Table.Briefing: Bildung

Piazolo: Absage an Grundgesetzänderung + UNESCO-Weltbildungsbericht + Projekttage Games

  • Bayerns Kultusminister Michael Piazolo im Interview
  • UNESCO-Weltbildungsbericht: Pandemie verstärkt Bildungsungerechtigkeit
  • Bildungsgipfel-Teilnehmer fordern innovative Lehrerausbildung
  • Bewerbung für Projekttage Games offen
  • Bremen kooperiert mit Westermann
  • Johanna Daher macht YouTube für den Unterricht
  • Presseschau
Liebe Leserin, lieber Leser,

eine Woche ist es her, als die neue Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger ihre Strategien dem Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten Jan-Martin Wiarda in den Block diktierte (hier entlang zum Interview). Im Zentrum sieht sie neue gemeinsame Grundlagen zur Kooperation von Bund, Ländern und Kommunen – und will dazu das Grundgesetz ändern.

Im Gespräch mit Bildung.Table erteilt ihr nun Bayerns Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) eine klare Absage. Statt endlos über die Verfassung zu streiten, sagt er, solle man lieber an konkreten Projekten arbeiten. Davon gebe es genügend – und keinen Grund, an dem aus seiner Sicht erfolgreichen wettbewerbsorientierten bildungsföderalen System herumzudoktern. Kenner werden die endlosen Debatten in dieser Sache aus der letzten Legislatur erinnern und eine Fortsetzung fürchten.

Wie nötig grundlegende Änderungen indes sind, zeigen die Diskussionen der Bildungsexperten beim mehrtägigen Bildungsgipfel 2022, der noch bis zum Samstag läuft und in den sich Enno Eidens eingewählt hat. Zwei Jahre Pandemie haben die Schwächen des deutschen Bildungssystems wie unter einem Brennglas gezeigt und bei den Betroffenen “regiert die Angst”, berichtet Eidens.

Wann nimmt Karin Prien die Diskussion wieder auf? Nach heftigen Auseinandersetzungen hat sich die KMK-Präsidentin vor einigen Tagen von Twitter verabschiedet. Zu wenig Inhalt, zu viel Hass und Hetze, begründet sie ihren Schritt. Die an ernsthafter und sachorientierter Diskussion interessierte Bildungs-Community sollte Priens Stopp-Zeichen ernst nehmen. Das Ende des Gesprächs hat noch nie zu guten Lösungen beigetragen.

Ihre
Antje Sirleschtov
Bild von Antje  Sirleschtov

Analyse

“Ich plädiere nicht für eine Änderung des Grundgesetzes”

Man sieht den bayerischen Kultusminister Michael Piazolo, der sich für die Entbürokratisierung des Digitalpakts einsetzt.
Bayerischer Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler).

Herr Piazolo, Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger will den Einfluss des Bundes auf das Bildungssystem verstetigen und dafür das Grundgesetz ändern. Sie sagt: “So, wie es ist, kann es nicht bleiben”. Hat sie den bayerischen Kultusminister auf Ihrer Seite?

Ich plädiere nicht für eine Änderung des Grundgesetzes. Die Möglichkeiten, die wir bereits jetzt haben, geben allen Ebenen, auch dem Bund, viel Spielraum, um zu handeln. Mehr Kompetenzen des Bundes führen nicht immer automatisch zu größeren Erfolgen. Wir haben in der letzten Legislaturperiode gesehen, dass solche grundlegenden Änderungen viel Streit provozieren und Zeit brauchen. Wenn wir nicht so lange um den neuen Artikel 104c hätten ringen müssen, wären wir bei der Digitalisierung schneller vorangekommen.

Der Bund kann im Augenblick nur projektbezogen finanziell helfen, etwa bei der Ausstattung der Schulen mit digitaler Infrastruktur. Ist das noch zeitgemäß?

Wir brauchen rasche und pragmatische Lösungen und keine monate- oder jahrelange Debatten über einen erfolgreichen und jahrzehntelang bewährten Bildungsföderalismus. Wir sollten vorrangig über konkrete Projekte und nicht über die Grundgesetzänderung reden.

Der Bund soll weiter zahlen, sich aber sonst nicht weiter einmischen?

Natürlich ist es sinnvoll, wenn der Bund Kommunen und Länder bei der Bewältigung gewaltiger Aufgaben finanziell unterstützt. Dass das funktioniert, haben wir im Rahmen des Digitalpakts bei den Lehrerdienstgeräten gesehen. Aktuell positiv entwickelt sich die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern beim Anspruch der Ganztagsbetreuung von Kindern im Grundschulalter. Dass der Bund und auch manche Bundestagsabgeordnete mehr Kompetenzen an sich ziehen wollen, um mehr Gestaltungsspielräume zu gewinnen, das verstehe ich ja. Aber nicht jede Grundgesetzänderung macht die Dinge besser. Und unser Bildungssystem in Bayern ist so gut aufgestellt, dass es einer grundgesetzlichen Änderung nicht bedarf.  

Der Digitalpakt ist aus Sicht der Praktiker kein wirkliches Vorzeigeprojekt.

Bei den digitalen Leihgeräten für Schüler und Lehrer-Dienstgeräten ist das aus meiner Sicht sehr schnell und erfolgreich über die Bühne gegangen. Daraus können wir für den ursprünglichen Digitalpakt lernen. Es gibt dort zu viele Berichtspflichten, die zu hohem Verwaltungsaufwand führen. Dazu kommen bei den Bestellungen die teilweise komplizierten EU-Vergabeverfahren.

Was soll sich dort ändern?

Ich denke, dass das Regularium noch einmal gründlich überarbeitet werden muss. Frühere und  auch zweckgebundene Mittelübertragungen und grundlegende Entbürokratisierungen wären sinnvoll. Darüber wollen wir Länder bald mit dem Bund ins Gespräch kommen. Ich bin der festen Überzeugung: Bund, Länder und Kommunen sind auf einem guten Weg. Wir werden gemeinsam schnell vorankommen.

Wer soll in Zukunft dafür sorgen, dass die digitale Infrastruktur an den Schulen gewartet und im Zweifelsfall ausgetauscht und modernisiert wird und die IT-Administratoren bezahlt werden?

Grundsätzlich ist das Aufgabe der Sachaufwandsträger bzw. der Schulträger, die wir damit aber nicht alleine lassen wollen. In Bayern unterstützen wir deshalb die Kommunen mit 160 Millionen Euro. Ich bin der Auffassung, dass auch bei dieser Aufgabe alle drei Ebenen Bund, Länder und Kommunen zusammenwirken müssen.

Zu den Plänen der Bundesministerin gehört auch die Festlegung gemeinsamer bundesweiter Standards für Schulabschlüsse.

Dieser Aufgabe widmet sich die Kultusministerkonferenz seit vielen Jahren und da ist auch viel passiert. In einem wettbewerbsorientierten Bildungsföderalismus haben wir unterschiedliche Systeme, die miteinander konkurrieren und in der Qualität unterschiedlich sind. Uns in Bayern ist es wichtig, dass diese Qualitätsstandards erhalten bleiben. Ein Runternivellieren des Niveaus wird es mit uns nicht geben. 

Wer soll sicherstellen, dass digitale Tools verlässlich für alle Schulen in Deutschland zertifiziert sind – die Landesdatenschutzbehörden oder eine bundesweite Einrichtung?

Länderübergreifende Ansätze sind sinnvoll, dazu gibt es das Projekt eduCheck digital. Zudem sind dafür die Landesdatenschutzbehörden zuständig. Beides muss miteinander verzahnt werden, woran wir als Länder gemeinsam arbeiten. 

Herr Minister, Experten beklagen, dass die Lehrenden weder in ihrer Ausbildung noch in der Weiterbildung ausreichend auf den Einsatz digitaler Methoden im Unterricht vorbereitet sind. Wie wollen Sie das ändern – sollte es eine verpflichtende digitale Weiterbildung für Lehrende geben?

Das ist ein laufender Prozess und alle Verantwortlichen müssen sich mit diesen Fragen beschäftigen. In der Lehrerausbildung ebenso wie  in der Weiterbildung. Wir in Bayern haben dafür die Akademie für Lehrerfortbildung ALP, in der 2021 sich rund 150.000 Lehrerinnen und Lehrer in 4600 Veranstaltungen weitergebildet haben. Jeden Nachmittag gibt es zwischen 15 und 18 Uhr e-sessions zur Fortbildung – und natürlich regionale und schulbezogene Weiterbildungsangebote. Rund 35 Prozent aller dieser Maßnahmen betreffen in Bayern bereits den Bereich der digitalen Bildung. Das werden wir weiter  vertiefen  – auch eine Lehre aus der Pandemiezeit.

UNESCO: Pandemie verursacht schwerste Bildungskrise

Er fällt ernüchternd aus, der neue UNESCO-Weltbildungsbericht, den Direktor Manos Antoninis am Dienstag in Berlin vorgestellt hat. “COVID-19 ist die schwerste Krise, die je alle Bildungssysteme der Welt zugleich getroffen hat”, heißt es in dem Bericht. Das Ziel, bis 2030 inklusive, gleichberechtigte und hochwertige Bildung auf der Welt zu gewährleisten und Möglichkeiten lebenslangen Lernens für alle zu fördern, werde aller Voraussicht nach nicht erreicht. Die Pandemie hat den Bildungszugang für zu viele Kinder zu lange erschwert

Die Schulen waren vielerorts über eineinhalb Jahre fast komplett geschlossen und das hieß häufig: gar kein Unterricht, weil das digitale Lehren und Lernen nicht überall funktioniert. In den ärmeren Ländern hatte nur jedes sechste Kind Zugang zum Internet. Lern-Apps auf dem Smartphone waren laut Bericht in sechs Ländern Subsahara-Afrikas die am seltensten genutzte Methode des Distanzlernens. 17 Prozent der Kinder in Nigeria, 12 Prozent der Kinder in Äthiopien und in Burkina Faso, Malawi, Mali und Uganda lernten fast gar nicht übers Handy. Man kann davon ausgehen, dass sie sehr lange Zeit überhaupt nicht lernen konnten. 

Stärkste Lernrückstände in Ländern mit mittlerem Einkommen  

Dabei gibt es über die Länder und Kontinente hinweg enorme Unterschiede. In Frankreich schnitten Schülerinnen und Schüler nach acht Wochen Homeschooling sogar besser ab, zumindest im Lesen und in Mathematik. Und noch etwas spielt eine große Rolle: der sozioökonomische Hintergrund der Kinder. Eine Untersuchung in den USA ergab, dass in mehrheitlich weißen Bezirken bei virtuellem Unterricht die Leistung von Schüler:innen um vier Prozent sank, in Bezirken mit 50 Prozent schwarzen und hispanischen Schüler:innen verschlechterten sie sich um neun Prozent. 

Auch in Lateinamerika sackten die Schulleistungen ab. Im brasilianischen São Paulo erlernten Kinder und Jugendliche an Sekundarschulen nur 27,5 Prozent von dem, was sie ohne Pandemie in der Schule gelernt hätten. In Kolumbien verschlechterten sich die Schüler:innen in ihren Leistungen um fünf Prozent zum Vorjahr. Das entspricht in etwa einem Viertel eines Schuljahrs. Besonders verheerend sind die Auswirkungen der Pandemie auf die Schulbildung von Kindern in Südafrika. Beim Lesen schnitten Zwei- bis Viertklässler im Jahr 2020 zwischen 57 und 81 Prozent schlechter ab, verglichen mit Gleichaltrigen des Vorjahres. 

Der Bericht bestätigt, dass Schulschließungen negative Auswirkungen auf das Lernen hatten. Besonders stark seien Länder mit mittlerem Einkommen betroffen. Hier liegt das Lernniveau insgesamt höher, als in ärmeren Ländern. Gleichzeitig waren die Schulen in der Regel länger geschlossen als in reicheren Staaten, bei einer schlechteren digitalen Ausstattung von Schulen und Familien. 

Jede zweite Lehrkraft mit mehr Begeisterung im Beruf

Um die Folgen der Pandemie abzuschwächen, versuchten viele Länder ihre Lehrpläne und Schulzeiten zu ändern. Zwei Drittel der Staaten haben entweder das Schuljahr verlängert oder ihre Lehrpläne überarbeitet. In den Philippinen wurden zusätzliche Kurse für Schüler:innen angeboten, die unter 75 Prozent bei einer Abschlussklausur abgeschnitten hatten. In England werden 15 Stunden Nachhilfe für knapp sechs Millionen Jugendliche bezahlt. 

Wenn sich der Schulbetrieb wieder normalisiert, könnte sich auch das Lernniveau der Schüler:innen schnell erholen, sodass die langfristigen Folgen nicht allzu schwer wiegen. Doch wie und wann - darüber gibt es keine Untersuchungen oder Prognosen. 

Für die Lehrerinnen und Lehrer war die Corona-Pandemie vor allem emotional anstrengend. Bei einer Befragung von 20.000 Lehrkräfte aus 165 Ländern gaben 39 Prozent an, dass es ihnen seit den Lockdowns geistig und emotional, aber auch körperlich schlechter ginge. Dafür bringen 50 Prozent mehr Begeisterung für ihren Beruf auf. 

  • Bildungspolitik
  • Coronavirus
  • Digitalisierung

Bildungsgipfel 2022: “Es regiert die Angst!”

Andreas Schleicher, Direktor für Bildung und Kompetenzen bei der OECD, mag GitHub. Auf dieser digitalen Plattform arbeiten Programmierer gemeinsam und transparent an neuem Code. Sogar staatliche Softwareprojekte werden dort bearbeitet. Davon könne auch die Bildungspolitik lernen. “Im Denken müssen wir mutiger und radikaler sein”, fordert er. Schleicher kritisiert, dass Schulen durch Datenschützer an Innovationen gehindert werden und findet, dass sie in Sachen Digitalisierung mehr Unterstützung erhalten sollen.

Davon berichtet er auf dem Bildungsgipfel 2022, der seit dem 11. Februar bis zum kommenden Samstag läuft. Eingeladen haben die Pioneers of Education, die Akademie der Lernkulturzeit, Schule im Aufbruch und intus hoch drei. Interviews, Workshops und Debatten gibt es hier, genauso wie die Anmeldung und der Terminkalender. Interessierte müssen nicht immer live dabei sein, da viele Beiträge 48 Stunden als Video online sind. Über eine Inhaltsangabe können Nutzer selbst schnell an eine spannende Stelle im Video springen.

Am vergangenen Freitag gab es das Interview mit Andreas Schleicher und eines mit Lehrer Olaf-Axel Burow. Mit ihm sprach Veranstalterin Silke Weiß über Veränderungsprozesse, Schulentwicklung und die “gesunde Schule” der Zukunft. Burow findet es tragisch, dass Digitalisierung nicht als Chance, sondern zu häufig als Gefahr gesehen wird. Er schlägt vor, digitale Lernsysteme sinnvoll einzusetzen, um Lehrkräfte zu entlasten. Die so gewonnenen Freiräume könnten Schulen beispielsweise für mehr künstlerischen und aktiven Unterricht nutzen. Auch im Bereich der individuellen Förderung von Schülern sieht Burow Chancen durch digitale Systeme, wie Learning Analytics – sie sollen Lehrer entlasten und Schüler fördern. 

Das Abitur hat seinen Wert verloren

Soziologe und Hochschuldozent Aladin El-Mafaalani sprach im Interview mit Silke Weiß unter anderem über den heutigen Wert des Abiturs. El-Mafaalani nennt ein Dilemma: Ein Abitur reicht heute nicht mehr für den Erfolg, ist aber trotzdem notwendig. Ein Aufstieg in der beruflichen Hierarchie ohne Abitur sei nur noch schwer möglich. Arbeiterkinder gäben sich viel Mühe, um ein Abitur zu erreichen, hätten damit aber kaum etwas gewonnen – weil alle Abi haben. Heute entstünden deshalb andere Abgrenzungsmechanismen, sagt der Soziologe. Kinder von Bildungsbürgern würden zum Beispiel vermehrt Latein als Fach wählen, um sich abzuheben. 

Auch “Geld spielt wieder ‘ne Rolle”, sagt El-Mafaalani. Ungleichheit finde über die elterlichen Netzwerke und deren Konto statt. Dazu komme Diskriminierung aufgrund der Herkunft oder des Aussehens. El-Mafaalani sprach auch über Kompetenzen, die Lehrkräfte brauchen, um mit Rassismus und Diskriminierung umzugehen. Für die Zukunft des deutschen Schulwesens hat El-Mafaalani ebenfalls Ideen – und einen Zeitrahmen. Unter anderem schlägt er vor, dass Schulen mit Sportvereinen und Musikschulen zusammenarbeiten, um eine bessere Ganztagsbetreuung zu schaffen. Die Transformation müsse und könne bis 2035 klappen, denn gegenwärtig gebe es Bedarf, Möglichkeiten – und Mehrheiten.

Mutige Lehrer brauchen Unterstützung ihrer Schulleitung

Am Montagabend ging es um die Weiterentwicklung der Lehrerausbildung. Zur Diskussion im Videochat trafen sich unter anderem Flora Nieß und Claus-Dieter Kaul von der Akademie Biberkor, Johannes Zylka vom Seminar Weingarten und Michael Knittel von “Bildung für nachhaltige Entwicklung” in Hessen. Über einhundert Teilnehmer hörten den Statements auf dem “Podium” zu und diskutierten mit. Das Podium war sich grundsätzlich einig, dass zu häufig an alten Strukturen und Inhalten festgehalten wird und an wichtigen Schnittstellen Bereitschaft für Entwicklung fehlt.

“Es regiert die Angst”, warnte Claus Kaul. Viele Lehrkräfte und Schulen seien zu besorgt, den Lehrplan einzuhalten. Für neue Methoden bleibt da oft kein Platz. “Da braucht es unglaublich viel Unterstützung!” Dies gelte für staatliche, genauso wie für Reformschulen – Kaul selber ist Pädagogischer Leiter der Montessori Akademie Biberkor. “Die Zeit ist reif!”, sagt er. Innovatoren müssten sich jetzt vernetzten und für Änderungen in der Lehrerausbildung einsetzen. Er fordert Schulleitungen auf, mutige Lehrer beim Umsetzen neuer Methoden zu unterstützen.

Michael Knittel vom Studienseminar Heppenheim berichtete ähnliches aus der Perspektive eines staatlichen Ausbildungsinstituts. Hier gebe es Menschen mit viel Lust auf neue Ansätze und solche, die sich streng an Ausbildungspläne halten. Er kritisierte, dass es beim Staat nur wenige Verantwortliche mit Lust auf innovative Lehrer:innenausbildung gebe. “Entwicklung muss vor Ort stattfinden” ergänzte Johannes Zylka vom staatlichen Lehrkräfteseminar Weingarten. Innovation könne nicht von oben bestimmt werden.

Der Bildungsgipfel 2022 läuft noch bis zum Samstag, 19. Februar – mit vollem Terminkalender. Am heutigen Mittwoch diskutieren die Teilnehmer unter anderem über “Regionale Bündnisse für die Schule von morgen”, am Donnerstag über den “Lern und Heilungsraum Natur”. Zum Abschluss am Samstag wollen die Veranstalter den oder die mutigsten Kulturminister:in Deutschlands mit einem Preis küren. Wer kommt, wurde noch nicht verraten.

  • Bildungspolitik
  • Datenschutz
  • Digitalisierung
  • Lehrerbildung

News

Medienkompetenz lernen bei den Projekttagen Games 2022

Die Stiftung Digitale Spielekultur lädt Schulen in Berlin und Brandenburg dazu ein, sich für die Projekttage Games 2022 zu bewerben. Sie finden entweder als ganztägige Veranstaltung an Schulen oder als digitaler Workshop statt. Bewerbungen über ein Online-Formular nimmt die Stiftung bis zum 1. Juni an – wer sich früher bewirbt, kann schon im März loslegen.

Medienpädagog:innen und Expert:innen begleiten die Projekttage und stellen zwei Workshop-Schwerpunkte zur Auswahl: Digitale Spiele im Unterricht und Stärkung der Medienkompetenz (empfohlen für die Klassen 7-9) und Berufsbilder der Gaming-Branche (empfohlen für die Klassen 10-12). Lernende sollen Einblicke in die Berufsfelder der Gaming-Branche bekommen und ihre Medienkompetenz in Bezug auf digitale Spiele stärken. Thematisch geht es beim ersten Schwerpunkt unter anderem um “Digitale Spiele als Zugang zu Kunst und Design”, kreatives Schreiben und Ethik. Die Expert:innen bringen dazu passende Spiele mit.

Die Projekttage Games, die vom Medienboard Berlin-Brandenburg gefördert werden, gibt es seit drei Jahren. Bisher haben über 1000 Schüler:innen von 22 Schulen in Berlin-Brandenburg teilgenommen. Anouk Schlung

  • Game-based Learning
  • Medienkompetenz
  • Schule
  • Unterricht

Bremen kooperiert mit Westermann

Das Land Bremen und der Bildungsmedienanbieter Westermann unterstützen bis zum Sommer 2023 Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte gemeinsam dabei, durch Schulschließungen verpassten Lernstoff aufzuholen und sich auf möglicherweise weiteren pandemiebedingen Unterrichtsausfall vorzubereiten.  

Westermann bietet dafür laut Pressemitteilung ein umfassendes digitales Förderkonzept in den Kernfächern Deutsch, Mathematik und Englisch. Alle Schulen in Bremen und Bremerhaven sollen von den digitalen Materialien des Verlags Gebrauch machen können. Die Portale könnten für die Klassen 2 bis 9 eingesetzt werden. Ermöglicht würde die Kooperation durch die Bundesmittel des “Aktionsprogramms Aufholen nach Corona”, die die Länder lokal und individuell für Fördermaßnahmen einsetzen können. asi

Makerspace

Johanna Daher – macht YouTube für den Unterricht

Man sieht Johanna Daher auf dem Foto: Sie macht Youtube für den Unterricht.
Journalistin Johanna Daher

Während der Schulzeit fand Johanna Daher Sprachen spannend – gerne geredet und Geschichten erzählt hat sie schon immer. Auch war früh klar, dass sie eigene Inhalte erstellen möchte. Als ihr Vater im Radio hörte, dass der Hessische Rundfunk Volontäre sucht, scherzte er: “Viel Labern und damit Geld verdienen – das wäre doch was für dich, Johanna!” Anlass für sie, sich mit Journalismus zu beschäftigen und ein passendes Studium zu suchen.

Also studierte sie, die 1993 in Nordhessen geboren wurde, Journalistik an der TU Dortmund und absolvierte ein einjähriges Volontariat bei der HNA. “Heute weiß ich natürlich, dass Journalismus mehr ist, als nur ein bisschen Labern!”, sagt Daher. Besonders mag sie die interaktiven und spielerischen Aspekte, die im Online-Storytelling umgesetzt werden können. Im Master studierte sie “Medien und Spielekonzeption” an der Hochschule Harz und lernte dort programmieren – als Quereinsteigerin ohne verbriefte IT-Vorerfahrung. Ihre Masterarbeit schrieb sie über “Newsgames”. Das sind Spiele mit journalistischem Kontext.

YouTuberin lädt zur Digitalen Sprechstunde

Nun ist sie im Online-Team beim MDR Sachsen-Anhalt und arbeitet nebenbei an ihrem Herzensprojekt: YouTube. Auf ihrem Kanal postet sie regelmäßig Videos über Tools, Spielentwicklung – und Games im Unterricht. Außerdem lädt sie per Livestream zur “Digitalen Sprechstunde”, in der sie mit den Lehrer:innen über den Einsatz von Videospielen und digitalen Tools im Unterricht spricht. Da geht es dann zum Beispiel um das beliebte Mörder-Rate-Spiel Among Us oder Edu-Breakouts

Wer Johanna Dahers Lebenslauf auf ihrem Blog durchsucht, stell fest: Eine pädagogische Ausbildung hat sie nicht. Auch hatte sie nie geplant, Videos für den Schuleinsatz zu kreieren. Dabei war sie schon immer Fan von interaktiven Gestaltungsmöglichkeiten mit digitalen Tools und hat darüber gebloggt und YouTube-Videos veröffentlicht. Irgendwann hat sie entdeckt, dass ihre Tipps im Twitter-Lehrerzimmer gut ankommen – und fortan Videos mit Inhalten für den Einsatz im Unterricht produziert.

So kam es auch zu Formaten wie der Digitalen Sprechstunde. “Eine komplette Pädagogik-Ausbildung habe ich nicht”, sagt Daher. Sie sieht sich eher als Ideengeberin, die Lehrkräfte beim Gestalten ihres Unterrichts inspiriert und unterstützt. “Ich freue mich total, wenn ich Feedback bekomme, damit ich das Wissen an andere Lehrkräfte weitergeben kann.” Die Journalistin findet es super, wenn ihre Ideen angepasst oder kreativ weitergedacht werden.

Videospiele im Unterricht einsetzen birgt Risiken

Ganz problemlos ist der Einsatz von Videospielen im Unterricht nicht. “Gewisse Spiele nehmen enorm viel Zeit in Anspruch”, warnt Johanna Daher. Sie habe schon Rückmeldung von Lehrern bekommen, denen die Zeit fehle, sich in Spiele einzuarbeiten. Fehlende Lizenzen sind ebenfalls ein häufiges Problem. Wer spielen will, braucht schließlich eine legale Kopie pro Spieler:in. Das kostet Geld und weist auf das nächste Problem hin: Geräte. Wenn jeder spielen soll, braucht jeder ein Gerät. Hier hat Johanna einen Tipp: Trailer- oder Gameplay-Videos anschauen. Schon diese bieten viel Material für eine Unterrichtseinheit.

Doch es gibt auch kostenlose Angebote, wie etwa das Spiel Hidden Codes von der Bildungsstätte Anne Frank. Thema: Radikalisierung im Netz. Die Spielenden bewegen sich in einer simulierten Social-Media-Umgebung und lernen über politische Codes und Radikalisierungs-Mechanismen. Andere Spiele kommen sogar mit Unterrichtsmaterialien. 

Spiele bilden nie eins zu eins die Realität ab, betont Johanna Daher – zum Beispiel bei historischen Ereignissen. Genau das biete Raum für Diskussionen. Sie stellt fest: “Kinder können nicht einfach das Spiel spielen und dann alles wissen, was im Lehrplan steht.” Spiele seien ein zusätzliches Medium, das neben den anderen auch sinnvoll in den Unterricht eingebettet werden muss. Den Lehrplan, zumindest den der Gymnasien von Sachsen-Anhalt, hat sie sich angeschaut und darauf aufbauend eine kleine Datenbank mit passenden Tools für den Unterricht gebastelt. Ihre größte Leidenschaft ist schließlich “eigene Sachen machen.” Enno Eidens

  • Game-based Learning
  • Software
  • Unterricht

Presseschau

Große Spurensuche: Deutschlands Problem mit dem Präsenzunterricht SZ

Tausende Berliner Schüler fehlen nach Aussetzen der Präsenzpflicht TAGESSPIEGEL

Licenses:
    • Bayerns Kultusminister Michael Piazolo im Interview
    • UNESCO-Weltbildungsbericht: Pandemie verstärkt Bildungsungerechtigkeit
    • Bildungsgipfel-Teilnehmer fordern innovative Lehrerausbildung
    • Bewerbung für Projekttage Games offen
    • Bremen kooperiert mit Westermann
    • Johanna Daher macht YouTube für den Unterricht
    • Presseschau
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    eine Woche ist es her, als die neue Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger ihre Strategien dem Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten Jan-Martin Wiarda in den Block diktierte (hier entlang zum Interview). Im Zentrum sieht sie neue gemeinsame Grundlagen zur Kooperation von Bund, Ländern und Kommunen – und will dazu das Grundgesetz ändern.

    Im Gespräch mit Bildung.Table erteilt ihr nun Bayerns Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) eine klare Absage. Statt endlos über die Verfassung zu streiten, sagt er, solle man lieber an konkreten Projekten arbeiten. Davon gebe es genügend – und keinen Grund, an dem aus seiner Sicht erfolgreichen wettbewerbsorientierten bildungsföderalen System herumzudoktern. Kenner werden die endlosen Debatten in dieser Sache aus der letzten Legislatur erinnern und eine Fortsetzung fürchten.

    Wie nötig grundlegende Änderungen indes sind, zeigen die Diskussionen der Bildungsexperten beim mehrtägigen Bildungsgipfel 2022, der noch bis zum Samstag läuft und in den sich Enno Eidens eingewählt hat. Zwei Jahre Pandemie haben die Schwächen des deutschen Bildungssystems wie unter einem Brennglas gezeigt und bei den Betroffenen “regiert die Angst”, berichtet Eidens.

    Wann nimmt Karin Prien die Diskussion wieder auf? Nach heftigen Auseinandersetzungen hat sich die KMK-Präsidentin vor einigen Tagen von Twitter verabschiedet. Zu wenig Inhalt, zu viel Hass und Hetze, begründet sie ihren Schritt. Die an ernsthafter und sachorientierter Diskussion interessierte Bildungs-Community sollte Priens Stopp-Zeichen ernst nehmen. Das Ende des Gesprächs hat noch nie zu guten Lösungen beigetragen.

    Ihre
    Antje Sirleschtov
    Bild von Antje  Sirleschtov

    Analyse

    “Ich plädiere nicht für eine Änderung des Grundgesetzes”

    Man sieht den bayerischen Kultusminister Michael Piazolo, der sich für die Entbürokratisierung des Digitalpakts einsetzt.
    Bayerischer Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler).

    Herr Piazolo, Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger will den Einfluss des Bundes auf das Bildungssystem verstetigen und dafür das Grundgesetz ändern. Sie sagt: “So, wie es ist, kann es nicht bleiben”. Hat sie den bayerischen Kultusminister auf Ihrer Seite?

    Ich plädiere nicht für eine Änderung des Grundgesetzes. Die Möglichkeiten, die wir bereits jetzt haben, geben allen Ebenen, auch dem Bund, viel Spielraum, um zu handeln. Mehr Kompetenzen des Bundes führen nicht immer automatisch zu größeren Erfolgen. Wir haben in der letzten Legislaturperiode gesehen, dass solche grundlegenden Änderungen viel Streit provozieren und Zeit brauchen. Wenn wir nicht so lange um den neuen Artikel 104c hätten ringen müssen, wären wir bei der Digitalisierung schneller vorangekommen.

    Der Bund kann im Augenblick nur projektbezogen finanziell helfen, etwa bei der Ausstattung der Schulen mit digitaler Infrastruktur. Ist das noch zeitgemäß?

    Wir brauchen rasche und pragmatische Lösungen und keine monate- oder jahrelange Debatten über einen erfolgreichen und jahrzehntelang bewährten Bildungsföderalismus. Wir sollten vorrangig über konkrete Projekte und nicht über die Grundgesetzänderung reden.

    Der Bund soll weiter zahlen, sich aber sonst nicht weiter einmischen?

    Natürlich ist es sinnvoll, wenn der Bund Kommunen und Länder bei der Bewältigung gewaltiger Aufgaben finanziell unterstützt. Dass das funktioniert, haben wir im Rahmen des Digitalpakts bei den Lehrerdienstgeräten gesehen. Aktuell positiv entwickelt sich die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern beim Anspruch der Ganztagsbetreuung von Kindern im Grundschulalter. Dass der Bund und auch manche Bundestagsabgeordnete mehr Kompetenzen an sich ziehen wollen, um mehr Gestaltungsspielräume zu gewinnen, das verstehe ich ja. Aber nicht jede Grundgesetzänderung macht die Dinge besser. Und unser Bildungssystem in Bayern ist so gut aufgestellt, dass es einer grundgesetzlichen Änderung nicht bedarf.  

    Der Digitalpakt ist aus Sicht der Praktiker kein wirkliches Vorzeigeprojekt.

    Bei den digitalen Leihgeräten für Schüler und Lehrer-Dienstgeräten ist das aus meiner Sicht sehr schnell und erfolgreich über die Bühne gegangen. Daraus können wir für den ursprünglichen Digitalpakt lernen. Es gibt dort zu viele Berichtspflichten, die zu hohem Verwaltungsaufwand führen. Dazu kommen bei den Bestellungen die teilweise komplizierten EU-Vergabeverfahren.

    Was soll sich dort ändern?

    Ich denke, dass das Regularium noch einmal gründlich überarbeitet werden muss. Frühere und  auch zweckgebundene Mittelübertragungen und grundlegende Entbürokratisierungen wären sinnvoll. Darüber wollen wir Länder bald mit dem Bund ins Gespräch kommen. Ich bin der festen Überzeugung: Bund, Länder und Kommunen sind auf einem guten Weg. Wir werden gemeinsam schnell vorankommen.

    Wer soll in Zukunft dafür sorgen, dass die digitale Infrastruktur an den Schulen gewartet und im Zweifelsfall ausgetauscht und modernisiert wird und die IT-Administratoren bezahlt werden?

    Grundsätzlich ist das Aufgabe der Sachaufwandsträger bzw. der Schulträger, die wir damit aber nicht alleine lassen wollen. In Bayern unterstützen wir deshalb die Kommunen mit 160 Millionen Euro. Ich bin der Auffassung, dass auch bei dieser Aufgabe alle drei Ebenen Bund, Länder und Kommunen zusammenwirken müssen.

    Zu den Plänen der Bundesministerin gehört auch die Festlegung gemeinsamer bundesweiter Standards für Schulabschlüsse.

    Dieser Aufgabe widmet sich die Kultusministerkonferenz seit vielen Jahren und da ist auch viel passiert. In einem wettbewerbsorientierten Bildungsföderalismus haben wir unterschiedliche Systeme, die miteinander konkurrieren und in der Qualität unterschiedlich sind. Uns in Bayern ist es wichtig, dass diese Qualitätsstandards erhalten bleiben. Ein Runternivellieren des Niveaus wird es mit uns nicht geben. 

    Wer soll sicherstellen, dass digitale Tools verlässlich für alle Schulen in Deutschland zertifiziert sind – die Landesdatenschutzbehörden oder eine bundesweite Einrichtung?

    Länderübergreifende Ansätze sind sinnvoll, dazu gibt es das Projekt eduCheck digital. Zudem sind dafür die Landesdatenschutzbehörden zuständig. Beides muss miteinander verzahnt werden, woran wir als Länder gemeinsam arbeiten. 

    Herr Minister, Experten beklagen, dass die Lehrenden weder in ihrer Ausbildung noch in der Weiterbildung ausreichend auf den Einsatz digitaler Methoden im Unterricht vorbereitet sind. Wie wollen Sie das ändern – sollte es eine verpflichtende digitale Weiterbildung für Lehrende geben?

    Das ist ein laufender Prozess und alle Verantwortlichen müssen sich mit diesen Fragen beschäftigen. In der Lehrerausbildung ebenso wie  in der Weiterbildung. Wir in Bayern haben dafür die Akademie für Lehrerfortbildung ALP, in der 2021 sich rund 150.000 Lehrerinnen und Lehrer in 4600 Veranstaltungen weitergebildet haben. Jeden Nachmittag gibt es zwischen 15 und 18 Uhr e-sessions zur Fortbildung – und natürlich regionale und schulbezogene Weiterbildungsangebote. Rund 35 Prozent aller dieser Maßnahmen betreffen in Bayern bereits den Bereich der digitalen Bildung. Das werden wir weiter  vertiefen  – auch eine Lehre aus der Pandemiezeit.

    UNESCO: Pandemie verursacht schwerste Bildungskrise

    Er fällt ernüchternd aus, der neue UNESCO-Weltbildungsbericht, den Direktor Manos Antoninis am Dienstag in Berlin vorgestellt hat. “COVID-19 ist die schwerste Krise, die je alle Bildungssysteme der Welt zugleich getroffen hat”, heißt es in dem Bericht. Das Ziel, bis 2030 inklusive, gleichberechtigte und hochwertige Bildung auf der Welt zu gewährleisten und Möglichkeiten lebenslangen Lernens für alle zu fördern, werde aller Voraussicht nach nicht erreicht. Die Pandemie hat den Bildungszugang für zu viele Kinder zu lange erschwert

    Die Schulen waren vielerorts über eineinhalb Jahre fast komplett geschlossen und das hieß häufig: gar kein Unterricht, weil das digitale Lehren und Lernen nicht überall funktioniert. In den ärmeren Ländern hatte nur jedes sechste Kind Zugang zum Internet. Lern-Apps auf dem Smartphone waren laut Bericht in sechs Ländern Subsahara-Afrikas die am seltensten genutzte Methode des Distanzlernens. 17 Prozent der Kinder in Nigeria, 12 Prozent der Kinder in Äthiopien und in Burkina Faso, Malawi, Mali und Uganda lernten fast gar nicht übers Handy. Man kann davon ausgehen, dass sie sehr lange Zeit überhaupt nicht lernen konnten. 

    Stärkste Lernrückstände in Ländern mit mittlerem Einkommen  

    Dabei gibt es über die Länder und Kontinente hinweg enorme Unterschiede. In Frankreich schnitten Schülerinnen und Schüler nach acht Wochen Homeschooling sogar besser ab, zumindest im Lesen und in Mathematik. Und noch etwas spielt eine große Rolle: der sozioökonomische Hintergrund der Kinder. Eine Untersuchung in den USA ergab, dass in mehrheitlich weißen Bezirken bei virtuellem Unterricht die Leistung von Schüler:innen um vier Prozent sank, in Bezirken mit 50 Prozent schwarzen und hispanischen Schüler:innen verschlechterten sie sich um neun Prozent. 

    Auch in Lateinamerika sackten die Schulleistungen ab. Im brasilianischen São Paulo erlernten Kinder und Jugendliche an Sekundarschulen nur 27,5 Prozent von dem, was sie ohne Pandemie in der Schule gelernt hätten. In Kolumbien verschlechterten sich die Schüler:innen in ihren Leistungen um fünf Prozent zum Vorjahr. Das entspricht in etwa einem Viertel eines Schuljahrs. Besonders verheerend sind die Auswirkungen der Pandemie auf die Schulbildung von Kindern in Südafrika. Beim Lesen schnitten Zwei- bis Viertklässler im Jahr 2020 zwischen 57 und 81 Prozent schlechter ab, verglichen mit Gleichaltrigen des Vorjahres. 

    Der Bericht bestätigt, dass Schulschließungen negative Auswirkungen auf das Lernen hatten. Besonders stark seien Länder mit mittlerem Einkommen betroffen. Hier liegt das Lernniveau insgesamt höher, als in ärmeren Ländern. Gleichzeitig waren die Schulen in der Regel länger geschlossen als in reicheren Staaten, bei einer schlechteren digitalen Ausstattung von Schulen und Familien. 

    Jede zweite Lehrkraft mit mehr Begeisterung im Beruf

    Um die Folgen der Pandemie abzuschwächen, versuchten viele Länder ihre Lehrpläne und Schulzeiten zu ändern. Zwei Drittel der Staaten haben entweder das Schuljahr verlängert oder ihre Lehrpläne überarbeitet. In den Philippinen wurden zusätzliche Kurse für Schüler:innen angeboten, die unter 75 Prozent bei einer Abschlussklausur abgeschnitten hatten. In England werden 15 Stunden Nachhilfe für knapp sechs Millionen Jugendliche bezahlt. 

    Wenn sich der Schulbetrieb wieder normalisiert, könnte sich auch das Lernniveau der Schüler:innen schnell erholen, sodass die langfristigen Folgen nicht allzu schwer wiegen. Doch wie und wann - darüber gibt es keine Untersuchungen oder Prognosen. 

    Für die Lehrerinnen und Lehrer war die Corona-Pandemie vor allem emotional anstrengend. Bei einer Befragung von 20.000 Lehrkräfte aus 165 Ländern gaben 39 Prozent an, dass es ihnen seit den Lockdowns geistig und emotional, aber auch körperlich schlechter ginge. Dafür bringen 50 Prozent mehr Begeisterung für ihren Beruf auf. 

    • Bildungspolitik
    • Coronavirus
    • Digitalisierung

    Bildungsgipfel 2022: “Es regiert die Angst!”

    Andreas Schleicher, Direktor für Bildung und Kompetenzen bei der OECD, mag GitHub. Auf dieser digitalen Plattform arbeiten Programmierer gemeinsam und transparent an neuem Code. Sogar staatliche Softwareprojekte werden dort bearbeitet. Davon könne auch die Bildungspolitik lernen. “Im Denken müssen wir mutiger und radikaler sein”, fordert er. Schleicher kritisiert, dass Schulen durch Datenschützer an Innovationen gehindert werden und findet, dass sie in Sachen Digitalisierung mehr Unterstützung erhalten sollen.

    Davon berichtet er auf dem Bildungsgipfel 2022, der seit dem 11. Februar bis zum kommenden Samstag läuft. Eingeladen haben die Pioneers of Education, die Akademie der Lernkulturzeit, Schule im Aufbruch und intus hoch drei. Interviews, Workshops und Debatten gibt es hier, genauso wie die Anmeldung und der Terminkalender. Interessierte müssen nicht immer live dabei sein, da viele Beiträge 48 Stunden als Video online sind. Über eine Inhaltsangabe können Nutzer selbst schnell an eine spannende Stelle im Video springen.

    Am vergangenen Freitag gab es das Interview mit Andreas Schleicher und eines mit Lehrer Olaf-Axel Burow. Mit ihm sprach Veranstalterin Silke Weiß über Veränderungsprozesse, Schulentwicklung und die “gesunde Schule” der Zukunft. Burow findet es tragisch, dass Digitalisierung nicht als Chance, sondern zu häufig als Gefahr gesehen wird. Er schlägt vor, digitale Lernsysteme sinnvoll einzusetzen, um Lehrkräfte zu entlasten. Die so gewonnenen Freiräume könnten Schulen beispielsweise für mehr künstlerischen und aktiven Unterricht nutzen. Auch im Bereich der individuellen Förderung von Schülern sieht Burow Chancen durch digitale Systeme, wie Learning Analytics – sie sollen Lehrer entlasten und Schüler fördern. 

    Das Abitur hat seinen Wert verloren

    Soziologe und Hochschuldozent Aladin El-Mafaalani sprach im Interview mit Silke Weiß unter anderem über den heutigen Wert des Abiturs. El-Mafaalani nennt ein Dilemma: Ein Abitur reicht heute nicht mehr für den Erfolg, ist aber trotzdem notwendig. Ein Aufstieg in der beruflichen Hierarchie ohne Abitur sei nur noch schwer möglich. Arbeiterkinder gäben sich viel Mühe, um ein Abitur zu erreichen, hätten damit aber kaum etwas gewonnen – weil alle Abi haben. Heute entstünden deshalb andere Abgrenzungsmechanismen, sagt der Soziologe. Kinder von Bildungsbürgern würden zum Beispiel vermehrt Latein als Fach wählen, um sich abzuheben. 

    Auch “Geld spielt wieder ‘ne Rolle”, sagt El-Mafaalani. Ungleichheit finde über die elterlichen Netzwerke und deren Konto statt. Dazu komme Diskriminierung aufgrund der Herkunft oder des Aussehens. El-Mafaalani sprach auch über Kompetenzen, die Lehrkräfte brauchen, um mit Rassismus und Diskriminierung umzugehen. Für die Zukunft des deutschen Schulwesens hat El-Mafaalani ebenfalls Ideen – und einen Zeitrahmen. Unter anderem schlägt er vor, dass Schulen mit Sportvereinen und Musikschulen zusammenarbeiten, um eine bessere Ganztagsbetreuung zu schaffen. Die Transformation müsse und könne bis 2035 klappen, denn gegenwärtig gebe es Bedarf, Möglichkeiten – und Mehrheiten.

    Mutige Lehrer brauchen Unterstützung ihrer Schulleitung

    Am Montagabend ging es um die Weiterentwicklung der Lehrerausbildung. Zur Diskussion im Videochat trafen sich unter anderem Flora Nieß und Claus-Dieter Kaul von der Akademie Biberkor, Johannes Zylka vom Seminar Weingarten und Michael Knittel von “Bildung für nachhaltige Entwicklung” in Hessen. Über einhundert Teilnehmer hörten den Statements auf dem “Podium” zu und diskutierten mit. Das Podium war sich grundsätzlich einig, dass zu häufig an alten Strukturen und Inhalten festgehalten wird und an wichtigen Schnittstellen Bereitschaft für Entwicklung fehlt.

    “Es regiert die Angst”, warnte Claus Kaul. Viele Lehrkräfte und Schulen seien zu besorgt, den Lehrplan einzuhalten. Für neue Methoden bleibt da oft kein Platz. “Da braucht es unglaublich viel Unterstützung!” Dies gelte für staatliche, genauso wie für Reformschulen – Kaul selber ist Pädagogischer Leiter der Montessori Akademie Biberkor. “Die Zeit ist reif!”, sagt er. Innovatoren müssten sich jetzt vernetzten und für Änderungen in der Lehrerausbildung einsetzen. Er fordert Schulleitungen auf, mutige Lehrer beim Umsetzen neuer Methoden zu unterstützen.

    Michael Knittel vom Studienseminar Heppenheim berichtete ähnliches aus der Perspektive eines staatlichen Ausbildungsinstituts. Hier gebe es Menschen mit viel Lust auf neue Ansätze und solche, die sich streng an Ausbildungspläne halten. Er kritisierte, dass es beim Staat nur wenige Verantwortliche mit Lust auf innovative Lehrer:innenausbildung gebe. “Entwicklung muss vor Ort stattfinden” ergänzte Johannes Zylka vom staatlichen Lehrkräfteseminar Weingarten. Innovation könne nicht von oben bestimmt werden.

    Der Bildungsgipfel 2022 läuft noch bis zum Samstag, 19. Februar – mit vollem Terminkalender. Am heutigen Mittwoch diskutieren die Teilnehmer unter anderem über “Regionale Bündnisse für die Schule von morgen”, am Donnerstag über den “Lern und Heilungsraum Natur”. Zum Abschluss am Samstag wollen die Veranstalter den oder die mutigsten Kulturminister:in Deutschlands mit einem Preis küren. Wer kommt, wurde noch nicht verraten.

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    News

    Medienkompetenz lernen bei den Projekttagen Games 2022

    Die Stiftung Digitale Spielekultur lädt Schulen in Berlin und Brandenburg dazu ein, sich für die Projekttage Games 2022 zu bewerben. Sie finden entweder als ganztägige Veranstaltung an Schulen oder als digitaler Workshop statt. Bewerbungen über ein Online-Formular nimmt die Stiftung bis zum 1. Juni an – wer sich früher bewirbt, kann schon im März loslegen.

    Medienpädagog:innen und Expert:innen begleiten die Projekttage und stellen zwei Workshop-Schwerpunkte zur Auswahl: Digitale Spiele im Unterricht und Stärkung der Medienkompetenz (empfohlen für die Klassen 7-9) und Berufsbilder der Gaming-Branche (empfohlen für die Klassen 10-12). Lernende sollen Einblicke in die Berufsfelder der Gaming-Branche bekommen und ihre Medienkompetenz in Bezug auf digitale Spiele stärken. Thematisch geht es beim ersten Schwerpunkt unter anderem um “Digitale Spiele als Zugang zu Kunst und Design”, kreatives Schreiben und Ethik. Die Expert:innen bringen dazu passende Spiele mit.

    Die Projekttage Games, die vom Medienboard Berlin-Brandenburg gefördert werden, gibt es seit drei Jahren. Bisher haben über 1000 Schüler:innen von 22 Schulen in Berlin-Brandenburg teilgenommen. Anouk Schlung

    • Game-based Learning
    • Medienkompetenz
    • Schule
    • Unterricht

    Bremen kooperiert mit Westermann

    Das Land Bremen und der Bildungsmedienanbieter Westermann unterstützen bis zum Sommer 2023 Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte gemeinsam dabei, durch Schulschließungen verpassten Lernstoff aufzuholen und sich auf möglicherweise weiteren pandemiebedingen Unterrichtsausfall vorzubereiten.  

    Westermann bietet dafür laut Pressemitteilung ein umfassendes digitales Förderkonzept in den Kernfächern Deutsch, Mathematik und Englisch. Alle Schulen in Bremen und Bremerhaven sollen von den digitalen Materialien des Verlags Gebrauch machen können. Die Portale könnten für die Klassen 2 bis 9 eingesetzt werden. Ermöglicht würde die Kooperation durch die Bundesmittel des “Aktionsprogramms Aufholen nach Corona”, die die Länder lokal und individuell für Fördermaßnahmen einsetzen können. asi

    Makerspace

    Johanna Daher – macht YouTube für den Unterricht

    Man sieht Johanna Daher auf dem Foto: Sie macht Youtube für den Unterricht.
    Journalistin Johanna Daher

    Während der Schulzeit fand Johanna Daher Sprachen spannend – gerne geredet und Geschichten erzählt hat sie schon immer. Auch war früh klar, dass sie eigene Inhalte erstellen möchte. Als ihr Vater im Radio hörte, dass der Hessische Rundfunk Volontäre sucht, scherzte er: “Viel Labern und damit Geld verdienen – das wäre doch was für dich, Johanna!” Anlass für sie, sich mit Journalismus zu beschäftigen und ein passendes Studium zu suchen.

    Also studierte sie, die 1993 in Nordhessen geboren wurde, Journalistik an der TU Dortmund und absolvierte ein einjähriges Volontariat bei der HNA. “Heute weiß ich natürlich, dass Journalismus mehr ist, als nur ein bisschen Labern!”, sagt Daher. Besonders mag sie die interaktiven und spielerischen Aspekte, die im Online-Storytelling umgesetzt werden können. Im Master studierte sie “Medien und Spielekonzeption” an der Hochschule Harz und lernte dort programmieren – als Quereinsteigerin ohne verbriefte IT-Vorerfahrung. Ihre Masterarbeit schrieb sie über “Newsgames”. Das sind Spiele mit journalistischem Kontext.

    YouTuberin lädt zur Digitalen Sprechstunde

    Nun ist sie im Online-Team beim MDR Sachsen-Anhalt und arbeitet nebenbei an ihrem Herzensprojekt: YouTube. Auf ihrem Kanal postet sie regelmäßig Videos über Tools, Spielentwicklung – und Games im Unterricht. Außerdem lädt sie per Livestream zur “Digitalen Sprechstunde”, in der sie mit den Lehrer:innen über den Einsatz von Videospielen und digitalen Tools im Unterricht spricht. Da geht es dann zum Beispiel um das beliebte Mörder-Rate-Spiel Among Us oder Edu-Breakouts

    Wer Johanna Dahers Lebenslauf auf ihrem Blog durchsucht, stell fest: Eine pädagogische Ausbildung hat sie nicht. Auch hatte sie nie geplant, Videos für den Schuleinsatz zu kreieren. Dabei war sie schon immer Fan von interaktiven Gestaltungsmöglichkeiten mit digitalen Tools und hat darüber gebloggt und YouTube-Videos veröffentlicht. Irgendwann hat sie entdeckt, dass ihre Tipps im Twitter-Lehrerzimmer gut ankommen – und fortan Videos mit Inhalten für den Einsatz im Unterricht produziert.

    So kam es auch zu Formaten wie der Digitalen Sprechstunde. “Eine komplette Pädagogik-Ausbildung habe ich nicht”, sagt Daher. Sie sieht sich eher als Ideengeberin, die Lehrkräfte beim Gestalten ihres Unterrichts inspiriert und unterstützt. “Ich freue mich total, wenn ich Feedback bekomme, damit ich das Wissen an andere Lehrkräfte weitergeben kann.” Die Journalistin findet es super, wenn ihre Ideen angepasst oder kreativ weitergedacht werden.

    Videospiele im Unterricht einsetzen birgt Risiken

    Ganz problemlos ist der Einsatz von Videospielen im Unterricht nicht. “Gewisse Spiele nehmen enorm viel Zeit in Anspruch”, warnt Johanna Daher. Sie habe schon Rückmeldung von Lehrern bekommen, denen die Zeit fehle, sich in Spiele einzuarbeiten. Fehlende Lizenzen sind ebenfalls ein häufiges Problem. Wer spielen will, braucht schließlich eine legale Kopie pro Spieler:in. Das kostet Geld und weist auf das nächste Problem hin: Geräte. Wenn jeder spielen soll, braucht jeder ein Gerät. Hier hat Johanna einen Tipp: Trailer- oder Gameplay-Videos anschauen. Schon diese bieten viel Material für eine Unterrichtseinheit.

    Doch es gibt auch kostenlose Angebote, wie etwa das Spiel Hidden Codes von der Bildungsstätte Anne Frank. Thema: Radikalisierung im Netz. Die Spielenden bewegen sich in einer simulierten Social-Media-Umgebung und lernen über politische Codes und Radikalisierungs-Mechanismen. Andere Spiele kommen sogar mit Unterrichtsmaterialien. 

    Spiele bilden nie eins zu eins die Realität ab, betont Johanna Daher – zum Beispiel bei historischen Ereignissen. Genau das biete Raum für Diskussionen. Sie stellt fest: “Kinder können nicht einfach das Spiel spielen und dann alles wissen, was im Lehrplan steht.” Spiele seien ein zusätzliches Medium, das neben den anderen auch sinnvoll in den Unterricht eingebettet werden muss. Den Lehrplan, zumindest den der Gymnasien von Sachsen-Anhalt, hat sie sich angeschaut und darauf aufbauend eine kleine Datenbank mit passenden Tools für den Unterricht gebastelt. Ihre größte Leidenschaft ist schließlich “eigene Sachen machen.” Enno Eidens

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    Presseschau

    Große Spurensuche: Deutschlands Problem mit dem Präsenzunterricht SZ

    Tausende Berliner Schüler fehlen nach Aussetzen der Präsenzpflicht TAGESSPIEGEL

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