Talk of the town
Erscheinungsdatum: 25. September 2025

Politische Werbung – Warum eine kaum beachtete EU-Verordnung noch für großen Wirbel sorgen könnte

TTPA
Darum gehts: die TTPA-Verordnung aus Brüssel (Europäisches Parlament)

Die Brüsseler Abkürzung ist einfach: TTPA. Dahinter verbirgt sich eine EU-Verordnung, die in Deutschland kaum jemand auf dem Schirm hat, obwohl sie für Parteien, Verbände, NGOs und Werbetreibende große Konsequenzen haben kann. Es geht um maximale Transparenz von politischer Werbung. Die EU reagiert damit auf die Gefahr politischer Einflussnahme von innen und außen; ausgelöst durch die Affäre um das britische Unternehmen Cambridge Analytica, mit dessen Hilfe die Trump-Kampagne 2016 gezielt einzelne Wählergruppen auf Facebook ins Visier nahm.  

Derartige Kampagnen gibt es längst auch in EU-Ländern. Doch die regulatorische Antwort hat womöglich unbeabsichtigte Folgen. Die Verordnung „Transparency and Targeting of Political Advertising“ soll alle, die mit politischer Werbung arbeiten, zu Transparenz zwingen. Ob nun in Zeitungen, im Fernsehen, auf Social Media oder in digitalen Medien (wie Table.Briefings). Es handelt sich im Kern um eine umfassende Offenlegungspflicht derjenigen, die solche Werbung schalten, seien es nun politische Parteien, Verbände, NGOs oder Einzelpersonen.  

Dabei geht es um Namen, Ziele und Finanzen. Die Verordnung sieht vor, dass bei jeder politischen Werbung erkennbar werden muss, wer der Sponsor oder Financier ist; wie hoch die Finanzierung ist; welchen Zweck die Anzeige verfolgt, sei es nun eine Einflussnahme auf Wahlen, Regulierungen der EU oder Gesetzgebungsverfahren; wer die Werbung erstellt hat; zu welcher Kampagne sie gehört; wie teuer die Kampagne insgesamt ist; ob man im Lobbyregister verzeichnet ist; aus welcher Quelle sich das Budget für Anzeige und Kampagne speist; welche spezifischen Gruppen mit der Anzeige angesprochen worden sind (targeting) und wie sich die Anzeige, so sie mehrfach geschaltet wird, entwickelt. 

Die Pflichten beziehen sich dabei nicht nur auf soziale Medien und die klassische Wahlwerbung. Sie gilt selbst für die lokale Ebene, wie die EU-Kommission im Entwurf ihrer Umsetzungsleitlinien klarstellt. Das bedeutet: Auch wenn sich ein SPD-Ortsverband irgendwo in der Republik mit einem Flyer für den Erhalt des lokalen Freibads einsetzen will, müssen sich die Verantwortlichen darum kümmern, dass sie auf dem Flugblatt einen QR-Code untergebracht und dort alle nötigen Informationen aufgelistet haben. Ein mit der Verordnung vertrauter Bundestagsabgeordneter kommt zu dem Schluss: „Mit der Verordnung wollte man die Demokratie beschützen, jetzt beschädigt man sie.“ 

Den italienischen Europaabgeordneten Sandro Gozi überrascht die Kritik nicht. Die neuen Regeln bedeuteten einen „Systemwechsel“, sagt der zuständige Berichterstatter des Europaparlaments, dagegen sei Widerstand zu erwarten gewesen. Gozi fordert die Mitgliedstaaten auf, konsistent zu sein: „Sie wollten TTPA, um ihre Demokratien zu schützen.“ Manipulationen wie das verdeckte Bezahlen von Influencern bei der Präsidentschaftswahl in Rumänien seien unter den neuen Regeln nicht mehr möglich, argumentiert er. Die Grünen-Europaabgeordnete Alexandra Geese hat für Kritik wenig Verständnis. Die Verordnung sei im Rat unter Beteiligung der Bundesregierung verhandelt worden, so Geese zu Table.Briefings.  

Doch wird nun erst ersichtlich, wie groß der Aufwand werden dürfte. Und wie viel Ärger die Verordnung auslösen könnte. Allerdings hat auch die EU-Kommission noch nicht alle Voraussetzungen dafür geschaffen. So soll es bei digitalen Anzeigen einen für alle Mitgliedsstaaten einheitlichen Icon geben, den Leser anklicken können, um alle oben genannten Transparenzinformationen in einer Datenbank einsehen zu können. Diesen Link gibt es noch nicht. Ob damit auch alle Verpflichtungen bis zur Schaffung eines solchen Icons wegfallen, kann aktuell in Brüssel wie in Berlin niemand verbindlich sagen.

Die Zeit drängt: Die Verordnung wird am 10. Oktober in Kraft treten. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass zahlreiche EU-Staaten eineinhalb Jahre nach Inkrafttreten von TTPA die Voraussetzungen noch nicht geschaffen haben. In Deutschland gibt es einen Referentenentwurf für das Durchführungsgesetz, in dem definiert wird, wer prüfen und wer bei Verstößen sanktionieren darf. Nach jetzigem Stand sollen dafür der Bundesdatenschutzbeauftragte, die Bundeswahlleiterin und die Koordinierungsstelle für digitale Dienste bei der Bundesnetzagentur zuständig sein. Aus einem Ministerium, das an der Ressortabstimmung beteiligt ist, heißt es nur: „In der Sache ist die Messe gelesen.“ In Regierungskreisen wird damit gerechnet, dass das Gesetz noch im Oktober im Kabinett verabschiedet werden könnte.  

In der Bundesregierung heißt es, bislang nehme man wenig Aufregung wahr. Dazu passt, dass bei der Verbändeanhörung Ende August wenig Kritik kam. Aber auch in der Regierung gibt es manchen, der vermutet, dass die Konsequenzen damals nicht wirklich erkannt wurden. Veränderungen wird es trotzdem kaum geben. Es sei denn, die EU-Kommission könnte selbst zu dem Ergebnis kommen, dass in diesem Fall eine Verschiebung oder ein Moratorium angesichts des großen Aufwands doch noch sinnvoll sein könnte. 

Zur TTPW-VO, den Folgen und der Umsetzung lädt Table.Briefings am 2. Oktober von 12 - 13 Uhr zum Table Communicators Brown Bag Lunch im Table.Café an der Wöhlertstraße 12 und digital. Anmeldung hier. 

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Letzte Aktualisierung: 25. September 2025

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