CEO.Economics
Erscheinungsdatum: 04. April 2025

Das müsste auch den Konservativen gefallen: eine moderne Erbschaftssteuer

Sozialdemokraten sollten diese Steuer lieben, da sie den Geist der Umverteilung versprüht. Und für Konservative, die ja für sich beanspruchen, wirtschaftsfreundlich zu sein, dürfte es keine bessere Steuer geben: die Erbschaftsteuer.

Die Budgets für zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur ebenso wie für das Gros der Verteidigungsausgaben hat der alte Bundestag noch per Grundgesetzänderung gesichert. Kein Geld scheint im Moment hingegen für substanzielle Senkungen der Einkommensteuer für Alle sowie der Körperschaftsteuer zur Verfügung zu stehen. Ich halte diese für unbedingt erforderlich, um die langfristigen Wachstumsaussichten zu stärken. Zur Finanzierung bietet sich nichts besser an als die Erbschaftsteuer. Denn sie erfüllt gleich drei Wünsche auf einmal.

Eine Erbschaftsteuer ist nicht leistungsfeindlich: Die Erbschaftsteuer stellt nicht, wie gerne behauptet, eine leistungsfeindliche Doppelbesteuerung dar. Denn besteuert werden in unserem System nicht Einkommen oder Vermögen, sondern immer Menschen. Durch eine Erbschaftsteuer wird aber kein Mensch zweimal besteuert: Der Erblasser hat zu Lebzeiten Einkommensteuer bezahlt, die Erbschaftsteuer zahlt nachher der Erbe. Deshalb entfaltet die Erbschaftsteuer auch keine negativen Anreize, sich zu Lebzeiten anzustrengen (außer für die Dynastie) und sein Einkommen und Vermögen zu mehren.

Eine Erbschaftsteuer stärkt den sozialen Zusammenhalt : Die Vermögensverteilung in Deutschland ist in den vergangenen Jahren vor allem wegen des Booms bei Grund und Boden sowie an den Aktienmärkten stark auseinandergedriftet. Das hat für ein weit verbreitetes Ungerechtigkeitsgefühl gesorgt. Es spricht manches dafür, große Vermögen stärker oder überhaupt zu besteuern. Die Erbschaftsteuer ist das Instrument der Wahl (nein, die Vermögensteuer ist es nicht!), um der Vermögenspreizung in Deutschland entgegenzuwirken, Vererbten Reichtum stärker zu besteuern und der Verfestigung ungleicher Vermögensverteilung über Generationen hinweg entgegenzuwirken, dürfte den sozialen Zusammenhalt stärken und eine politische Rendite für die Demokratie abwerfen. Das täte unserem Land sehr gut.

Die Einnahmen aus der Erbschaftsteuer wären ein Game Changer: Im Jahr 2023 beliefen sich die effektiven Einnahmen aus Erbschafts- und Schenkungssteuern auf gut neun Milliarden Euro. Offizielle Statistiken zum gesamten Erbschaftsvolumen gibt es nicht. Schätzungen gehen aber von einer Größenordnung von bis zu 400 Milliarden Euro pro Jahr aus – eine gigantische Summe. Und die Tendenz für die kommenden Jahre ist eher ansteigend, wenn die Nachkriegsgeneration zunehmend zu Erblassern wird.

Die jetzige Ausgestaltung der Erbschaftsteuer nutzt dieses Potenzial allerdings nicht: Hohe Freibeträge von bis zu 500.000 Euro, weitgehende Verschonung von vererbtem Betriebsvermögen (gemäß Subventionsbericht der Bundesregierung die größte aller Steuersubventionen), die Möglichkeit der Verschonungsbedarfsprüfung und hohe Steuersätze von bis zu 50 Prozent auf all das, was nicht verschont wird.

Das führt zu geringen Einnahmen und extrem hohe Belastungen für die wenigen, die tatsächlich Erbschaftsteuer zahlen. Die neue Koalition sollte die Erbschaftsteuer auf breitere Füße stellen. Dazu sollte eine moderne Erbschaftsteuer schon beim ersten vererbten Euro ansetzen und darauf einen moderaten Satz von fünf bis maximal zehn Prozent erheben. Gegebenenfalls kann die Steuerschuld gestreckt werden. Ein solche Steuerbelastung bringt kein gesundes Unternehmen und keinen Erben eines alten Bauernhauses am Tegernsee in finanzielle Schieflage. Über den Daumen: Bei einem Erbschaftsvolumen von 400 Mrd. Euro und einem Steuersatz von zehn Prozent kämen pro Jahr 40 Mrd. Euro zusammen. Damit kann man Erwerbstätige und Unternehmen in ihrer Ertragsbesteuerung entlasten.

Die neue Bundesregierung könnte so durch eine reformierte Erbschaftsteuer das Wachstum stärken und würde dem sozialen Zusammenhalt in Deutschland einen guten Dienst erweisen. Ein solches Modell bedeutet keinen neuen Sozialismus, sondern ist ein zutiefst liberal-konservativer Ansatz: Ein Jeder kann, und muss auch, sein Glück selbst suchen. Eine moderne Erbschaftsteuer hegt nicht nur die auseinanderdriftende Vermögensverteilung ein, sie gleicht auch die Startchancen innerhalb einer jeden neuen Generation an. Nebenwirkungen: keine.

Michael Böhmer ist Chefvolkswirt des Forschungs- und Beratungsunternehmens Prognos. Er lebt in München.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
Teilen
Kopiert!