber, ihre Rechte durchzusetzen”, sagt Steinmayer. „Der Werkbegriff und seine Anwendung in der Praxis werden aber komplex bleiben und es werden sich auch in Zukunft noch in vielen weiteren Einzelfällen offene Abgrenzungsfragen stellen.“

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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