Executive Summary
Erscheinungsdatum: 09. Mai 2025

Lohnnebenkosten-Explosion belastet Unternehmen

Auf deutsche Unternehmen rollen stark steigende Lohnnebenkosten zu. „Bereits nächstes Jahr ist mit einem erneuten Anstieg der Beitragssätze von Kranken- und Pflegeversicherung zu rechnen. 2027 oder spätestens im Folgejahr steigen dann die Rentenbeiträge sprunghaft an. Schon 2028 könnte die Summe der Sozialversicherungsbeiträge auf 44 Prozent zugehen“, sagte der Wirtschaftsweise Martin Werding dem CEO.Table (siehe Interview). Bislang sind Experten davon ausgegangenen, dass die Beiträge zur Sozialversicherung ohne Gegenmaßnahmen frühestens 2030 die 45-Prozent-Marke erreichen.

In dem von Union und SPD beschlossenen Koalitionsvertrag ist diesmal kein Zielkorridor festgeschrieben. Zur Senkung der Sozialversicherungsleistungen sollen Expertenkommissionen einberufen werden, die Reformvorschläge vorlegen. Die Sozialabgaben sind in den vergangenen Monaten von durchschnittlich 40,9 auf etwa 42 Prozent geklettert. Damit liegen sie inzwischen auf einem Niveau, das zuletzt in den Jahren 2005 und 2006 mit 41,9 Prozent erreicht worden war. Gut 21 Prozent des Bruttolohns entfallen auf die gesetzlich geregelten Lohnnebenkosten. Zum Vergleich: In den USA sind es etwa rund zehn Prozent.

Die Arbeitgeber fordern von der neuen Bundesregierung, die Lohnnebenkosten zu deckeln. Die Beitragshöhe, die vorwiegend durch Sozialleistungen (Rente, Kranken-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung) bestimmt wird, sollten bei unter 40 Prozent des Bruttolohns liegen. Die Ampel-Regierung unter Bundeskanzler Olaf Scholz sowie die Koalitionen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel an der Spitze wollten den Anteil auf 40 Prozent stabilisieren. „Das ist eine Größenordnung, die wir auch in dieser Legislaturperiode anstreben müssen, um den Standort Deutschland international konkurrenzfähig zu halten. Je geringer, desto besser für Unternehmen — und auch für die Beschäftigten. Angesichts der demografischen Entwicklung und der schlechten Wirtschaftslage, wird es enorme Kraftanstrengungen brauchen, die Sozialversicherungsbeiträge zu senken“, sagt CDU-Finanzexperte Fritz Güntzler.

„Ohne eine Reform der sozialen Sicherungssysteme wird es nicht gehen — es muss eine Kernaufgabe der neuen Bundesregierung sein. Ansonsten wird eine Wettbewerbsunfähigkeit unseres Standorts zementiert, die für alle Branchen und für die Bürgerinnen und Bürger eine Katastrophe wäre. Kehren Industrieunternehmen unserem Land wegen zu hoher Produktionskosten den Rücken, wandern Wertschöpfung, Arbeitsplätze und Steuereinnahmen ab“, sagt Bauindustriepräsident und Strabag-Vorstand Peter Hübner. Die Präsidentin des Familienunternehmerverbands, Marie-Christine Ostermann, warnt, dass die steigenden Lohnzusatzkosten zu den größten Investitionshemmnissen in Familienunternehmen zählten. „Wenn die neue Regierung den Anstieg nicht stoppt, wird der wirtschaftliche Niedergang immer schneller“, so Ostermann.

Die Lage spitzt sich dramatisch zu. Das zeigen die Entwicklungen bei der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sowie der Rentenversicherung (RV), die zusammen mit der Pflegeversicherung die größten Kostentreiber sind. Laut der Techniker Krankenkasse (TK), mit bundesweit über zwölf Millionen Versicherten die größte gesetzliche Krankenkasse Deutschlands, fehlen der GKV mittlerweile jährlich mehr als neun Milliarden Euro. Dazu kommt, dass die Beiträge, die der Staat für die Bürgergeldempfänger zahlt, nicht kostendeckend sind. Die jährliche Lücke von bis zu zehn Milliarden Euro wird von den Beitragszahlern übernommen. Aus Sicht der TK ist zum kommenden Jahreswechsel mit einem durchschnittlichen Anstieg von 0,3 bis 0,5 Beitragssatzpunkten in der GKV zu rechnen.

„Die Beitragsspirale zu stoppen, muss für die neue Regierung oberste Priorität haben“, sagt der Vorsitzende des TK-Vorstands, Jens Baas, dem CEO.Table. Doch statt sich schnell um das Problem zu kümmern, schlage der Koalitionsvertrag nur eine Kommission vor, die bis Frühjahr 2027 Reformvorschläge unterbreiten soll. „Selbst wenn dann Gesetze auf den Weg gebracht werden, dauert es viel zu lange, bis die Beitragszahlenden davon profitieren“, so Baas weiter. Aus Sicht der TK braucht die GKV ein Sofortprogramm, um die enormen Ausgabensteigerungen zumindest etwas einzudämmen. Der Anteil der Krankenversicherung am Gesamtsozialversicherungsbeitrag beträgt aktuell etwa 40 Prozent.

Bei der Rentenversicherung wird für 2026 oder 2027 oder 2028 seit Längerem ein sprunghafter Anstieg des Beitragssatzes auf annähernd 20 Prozent erwarte t. Aus heutiger Sicht lässt der sich kaum noch abwenden. „Um den Anstieg der Rentenausgaben kurzfristig so zu dämpfen, dass der Beitragssatz konstant bleiben kann, müssten die Rentenanpassungen 2026 und 2027 entfallen. Dann würden die Renten nominal konstant bleiben, real jedoch sinken“, sagt Werding. Alternativ, so der Wirtschaftsweise weiter, müssten aus dem Bundeshaushalt 2027 oder 2028 zusätzliche 22 bis 23 Milliarden Euro für das Rentensystem locker gemacht werden. Der Anteil der Rentenversicherung an den gesamten Sozialversicherungsabgaben beträgt derzeit im Jahr 2025 18,6 Prozent.

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Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025

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