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Erscheinungsdatum: 04. März 2025

Es braucht eine einheitliche Bundesrente

Wenn die Rente Armut vermeiden soll, braucht es eine Abkehr von der Beitragsäquivalenz: Das fordert der promovierte Philosoph und Fellow des Zentrums für neue Sozialpolitik.

Die Menschen in Deutschland sorgen sich mit Blick auf das Alter mehr um ihre finanzielle Sicherheit als um ihre Gesundheit. Zwar stehen viele Alte grundsätzlich gut da. Aber die Schere geht nicht zuletzt durch unstete Erwerbsbiografien auseinander. Die Armutsgefährdungsquote bei Menschen ab 65 Jahren ist seit 2006 von 10,4 Prozent auf über 18 Prozent gestiegen.

Das Grundproblem der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV): Armutsvermeidung widerspricht der Beitragsäquivalenz. Das Prinzip besagt, dass die spätere Rente sich an den zuvor gezahlten Beiträgen orientiert. Dadurch werden das frühere Erwerbsleben und damit sowohl Reichtum als auch Armut fortgeschrieben. Aufgrund des gesellschaftlichen Drucks wurden zwar ergänzende Mechanismen wie die sogenannte Grundrente geschaffen. Diese sind aber bürokratisch, nicht zielgenau und weiter an Bedingungen der Leistungslogik geknüpft: Wer mehr geschafft hat, bekommt mehr.

Dies entspricht nicht dem Moralverständnis der Bevölkerung. Für die meisten stellt Altersarmut ein gesamtgesellschaftliches Versagen dar. Laut einer repräsentativen Umfrage des Deutschen Instituts für Altersvorsorge fänden zwei Drittel der Menschen eine leistungsunabhängige Mindestrente gut.

Bisher sieht es anders aus: Reiche bekommen mehr und leben im Schnitt auch sechs Jahre länger als Arme. Dass sie pro Monat höhere Renten bekommen, ist innerhalb der Versicherungslogik fair. Dass sie erwarten können, diese auch deutlich länger zu erhalten, ist es nicht. Der Verzerrung mit Umverteilung bis hin zu einer Mindestrente zu begegnen, würde die Fairness der Versicherung erhöhen.

Im Laufe der Zeit wurde die GRV im öffentlichen Diskurs immer stärker mit der Erwartung aufgeladen, nicht nur Beitragszahlungen, sondern Lebensleistung im Allgemeinen zu belohnen. Wehr- und Ersatzdienst, Kindererziehung und Pflegezeiten sind bereits in den Katalog aufgenommen. Die Liste lässt sich, häufig gut begründet, beliebig erweitern. Einige Stimmen werben etwa für die Berücksichtigung ehrenamtlichen Engagements. Dies führt aber zu weiteren Ausgaben, denen keine Beitragszahlungen gegenüberstehen.

Das Ziel der GRV sollte nicht sein, dass man relativ zu anderen mehr oder weniger hat. Denn das ermöglichen schon die betriebliche und private Altersvorsorge. Sie sollte vielmehr sicherstellen, dass alle genug haben. Als einheitliche, armutsvermeidende Bundesrente sollte sie – in Anlehnung an das niederländische Rentensystem – an drei Bedingungen geknüpft sein: das Erreichen der Altersgrenze, 50 Jahre Aufenthalt und 20 Jahre Erwerbstätigkeit in Deutschland. Im Nachbarland erhalten Alleinstehende 70 Prozent des Mindestlohns (derzeit 1580,92 Euro), Verheiratete und zusammenwohnende Partner jeweils 50 Prozent (derzeit 1081,50 Euro).

Bei fünf Jahrzehnten Aufenthalt im Land kann man eine gewisse Lebensleistung annehmen, ohne sie in verschiedenen Sphären des Lebens messen und gegen die von anderen Menschen aufwiegen zu müssen. Zwei Jahrzehnte der Erwerbstätigkeit sind auch bei längerem Ausfall durch Krankheit oder Kindererziehung erreichbar. Wie auch bisher sollten anteilige Ansprüche möglich sein.

Durch eine Kopplung der Bundesrente an den Mindestlohn könnten Erwerbstätige und Rentenbeziehende nicht mehr gegeneinander ausgespielt werden. Die Berechnung wäre entpolitisiert und würde Inflation wie Lohnentwicklung einbeziehen. Eine Höhe von zwei Dritteln des Mindestlohns läge ungefähr auf der Höhe der Armutsschwelle und wäre eine deutliche Aufwertung etwa für Menschen im Niedriglohnsektor und für die Mehrheit der Frauen. Bedarfsgerechtigkeit würde durch eine nachträgliche Versteuerung hergestellt.

Statusdifferenzierung jenseits der Armutsschwelle ist weiter möglich, aber in erster Linie Privatsache und keine staatliche Pflicht. Der Staat sollte diese zusätzliche Vorsorge unterstützen, um möglichst vielen Menschen eine zusätzliche, leistungsbezogene Rente zur Wahrung des individuellen Lebensstandards zu ermöglichen. Dafür stehen die zwei anderen Säulen der Alterssicherung zur Verfügung.

Kurzum: Eine einheitliche Bundesrente würde verlässliches Vertrauen in ein Alter ohne Armut schaffen – egal, wie einem das Leben spielt.

Der Gastbeitrag ist Teil einer Reihe zur Zukunft der Altersvorsorge. DRV-Präsidentin Gundula Roßbach betont in ihrem Text die Bedeutung des Arbeitsmarkts, Martin Werding vom Sachverständigenrat Wirtschaft fordert in seinem Beitrag eine Reform der Beamtenversorgung. Natalie Herdegen vom IAW schreibt, Arbeitsplätze müssten an die Bedürfnisse älterer Beschäftigter angepasst werden. Ulrich Silberbach vom Beamtenbund findet, es brauche mehr Einheitlichkeit bei der Beamtenversorgung.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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