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Erscheinungsdatum: 29. November 2023

Mit dem Klimabeitrag gegen die Haushaltskrise

Wie lässt sich die 60-Milliarden-Euro-Lücke im Klima- und Transformationsfonds schließen? Karsten Neuhoff, Klimaexperte am DIW, plädiert in seinem Standpunkt dafür, auf CO₂-intensive Grundstoffe einen Klimabeitrag zu erheben, der bei Export erstattet wird. Davon, so argumentiert er, würden Klimaschutz und Haushalt profitieren, ohne die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie zu gefährden.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts reißt im Klima und Transformationsfonds (KTF) eine Lücke von 60 Milliarden Euro. Das gefährdet die Finanzierung und Kontinuität von Transformationsprojekten – Klimaschutzverträge für die Grundstoffindustrie, Förderprogramme für die Gebäudesanierung und den Ausbau von öffentlicher Verkehrsinfrastruktur.

Ein effektiver CO₂-Preis kann helfen, diese Lücke zu schließen. Denn der KTF wird unter anderem gespeist aus Erlösen der Versteigerung von CO₂-Zertifikaten an Unternehmen, die im europäischen Emissionshandel erfasst sind. Diese sind allerdings lückenhaft, denn bis 2034 wird im Industriebereich noch ein Großteil der CO₂-Zertifikate kostenlos an Grundstoffhersteller vergeben und nicht versteigert.

Ein Klimabeitrag auf Produktion und Importe von Grundstoffen würde in Europa die Erlöse aus dem Emissionshandel jährlich um 50 Milliarden Euro erhöhen und zugleich effektive Preisanreize für Materialeffizienz und Recycling schaffen. Die Höhe des Klimabeitrages, der pauschal pro Tonne Stahl, Zementklinker oder Plastik erhoben wird, würde sich dabei an dem Wert der CO₂-Zertifikate bemessen, die Grundstoffhersteller im jeweiligen Sektor erhalten. Diese fallen dann schrittweise, wenn die kostenlose Zuteilung wie geplant bis 2034 beendet wird.

Warum werden CO₂-Zertifikate weiterhin kostenlos an Produzenten vergeben, obwohl doch bereits ein europäischer CO₂-Grenzausgleichsmechanismus vereinbart wurde? Wegen eines wichtigen Prinzips im Welthandelsrecht: Kosten, die bei der Produktion entstehen, wie zum Beispiel für die Ersteigerung von CO₂-Zertifikaten, dürfen beim Export des Produktes nicht rückerstattet oder erlassen werden. Das beschränkt die Wirksamkeit des CO₂-Grenzausgleichsmechanismus; er kann nur Importe erfassen.

Das wiederum könnte bei umfassender Versteigerung von CO₂-Zertifikaten zu Wettbewerbsnachteilen für europäische Hersteller in Exportmärkten und damit zur Verlagerung von Produktion und Emissionen führen. Deswegen wird die kostenlose Zuteilung von CO₂-Zertifikaten zunächst beibehalten und nur sehr langsam bis 2034 reduziert. So bleibt ausreichend Zeit, bis auch andere Regionen effektive CO₂-Preise einführen und dadurch Wettbewerbsnachteile für Europa minimiert werden. Bis dahin klafft allerdings auch eine Anreiz- und Finanzierungslücke.

Wieso kann dann ein zusätzlicher Klimabeitrag zur Schließung der Lücke bereits jetzt erhoben werden? Wegen eines zweiten wichtigen Prinzips im Welthandelsrecht : Abgaben, die auf Produkte (und nicht auf Produktionsfaktoren) erhoben werden, können beim Export erlassen werden. Das trifft auf den Klimabeitrag zu. Er wird also auf heimische und importierte Produkte erhoben und beim Export erlassen – sowohl bei Grundstoffen als auch bei Produkten, die Grundstoffe beinhalten. Damit entstehen durch die ergänzende Einführung eines Klimabeitrages keine Handelsverzerrungen und somit keine Anreize für Produktions- und Emissionsverlagerungen – egal wie hoch der CO₂-Preis in Europa und anderen Regionen der Welt ist.

Eine Studie im Auftrag der Generaldirektion TaxUD zur Bewertung verschiedener Ausgestaltungsoptionen eines Grenzausgleichs kommt zum Schluss, dass mit der Ergänzung des europäischen Emissionshandels um einen Klimabeitrag der CO₂-Preis seine volle Wirkung entfalten kann, ohne dass dabei CO₂-Emissionen in Drittstaaten verlagert werden oder unmäßiger bürokratischer Aufwand entstünde. Politisch attraktiv ist dabei Folgendes:

Zugleich kann ein ergänzender Klimabeitrag die Verhandlungsposition Europas bei den Bemühungen um global wirksame CO₂-Preise stärken. Denn bisher funktioniert der Grenzausgleich nur, wenn CO₂-Kostenunterschiede zu anderen Ländern gering bleiben. Nur dann bleiben Verzerrungen durch die fehlende Erstattung von CO₂-Kosten beim Export moderat. Mit der Einführung eines ergänzenden Klimabeitrags würde Europa seine Verhandlungsposition stärken – durch die pauschale Berücksichtigung von Importen und Exporten werden Handelsverzerrungen auch bei hohen CO₂-Kostenunterschieden vermieden. Das ermöglicht effektive Anreize und Erlöse aus der CO₂-Bepreisung, auch wenn andere Länder keine CO₂-Preise umsetzen und stattdessen, zum Beispiel unter dem IRA der USA, ausschließlich Subventionen nutzen für die Transition der Industrie zur Klimaneutralität.

Bisher wollte Deutschland mit den verbliebenen Coronahilfen die Lücke durch die verspäteten Erlöse im Emissionshandel schließen. Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes sitzt Deutschland seit letzter Woche im gleichen Boot wie die meisten anderen EU-Mitgliedsländer. Allen fehlen die Gelder für die Umsetzung des von allen für wichtig erachteten Net Zero Industry Acts. Ein Klimabeitrag würde bei aktuellen CO₂-Preisen europaweit zu Erlösen von jährlich rund 50 Milliarden Euro führen und wird deswegen europaweit von WissenschaftlerInnen vorgeschlagen, um die Lücke bei der Finanzierung von Investitionen in die Klimaneutralität zu schließen.

Karsten Neuhoff leitet die Abteilung Klimapolitik am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin): Zudem ist er Professor am Institut für Volkswirtschaftslehre und Wirtschaftsrecht der Technischen Universität Berlin.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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