Table.Standpunkt | Medien
Erscheinungsdatum: 08. Oktober 2025

Wie regionale Medienhäuser in der Transformation wieder wachsen können

Friedrich Joussen, ex-CEO von TUI (picture alliance / dpa | Horst Galuschka)

Der Journalismus steht in einem massiven Umbruch, viele Medienhäuser reagieren mit Kostensenkungen und Sparprogrammen auf die weiter sinkenden Printauflagen. Der frühere TUI-Chef Friedrich Joussen hält das nicht für eine langfristige Strategie. Besser seien Vernetzung, neue Management-Methoden und der Fokus auf die digitale Marke.

Der Markt für regionale Medien kämpft im traditionellen Print-Bereich Jahr für Jahr mit sinken Auflagen und Umsätzen im hohen einstelligen Prozentbereich. Trotz aller Anstrengungen gelingt es nicht, die rückläufigen Print-Umsätze durch wachsende Digitalumsätze auszugleichen. Die Medienhäuser reagieren daher mit Kostensenkungen und Preiserhöhungen.

In gut geführten Unternehmen führt die Kostenreduktion noch zu einer Steigerung von Profitabilität, Cashflow und Liquidität. Langfristig reicht das aber nicht, da die mit den Energiepreisen stark steigenden Papierkosten und die Entwicklung des Mindestlohns einen großen Einfluß auf die Kosten haben. 

Der Mindestlohn hat darüber hinaus den negativen Effekt, dass seine Steigerung oft die Distribution in ganzen Regionen unwirtschaftlich macht. Die Unternehmen treiben die Konsolidierung des Marktes voran, um zentrale Funktionen wie die Druckereien oder die Verteilung besser auszulasten. Besonders effizient wäre eine regionale Konsolidierung.

Hier verhindert aber eine strenge Fusionskontrolle sinnvoll erscheinende Unternehmenszusammenschlüsse. Deshalb finden diese in der Regel dort statt, wo es keine regionale Überlappung gibt. Hier sind die möglichen Skaleneffekte und damit die erreichbare Kostenreduzierung allerdings wesentlich geringer. Wenn die Verlage die Preise erhöhen, um die Umsätze trotz sinkender Auflagen zu stabilisieren, kann das kurzfristig sinnvoll sein. Langfristig nehmen sie damit aber in Kauf, dass preisbewusste Kunden ihre Abonnements kündigen. Auch die so wichtige Gewinnung von jungen Kunden wird so sehr schwierig. 

Jede Preiserhöhung ist also die bewusste Inkaufnahme einer weiteren Reduktion der Auflage. Da Kosten- und Preismanagement nicht reichen, muss die digitale Transformation gelingen. Dafür gibt es heute kein Erfolgsmuster und möglicherweise noch nicht einmal ein Patentrezept. Dennoch gilt, dass manche strategischen Schritte richtig erscheinen und manche nicht. Dabei spielen insbesondere die Reichweite und die Marke in der digitalen Welt ganz herausragende Rollen. Denn hier gelten „Increasing Economies of Scale“, also zunehmende anstatt abnehmenden Skaleneffekte.

Der Nutzen von Netzen wächst überproportional zur Reichweite. Die Bekanntheit und die Attraktivität der Marke spielen besondere Rollen, da sie als Treiber des „Non-Paid-Traffics“ wesentliche Katalysatoren für das nötige Wachstum sind. Zur Marke: Eine gute Marke braucht einen starken Kern mit hoher Differenzierung. Die regionalen Medienhäuser haben beides. Der Kern ist der regionale Qualitätsjournalismus, der meist über Jahrzehnte in der Region verankert ist. Die lokale Zeitung ist auch differenziert. Die Menschen wissen sehr genau, warum sie z.B. die Stuttgarter Zeitung, die Rheinische Post oder die Westdeutsche Allgemeine lesen. 

Die Herausforderungen für die regionalen Marken sind allerdings groß. Sie werden von digitalen Plattformen auf breiter Front attackiert. Sie wirken besonders im Vergleich zu den Plattformen in ihrer regionalen Beschränkung klein und altern quasi mit ihren Kunden. Wegen der sinkenden Umsätze siegt im Zweifel die Kostenkontrolle über die erforderliche Kreativität, die nötig wäre, um die Marke und das Produkt vital zu halten. 

Zur Reichweite: Regionale Marken haben erhebliche Nachteile wegen ihrer Regionalität. Auch bei der Konsolidierung bleiben die regionalen Marken meist unabhängig. Die Kostenseite wird konsolidiert, die Marken und damit verbunden die Reichweiten eher nicht. In der digitalen Welt wirkt jede regionale Reichweitenbeschränkung aber negativ, große Marken mit nationaler Reichweite haben bessere Voraussetzungen für den Erfolg.

Was lässt sich konkret umsetzen? 

  • Die Verlage sollten auf der Basis ihrer Kernkompetenz des regionalen Qualitätsjournalismus und der großen loyalen Leserschaft eine journalistische Marke mit nationaler Reichweite schaffen, in der die regionalen Marken mit ihren Reichweiten langfristig aufgehen können. Hier erscheint das Beispiel RND von Madsack grundsätzlich geeignet. Allerdings sollte, anders als bei RND, eine solche nationale Marke offen für alle regionalen Marken sein. Die Eigentumsanteile an der nationalen Marke sollten sich daran bemessen, wie gross der Reichweitenbeitrag der jeweiligen lokale Marke zu der neuen nationalen Marke ist.

  • Die Management-Struktur in den regionalen Medienunternehmen sollte sich an der Strategie und den damit verbundenen Unternehmenszielen ausrichten. Insbesondere braucht es in den lokalen Medienhäusern Verantwortliche in Top-Führungspositionen, die für Marke und Produkt inhaltlich verantwortlich sind und deren Leistung an Wert- und Reichweitenentwicklung der verantworteten Marke beurteilt wird.

  • Für die Eigentümer, die lokalen Verleger und Herausgeber, bedeutet die Umsetzung dieser Strategie, dass sie bereit sein müssen, einen Teil der direkten Kontrolle an ihrem Produkt aufzugeben. Sie hätten ja dann kleinere Anteile an einem allerdings viel größeren nationalen Produkt mit besseren Erfolgschancen.

Friedrich Joussen ist Executive Chairman von 1&1 Versatel. Zwischen 2013 und 2022 war er Vorstandsvorsitzender des TUI-Konzerns.

Briefings wie Berlin.Table per E-Mail erhalten

Keine Bankdaten. Keine automatische Verlängerung.

Sie haben bereits das Table.Briefing Abonnement?

Anmelden

Letzte Aktualisierung: 08. Oktober 2025

Teilen
Kopiert!