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Erscheinungsdatum: 25. September 2024

Mut statt Merkeln: Warum die FDP sofort aus der Ampel aussteigen muss

In der FDP herrscht Endzeitstimmung wie im Jahre 2013, beobachtet Ministerialdirigent Boris Petschulat. Die Partei könne nur wieder an Profil gewinnen, indem sie das Ampel-Bündnis bis Jahresende verlässt. Nur so habe die FDP eine Chance, im nächsten Bundestag vertreten zu sein.

Von Boris Petschulat

Für die FDP läutet mal wieder das Totenglöckchen. Und zwar besonders schrill. Bei den Landtagswahlen im Osten gaben gerade einmal 1 Prozent der Wähler den Liberalen ihre Stimme. Die Verunsicherung in der Partei ist groß. Christian Lindner fängt an zu merkeln und kündigt einen „Herbst der Entscheidungen“ an, eine Lieblingsfloskel der Kanzlerin.

Die Beteiligung an der Ampelregierung wirkt wie ein Senkblei für die FDP. Die wenigen Gemeinsamkeiten mit SPD und Grünen sind längst aufgebraucht. „Die Ampel hat ihre Legitimation verloren“, erklärte FDP-Vize Wolfgang Kubicki schon nach den verlorenen Wahlen in Thüringen und Sachsen. Bei Migration blockiert Grün, beim Haushalt Rot.

Nach drei Regierungsjahren hat die FDP keinerlei Profil mehr. Gewählt wurde sie für Wirtschaft, Digitalisierung und Bildung. Einen Mr. Wirtschaft gibt es in der FDP nicht. Und kennt jemand außerhalb der Berliner Blase eine Initiative von Digitalminister Wissing? Die Bildungsministerin hat aus einem Skandälchen um angeblich gesperrte Fördergelder für missliebige Wissenschaftler einen ausgewachsenen Skandal werden lassen. Mit anderen Worten die Regierungsbeteiligung zahlt nicht auf das Wählerkonto der FDP ein. Will sie Profil gewinnen, muss sie das ungeliebte Ampel-Bündnis bis Jahresende verlassen. Nur so hat die FDP noch eine Chance, auch im nächsten Bundestag vertreten zu sein. Dabei ist das Szenario klar: Ähnlich wie 1982 zieht die FDP ihre Minister aus der Regierung zurück. Der Ball liegt dann bei Bundeskanzler Scholz, der geschäftsführend weiter regieren oder aber über die Vertrauensfrage Neuwahlen erzwingen könnte. Die Grünen wiederum müssten frühzeitig Farbe bekennen, ob sie mit Rot oder Schwarz koalieren wollen.

Das aktuelle Szenario sieht anders aus. In der FDP herrscht Endzeitstimmung wie im Jahre 2013, als die Wähler die FDP in die APO schickten. Die Furcht vor Auflösungserscheinungen ist heute so groß wie damals. Der entscheidende Mann ist Christian Lindner. Im Innern wird es in ihm genauso arbeiten wie bei der damaligen Führung. Sie wussten, dass sie raus müssen, fanden aber den Exit nicht. Heute wird das von allen als der Kardinalfehler der alten FDP betrachtet. Man wünscht sich, dass Christian Lindner aktuell mehr „German Mut“ aufbringt.

Die größte Befürchtung in der FDP scheint zu sein, als verantwortungslos von der politischen Konkurrenz kritisiert zu werden. Dem ist entgegenzuhalten: Das parlamentarische Überleben der einzigen liberalen Partei zu sichern, ist höchst verantwortungsvoll. Außerdem hat die Absage Christian Lindners an eine Jamaika-Koalition nicht geschadet. Man holte bei der nächsten Bundestagswahl über 10 Prozent. Auf einem berühmten FDP-Wahlplakat sieht man einen Zehnmeterturm. Man forderte Deutschland auf, mutig zu springen. Momentan kommt einem die FDP-Führung so vor, als stehe sie oben und weiß nicht, ob sie mutig springen oder die Leiter eher feige runter klettern soll.

Boris Petschulat war 2011 bis 2013 Leiter des Planungsstabs der FDP-Bundestagsfraktion. Heute ist er Ministerialdirigent in einem Bundesministerium.

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Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025

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