Kommunen sind die Keimzelle unserer Demokratie. Städte und Gemeinden zeigen die staatliche Leistungsfähigkeit, sie sind Gradmesser für den Investitionsstandort Deutschland. Was passiert, wenn das Zusammenwirken innerhalb der kleinsten demokratischen Einheit unseres föderalen Staates nicht funktioniert? Der Staat gilt als dysfunktional.
Gerade in diesen Zeiten ist das extrem gefährlich. Das Vertrauen in den Staat schwindet, die Feinde der Demokratie erstarken. Von „Demokratie verteidigen“ ist die Rede. Eine gute Strategie wäre es, den Kommunen mehr Geld zu geben, damit sie die konkreten Probleme der Menschen vor Ort lösen können.
Lange Wartezeiten auf Kitaplätze, Termin-Engpässe beim Beantragen des Reisepasses oder marode Straßen und Plätze – das sind nur einige der negativen Schlagworte, wenn es um die Wahrnehmung staatlichen Handelns im Lebensalltag geht. Wie anders wäre das, wenn jedes Kind unmittelbar einen Betreuungsplatz angeboten bekäme? Wenn man spätestens am übernächsten Werktag einen Termin im Amt bekäme oder wenn Gehwege barrierefrei, frisch gepflastert, sauber und begrünt wären?
Da wäre es fast schon egal, in welchen Farben eine Bundesregierung leuchtet. Galten kommunale Verantwortliche bisweilen als die beliebtesten Akteure in der Politik, werden sie heute immer häufiger Opfer von Angriffen. Sie werden bestraft für etwas, das eigentlich seinen Grund bei Land und Bund hat.
Eine große Unzufriedenheit wächst insbesondere dort heran, wo Kommunen nicht handlungsfähig sind. Und hier liegt auch ein wesentlicher Unterschied zwischen eher urban geprägten Regionen und dem ländlichen Raum. Während große Metropolen auch dann irgendwie funktionieren, wenn die Defizite allzu grell deutlich werden, führen die gleichen Probleme andernorts zu Resignation – weil keine internationale Kulturszene vorhanden ist, weil kein ÖPNV-Angebot vor der Haustür wartet, weil der Arbeitsplatz nicht unmittelbar erreichbar um die Ecke liegt.
Doch auch das ist Deutschland, auch dort leben Menschen mit den gleichen Wünschen, Ansprüchen und weltoffenen Visionen. In dieser Chancengleichheit liegt der eigentliche Charme des föderalen Staates. Nur: In den Jahren der Hochkonjunktur profitierten nicht alle Kommunen gleichermaßen von den hohen Einnahmen. Das hat erhebliche Unterschiede in der Finanzausstattung zur Folge, im Verschuldungsgrad und der Investitionstätigkeit.
Städte und Gemeinden in strukturschwachen Regionen konnten ihre finanzielle Lage in den letzten Jahren nicht nachhaltig verbessern. Im Vergleich zu Kommunen aus prosperierenden Regionen sind sie deutlich ins Hintertreffen geraten. Zahlreiche Studien zur Zukunftsfähigkeit verschiedener Regionen belegen das, und auch die Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ hat sich damit auseinandergesetzt. Gleichwertige Lebensverhältnisse sind immerhin ein im Grundgesetz formulierten Anspruch.
Das alles führt dazu, dass die Kommunen die ihnen übertragenen Aufgaben nicht angemessen erledigen können. Neben der Frage der geringen Steuerkraft vieler Städte und Gemeinden liegen maßgebliche Ursachen hierfür in der unzureichenden Höhe der Zuweisungen an die Kommunen durch die Länder, sowie in der ungelösten Altschuldenfrage. Hier muss sich der Bund die Frage gefallen lassen, ob die grundgesetzlich verankerte Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse mit Blick auf die Finanzsituation der Kommunen noch gegeben ist.
Selbstverständlich ist eine Art kommunaler Haircut – also Schuldenschnitt – keine zufriedenstellende Lösung. Zu Recht mahnen Kritiker, dass sich aufgrund von mangelnden Einnahmemöglichkeiten sehr schnell wieder Verschuldung und Handlungsfähigkeit einstellen könnten. Deshalb muss auch eine Reform der kommunalen Möglichkeiten zu eigenen Einnahmequellen auf den Tisch, wenn wir die „kommunale Selbstverwaltung“ ernst nehmen: Kommunen müssen in der Lage sein, je nach individueller Situation auch eigene Steuern zu erheben und eigene Zuweisungen zu erhalten.
Der alleinige Fokus auf die Länder in der Föderalismus-Debatte greift zu kurz. Die wesentlichen politischen Herausforderungen unserer Zeit: der Klimawandel, die Verkehrswende auch in ländlichen Räumen, die Bauwende, der Umgang mit Geflüchteten und vieles mehr – das liegt in kommunaler Verantwortung. Deutschland kann sich nicht erlauben, diese wichtige politische Ebene am langen Arm verhungern zu lassen.
Kommunalpolitik ist oft sachorientierter und weniger anfällig für parteipolitisches Gezänk. Die Erwartungshaltung ist dabei hoch: Alle wollen grüne, sichere und barrierefreie Städte, Glasfaser, bezahlbaren Wohnraum und eine verlässliche ärztliche Versorgung – plus wirtschaftliche Wachstumsimpulse, ausgebauten Katastrophenschutz, gute Kitas und einen attraktiven ÖPNV.
Alleine die dafür nötigen Personalaufwendungen samt Tarifabschlüssen stellen die Kommunen vor Mammutaufgaben. Wenn es uns ernst ist mit dem föderalen und subsidiären Staatsaufbau, dann braucht es endlich einen Ruck durch die Ebenen. In einer umfassenden föderalen Finanzreform müssen die Kommunen ihren Aufgaben und Leistungsdaten entsprechende Ausgleichsleistung erhalten – und zwar im Rahmen einer bundesweiten Betrachtungsweise, ähnlich dem Länderfinanzausgleich.
Nur so entsteht echte Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse. Ein Weiter-So wäre ein fatales Signal für unseren Rechtsstaat und die Rolle der Kommunen darin. Es braucht jetzt ein beherztes föderales Bekenntnis zur kommunalen Selbstverantwortung. Nur über diese bürgernahe Ebene kann neues Vertrauen in „die Politik“ geschöpft werden.