Table.Briefing: Bildung

Lehrerfortbildung + Hackathon + Klaus Zierer + HPI-Schulcloud

  • Molol und Wes4.0: Community bildet
  • Teil II des Interviews mit Verena Pausder und Max Maendler: “Es gibt keinen ökonomischen Faktor”
  • Nele Hirsch über das neue Buch von Klaus Zierer: Ein Jahr des Lernens
  • HPI-Schulcloud bleibt
  • Nachhilfe-Milliarde: Bund erwartet Beitrag von Ländern
  • Didaktik & Tools: Hackathon
Liebe Leserin, lieber Leser,

der Hackathon für neue Ideen des Lernens hat noch nicht begonnen, da geht es im sogenannten Twitter-Lehrerzimmer schon hoch her. Manche fühlen sich dort als Avantgarde – und monieren, dass “Wir für Schule” gar kein Hackathon sei und es heimliche Finanzströme gebe. Im zweiten Teil unseres Interviews mit Verena Pausder und Max Maendler thematisieren wir diese Fragen heute ausführlich.

Zum Start des Hackathons stellen sich heute übrigens die beiden Bildungsministerinnen Ernst und Karliczek den Fragen der Hacker. Was heute bei “Wir für Schule” noch los ist, und warum ein Hackathon längst keine Software-Bastelarbeit mehr ist, lesen Sie unter Didaktik & Tools. Die Talent-Managerin der Deutschen Bahn, Kerstin Wagner, erklärt, warum ihr die Methode so viel Spaß macht.

Die Lehrerfortbildung gehört zu den dauernden Ärgernissen. Das muss endlich verpflichtend werden, lautet eine Forderung. Bildung.Table hat sich zwei Vorreiter der einer neuen Lehrerfortbildung angesehen, Andreas Hofmann und Saskia Ebel – und ein überraschend zwangloses Bildungserlebnis vorgefunden. Fühlt sich fast an wie ein Zukunftsmodell, gäbe es nicht auch hier Streit ums Geld.

“Ein Jahr zum Vergessen” – mit dieser Formel wandelt Pädagogikprofessor Klaus Zierer in seinem neuen Buch auf den Spuren von Georg Pichts legendärer Bildungskatastrophe. Aber sind 16 Monate Pandemie, “Schule daheim” und Maskenpflicht im Klassenzimmer mit dem dysfunktionalen Schulsystem der 1950er Jahre zu vergleichen? Nele Hirsch, eine der führenden Open-Source-Frauen der Bildungsrepublik, weiß die Antwort.

Das ist die zweite Ausgabe von Bildung.Table. Schön, dass Sie dabei sind. Ich wünsche Ihnen spannende Leseerlebnisse. Empfehlen Sie uns gern weiter. Und falls Ihnen Bildung.Table weitergeleitet wurde: Hier ist der Link zum Anmelden.

Ihr
Christian Füller
Bild von Christian  Füller

Analyse

Community bildet

Alle reden gerade über Lehrerfortbildungen. Man müsse sie irgendwie neu und auf jeden Fall verpflichtend machen. Andreas Hofmann und Saskia Ebel reden nicht nur darüber, sondern sie machen sie – seit über zehn Jahren. Die beiden beurlaubten bzw. abgeordneten Lehrer haben ein neues Format von Fortbildung eingeführt, das sich während Corona über die ganze Bildungsrepublik ausgebreitet hat. Zum Teil Tausend Lehrerinnen und Lehrern nehmen an den Trainings teil, deren wesentliche Merkmale sind: groß, spontan, mit Spaß – und natürlich freiwillig. Die Ursprünge liegen in der “Molol“, der “Mobilen Schule Oldenburg”, und in der “WES4.0“, der Fortbildung an der Walter-Eucken-Schule in Karlsruhe. 

Staatliche Lehrerfortbildungen haben oft den Nachteil, dass sie bürokratisch, langwierig und vor allem sehr langweilig sind. Lehrkräfte schlagen gern die Hände über den Kopf zusammen, wenn sie davon erzählen. Ganz anders die über das Twitter-Lehrerzimmer verkündeten Fortbildungen Molol oder Wes4.0, deren Nachfolger es inzwischen auch digital gibt. Bei der letzten analogen Mobilen Schule Oldenburg im Jahr 2019 dauerte es zwei Stunden, ehe die 1.000 Tickets vergeben waren. 

Keiner hat den Hut auf

Die Art dieser Fortbildung sieht auf den ersten Blick nicht wie ein Hexenwerk aus: in Tabellen-Listen mit 45-Minuten-Zeitfenstern werden die verschiedenen Angebote bekannt gegeben. Oft ist es möglich, last minute noch einen Workshop oder eine Session anzubieten. “Der Witz an der Molol ist”, beschreibt ihr Gründer Andreas Hofmann, “dass es eigentlich niemanden gibt, der da den Hut aufhat. Ich setze nur die Puzzleteile aus Angeboten zusammen. Das Programm ist so gut wie das, was aus der Community kommt.” Das Besondere an der Massenfortbildung ist aber womöglich etwas anderes: Kein Bildungsministerium steht dahinter, kein Lehrerseminar und – bislang – kein kommerzielles Weiterbildungsinstitut. 

Heute gibt es das Prinzip Molol überall in der Republik. Als erste hat Saskia Ebel, eine Informatiklehrerin aus Karlsruhe, ein Pendant der Selbstlern-Community von Norden nach Süden exportiert. “Als wir das zum ersten Mal für andere Schulen öffneten”, erzählt Projektleiterin Ebel, “hatten wir nicht damit gerechnet, dass es so gut angenommen wird. Hier soll es menscheln – und kein kommerzielles Ding draus werden.” Tatsächlich sind Mobile Schule und Wes4.0 bislang gratis – von einem Beitrag fürs Buffet abgesehen. Ob sich das auf Dauer halten lässt? Inzwischen taucht das typische Schachbrettmuster von 45-Minuten-Sessions auch bei den “Tabletdays”, der “excitingedu” und vielen anderen Fortbildungen wie “eduswabia” auf. Die Referenten, die Art der Veranstaltung, die Schnelligkeit in der Verbreitung, das ist alles eine Kopie von Hofmanns und Ebels Ansatz: Lehrer schulen Lehrer – und haben Spaß dabei. Die nächsten Fortbildungen, die Ebel und Hofmann anbieten, sind “digital@regional” für Sekundarstufe 1&2 am Mittwoch und Mobile Schule am Donnerstag dieser Woche. Da geht es von “Freude am Coding” über “Gesunder Rücken im Homeoffice” bis hin zu “Erklärvideo und Kinofilm; von “Richtig geiler Shice: die Medienwerkstatt” über “Fakenews im Unterricht” bis zu “Gamification Level 2”.

Die Fortbildungen fürs digitale Lernen Marke Hofmann/Ebel haben 2010 ganz klein begonnen. Als Andreas Hofmann noch Realschullehrer an der Waldschule Hatten in Cloppenburg war, holte er 25 Kolleginnen zusammen, um ihnen zu erklären, wie ein Tablet funktioniert. Dann kam eine weitere Schule hinzu, später Lehrkräfte aus der Region, wieder später Pädagogen aus ganz Deutschland. Inzwischen kann Hofmann, auch was die Teilnehmerzahlen anlangt, mit den Marktführern mithalten – abgesehen vielleicht von der bayerischen Lehrerbildungsakademie ALP in Dillingen. Die “Akademie für Lehrerbildung und Personalführung” hatte 2020 insgesamt 235.000 Lehrkräfte in der Fortbildung – das ist eine Vervierfachung gegenüber 2019. Hingegen ist ein anderer renommierter freier Veranstalter geradezu kollabiert. Die Berliner Republica hatte 2019 die “relearn” offiziell als Subkonferenz zu digitaler Bildung angeboten – mit 35 Sessions. 2021 war ausgerechnet bei den Digitalprofis von Lernen keine Rede mehr. Auf Nachfrage hieß es, es gebe 2021 “aus verschiedensten Gründen keine eigene Subkonferenz mit dem Titel re:learn”. Wie es weiter geht, könne man in den nächsten Monaten erfahren. 

Lehrerfortbildung wird zum Markt

Die Schmallippigkeit deutet auf ein Phänomen hin, das die Fortbildungsszene umtreibt: Sie ist ein Markt geworden. Einerseits, weil der Staat nicht immer so wach ist wie die bayerische Akademie und private Konkurrenz in die Lücke stößt. Andererseits, weil das Jahr 2020 einen Digitalisierungsschub ausgelöst hat, wie die Autoren der Studie “Digitalisierung der Schule” festhalten – auch in der Fortbildung für das Lernen mit digitalen Technologien (Bildung.Table berichtete). Selbst in Bundesländern mit Spitzenwerten, wie Rheinland-Pfalz und Bremen, wo fast 90 Prozent der Lehrkräfte die Möglichkeit zum Digital-Training hatten, gab es seit 2020 noch erhebliche Steigerungen – in Bremen um 22 Punkte, im Südwesten um 12 Punkte. Aber die Konkurrenz belebt das Geschäft nicht nur, sie forciert auch Eifersüchteleien. 

So gibt der Leiter der ALP im bayerischen Dillingen, Alfred Kotter, zu Protokoll, dass “das Angebot von Mobile Schule für uns kein Vorbild war”. Gleichzeitig muss der Direktor aber einräumen, dass einige der “engagiertesten und renommiertesten Referent*innen” der Bayern bei der Mobilen Schule auftreten. Aber Kotter ist sich auch bewusst, dass Mobile Schule und Wes4.0 einen anderen Coolness-Faktor haben als die Personalführer aus Bayern. Er lobt die gelungene Außendarstellung, von der sich lernen ließe. Gut sei auch “die Netzwerkbildung und Community, die sich in und um die Tagung herum gebildet hat und von den Trägern etwa über stete Twitterpräsenz genährt wird”. 

Immer neue Formate und Events

Freilich findet derzeit kein Event zur digitalen Bildung statt, ohne dass Giftpfeile verschossen werden. Der Initiator der Mobilen Schule, teilt ein staatliches Institut maliziös mit, sei “selbst Lehrer, aber aktuell wohl vom Dienst beurlaubt“. Er betreibe inzwischen “eine Medienagentur und die Mobile Schule als Geschäftsmann“. Tatsächlich haben sich die beiden Mütter aller digitalen Fortbildungen, die Mobile Schule und die Wes4.0, weiterentwickelt. Hofmann bietet nicht nur allmonatlich eine “Mobile Schule digital” an, mit der er im Jahr 2020 rund 9.000 Teilnehmer erreichte, sondern es gibt eine “Mobile Schule Flatrate” – ein kommerzielles Angebot. Es kostet, etwa “Tablets in der Grundschule – können die das?” von der Nürnberger Lehrerin Verena Knoblauch, zwischen 19 Euro als Einzellizenz und 4.800 Euro als sechsmonatige Schullizenz für 100 Lehrkräfte. Die Leiterin der Wes4.0, Saskia Ebel, ist an das staatliche Landesmedienzentrum gewechselt, wo sie eine ganze Reihe von neuen Formaten gegründet hat – von der digital@regional über eine moodle-Fortbildung bis zur Gamification-Konferenz “exploreandlearn”. 

Kann Saskia Ebel, die Staatsbedienstete, die explizit “kein kommerzielles Ding” machen will, dort ohne Kommerz arbeiten? Bei ihren Angeboten handelt es sich um, wie sie sagt, “offizielle Lehrerfortbildungen, die immer kostenlos bleiben werden.” Aber natürlich entstehen Kosten. Als sie jüngst für die exploreandlearn den Star unter den Serious Gamern in den USA anheuerte, war sie glücklich – und musste tief in die Tasche greifen. Jane McGonical riss allerdings die deutschen Lehrkräfte hin. Aber umsonst tat sie das sicher nicht. 

Mehr zum Thema

    • Digitales Lernen
    • Fortbildung
    • Lehrer
    • Unterricht

    “Es gibt keinen ökonomischen Faktor”

    Auf dem Foto sind Verena Pausder und Max Maendler zu sehen: Der Hackathon hat keine ökonomischen Faktoren, sagen sie.
    “Nicht zurück zur alten Schule”: Verena Pausder und Max Maendler.

    Frau Pausder, Herr Maendler, es gibt immer wieder Kritik an Ihnen. Verbreitet ist der Vorhalt, dass “Wir für Schule” ökonomische Bildungs-Initiativen bevorzugt. Ist da was dran? 

    Pausder: Nein, das stimmt nicht. Wir haben Sponsoren, die auf der Webseite genannt sind. Die haben bis zu 20.000 Euro je Geber bereitgestellt. Das fließt in die Durchführung des Hackathons oder in technische Unterstützung wie Serverleistungen oder ähnliches. 

    Maendler: Keiner von denen kriegt irgendwas zurück – außer Aufmerksamkeit.

    Pausder: Die bekommen keinen Werbeblock, wo sie ihre Plattform vorstellen dürfen. Die können ihre Produkte bei uns im Hackathon nicht bewerben.  

    Und was ist mit den Unternehmen, die für Sie werben?

    Wenn Startups, Unternehmen oder andere auf uns aufmerksam machen, dann, weil sie die Initiative gut finden. Aber die bekommen dafür keine Gegenleistung. Es gibt keinerlei versteckte Geldströme. Botti, DigitalSparks oder Freiday – das sind alles gemeinnützige Initiativen. Die Projekte, die eine Förderung bekommen haben, bekamen sie von außen. Vom Kinderhilfswerk, Rossmann und Procter&Gamble – alle für Non-Profit-Projekte. Wie wir ja auch eines sind. Die Idee, #wirfürschule würde profitieren, ist falsch. Wir sind eine gemeinnützige GmbH, Max und ich machen das hundertprozentig ehrenamtlich. Kurz: Es gibt keinen ökonomischen Faktor von “Wir für Schule”. 

    Warum ist die Förderung bei “Wir Für Schule” so unklar? Sollten die Teilnehmer nicht von vornherein wissen, auf wie welche Zuschüsse sie hoffen können? 

    Maendler: Das wäre schön. Wir haben aber leider noch keinen Topf, aus dem die Jury Gelder vergeben könnte. Wir haben auch dieses Jahr wieder geguckt. Aber wir haben nichts in der Größenordnung geschafft, dass es wirklich einen Unterschied machen würde.

    Hat Frau Karliczek nicht einen Topf dafür? Sie gibt an anderer Stelle zum Beispiel für eine Bildungsplattform 630 Millionen Euro aus.

    Pausder: Für “Wir für Schule” ist da nichts vorgesehen – leider. Ich glaube, die Leute haben manchmal komische Vorstellungen. Nur weil die Ministerin unsere Schirmherrin ist,  kann ich doch dort keine Millionen für die Startups loseisen. Das Gegenteil ist richtig. Wir haben Schulbuchverlage, die qua ihrem Oligopol garantiertes staatliches Geld bekommen. Aber wenn es nur die minimale Chance gibt, dass einige Startups, die seit einem Jahrzehnt aus eigener Kreativität und Kraft sehr gute Lösungen aufgebaut haben, Eingang in die Schule bekommen sollen, ist das für manche ein rotes Tuch. 

    Schließen Sie Schülerinnen und Schüler aus? 

    Zusammen: Nein. Wie kommen Sie denn darauf?! 

    Wenn Sie auf US-Plattformen wie Zoom oder Slack arbeiten, gibt es zumindest den Nebeneffekt. US-Unternehmen sind gesetzlich verpflichtet, Daten an die Dienste in den Staaten herauszugeben. Schüler kann das abschrecken. 

    Maendler: Wenn eine amerikanische Software dabei ist, dann gucken wir, dass die auf europäischen Servern läuft. Das heißt, wir finden Datenschutz wichtig. Aber da werden ja keine persönlichen Daten verarbeitet. 

    Die Plattform Slack, über welche die Hacker-Teams von “Wir für Schule” kommunizieren, ist erst ab 16 Jahren zugelassen.

    Ja, es kann aber auch ohne Probleme schon vorher genutzt werden – mit Zustimmung der Eltern. Die wird beim Hackathon vorher eingeholt.

    Ein Datenschutzverein aus NRW gibt an, diese Fragen bei “Wir für Schule” schon vergangenes Jahr moniert zu haben. Die haben sogar angeboten, Ihnen eine datenschutzkonforme Plattform zur Verfügung zu stellen. 

    Davon weiß ich jedenfalls nichts. Wir können Ihnen aber versichern, dass wir das Thema Datenschutz sehr ernst nehmen. 

    Nochmal zurück zur Politik. Wie sind die Reaktionen bisher?

    Uns haben vor allem zwei Gespräche gestärkt. Das war nach dem Hackathon letztes Jahr mit Frau Hubig, der damaligen Kultusminister-Präsidentin und danach mit Frau Ernst, die jetzt an der Spitze steht. Als wir dann die ganzen Ergebnisse in der KMK vorgestellt haben …

    … Sie haben das vergangenes Jahr schon mal in der KMK vorgestellt?

    Ja und es waren viele Länder vertreten. Das hat uns gefreut. Und als wir die dann gefragt haben, “Mensch was braucht ihr denn von uns?”, da hat uns Stefanie Hubig gesagt, “wir brauchen eine gemeinsame Vision für die Schule der Zukunft”. Das waren ihre Worte. 

    Und wie war es mit Frau Ernst? Die ist ja jetzt die Entscheidende.

    Ähnlich. Sie hat uns gesagt, die Bildungsverwaltung hätte gerade in der Krise so viel Operatives zu tun, dass die Zeit fehle, ein großes Update des Schulsystems vorzubereiten. Und ich finde auch, dass es unfassbar ist, was die Schulverwaltung im Moment an Feuerwehreinsätzen bewältigen muss. 

    Die beiden Top-Politikerinnen der Bildungspolitik sagen: Sorry, für Visionen ist die Kultusbürokratie grad nicht zu haben. Die haben die größten Etats ihrer Regierungen – und riesige Ministerien mit Grundsatzabteilungen. 

    Pausder: Naja, es gibt wahrscheinlich keinen undankbareren Job im Moment, als Schulministerin oder -minister zu sein. Gehe ich als Minister da lang, findet mich die Hälfte blöd, gehe ich dort lang, finden mich die andren doof. Es ist der komplizierteste Job …

    Maendler: … aber doch auch der tollste: die Zukunft von Kindern gestalten!  

    Pausder: Ja, wenn man wirklich einen großen Wurf landet. Dann verändert man halt auch das ganze Land.

    Haben Sie das Gefühl, dass Bildungsminister so denken? 

    Maendler: Die Währung der Politiker ist, dass gesehen wird, was sie machen. Wenn du als Schulminister:in aber grundlegende Veränderungen umsetzen willst, dann ist das zu langfristig, als dass die Lehrer oder Wähler das kurzfristig sehen. Damit gewinnst du keine Wahl. Du kannst sie vielleicht gewinnen, wenn du den Schüler:innen Laptops schenkst. Da bekommt man mehr Anerkennung. 

    Was gibt Ihnen die Sicherheit, dass die Ideen von diesem Hackathon in der KMK wirklich Fuß fassen? 

    Pausder: Wir sehen das als ein agiles Vorgehen. Wir, der Hackathon und der Zukunftsrat sagen: Das ist unser Vorschlag, das ist unser best shot bis hierher. Jetzt seid ihr dran. 

    Maendler: Und die KMK hat sich vorgenommen, darauf eine echte qualifizierte Antwort zu geben. Das ist schon eine Ernsthaftigkeit, die uns die Präsidentin da angeboten hat, die finde ich sehr fair. 

    Pausder: Ich glaube, dass die Politik sehr gut verstanden hat, dass sie jetzt Offenheit zeigen muss. Partizipative Modelle wie Barcamps und Hackathons haben ihnen gezeigt, wie sehr sich die Bürger und Bürgerinnen einbringen wollen. Das darf nach Corona nicht wieder in Vergessenheit geraten. 

    Was machen Sie dagegen?

    Wir lassen einfach nicht locker. Nicht um jemandem auf den Keks zu gehen, sondern weil wir glauben, dass es wichtig ist und weil wir noch Kinder im System haben, für die wir was verändern wollen. Wir bleiben so lange da, bis was passiert. 

    Wie groß ist die Gefahr, dass aus den vielen tolle Initiativen nichts wird, weil das Bildungssystem einfach wieder zum bisher geübten “normalen” Alltag zurückkehrt?

    Maendler: Ich glaube, dass “einfach zurück” nicht klappt. Wir wissen schon lange, dass ein Fünftel unserer Schüler:innen grundlegende Fertigkeiten im Leseverständnis fehlen. Diese Probleme sind keine Erfindung von einem Corona-Virus oder von “Wir für Schule”. Alte Schule scheitert. Und wir sind ja nicht die einzigen, die das sagen. Es gelingt Schule nicht mehr, die Grundlagen zu vermitteln. Und sie schafft auch nicht genug Spaß, um Schüler:innen zu eigenen Ideen zu motivieren. 

    Lehrer zu sein ist eigentlich ein toller, ein wunderbarer Beruf. Aber ist es nicht so, dass Schule ihren Lehrer:innen gar nicht die optimalen Tools und die Unterstützung gibt, die du in anderen Berufen selbstverständlich bekommst? Du hast kaum moderne Kommunikationssysteme mit den Eltern. Es gibt fast nirgendwo in der Schule eine gute Feedback-Struktur. 

    Pausder: Sie hatten keine digitale Grundausstattung. Die Lehrer:innen haben sich bis vor kurzem ihre Dienstgeräte selber kaufen müssen. 

    Maendler: Und es gibt kein effizientes diagnostisches Instrument, was digital unterstützt ist, das Lehrer:innen die Lernfortschritte ihrer Schüler zeigt. Das wird alles irgendwie auf Papierkalendern festgehalten. Aber die bräuchten so ein Monitoring! Es ist frustrierend, dass das alles so wahnsinnig langsam geht. 

    Was müsste eigentlich in diesen Sommer passieren, wenn es im kommenden Schuljahr gut werden soll?  

    Pausder: Im Sommer am liebsten wenig. Ich habe da vielleicht eine konträre Meinung, aber als Mutter, als Bildungsinteressierte, als Gesprächspartnerin von vielen Lehrer:innen, kann ich sagen: Wir sind alle fertig. Nach 15 Monaten ist der Punkt erreicht, wo wir alle eine Pause brauchen, draußen sein wollen und mit unseren Kindern mal nicht über Schule sprechen wollen. Daher sollte es in den Ferien lediglich freiwillige Lehrstoffaufholangebote geben.

    Maendler: Ja, Verena. Und was danach auf keinen Fall passieren darf, ist ein Zurück zur ‘guten alten Schule’. Eine Lehrkraft in einer Stunde vor einer Klasse mit einem Thema – und dann Druckbetankung. Bitte, bitte, bitte, lasst uns zusammen irgendwas machen, damit das nicht passiert. 

    Mehr zum Thema

      • Britta Ernst
      • Hackathon
      • Schularten
      • Schule
      • Technologie
      • Verena Pausder

      Ein Jahr des Lernens

      Würde ich ein Buch zu Bildung in und nach der Corona-Pandemie schreiben, dann fände ich “Ein Jahr des Lernens” einen ganz guten Titel. Denn noch niemals zuvor habe ich erlebt, dass es an Schulen – und zwar von Schülerinnen und Schülern ebenso wie von Lehrkräften – so viel Entdecken, Erkunden und Ausprobieren gab, wie während der Schulschließungen und den diversen Wechselunterrichts-Modellen im letzten Jahr.

      Klaus Zierer, Professor für Schulpädagogik an der Universität Augsburg, hat sein heute erscheinendes Buch dagegen “Ein Jahr zum Vergessen” genannt. Der Titel ist eine Übernahme aus einem früheren Artikel von ihm, der ihm aufgrund seiner Doppeldeutigkeit passend erscheint: Erstens, weil Eltern, Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler das Corona-Jahr aufgrund all seiner Widrigkeiten am liebsten vergessen würden. Und zweitens, weil im Corona-Jahr sehr vieles vergessen wurde, was nun zu Lernlücken und einer drohenden Bildungskatastrophe führe.

      Ich finde diesen fast ausschließlich defizitorientierten Blick auf die Schulen im Corona-Jahr verfehlt. Verfehlt nicht deshalb, weil ich die von Zierer völlig zu Recht kritisierten Missstände und insbesondere die massive Verschärfung sozialer Disparitäten nicht sehen und teilen würde. Vielmehr bin ich der Auffassung, dass es zur Lösung dieser Missstände ein Weiterdenken in schulischen Bildungsdebatten braucht. Um solch ein ‘Weiterdenken’ zu erreichen, sollten die Corona-Erfahrungen nicht vergessen, sondern bewusst aufgegriffen und ausgewertet werden. Die Corona-Pandemie kann in diesem Sinne als ein schulisches ‘Lernlabor’ eingeordnet werden, in dem eben nicht nur – wie Zierer richtig feststellt – die Mängel im Bildungssystem überdeutlich sichtbar wurden, sondern auch die Stärken. Zudem galten frühere Grenzen und vermeintliche Selbstverständlichkeiten während der Schulschließungen oft nicht mehr und es war Raum zum Experimentieren. Dieses ‘Lernlabor’ fand sicherlich nicht flächendeckend statt – aber doch an so vielen einzelnen Orten, dass die gemachten Erfahrungen nun im Interesse von guter Bildung für alle genutzt werden können. Zierer stellt sich dieser Herausforderung nicht. Deshalb finde ich das Buch wenig hilfreich. Ich möchte dies an drei Themen erläutern.

      Zierer zementiert das Denken in Fächern

      Das erste Thema ist die Frage, was Lernen heutzutage umfasst und wo es hinführen soll. Eine gute Orientierung stellen hier die sogenannten ‘4K’ dar. 4K steht für Kommunikation, Kollaboration, Kreativität und kritisches Denken – und damit für die Schlüsselkompetenzen, die grundlegend sind, damit sich Menschen selbstbestimmt und gestaltend in unsere heutige vernetzte Gesellschaft einbringen können. Zierer nennt die 4K zwar in seinem Buch und orientiert auch darüber hinaus auf eine Reduzierung der Lehrpläne. Widersprüchlich wird das allerdings, wenn er zugleich für einen Ausbau des Bildungsfernsehens plädiert. So sollte für jede Klasse ein ‘Krisenstundenplan’ mit den ‘wichtigsten Inputs’ entwickelt werden. Daneben schlägt er die Einrichtung von Sommerschulen zur Schließung von Lernlücken vor, die lediglich um erlebnispädagogische Maßnahmen ergänzt werden, diese aber nicht als Fokus haben.

      Auf diese Weise zementiert Zierer das überholte Denken in Fächern und Lernstoff, anstatt es zu überwinden. Insbesondere reformpädagogisch geprägte Schulen haben in der Corona-Pandemie dagegen gezeigt, dass es auch anders geht. Schülerinnen und Schüler haben sich mit für sie relevanten Fragestellungen selbstbestimmt, in fächerverbindenden Projekten und im Austausch mit Peers auseinandergesetzt, Informationen recherchiert, sich ihre eigenen Meinungen gebildet und diese präsentiert.

      Hilfreich könnte Zierers Buch in Bezug auf die Frage des Lernens sein, wenn er sein einleitendes Plädoyer für die Perspektive der Kinder und Jugendlichen ernst nehmen würde. Doch diese Ankündigung entpuppt sich als Enttäuschung, weil nirgends von einer tatsächlich gestaltenden Rolle von Kindern und Jugendlichen in Lernprozessen die Rede ist. (Der Abschnitt zum Ausbruch von Lernenden aus der erlernten Passivität ist leider lediglich eine Abhandlung  gegen eine falsch verstandene Lernfreiheit.)

      Pappkamerad Mehrwert

      Das zweite Thema ist der Blick auf die Schulen. Zierer plädiert hier für ‘Präsenz vor Distanz’. Er spricht damit sicherlich insbesondere vielen Eltern aus dem Herzen, die in den letzten Jahren mit Homeoffice und parallel zu betreuenden Kindern Zuhause oft am Ende ihrer Kräfte waren. Viel spannender wäre es aber doch, den schulischen Raum neu zu denken. Das bedeutet: Wie lässt sich Schule als sozialer Raum gestalten, der auch außerschulische Orte und das gesellschaftliche Umfeld erfasst? Wie können Schülerinnen und Schüler sowohl online lernen als auch an physischen Orten? Wie könnte auf diesem Weg personalisiertes Lernen deutlich besser realisiert werden, als wenn alle Schülerinnen und Schüler eines Jahrgangs die gesamte Lernzeit dichtgedrängt in einem Klassenzimmer sitzen? Auch hier gibt es – etwa mit dem Roten Salon an der Ernst Reuter Schule in Karlsruhe – bereits zahlreiche tolle Beispiele zur Orientierung. Mit der Corona-Pandemie kam bei vielen Schulen die Erfahrung (und oft auch die benötigte technische Ausstattung) dazu, dass und wie das Internet als Lernraum genutzt und gestaltet werden kann. Die dabei gemachten Learnings können nun in die Breite getragen werden.

      Damit bin ich beim dritten Thema, bei dem Weiterdenken nötig ist: der Digitalisierung. Zierer plädiert hier erstens für ‘Pädagogik vor Technik’. Das ist eine sehr ärgerliche Pappkameraden-Debatte, denn niemand würde wohl ernsthaft behaupten, dass die Technik vor die Pädagogik gestellt und der Mensch somit der Technik dienen solle. Weiter geht es dann allerdings zweitens mit der Forderung, dass die Nutzung digitaler Medien nur mit erkennbarem Mehrwert für Schülerinnen und Schüler erfolgen soll. Das ist dann nicht mehr nur ärgerlich, sondern verfehlt.

      Zierer reduziert Digitalisierung auf technische Werkzeuge, die eben dann zum Einsatz kommen sollen, wenn sie tatsächlich gebraucht werden. Er verkennt, dass Digitalisierung ein gesellschaftlicher Prozess ist, der schon längst das Leben, Arbeiten und eben auch das Lernen von uns allen prägt. Nötig ist deshalb eine Gestaltung von Lernprozessen in und für eine Kultur der Digitalität. Das bedeutet die Gestaltung von Lernprozessen, die vernetztes Denken, einen bewussten Umgang mit Komplexität, gezieltes Einüben von Kollaboration, die Erfahrung der Gestaltbarkeit von Technik sowie die Fähigkeit zu Teilen und Remix zur Grundlage haben. Mit solch einem umfassenden Blick auf die Digitalisierung können wir ein Bildungsziel erreichen, das Menschen im Blick hat, die die Gesellschaft gestalten und wo nötig auch verändern können. Wie richtig und relevant dieses Bildungsziel ist, hat uns nicht zuletzt die Corona-Pandemie vor Augen geführt.

      Klaus Zierer. “Ein Jahr zum Vergessen. Wie wir die Bildungskatastrophe nach Corona verhindern.” Herder, 2021. 128 Seiten, 12 Euro

      Nele Hirsch berät in ihrem eBildungslabor Lehrer:innen und Schulen. Sie ist aktiv in der Bewegung für Open Educational Resources (OER). Von 2005 bis 2009 war sie Bundestagsabgeordnete und bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion. Sie hat diese Rezension unter der Lizenz CC BY 4.0 für Table.Media geschrieben.

      Mehr zum Thema

        • Coronavirus
        • Gesundheit
        • Schularten
        • Schule

        News

        HPI-Schulcloud bleibt

        Die drei Länder Brandenburg, Thüringen und Niedersachsen haben sich kurz vor Ende der Bundesförderung entschlossen, die HPI-Schulcloud (des Hasso-Plattner-Instituts in Potsdam) selbst weiter zu führen. Das bedeutet, dass das als Nationale Cloud gestartete Lernmanagementsystem bleiben kann. Das HPI hatte die Open-Source-Lernplattform im Auftrag des Bundes nur entwickelt. Das Betreiben und die Finanzierung durch den Bund wäre verfassungsrechtlich wohl nicht möglich gewesen. Derzeit benutzten 4.000 Schulen die Cloud, teilte das HPI mit. Allerdings konnten die drei Länder noch nicht genau angeben, wer der Betreiber der Cloud wird. “Voraussichtlich kommt dafür ein gemeinsam beauftragter Dienstleister ins Spiel”, sagte ein Sprecher der Thüringer Landesregierung. “Nähere Details können wir hierzu noch nicht bekanntgeben.” Am Mittwoch wird die neue Betriebsform der Schulcloud auch im Thüringer Kabinett beschlossen.

        Der Direktor des HPI, Christoph Meinel, meinte, es sei seinem Institut gelungen, mit der Schulcloud “eine leistungsfähige Lern- und Arbeitsumgebung zu schaffen, die alle für einen digital unterstützten Unterricht notwendigen Werkzeuge und einen sicheren Zugang zu vielfältigen Lerninhalten bietet”. Er hoffe, dass sich auch weitere Bundesländer der interoperablen Schul-Cloud-Lösung anschließen werden: “Denn das wäre doch viel zeit- und kostensparender, als 13 verschiedene eigene Plattformen zu entwickeln bzw. zu betreiben”, so Meinel. Ob es dazu aber jemals kommen wird, ist mehr als zweifelhaft. Denn derzeit sind laut Studien zwei Drittel der Schulen in Deutschland in Schulclouds oder Lernmanagementsystemen integriert. Alle Bundesländer haben solche Plattformen. In Niedersachsen zum Beispiel gibt es rechnerisch eine Abdeckung der Schulen mit Clouds zu 116 Prozent, weil einige Schulen gleich mehrere LMS betreiben. Die Schulcloud gilt dabei nicht immer als das effektivste LMS. Vor der Corona-Krise erreichte es – als vermeintliche Bundescloud – nicht einmal ein Prozent der Schulen in Deutschland.

        Als wichtiges Argument für die rund 20 Millionen Euro teuren Entwicklung war stets hervorgehoben worden, dass jedes Land individuelle Varianten der Schulcloud ausprägen könne. Auch das ist jetzt nicht mehr so klar. Auf die Frage, wird die Schulcloud in den drei Ländern identisch sein?, antwortete der Thüringer Sprecher: “Jein bzw. naja. Die Weiterentwicklung der Schulcloud fußt auf der bisher erarbeiteten Basis der HPI-Schulcloud. Auch jetzt gibt es dennoch länderspezifische Eigenheiten, die sich aus den teilweise auch individuellen Bedarfen der Länder erklären.” Das Fahrzeugmodell sei das gleiche, sicherlich auch die Motorisierung, aber die Ausstattung könne in Details variieren, je nachdem, was die Länder sich wünschten. Für viele Schulen gilt: Hauptsache, die Schulcloud läuft. red

        Mehr zum Thema


          • Brandenburg
          • Digitalisierung
          • Schulcloud
          • Thüringen

          Nachhilfe: Bund erwartet Beitrag von Ländern

          Bundesregierung und Bundesländer sind in der Ausarbeitung des Aufhol-Pakets schneller vorangekommen als erwartet. Alle 16 Länder haben die Vereinbarung bereits unterzeichnet. Die Befassung des Bundesrates ist für den 25. Juni 2021 vorgesehen. Anschließend tritt die Gesetzesänderung in Kraft. Das Aktionsprogramm hat einen Umfang von 1,29 Milliarden Euro, die über eine Umsatzsteuerpunkteverteilung an die Länder fließen. Die Mittel sollen für Maßnahmen zum Abbau von Lernrückständen bei Schülerinnen und Schülern eingesetzt werden. Es geht darum, Kinder- und Jugendfreizeiten zu stärken, sowie außerschulische Jugendarbeit und Angebote der Kinder- und Jugendhilfe zu fördern. Um das zu erreichen, wurde eine politische Vereinbarung geschlossen. “Darin wird der zweckgebundene Einsatz der Mittel festgelegt”, sagte eine Sprecherin des Bundesbildungsministeriums zu Bildung.Table. “Der Bund erwartet, dass die Länder zumindest beim Abbau von Lernrückständen mit paritätischen, eigenen Beiträgen und Maßnahmen zur Zielerreichung des Aktionsprogramms beitragen und dies auch transparent darstellen.” Wie berichtet ist eine solche Zweckbindung nicht möglich. Da es sich um eigene Steuereinnahmen der Länder handelt, können diese mit den Mitteln machen, was sie wollen. Daran ändern auch die beschlossenen Berichtspflichten nichts (Bildung.Table berichtete). red

          Mehr zum Thema

            • Anja Karliczek
            • Aufholpaket
            • Bildungspolitik
            • Finanzen

            Didaktik & Tools

            Hackathon

            Wie geht und was bringt ein Hackathon pädagogisch?

            Hackathon bedeutet, dass viele Teilnehmer in einem begrenzten Zeitraum unter Vorgabe eines weit gefassten Themas versuchen, Probleme zu lösen. Man bildet Teams und argumentiert quasi auf der grünen Wiese. Die Rahmenbedingungen sind gegeben – aber den Ideen sind keine Grenzen gesetzt. Das Prinzip heißt: no limits. In den Teams sollen möglichst unterschiedliche Perspektiven aufeinander treffen, und sie sollen in jeder Hinsicht divers organisiert sein. Das geht natürlich auch in Schulen.

            Welche technischen Voraussetzungen muss ich mitbringen?

            Ein Hackathon ist an keine Technologie gebunden. Man kann den Hackathon digital und auch analog veranstalten. Im übertragenen Sinne haben wir das in meinem Team aufgrund der Pandemie mit Hunderten Mitarbeitenden gemacht, als wir uns überlegen mussten: wie arbeiten wir jetzt weiter, wenn wir wegen Corona in Distanz sind? Da war es natürlich gut, dass wir unter anderem ein funktionierendes IT-System für virtuelle Zusammenarbeit hatten.

            Gibts Hackathons noch, wenn man sich wieder in Büro oder Klassenzimmer gegenüber sitzt?

            Hackathons und andere offene Methoden des gemeinsamen Denkens und der Kollaboration gab es schon lange vor Corona. In dem Moment aber, wo man gezwungen war, sich auch im Alltag und in sehr großen Gruppen darauf einzulassen, haben viele noch besser verstanden, wie einfach und doch kreativ diese Instrumente sein können. Die Pandemie hat Methoden und digitale Formate wie Hackathons also eher gestärkt. 

            Pro-Tipp

            Ich habe tolle Erfahrungen mit diesen Methoden gemacht. Mein Schlüsselerlebnis während der Pandemie war, dass man in kurzer Zeit unglaublich kreativ sein kann. Die Geschwindigkeit und sich zu trauen, frei zu denken, sind die wichtigen Elemente. Große Gruppen knobeln möglichst partizipativ an einem bestimmten Thema. Das kann dann auch bedeuten, dass Vorgesetzte oder eine Lehrkraft herausgefordert werden. Es ist faszinierend, was dabei herauskommen kann. Es entstehen oft überraschende Lösungen, die in fest organisierten hierarchischen Gruppen normalerweise nicht so sprudeln.  

            Kerstin Wagner ist Head of Talent Aquisition bei der Bahn, die den Hackathon “Wir Für Schule” unterstützt.

            Termine Hackathon heute

            Wenn der Hackathon “Wir für Schule” heute um 9 Uhr beginnt, stehen zunächst die beiden ranghöchsten Ministerinnen im Mittelpunkt. Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Brandenburgs Bildungsministerin Britta Ernst (SPD), und die Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) sprechen zum Auftakt über die Perspektiven. Sie sind live zugeschaltet. Ernst hatte indirekt die Schulerneuerer dazu aufgefordert, eine Perspektive für das Bildungssystem im 21. Jahrhundert vorzulegen. Anja Karliczek hatte in Ihrem Aufruf gesagt, “gemeinsam gestalten wir die Schule von Morgen”.

            Um 12.30 Uhr wird dann das von einem 100köpfigen Zukunftsrat erarbeitete Zielbild der Schule von Morgen vorgestellt. Dabei geht es von den Visionen zu einem neuen Nationalen Curriculum, wie “Wir für Schule” es nennt. Zu den Visionen gehören Stichworte wie “Offene Schule”, “Keine frühe Trennung, Noten und Prüfungen” oder “Digitale Infrastruktur”. Das Curriculum hat bisher niemand Externes gesehen. Bei dem Hackathon sollen die Teilgeberinnen und Teilgeber den neuen Lehrplan diskutieren – und gegebenenfalls verändern. Danach werde er Kultusministerpräsidentin Ernst überreicht und in der KMK diskutiert. Madita Heubach, die Mitglied des Zukunftsrates war, sagte Bildung.Table, dass die Aufgabe weit über den Hackathon hinaus gehe: “Die Bildungslandschaft in Deutschland zu gestalten liegt in der Verantwortung der gesamten Gesellschaft. Deshalb sollte die Zusammenarbeit zwischen Bürger:innen, Bildungspraktiker:innen und Bildungsexpert:innen fester Bestandteil der Bildungspolitik werden.” red

            Mehr zum Thema

              • Endgeräte
              • Hackathon
              • Software
              • Technologie
              Licenses:

                • Molol und Wes4.0: Community bildet
                • Teil II des Interviews mit Verena Pausder und Max Maendler: “Es gibt keinen ökonomischen Faktor”
                • Nele Hirsch über das neue Buch von Klaus Zierer: Ein Jahr des Lernens
                • HPI-Schulcloud bleibt
                • Nachhilfe-Milliarde: Bund erwartet Beitrag von Ländern
                • Didaktik & Tools: Hackathon
                Liebe Leserin, lieber Leser,

                der Hackathon für neue Ideen des Lernens hat noch nicht begonnen, da geht es im sogenannten Twitter-Lehrerzimmer schon hoch her. Manche fühlen sich dort als Avantgarde – und monieren, dass “Wir für Schule” gar kein Hackathon sei und es heimliche Finanzströme gebe. Im zweiten Teil unseres Interviews mit Verena Pausder und Max Maendler thematisieren wir diese Fragen heute ausführlich.

                Zum Start des Hackathons stellen sich heute übrigens die beiden Bildungsministerinnen Ernst und Karliczek den Fragen der Hacker. Was heute bei “Wir für Schule” noch los ist, und warum ein Hackathon längst keine Software-Bastelarbeit mehr ist, lesen Sie unter Didaktik & Tools. Die Talent-Managerin der Deutschen Bahn, Kerstin Wagner, erklärt, warum ihr die Methode so viel Spaß macht.

                Die Lehrerfortbildung gehört zu den dauernden Ärgernissen. Das muss endlich verpflichtend werden, lautet eine Forderung. Bildung.Table hat sich zwei Vorreiter der einer neuen Lehrerfortbildung angesehen, Andreas Hofmann und Saskia Ebel – und ein überraschend zwangloses Bildungserlebnis vorgefunden. Fühlt sich fast an wie ein Zukunftsmodell, gäbe es nicht auch hier Streit ums Geld.

                “Ein Jahr zum Vergessen” – mit dieser Formel wandelt Pädagogikprofessor Klaus Zierer in seinem neuen Buch auf den Spuren von Georg Pichts legendärer Bildungskatastrophe. Aber sind 16 Monate Pandemie, “Schule daheim” und Maskenpflicht im Klassenzimmer mit dem dysfunktionalen Schulsystem der 1950er Jahre zu vergleichen? Nele Hirsch, eine der führenden Open-Source-Frauen der Bildungsrepublik, weiß die Antwort.

                Das ist die zweite Ausgabe von Bildung.Table. Schön, dass Sie dabei sind. Ich wünsche Ihnen spannende Leseerlebnisse. Empfehlen Sie uns gern weiter. Und falls Ihnen Bildung.Table weitergeleitet wurde: Hier ist der Link zum Anmelden.

                Ihr
                Christian Füller
                Bild von Christian  Füller

                Analyse

                Community bildet

                Alle reden gerade über Lehrerfortbildungen. Man müsse sie irgendwie neu und auf jeden Fall verpflichtend machen. Andreas Hofmann und Saskia Ebel reden nicht nur darüber, sondern sie machen sie – seit über zehn Jahren. Die beiden beurlaubten bzw. abgeordneten Lehrer haben ein neues Format von Fortbildung eingeführt, das sich während Corona über die ganze Bildungsrepublik ausgebreitet hat. Zum Teil Tausend Lehrerinnen und Lehrern nehmen an den Trainings teil, deren wesentliche Merkmale sind: groß, spontan, mit Spaß – und natürlich freiwillig. Die Ursprünge liegen in der “Molol“, der “Mobilen Schule Oldenburg”, und in der “WES4.0“, der Fortbildung an der Walter-Eucken-Schule in Karlsruhe. 

                Staatliche Lehrerfortbildungen haben oft den Nachteil, dass sie bürokratisch, langwierig und vor allem sehr langweilig sind. Lehrkräfte schlagen gern die Hände über den Kopf zusammen, wenn sie davon erzählen. Ganz anders die über das Twitter-Lehrerzimmer verkündeten Fortbildungen Molol oder Wes4.0, deren Nachfolger es inzwischen auch digital gibt. Bei der letzten analogen Mobilen Schule Oldenburg im Jahr 2019 dauerte es zwei Stunden, ehe die 1.000 Tickets vergeben waren. 

                Keiner hat den Hut auf

                Die Art dieser Fortbildung sieht auf den ersten Blick nicht wie ein Hexenwerk aus: in Tabellen-Listen mit 45-Minuten-Zeitfenstern werden die verschiedenen Angebote bekannt gegeben. Oft ist es möglich, last minute noch einen Workshop oder eine Session anzubieten. “Der Witz an der Molol ist”, beschreibt ihr Gründer Andreas Hofmann, “dass es eigentlich niemanden gibt, der da den Hut aufhat. Ich setze nur die Puzzleteile aus Angeboten zusammen. Das Programm ist so gut wie das, was aus der Community kommt.” Das Besondere an der Massenfortbildung ist aber womöglich etwas anderes: Kein Bildungsministerium steht dahinter, kein Lehrerseminar und – bislang – kein kommerzielles Weiterbildungsinstitut. 

                Heute gibt es das Prinzip Molol überall in der Republik. Als erste hat Saskia Ebel, eine Informatiklehrerin aus Karlsruhe, ein Pendant der Selbstlern-Community von Norden nach Süden exportiert. “Als wir das zum ersten Mal für andere Schulen öffneten”, erzählt Projektleiterin Ebel, “hatten wir nicht damit gerechnet, dass es so gut angenommen wird. Hier soll es menscheln – und kein kommerzielles Ding draus werden.” Tatsächlich sind Mobile Schule und Wes4.0 bislang gratis – von einem Beitrag fürs Buffet abgesehen. Ob sich das auf Dauer halten lässt? Inzwischen taucht das typische Schachbrettmuster von 45-Minuten-Sessions auch bei den “Tabletdays”, der “excitingedu” und vielen anderen Fortbildungen wie “eduswabia” auf. Die Referenten, die Art der Veranstaltung, die Schnelligkeit in der Verbreitung, das ist alles eine Kopie von Hofmanns und Ebels Ansatz: Lehrer schulen Lehrer – und haben Spaß dabei. Die nächsten Fortbildungen, die Ebel und Hofmann anbieten, sind “digital@regional” für Sekundarstufe 1&2 am Mittwoch und Mobile Schule am Donnerstag dieser Woche. Da geht es von “Freude am Coding” über “Gesunder Rücken im Homeoffice” bis hin zu “Erklärvideo und Kinofilm; von “Richtig geiler Shice: die Medienwerkstatt” über “Fakenews im Unterricht” bis zu “Gamification Level 2”.

                Die Fortbildungen fürs digitale Lernen Marke Hofmann/Ebel haben 2010 ganz klein begonnen. Als Andreas Hofmann noch Realschullehrer an der Waldschule Hatten in Cloppenburg war, holte er 25 Kolleginnen zusammen, um ihnen zu erklären, wie ein Tablet funktioniert. Dann kam eine weitere Schule hinzu, später Lehrkräfte aus der Region, wieder später Pädagogen aus ganz Deutschland. Inzwischen kann Hofmann, auch was die Teilnehmerzahlen anlangt, mit den Marktführern mithalten – abgesehen vielleicht von der bayerischen Lehrerbildungsakademie ALP in Dillingen. Die “Akademie für Lehrerbildung und Personalführung” hatte 2020 insgesamt 235.000 Lehrkräfte in der Fortbildung – das ist eine Vervierfachung gegenüber 2019. Hingegen ist ein anderer renommierter freier Veranstalter geradezu kollabiert. Die Berliner Republica hatte 2019 die “relearn” offiziell als Subkonferenz zu digitaler Bildung angeboten – mit 35 Sessions. 2021 war ausgerechnet bei den Digitalprofis von Lernen keine Rede mehr. Auf Nachfrage hieß es, es gebe 2021 “aus verschiedensten Gründen keine eigene Subkonferenz mit dem Titel re:learn”. Wie es weiter geht, könne man in den nächsten Monaten erfahren. 

                Lehrerfortbildung wird zum Markt

                Die Schmallippigkeit deutet auf ein Phänomen hin, das die Fortbildungsszene umtreibt: Sie ist ein Markt geworden. Einerseits, weil der Staat nicht immer so wach ist wie die bayerische Akademie und private Konkurrenz in die Lücke stößt. Andererseits, weil das Jahr 2020 einen Digitalisierungsschub ausgelöst hat, wie die Autoren der Studie “Digitalisierung der Schule” festhalten – auch in der Fortbildung für das Lernen mit digitalen Technologien (Bildung.Table berichtete). Selbst in Bundesländern mit Spitzenwerten, wie Rheinland-Pfalz und Bremen, wo fast 90 Prozent der Lehrkräfte die Möglichkeit zum Digital-Training hatten, gab es seit 2020 noch erhebliche Steigerungen – in Bremen um 22 Punkte, im Südwesten um 12 Punkte. Aber die Konkurrenz belebt das Geschäft nicht nur, sie forciert auch Eifersüchteleien. 

                So gibt der Leiter der ALP im bayerischen Dillingen, Alfred Kotter, zu Protokoll, dass “das Angebot von Mobile Schule für uns kein Vorbild war”. Gleichzeitig muss der Direktor aber einräumen, dass einige der “engagiertesten und renommiertesten Referent*innen” der Bayern bei der Mobilen Schule auftreten. Aber Kotter ist sich auch bewusst, dass Mobile Schule und Wes4.0 einen anderen Coolness-Faktor haben als die Personalführer aus Bayern. Er lobt die gelungene Außendarstellung, von der sich lernen ließe. Gut sei auch “die Netzwerkbildung und Community, die sich in und um die Tagung herum gebildet hat und von den Trägern etwa über stete Twitterpräsenz genährt wird”. 

                Immer neue Formate und Events

                Freilich findet derzeit kein Event zur digitalen Bildung statt, ohne dass Giftpfeile verschossen werden. Der Initiator der Mobilen Schule, teilt ein staatliches Institut maliziös mit, sei “selbst Lehrer, aber aktuell wohl vom Dienst beurlaubt“. Er betreibe inzwischen “eine Medienagentur und die Mobile Schule als Geschäftsmann“. Tatsächlich haben sich die beiden Mütter aller digitalen Fortbildungen, die Mobile Schule und die Wes4.0, weiterentwickelt. Hofmann bietet nicht nur allmonatlich eine “Mobile Schule digital” an, mit der er im Jahr 2020 rund 9.000 Teilnehmer erreichte, sondern es gibt eine “Mobile Schule Flatrate” – ein kommerzielles Angebot. Es kostet, etwa “Tablets in der Grundschule – können die das?” von der Nürnberger Lehrerin Verena Knoblauch, zwischen 19 Euro als Einzellizenz und 4.800 Euro als sechsmonatige Schullizenz für 100 Lehrkräfte. Die Leiterin der Wes4.0, Saskia Ebel, ist an das staatliche Landesmedienzentrum gewechselt, wo sie eine ganze Reihe von neuen Formaten gegründet hat – von der digital@regional über eine moodle-Fortbildung bis zur Gamification-Konferenz “exploreandlearn”. 

                Kann Saskia Ebel, die Staatsbedienstete, die explizit “kein kommerzielles Ding” machen will, dort ohne Kommerz arbeiten? Bei ihren Angeboten handelt es sich um, wie sie sagt, “offizielle Lehrerfortbildungen, die immer kostenlos bleiben werden.” Aber natürlich entstehen Kosten. Als sie jüngst für die exploreandlearn den Star unter den Serious Gamern in den USA anheuerte, war sie glücklich – und musste tief in die Tasche greifen. Jane McGonical riss allerdings die deutschen Lehrkräfte hin. Aber umsonst tat sie das sicher nicht. 

                Mehr zum Thema

                  • Digitales Lernen
                  • Fortbildung
                  • Lehrer
                  • Unterricht

                  “Es gibt keinen ökonomischen Faktor”

                  Auf dem Foto sind Verena Pausder und Max Maendler zu sehen: Der Hackathon hat keine ökonomischen Faktoren, sagen sie.
                  “Nicht zurück zur alten Schule”: Verena Pausder und Max Maendler.

                  Frau Pausder, Herr Maendler, es gibt immer wieder Kritik an Ihnen. Verbreitet ist der Vorhalt, dass “Wir für Schule” ökonomische Bildungs-Initiativen bevorzugt. Ist da was dran? 

                  Pausder: Nein, das stimmt nicht. Wir haben Sponsoren, die auf der Webseite genannt sind. Die haben bis zu 20.000 Euro je Geber bereitgestellt. Das fließt in die Durchführung des Hackathons oder in technische Unterstützung wie Serverleistungen oder ähnliches. 

                  Maendler: Keiner von denen kriegt irgendwas zurück – außer Aufmerksamkeit.

                  Pausder: Die bekommen keinen Werbeblock, wo sie ihre Plattform vorstellen dürfen. Die können ihre Produkte bei uns im Hackathon nicht bewerben.  

                  Und was ist mit den Unternehmen, die für Sie werben?

                  Wenn Startups, Unternehmen oder andere auf uns aufmerksam machen, dann, weil sie die Initiative gut finden. Aber die bekommen dafür keine Gegenleistung. Es gibt keinerlei versteckte Geldströme. Botti, DigitalSparks oder Freiday – das sind alles gemeinnützige Initiativen. Die Projekte, die eine Förderung bekommen haben, bekamen sie von außen. Vom Kinderhilfswerk, Rossmann und Procter&Gamble – alle für Non-Profit-Projekte. Wie wir ja auch eines sind. Die Idee, #wirfürschule würde profitieren, ist falsch. Wir sind eine gemeinnützige GmbH, Max und ich machen das hundertprozentig ehrenamtlich. Kurz: Es gibt keinen ökonomischen Faktor von “Wir für Schule”. 

                  Warum ist die Förderung bei “Wir Für Schule” so unklar? Sollten die Teilnehmer nicht von vornherein wissen, auf wie welche Zuschüsse sie hoffen können? 

                  Maendler: Das wäre schön. Wir haben aber leider noch keinen Topf, aus dem die Jury Gelder vergeben könnte. Wir haben auch dieses Jahr wieder geguckt. Aber wir haben nichts in der Größenordnung geschafft, dass es wirklich einen Unterschied machen würde.

                  Hat Frau Karliczek nicht einen Topf dafür? Sie gibt an anderer Stelle zum Beispiel für eine Bildungsplattform 630 Millionen Euro aus.

                  Pausder: Für “Wir für Schule” ist da nichts vorgesehen – leider. Ich glaube, die Leute haben manchmal komische Vorstellungen. Nur weil die Ministerin unsere Schirmherrin ist,  kann ich doch dort keine Millionen für die Startups loseisen. Das Gegenteil ist richtig. Wir haben Schulbuchverlage, die qua ihrem Oligopol garantiertes staatliches Geld bekommen. Aber wenn es nur die minimale Chance gibt, dass einige Startups, die seit einem Jahrzehnt aus eigener Kreativität und Kraft sehr gute Lösungen aufgebaut haben, Eingang in die Schule bekommen sollen, ist das für manche ein rotes Tuch. 

                  Schließen Sie Schülerinnen und Schüler aus? 

                  Zusammen: Nein. Wie kommen Sie denn darauf?! 

                  Wenn Sie auf US-Plattformen wie Zoom oder Slack arbeiten, gibt es zumindest den Nebeneffekt. US-Unternehmen sind gesetzlich verpflichtet, Daten an die Dienste in den Staaten herauszugeben. Schüler kann das abschrecken. 

                  Maendler: Wenn eine amerikanische Software dabei ist, dann gucken wir, dass die auf europäischen Servern läuft. Das heißt, wir finden Datenschutz wichtig. Aber da werden ja keine persönlichen Daten verarbeitet. 

                  Die Plattform Slack, über welche die Hacker-Teams von “Wir für Schule” kommunizieren, ist erst ab 16 Jahren zugelassen.

                  Ja, es kann aber auch ohne Probleme schon vorher genutzt werden – mit Zustimmung der Eltern. Die wird beim Hackathon vorher eingeholt.

                  Ein Datenschutzverein aus NRW gibt an, diese Fragen bei “Wir für Schule” schon vergangenes Jahr moniert zu haben. Die haben sogar angeboten, Ihnen eine datenschutzkonforme Plattform zur Verfügung zu stellen. 

                  Davon weiß ich jedenfalls nichts. Wir können Ihnen aber versichern, dass wir das Thema Datenschutz sehr ernst nehmen. 

                  Nochmal zurück zur Politik. Wie sind die Reaktionen bisher?

                  Uns haben vor allem zwei Gespräche gestärkt. Das war nach dem Hackathon letztes Jahr mit Frau Hubig, der damaligen Kultusminister-Präsidentin und danach mit Frau Ernst, die jetzt an der Spitze steht. Als wir dann die ganzen Ergebnisse in der KMK vorgestellt haben …

                  … Sie haben das vergangenes Jahr schon mal in der KMK vorgestellt?

                  Ja und es waren viele Länder vertreten. Das hat uns gefreut. Und als wir die dann gefragt haben, “Mensch was braucht ihr denn von uns?”, da hat uns Stefanie Hubig gesagt, “wir brauchen eine gemeinsame Vision für die Schule der Zukunft”. Das waren ihre Worte. 

                  Und wie war es mit Frau Ernst? Die ist ja jetzt die Entscheidende.

                  Ähnlich. Sie hat uns gesagt, die Bildungsverwaltung hätte gerade in der Krise so viel Operatives zu tun, dass die Zeit fehle, ein großes Update des Schulsystems vorzubereiten. Und ich finde auch, dass es unfassbar ist, was die Schulverwaltung im Moment an Feuerwehreinsätzen bewältigen muss. 

                  Die beiden Top-Politikerinnen der Bildungspolitik sagen: Sorry, für Visionen ist die Kultusbürokratie grad nicht zu haben. Die haben die größten Etats ihrer Regierungen – und riesige Ministerien mit Grundsatzabteilungen. 

                  Pausder: Naja, es gibt wahrscheinlich keinen undankbareren Job im Moment, als Schulministerin oder -minister zu sein. Gehe ich als Minister da lang, findet mich die Hälfte blöd, gehe ich dort lang, finden mich die andren doof. Es ist der komplizierteste Job …

                  Maendler: … aber doch auch der tollste: die Zukunft von Kindern gestalten!  

                  Pausder: Ja, wenn man wirklich einen großen Wurf landet. Dann verändert man halt auch das ganze Land.

                  Haben Sie das Gefühl, dass Bildungsminister so denken? 

                  Maendler: Die Währung der Politiker ist, dass gesehen wird, was sie machen. Wenn du als Schulminister:in aber grundlegende Veränderungen umsetzen willst, dann ist das zu langfristig, als dass die Lehrer oder Wähler das kurzfristig sehen. Damit gewinnst du keine Wahl. Du kannst sie vielleicht gewinnen, wenn du den Schüler:innen Laptops schenkst. Da bekommt man mehr Anerkennung. 

                  Was gibt Ihnen die Sicherheit, dass die Ideen von diesem Hackathon in der KMK wirklich Fuß fassen? 

                  Pausder: Wir sehen das als ein agiles Vorgehen. Wir, der Hackathon und der Zukunftsrat sagen: Das ist unser Vorschlag, das ist unser best shot bis hierher. Jetzt seid ihr dran. 

                  Maendler: Und die KMK hat sich vorgenommen, darauf eine echte qualifizierte Antwort zu geben. Das ist schon eine Ernsthaftigkeit, die uns die Präsidentin da angeboten hat, die finde ich sehr fair. 

                  Pausder: Ich glaube, dass die Politik sehr gut verstanden hat, dass sie jetzt Offenheit zeigen muss. Partizipative Modelle wie Barcamps und Hackathons haben ihnen gezeigt, wie sehr sich die Bürger und Bürgerinnen einbringen wollen. Das darf nach Corona nicht wieder in Vergessenheit geraten. 

                  Was machen Sie dagegen?

                  Wir lassen einfach nicht locker. Nicht um jemandem auf den Keks zu gehen, sondern weil wir glauben, dass es wichtig ist und weil wir noch Kinder im System haben, für die wir was verändern wollen. Wir bleiben so lange da, bis was passiert. 

                  Wie groß ist die Gefahr, dass aus den vielen tolle Initiativen nichts wird, weil das Bildungssystem einfach wieder zum bisher geübten “normalen” Alltag zurückkehrt?

                  Maendler: Ich glaube, dass “einfach zurück” nicht klappt. Wir wissen schon lange, dass ein Fünftel unserer Schüler:innen grundlegende Fertigkeiten im Leseverständnis fehlen. Diese Probleme sind keine Erfindung von einem Corona-Virus oder von “Wir für Schule”. Alte Schule scheitert. Und wir sind ja nicht die einzigen, die das sagen. Es gelingt Schule nicht mehr, die Grundlagen zu vermitteln. Und sie schafft auch nicht genug Spaß, um Schüler:innen zu eigenen Ideen zu motivieren. 

                  Lehrer zu sein ist eigentlich ein toller, ein wunderbarer Beruf. Aber ist es nicht so, dass Schule ihren Lehrer:innen gar nicht die optimalen Tools und die Unterstützung gibt, die du in anderen Berufen selbstverständlich bekommst? Du hast kaum moderne Kommunikationssysteme mit den Eltern. Es gibt fast nirgendwo in der Schule eine gute Feedback-Struktur. 

                  Pausder: Sie hatten keine digitale Grundausstattung. Die Lehrer:innen haben sich bis vor kurzem ihre Dienstgeräte selber kaufen müssen. 

                  Maendler: Und es gibt kein effizientes diagnostisches Instrument, was digital unterstützt ist, das Lehrer:innen die Lernfortschritte ihrer Schüler zeigt. Das wird alles irgendwie auf Papierkalendern festgehalten. Aber die bräuchten so ein Monitoring! Es ist frustrierend, dass das alles so wahnsinnig langsam geht. 

                  Was müsste eigentlich in diesen Sommer passieren, wenn es im kommenden Schuljahr gut werden soll?  

                  Pausder: Im Sommer am liebsten wenig. Ich habe da vielleicht eine konträre Meinung, aber als Mutter, als Bildungsinteressierte, als Gesprächspartnerin von vielen Lehrer:innen, kann ich sagen: Wir sind alle fertig. Nach 15 Monaten ist der Punkt erreicht, wo wir alle eine Pause brauchen, draußen sein wollen und mit unseren Kindern mal nicht über Schule sprechen wollen. Daher sollte es in den Ferien lediglich freiwillige Lehrstoffaufholangebote geben.

                  Maendler: Ja, Verena. Und was danach auf keinen Fall passieren darf, ist ein Zurück zur ‘guten alten Schule’. Eine Lehrkraft in einer Stunde vor einer Klasse mit einem Thema – und dann Druckbetankung. Bitte, bitte, bitte, lasst uns zusammen irgendwas machen, damit das nicht passiert. 

                  Mehr zum Thema

                    • Britta Ernst
                    • Hackathon
                    • Schularten
                    • Schule
                    • Technologie
                    • Verena Pausder

                    Ein Jahr des Lernens

                    Würde ich ein Buch zu Bildung in und nach der Corona-Pandemie schreiben, dann fände ich “Ein Jahr des Lernens” einen ganz guten Titel. Denn noch niemals zuvor habe ich erlebt, dass es an Schulen – und zwar von Schülerinnen und Schülern ebenso wie von Lehrkräften – so viel Entdecken, Erkunden und Ausprobieren gab, wie während der Schulschließungen und den diversen Wechselunterrichts-Modellen im letzten Jahr.

                    Klaus Zierer, Professor für Schulpädagogik an der Universität Augsburg, hat sein heute erscheinendes Buch dagegen “Ein Jahr zum Vergessen” genannt. Der Titel ist eine Übernahme aus einem früheren Artikel von ihm, der ihm aufgrund seiner Doppeldeutigkeit passend erscheint: Erstens, weil Eltern, Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler das Corona-Jahr aufgrund all seiner Widrigkeiten am liebsten vergessen würden. Und zweitens, weil im Corona-Jahr sehr vieles vergessen wurde, was nun zu Lernlücken und einer drohenden Bildungskatastrophe führe.

                    Ich finde diesen fast ausschließlich defizitorientierten Blick auf die Schulen im Corona-Jahr verfehlt. Verfehlt nicht deshalb, weil ich die von Zierer völlig zu Recht kritisierten Missstände und insbesondere die massive Verschärfung sozialer Disparitäten nicht sehen und teilen würde. Vielmehr bin ich der Auffassung, dass es zur Lösung dieser Missstände ein Weiterdenken in schulischen Bildungsdebatten braucht. Um solch ein ‘Weiterdenken’ zu erreichen, sollten die Corona-Erfahrungen nicht vergessen, sondern bewusst aufgegriffen und ausgewertet werden. Die Corona-Pandemie kann in diesem Sinne als ein schulisches ‘Lernlabor’ eingeordnet werden, in dem eben nicht nur – wie Zierer richtig feststellt – die Mängel im Bildungssystem überdeutlich sichtbar wurden, sondern auch die Stärken. Zudem galten frühere Grenzen und vermeintliche Selbstverständlichkeiten während der Schulschließungen oft nicht mehr und es war Raum zum Experimentieren. Dieses ‘Lernlabor’ fand sicherlich nicht flächendeckend statt – aber doch an so vielen einzelnen Orten, dass die gemachten Erfahrungen nun im Interesse von guter Bildung für alle genutzt werden können. Zierer stellt sich dieser Herausforderung nicht. Deshalb finde ich das Buch wenig hilfreich. Ich möchte dies an drei Themen erläutern.

                    Zierer zementiert das Denken in Fächern

                    Das erste Thema ist die Frage, was Lernen heutzutage umfasst und wo es hinführen soll. Eine gute Orientierung stellen hier die sogenannten ‘4K’ dar. 4K steht für Kommunikation, Kollaboration, Kreativität und kritisches Denken – und damit für die Schlüsselkompetenzen, die grundlegend sind, damit sich Menschen selbstbestimmt und gestaltend in unsere heutige vernetzte Gesellschaft einbringen können. Zierer nennt die 4K zwar in seinem Buch und orientiert auch darüber hinaus auf eine Reduzierung der Lehrpläne. Widersprüchlich wird das allerdings, wenn er zugleich für einen Ausbau des Bildungsfernsehens plädiert. So sollte für jede Klasse ein ‘Krisenstundenplan’ mit den ‘wichtigsten Inputs’ entwickelt werden. Daneben schlägt er die Einrichtung von Sommerschulen zur Schließung von Lernlücken vor, die lediglich um erlebnispädagogische Maßnahmen ergänzt werden, diese aber nicht als Fokus haben.

                    Auf diese Weise zementiert Zierer das überholte Denken in Fächern und Lernstoff, anstatt es zu überwinden. Insbesondere reformpädagogisch geprägte Schulen haben in der Corona-Pandemie dagegen gezeigt, dass es auch anders geht. Schülerinnen und Schüler haben sich mit für sie relevanten Fragestellungen selbstbestimmt, in fächerverbindenden Projekten und im Austausch mit Peers auseinandergesetzt, Informationen recherchiert, sich ihre eigenen Meinungen gebildet und diese präsentiert.

                    Hilfreich könnte Zierers Buch in Bezug auf die Frage des Lernens sein, wenn er sein einleitendes Plädoyer für die Perspektive der Kinder und Jugendlichen ernst nehmen würde. Doch diese Ankündigung entpuppt sich als Enttäuschung, weil nirgends von einer tatsächlich gestaltenden Rolle von Kindern und Jugendlichen in Lernprozessen die Rede ist. (Der Abschnitt zum Ausbruch von Lernenden aus der erlernten Passivität ist leider lediglich eine Abhandlung  gegen eine falsch verstandene Lernfreiheit.)

                    Pappkamerad Mehrwert

                    Das zweite Thema ist der Blick auf die Schulen. Zierer plädiert hier für ‘Präsenz vor Distanz’. Er spricht damit sicherlich insbesondere vielen Eltern aus dem Herzen, die in den letzten Jahren mit Homeoffice und parallel zu betreuenden Kindern Zuhause oft am Ende ihrer Kräfte waren. Viel spannender wäre es aber doch, den schulischen Raum neu zu denken. Das bedeutet: Wie lässt sich Schule als sozialer Raum gestalten, der auch außerschulische Orte und das gesellschaftliche Umfeld erfasst? Wie können Schülerinnen und Schüler sowohl online lernen als auch an physischen Orten? Wie könnte auf diesem Weg personalisiertes Lernen deutlich besser realisiert werden, als wenn alle Schülerinnen und Schüler eines Jahrgangs die gesamte Lernzeit dichtgedrängt in einem Klassenzimmer sitzen? Auch hier gibt es – etwa mit dem Roten Salon an der Ernst Reuter Schule in Karlsruhe – bereits zahlreiche tolle Beispiele zur Orientierung. Mit der Corona-Pandemie kam bei vielen Schulen die Erfahrung (und oft auch die benötigte technische Ausstattung) dazu, dass und wie das Internet als Lernraum genutzt und gestaltet werden kann. Die dabei gemachten Learnings können nun in die Breite getragen werden.

                    Damit bin ich beim dritten Thema, bei dem Weiterdenken nötig ist: der Digitalisierung. Zierer plädiert hier erstens für ‘Pädagogik vor Technik’. Das ist eine sehr ärgerliche Pappkameraden-Debatte, denn niemand würde wohl ernsthaft behaupten, dass die Technik vor die Pädagogik gestellt und der Mensch somit der Technik dienen solle. Weiter geht es dann allerdings zweitens mit der Forderung, dass die Nutzung digitaler Medien nur mit erkennbarem Mehrwert für Schülerinnen und Schüler erfolgen soll. Das ist dann nicht mehr nur ärgerlich, sondern verfehlt.

                    Zierer reduziert Digitalisierung auf technische Werkzeuge, die eben dann zum Einsatz kommen sollen, wenn sie tatsächlich gebraucht werden. Er verkennt, dass Digitalisierung ein gesellschaftlicher Prozess ist, der schon längst das Leben, Arbeiten und eben auch das Lernen von uns allen prägt. Nötig ist deshalb eine Gestaltung von Lernprozessen in und für eine Kultur der Digitalität. Das bedeutet die Gestaltung von Lernprozessen, die vernetztes Denken, einen bewussten Umgang mit Komplexität, gezieltes Einüben von Kollaboration, die Erfahrung der Gestaltbarkeit von Technik sowie die Fähigkeit zu Teilen und Remix zur Grundlage haben. Mit solch einem umfassenden Blick auf die Digitalisierung können wir ein Bildungsziel erreichen, das Menschen im Blick hat, die die Gesellschaft gestalten und wo nötig auch verändern können. Wie richtig und relevant dieses Bildungsziel ist, hat uns nicht zuletzt die Corona-Pandemie vor Augen geführt.

                    Klaus Zierer. “Ein Jahr zum Vergessen. Wie wir die Bildungskatastrophe nach Corona verhindern.” Herder, 2021. 128 Seiten, 12 Euro

                    Nele Hirsch berät in ihrem eBildungslabor Lehrer:innen und Schulen. Sie ist aktiv in der Bewegung für Open Educational Resources (OER). Von 2005 bis 2009 war sie Bundestagsabgeordnete und bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion. Sie hat diese Rezension unter der Lizenz CC BY 4.0 für Table.Media geschrieben.

                    Mehr zum Thema

                      • Coronavirus
                      • Gesundheit
                      • Schularten
                      • Schule

                      News

                      HPI-Schulcloud bleibt

                      Die drei Länder Brandenburg, Thüringen und Niedersachsen haben sich kurz vor Ende der Bundesförderung entschlossen, die HPI-Schulcloud (des Hasso-Plattner-Instituts in Potsdam) selbst weiter zu führen. Das bedeutet, dass das als Nationale Cloud gestartete Lernmanagementsystem bleiben kann. Das HPI hatte die Open-Source-Lernplattform im Auftrag des Bundes nur entwickelt. Das Betreiben und die Finanzierung durch den Bund wäre verfassungsrechtlich wohl nicht möglich gewesen. Derzeit benutzten 4.000 Schulen die Cloud, teilte das HPI mit. Allerdings konnten die drei Länder noch nicht genau angeben, wer der Betreiber der Cloud wird. “Voraussichtlich kommt dafür ein gemeinsam beauftragter Dienstleister ins Spiel”, sagte ein Sprecher der Thüringer Landesregierung. “Nähere Details können wir hierzu noch nicht bekanntgeben.” Am Mittwoch wird die neue Betriebsform der Schulcloud auch im Thüringer Kabinett beschlossen.

                      Der Direktor des HPI, Christoph Meinel, meinte, es sei seinem Institut gelungen, mit der Schulcloud “eine leistungsfähige Lern- und Arbeitsumgebung zu schaffen, die alle für einen digital unterstützten Unterricht notwendigen Werkzeuge und einen sicheren Zugang zu vielfältigen Lerninhalten bietet”. Er hoffe, dass sich auch weitere Bundesländer der interoperablen Schul-Cloud-Lösung anschließen werden: “Denn das wäre doch viel zeit- und kostensparender, als 13 verschiedene eigene Plattformen zu entwickeln bzw. zu betreiben”, so Meinel. Ob es dazu aber jemals kommen wird, ist mehr als zweifelhaft. Denn derzeit sind laut Studien zwei Drittel der Schulen in Deutschland in Schulclouds oder Lernmanagementsystemen integriert. Alle Bundesländer haben solche Plattformen. In Niedersachsen zum Beispiel gibt es rechnerisch eine Abdeckung der Schulen mit Clouds zu 116 Prozent, weil einige Schulen gleich mehrere LMS betreiben. Die Schulcloud gilt dabei nicht immer als das effektivste LMS. Vor der Corona-Krise erreichte es – als vermeintliche Bundescloud – nicht einmal ein Prozent der Schulen in Deutschland.

                      Als wichtiges Argument für die rund 20 Millionen Euro teuren Entwicklung war stets hervorgehoben worden, dass jedes Land individuelle Varianten der Schulcloud ausprägen könne. Auch das ist jetzt nicht mehr so klar. Auf die Frage, wird die Schulcloud in den drei Ländern identisch sein?, antwortete der Thüringer Sprecher: “Jein bzw. naja. Die Weiterentwicklung der Schulcloud fußt auf der bisher erarbeiteten Basis der HPI-Schulcloud. Auch jetzt gibt es dennoch länderspezifische Eigenheiten, die sich aus den teilweise auch individuellen Bedarfen der Länder erklären.” Das Fahrzeugmodell sei das gleiche, sicherlich auch die Motorisierung, aber die Ausstattung könne in Details variieren, je nachdem, was die Länder sich wünschten. Für viele Schulen gilt: Hauptsache, die Schulcloud läuft. red

                      Mehr zum Thema


                        • Brandenburg
                        • Digitalisierung
                        • Schulcloud
                        • Thüringen

                        Nachhilfe: Bund erwartet Beitrag von Ländern

                        Bundesregierung und Bundesländer sind in der Ausarbeitung des Aufhol-Pakets schneller vorangekommen als erwartet. Alle 16 Länder haben die Vereinbarung bereits unterzeichnet. Die Befassung des Bundesrates ist für den 25. Juni 2021 vorgesehen. Anschließend tritt die Gesetzesänderung in Kraft. Das Aktionsprogramm hat einen Umfang von 1,29 Milliarden Euro, die über eine Umsatzsteuerpunkteverteilung an die Länder fließen. Die Mittel sollen für Maßnahmen zum Abbau von Lernrückständen bei Schülerinnen und Schülern eingesetzt werden. Es geht darum, Kinder- und Jugendfreizeiten zu stärken, sowie außerschulische Jugendarbeit und Angebote der Kinder- und Jugendhilfe zu fördern. Um das zu erreichen, wurde eine politische Vereinbarung geschlossen. “Darin wird der zweckgebundene Einsatz der Mittel festgelegt”, sagte eine Sprecherin des Bundesbildungsministeriums zu Bildung.Table. “Der Bund erwartet, dass die Länder zumindest beim Abbau von Lernrückständen mit paritätischen, eigenen Beiträgen und Maßnahmen zur Zielerreichung des Aktionsprogramms beitragen und dies auch transparent darstellen.” Wie berichtet ist eine solche Zweckbindung nicht möglich. Da es sich um eigene Steuereinnahmen der Länder handelt, können diese mit den Mitteln machen, was sie wollen. Daran ändern auch die beschlossenen Berichtspflichten nichts (Bildung.Table berichtete). red

                        Mehr zum Thema

                          • Anja Karliczek
                          • Aufholpaket
                          • Bildungspolitik
                          • Finanzen

                          Didaktik & Tools

                          Hackathon

                          Wie geht und was bringt ein Hackathon pädagogisch?

                          Hackathon bedeutet, dass viele Teilnehmer in einem begrenzten Zeitraum unter Vorgabe eines weit gefassten Themas versuchen, Probleme zu lösen. Man bildet Teams und argumentiert quasi auf der grünen Wiese. Die Rahmenbedingungen sind gegeben – aber den Ideen sind keine Grenzen gesetzt. Das Prinzip heißt: no limits. In den Teams sollen möglichst unterschiedliche Perspektiven aufeinander treffen, und sie sollen in jeder Hinsicht divers organisiert sein. Das geht natürlich auch in Schulen.

                          Welche technischen Voraussetzungen muss ich mitbringen?

                          Ein Hackathon ist an keine Technologie gebunden. Man kann den Hackathon digital und auch analog veranstalten. Im übertragenen Sinne haben wir das in meinem Team aufgrund der Pandemie mit Hunderten Mitarbeitenden gemacht, als wir uns überlegen mussten: wie arbeiten wir jetzt weiter, wenn wir wegen Corona in Distanz sind? Da war es natürlich gut, dass wir unter anderem ein funktionierendes IT-System für virtuelle Zusammenarbeit hatten.

                          Gibts Hackathons noch, wenn man sich wieder in Büro oder Klassenzimmer gegenüber sitzt?

                          Hackathons und andere offene Methoden des gemeinsamen Denkens und der Kollaboration gab es schon lange vor Corona. In dem Moment aber, wo man gezwungen war, sich auch im Alltag und in sehr großen Gruppen darauf einzulassen, haben viele noch besser verstanden, wie einfach und doch kreativ diese Instrumente sein können. Die Pandemie hat Methoden und digitale Formate wie Hackathons also eher gestärkt. 

                          Pro-Tipp

                          Ich habe tolle Erfahrungen mit diesen Methoden gemacht. Mein Schlüsselerlebnis während der Pandemie war, dass man in kurzer Zeit unglaublich kreativ sein kann. Die Geschwindigkeit und sich zu trauen, frei zu denken, sind die wichtigen Elemente. Große Gruppen knobeln möglichst partizipativ an einem bestimmten Thema. Das kann dann auch bedeuten, dass Vorgesetzte oder eine Lehrkraft herausgefordert werden. Es ist faszinierend, was dabei herauskommen kann. Es entstehen oft überraschende Lösungen, die in fest organisierten hierarchischen Gruppen normalerweise nicht so sprudeln.  

                          Kerstin Wagner ist Head of Talent Aquisition bei der Bahn, die den Hackathon “Wir Für Schule” unterstützt.

                          Termine Hackathon heute

                          Wenn der Hackathon “Wir für Schule” heute um 9 Uhr beginnt, stehen zunächst die beiden ranghöchsten Ministerinnen im Mittelpunkt. Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Brandenburgs Bildungsministerin Britta Ernst (SPD), und die Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) sprechen zum Auftakt über die Perspektiven. Sie sind live zugeschaltet. Ernst hatte indirekt die Schulerneuerer dazu aufgefordert, eine Perspektive für das Bildungssystem im 21. Jahrhundert vorzulegen. Anja Karliczek hatte in Ihrem Aufruf gesagt, “gemeinsam gestalten wir die Schule von Morgen”.

                          Um 12.30 Uhr wird dann das von einem 100köpfigen Zukunftsrat erarbeitete Zielbild der Schule von Morgen vorgestellt. Dabei geht es von den Visionen zu einem neuen Nationalen Curriculum, wie “Wir für Schule” es nennt. Zu den Visionen gehören Stichworte wie “Offene Schule”, “Keine frühe Trennung, Noten und Prüfungen” oder “Digitale Infrastruktur”. Das Curriculum hat bisher niemand Externes gesehen. Bei dem Hackathon sollen die Teilgeberinnen und Teilgeber den neuen Lehrplan diskutieren – und gegebenenfalls verändern. Danach werde er Kultusministerpräsidentin Ernst überreicht und in der KMK diskutiert. Madita Heubach, die Mitglied des Zukunftsrates war, sagte Bildung.Table, dass die Aufgabe weit über den Hackathon hinaus gehe: “Die Bildungslandschaft in Deutschland zu gestalten liegt in der Verantwortung der gesamten Gesellschaft. Deshalb sollte die Zusammenarbeit zwischen Bürger:innen, Bildungspraktiker:innen und Bildungsexpert:innen fester Bestandteil der Bildungspolitik werden.” red

                          Mehr zum Thema

                            • Endgeräte
                            • Hackathon
                            • Software
                            • Technologie
                            Licenses:

                              Jetzt kostenlos anmelden und sofort weiterlesen

                              Keine Bankdaten. Keine automatische Verlängerung.

                              Sie haben bereits das Table.Briefing Abonnement?

                              Anmelden und weiterlesen