Schon heute werden in mehr als der Hälfte der Länder nicht mehr genügend Kinder geboren, um die Bevölkerung stabil zu halten. Seit der Pandemie kollabieren die Geburtenraten geradezu. In Deutschland lag sie zuletzt bei 1,3 Kindern pro Frau, weit unter der für eine stabile Bevölkerung erforderlichen Rate von 2,1. Kein Land in Europa erreicht diese Zielmarke. Und auch in den USA lag die Rate bei 1,6, in China bei 1,0, in Indien bei 2,0. Ende dieses Jahrhunderts wird es nur noch sechs Länder geben, die aus eigener Kraft ihre Bevölkerung stabil halten können: Samoa, Somalia, Tonga, Tschad, Niger und Tadschikistan. China wird die Hälfte seiner Bevölkerung verloren haben, ebenso wie der Großteil der Länder in Europa und Asien. Der einzige Teil der Welt, der dann noch wachsen wird, ist Afrika. Mehr als die Hälfte aller Kinder wird dann südlich der Sahara geboren. So hart es klingt: Es wird einen Verteilungskampf um Menschen mit den richtigen Qualifikationen geben.
Seit Jahrzehnten befinden sich die Produktivitätszuwächse der entwickelten Volkswirtschaften im Sinkflug. Kaum ein Land schneidet so jedoch schlecht ab wie Deutschland: Die Produktivität stagniert seit 2019 – eine so lange Schwächephase hat es noch nie in Friedenszeiten gegeben. Während in den letzten fünf Jahren die Arbeitsproduktivität in den USA um mehr als sechs Prozent gestiegen ist, verzeichnen Eurozone und UK nur ein Mini-Wachstum von einem Prozent.
Kein Wunder: Im Vergleich zu US-Unternehmen investieren europäische Firmen nur halb so viel in Forschung und Entwicklung. Und konzentrieren sich dabei auf den Automobilsektor – eine Technologie aus dem 20. Jahrhundert.
Der Anteil an Hightech-Investitionen ist anders als in den USA gering. Deutschland wird die Herausforderungen nur mit einer Strategie bestehen, die uns im Ländervergleich einen Wettbewerbsvorteil verschafft. Dazu gehören diese beiden Handlungsfelder:
Für Wachstum brauchen wir hochproduktive Arbeitsplätze. Statt Kurzarbeit oder Subventionen für ineffiziente Unternehmen brauchen wir Investition in Hightech-Industrien und zukunftsorientierte Jobs.
Gleichzeitig ist eine globale Arbeitsteilung unverzichtbar. Um hochproduktive Arbeitsplätze hierzulande anzusiedeln, müssen wir weniger produktive Tätigkeiten ins Ausland verlagern. Eine Abkehr von der Globalisierung oder Versuche des Re-Shorings wären kontraproduktiv. Es erscheint ungerecht, doch nur eine arbeitsteilige Weltwirtschaft rettet unseren Wohlstand.
Produktive Jobs benötigen qualifizierte Menschen. Selbst wenn wir die Teilzeitquote senken (die dritthöchste in der EU) und das effektive Renteneintrittsalter erhöhen, wird die Erwerbsbevölkerung schrumpfen. Wir sind auf die Einwanderung von Fachkräften angewiesen. Ziel einer gesteuerten Migrationspolitik muss die Einwanderung in den Arbeitsmarkt sein, nicht in die Sozialsysteme. Und ja, dabei werden wir insbesondere um diejenigen mit den richtigen Qualifikationen werben müssen. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz setzt dafür den richtigen Rahmen. Schnellere Visaverfahren, erleichterte Anerkennung von Qualifikationen und bessere Integration sind unverzichtbar im Rennen gegen die USA, Großbritannien und Kanada. Doch statt einem föderalen Flickenteppich braucht es eine zentrale Koordination der Bedarfe – damit wir im Ausland zielgerichtet um die richtigen Talente werben können.
Ohne Fortschritt und Produktivität werden wir den Anschluss im globalen Wettbewerb verlieren. Dabei sind wir wie kaum ein anderes Land auf den Rest der Welt angewiesen. Nur in einer arbeitsteiligen Welt, in der wir die besten Talente anlocken, werden wir unseren Wohlstand sichern können.
Sebastian Dettmers ist CEO von The StepStone Group. Er trat 2011 als Geschäftsführer für Deutschland in das Unternehmen ein und wurde 2020 zum CEO ernannt. Sebastian Dettmers hat einen Doktortitel und einen MBA von der Universität Münster. Sein Buch „Die große Arbeiterlosigkeit“ wurde 2022 in Deutschland zu einem Bestseller und stand auf der Shortlist für den Deutschen Wirtschaftsbuchpreis.