Talk of the town
Erscheinungsdatum: 07. Oktober 2025

Autogipfel und Strompreis: Wie die Politik die Industrie stützen will

Die Automobilindustrie steht beim Koalitionsgipfel im Fokus (picture alliance / CHROMORANGE | Michael Bihlmayer)

Die Bundesregierung sucht Wege, die schwächelnde Autoindustrie zu unterstützen – ohne teure neue Subventionen. Was ist beim Autogipfel im Kanzleramt möglich?

Die Lage der Autoindustrie und weitere Maßnahmen zur Senkung der Energiekosten werden zentrale Themen beim Koalitionsgipfel, der an diesem Mittwoch um 17 Uhr im Kanzleramt beginnt. Klar ist aber auch: Über die Verlängerung der Steuerbefreiung für E-Autos hinaus soll es keine weiteren finanziellen Hilfen für die Autoindustrie geben. Die SPD hält am Verbrenner-Aus und an den Klimazielen bis 2035 fest, will sich aber bei Flottengrenzwerten flexibel zeigen.  

Friedrich Merz und Katherina Reiche wollen dagegen eine Aufweichung der CO₂-Grenzwerte ab 2030 durchsetzen und ein „pauschales Verbrennerverbot“ ab 2035 verhindern, heißt es in Regierungskreisen. Es müsse eine Flexibilisierung bei den Technologien geben und etwa Plug-In-Hybride und Range Extender bei Neufahrzeugen weiter möglich sein. Wirtschaftsministerin Reiche hat eine Verschiebung der Fristen für die Einhaltung der Grenzwerte in einem offenen Brief an die EU-Kommission mit ihren italienischen und französischen Amtskollegen bereits gefordert.  

Die deutsche Automobilindustrie sieht das genauso. „Range Extender sind kleine Generatoren, die die Batterien laden, damit das Auto eine Reichweitenverlängerung bekommt und trotzdem elektrisch fährt“, sagte VDA-Vizepräsident Arndt Kirchhoff im Podcast Table.Today. Der Chef der sauerländischen Kirchhoff Gruppe, einem Automobilzulieferer mit 14.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von 3,3 Milliarden Euro, betonte, dass chinesische Hersteller die Technologie längst nutzten und dennoch als E-Auto-Anbieter gelten würden. Der Range Extender verbrauche nur einen Liter pro 100 Kilometer und könne mit Biosprit betrieben werden. „Dass das verboten wurde, war reine Ideologie“, so Kirchhoff. Auch er hält das Null-Emissionen-Ziel 2035 für unrealistisch. „Elektromobilität ist die kostengünstigste, effizienteste und beste Art Auto zu fahren. Aber die Infrastruktur muss mitwachsen und der Verbraucher muss es auch machen.“ Man brauche mehr Ladeinfrastruktur und die Verfügbarkeit von günstigem grünen Strom. Das Gespräch mit Kirchhoff hören Sie ab 5 Uhr hier

Druck kommt auch vom Verband der europäischen Autohersteller. 100 Prozent batterieelektrische Fahrzeuge bei Neufahrzeugen sei ab 2035 nicht zu schaffen, heißt es in einem Positionspapier des Verbands ACEA, das Table.Briefings vorliegt. Der Verband fordert einen Regulierungskorridor von 2028 bis 2032 für die 2030-er Grenzwerte. Außerdem sollen Öko-Kraftstoffe in der CO₂-Bilanz stärker angerechnet werden, was ebenfalls im Bundeskanzleramt und im Wirtschaftsministerium auf Zustimmung stößt. Zudem müsse honoriert werden, wenn die Industrie bei der Produktion etwa über grünen Stahl oder über besonders effiziente Fahrzeuge CO₂ einspart. Wie die EU-Kommission auf die Vorschläge reagieren könnte, lesen Sie im Europe.Table

Strafzahlungen für Autobauer sollen vermieden werden. Darüber besteht in der Koalition Konsens, auch wenn es beim Verbrennerverbot im Kanzleramt an diesem Abend strittig werden sollte. Der Verzicht auf Strafen soll gelten, wenn die Hersteller Standortsicherungskonzepte präsentieren oder in der Produktion bevorzugt europäischen, möglichst grünen Stahl einsetzen. Einig ist sich die Koalition auch, dass die Strompreise für bestimmte energieintensive Unternehmen – etwa Raffinerien, die bisher nicht von Ausnahmen profitieren – auf 5 Cent pro KWh heruntersubventioniert werden sollen. Es gehe um etwa 2.000 Unternehmen und rund 800 Millionen Euro pro Jahr, heißt es. Dafür müssen diese Unternehmen besondere Energieeffizienzmaßnahmen nachweisen.  

Auf der Tagesordnung des Koalitionsausschusses stehen auch Verkehrsprojekte. Wenig Debatten gibt es bei der Bahn. Abstriche muss Verkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) aber wohl bei Straßen und Brücken machen. Er hatte den Abgeordneten eine Liste mit angeblich baureifen Projekten übermittelt. Tatsächlich zu Ende geplant und baureif sei nur eine Handvoll Straßenbauprojekte, wie es auf Seiten der SPD heißt. Für viele sei noch nicht einmal das Planfeststellungsverfahren abgeschlossen. Nicht auf der Tagesordnung steht die Wehrpflicht. Hier gilt unverändert: Die Union würde gern erste Schritte für eine Wiedereinführung gehen, die SPD verweist auf fehlende Strukturen, Kasernen, Kreiswehrersatzämter, Geräte und Ausbilder.

Table.Today mit Michael Bröcker und Helene Bubrowski. "Was bringt der Autogipfel?"

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Letzte Aktualisierung: 07. Oktober 2025

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