Die Einigung von Union und SPD auf ein massives Finanzierungspaket markiert einen Wendepunkt in der deutschen Politik. Der geopolitische Kontext zwingt zur Neubewertung politischer Prioritäten. Die aggressive Abkehr der USA von der transatlantischen Partnerschaft unter Donald Trump hat Deutschland eine Lektion erteilt: Die eigene Verteidigungsfähigkeit darf nicht länger von politischen Launen in Washington abhängen.
Daher ist es ein notwendiger Schritt, die Finanzierung der Bundeswehr aus der Schuldenbremse herauszulösen, um als Land sofort handlungsfähig zu sein. Eine glaubwürdige Verteidigungsstrategie braucht finanzielle Planbarkeit, besonders in einer Welt, in der geopolitische Spannungen schnell eskalieren können. Dagegen lässt sich kaum argumentieren – zumal inländische Militärausgaben auch wirtschaftliche Impulse setzen. Doch dieser Kurswechsel darf sich nicht nur auf die Frage der Finanzierung beschränken. Eine gesamtgesellschaftliche Neuausrichtung der Verteidigungspolitik ist überfällig: Die Wiedereinführung einer modernisierten Wehrpflicht wäre nun folgerichtig, ebenso die strategische Öffnung von Universitäten für Kooperationen mit der Rüstungsindustrie – ein bewährtes Modell in den USA und Israel und ein entscheidender Treiber von Innovation.
Wo das Paket jedoch versagt, ist die längst überfällige Entschlackung der Bürokratie. Vor allem das Beschaffungswesen bleibt ein ineffizienter Moloch, der schnelle Modernisierung erschwert. Höhere Verteidigungsausgaben sind notwendig – aber ohne strukturelle Reformen verpufft ihr Effekt.
Die Erhöhung der Verteidigungsausgaben ist nicht nur eine Notwendigkeit zur Erfüllung des NATO-Ziels von 2 Prozent, sondern auch ein überfälliges Signal an die internationalen Partner, dass Deutschland bereit ist, seine jahrzehntelange Nachlässigkeit zu korrigieren. Dass die Mittel nicht im Kernhaushalt verankert werden können und dort lediglich mit einer Untergrenze von 1 Prozent geplant werden, offenbart das eigentliche Problem: Es fehlt eine nachhaltige Finanzierungsstrategie.
Während in der Verteidigungspolitik grundsätzlich die richtigen Weichen gestellt werden, erweist sich der zweite Teil des Pakets als gefährlicher Irrweg: Die erneute Schaffung eines Sondervermögens ohne konkreten Tilgungsplan – diesmal in Höhe von 500 Milliarden Euro für Infrastrukturprojekte – untergräbt die Glaubwürdigkeit nachhaltiger Finanzpolitik. Die Zinsausgaben des Bundes waren von 2021 zu 2023 bereits um das zehnfache auf 40 Milliarden Euro gestiegen. Ab 2028 muss der Bund zudem Notlagenkredite zurückzahlen. Jährlich rund 12,2 Milliarden über 31 Jahre. Ein schweres Erbe aus der Ampelzeit.
Deutschland lebt seit Jahren über seine Verhältnisse. Die Friedensdividende wurde aufgebraucht, ohne dass eine nachhaltige Wachstumsperspektive geschaffen wurde. Stattdessen wurden Sozialausgaben immer weiter ausgeweitet, und an den Grundstrukturen der Staatsfinanzen wurde nichts geändert. Seitdem diese Friedensdividende nicht mehr existiert, nimmt jede Regierung einen immer größeren Schluck aus der Pulle, um sich Reformen zu ersparen. Die Grundprobleme werden vertagt, während die Verschuldung steigt.
Meine Hoffnung, dass die Koalitionsverhandlungen solche substanzielle Korrekturen bringen, dass ein echter Politikwechsel möglich ist, ist nicht sehr groß. Denn jede notwendige Reform würde die SPD in direkte Konfrontation mit ihrer eigenen Wählerschaft bringen – ein Risiko, das sie nicht eingehen kann. Wobei, man soll die Hoffnung nie aufgeben.
Einsparungen im Sozialetat, die fiskalisch notwendig wären, sind also politisch tabu. Zumindest signalisiert die SPD-Führung dies. Doch genau dort liegt das größte Potenzial für Strukturreformen. Nicht nur beim sogenannten Bürgergeld. Die demografische Entwicklung verschärft diese Problematik. Die Sozialausgaben steigen kontinuierlich und werden aufgrund des Renteneintritts der Babyboomer-Generation bald kaum noch zu bremsen sein.
Hinzu kommen über 60 Milliarden Euro an Subventionen, zahllose Förderprogramme mit fragwürdiger Effizienz und Bürokratiekosten, die Wachstum und Innovation bremsen. Allein damit ließe sich das notwendige Sofortprogramm größtenteils gegenfinanzieren.
Der Eklat im Weißen Haus hat die Ausgangslage der Koalitionsverhandlungen zweifellos verändert. Und das bei zwei Parteien, die nun zum regieren verdammt sind. Dass Neuwahlen für alle politischen Akteure ein unkalkulierbares Risiko wären, ist der größte strategische Vorteil der SPD. Ihre Politik wurde abgewählt, doch weil es keine Alternativen zu geben scheint, darf und muss sie weiterregieren. Mal wieder mehr Glück als Verstand.
Ja, Friedrich Merz handelt richtig, indem er schnell eine handlungsfähige Regierung ermöglicht. Nur um welchen Preis? Die finanzpolitische Glaubwürdigkeit der Union? Die Erwartungen an Strukturreformen sind nun höher als vor der Wahl. Die Union muss jetzt aufpassen und darf sich nicht wieder selbst entkernen, nur um eine fragile Koalition zu schmieden.
In Krisenzeiten ist es verführerisch, sich im Pathos staatspolitischer Verantwortung zu verlieren. Doch wer strategisch denkt, erkennt: Der wahre Maßstab ist nicht die kurzfristige Bereitstellung von Milliarden, sondern die langfristige Sicherung wirtschaftlicher und sicherheitspolitischer Stabilität. Dieses Paket bleibt diesen Beweis aktuell schuldig.
Baha Jamous arbeitet als Director People Corporate Affairs beim Fintech Solaris. Er war Referent, Wahlkampfmanager und Geschäftsführer der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU Sachsen.