Table.Briefing: Berlin

Das Late-Night-Memo für die Hauptstadt

Das Late-Night-Memo für die Hauptstadt

  • Mützenich zur Ukraine: Chance nicht verstreichen lassen
  • Wahlrechtsreform: SPD für Grenze von 598 Abgeordneten
  • Zukunft von Faeser: Brandt und Strauß als Vorbild?
  • CDU: Wächst ein neuer Andenpakt heran?
  • LNG-Terminals: BMWK korrigiert seine Angaben
  • Längere Laufzeiten: Atomkraftwerke werden nicht gebraucht
  • Lambsdorff: Gewinn für die Diplomatie, Verlust für die Ampel
  • Security.Table: Panzerlieferungen an die Ukraine
  • Climate.Table: Das Wichtigste zur globalen Klimapolitik 2023
  • China.Table: Reaktionen auf Ende der Null-Covid-Politik
  • Bildung.Table: Wie Sachsen-Anhalt Lehrermangel ausgleicht
Liebe Leserin, lieber Leser,

wir begrüßen Sie herzlich zur neuen Ausgabe des Berlin.Table. Und das an einem Abend, an dem zumindest ein ganz kleiner Hoffnungsschimmer aus Moskau kommt. Wie lange die angekündigte Feuerpause hält, ja, ob sie überhaupt ernst gemeint ist, lässt sich noch nicht sagen. Und nirgendwo dürften die Gefühle so gemischt sein wie in der Ukraine selbst, die sich nach Waffenpausen sehnt und zugleich den Worten aus Moskau nicht mehr glaubt. Vorsichtige Erleichterung aber ist für den Moment möglich, und die ist auch in Berlin zu spüren.

Zum Beispiel bei Rolf Mützenich, dem SPD-Fraktionschef. Im Gespräch mit dem Berlin.Table spricht er von einem “positiven Signal”, dem dringend weitere folgen müssten – und lenkt den Blick auf die Bundesregierung. Jetzt müsse auch “die deutsche Außenpolitik helfen, den Pfad der Diplomatie auszubauen”. Denn: “Durch Passivität würde sich das Fenster der Gelegenheit schnell wieder schließen.”

Mützenich sagt das an einem Tag, an dem die Bundesregierung, in Abstimmung mit den engsten Verbündeten, beschlossen hat, der Ukraine in einem neuen “qualitativen Schritt” weitere Panzer zu liefern. 40 Schützenpanzer vom Typ Marder sollen es nach Informationen des Berlin.Table sein. Der SPD-Politiker begrüßt das. Diese Entscheidung habe “auch seine Unterstützung”.

Mit dem Sozialdemokraten haben wir außerdem über seine Entschlossenheit bei der baldigen Änderung des Wahlrechts, über das Selbstbewusstsein der Ampel-Fraktionen und über einsame Momente als Fraktionschef gesprochen. Darüber hinaus kümmern wir uns heute um Spekulationen über eine Kabinettsumbildung, ein neues Netzwerk junger Christdemokraten, um neue Zahlen zum Nutzen der Atomkraftwerke und den FDP-Politiker Alexander Graf Lambsdorff, der mit seinem sehr wahrscheinlichen Wechsel nach Moskau eine große Lücke in die Ampel reißen wird. Wie gewohnt informieren wir Sie über spannende Stücke anderer Medien, über die Aufmacher am Abend, die Schlagzeilen morgen früh – und die wichtigsten Interviews in den Morgensendungen.

Wenn Ihnen der Berlin.Table gefällt, leiten Sie uns bitte weiter. Wenn Ihnen diese Mail zugeleitet wurde: Hier können Sie sich für das Late-Night-Memo kostenlos anmelden. Wir werden Sie ab jetzt jeden Sonntag-, Dienstag- und Donnerstagabend mit neuen Infos und aktuellen Analysen aus der Hauptstadt versorgen.

An dieser Ausgabe haben Okan Bellikli, Stefan Braun, Enno Eidens, Peter Fahrenholz, Horand Knaup, Malte Kreutzfeldt, Daniel Schmidthäussler, Vera Weidenbach und Britta Weppner mitgewirkt. Wir alle heißen Sie herzlich willkommen. 

05.01.2022 Mützenich-Interview

Wahlrechtsreform: SPD für Grenze von 598 Abgeordneten. Im innenpolitischen Teil des Interviews mit dem Berlin.Table kündigt SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich für die nächsten Tage einen Ampel-Vorschlag für die umstrittene Wahlrechtsreform an. Seine Fraktion werde, in Abstimmung mit Grünen und FDP, Mitte Januar einen Gesetzentwurf vorlegen – mit 299 Wahlkreisen und einer strikten Begrenzung auf 598 Abgeordnete. Mützenich: “Das ist ein schwerwiegender Eingriff in das Wahlrecht. Und es dürfte politisch und rechtlich hoch umstritten sein.” 

Die Reform ist heikel, weil damit 138 Bundestagsmandate entfallen würden. Jedenfalls im Vergleich zu heute. Ebenfalls gravierend: Wahlkreissieger können sich nicht mehr sicher sein, dass ihr Erststimmenerfolg auch für ein Mandat reicht. Insbesondere die Union stemmt sich gegen eine Begrenzung auf 598 Sitze, aber auch im eigenen Ampel-Lager gibt es Bedenken. Mützenich spricht von einer “sehr kniffligen Operation”, bei der Abstimmung im Bundestag würde jedoch eine einfache Mehrheit reichen.

Kritisch sieht Mützenich manche Entscheidungsprozesse der Regierung. Insbesondere den Koalitionsausschuss hat er dabei im Blick. Der sei natürlich “von seiner institutionellen Verankerung her das Gremium, wo Entscheidungen zu treffen sind”. Allerdings: “Dass das von der Problemdurchdringung bis hin zum Ergebnis nur in diesem Gremium stattfindet, würde ich bezweifeln.” Umso selbstbewusster definiert er die Rolle der Ampel-Abgeordneten: “Ich sage sehr deutlich: Es gibt auch die drei Koalitionsfraktionen. In der Woche vor Weihnachten etwa haben wir bewiesen, dass wir Gesetzentwürfe, in diesem Fall die Gas- und Strompreisbremse, quantitativ und qualitativ doch deutlich verändern können. Und dass manch ein Kabinettsmitglied lernen muss, damit zu leben.”

Die Ostpolitik der SPD verteidigt Mützenich entschlossen. Sie sei “immer viel mehr als nur das Agieren gegenüber Russland oder der Sowjetunion” gewesen. “Ostpolitik bedeutete auch die Herstellung der Souveränität von unterdrückter nationaler Staatlichkeit und von Nationen”. Die deutsche Ostpolitik habe “dazu beigetragen, dass sich Gesellschaften, die im großen Gefüge der Sowjetunion eingezwängt waren, friedlich und souverän befreien konnten”. Das ganze Interview können Sie hier lesen.

Nancy Faeser Kurz

Zukunft von Faeser: Brandt und Strauß als Vorbild? In Berlin mehren sich die Spekulationen um eine baldige Kabinettsumbildung. Dabei geht es nicht nur um die unter Druck stehende Verteidigungsministerin Christine Lambrecht, die sich mit ihrer Neujahrsansprache in neue Schwierigkeiten gebracht hat. Es geht auch um Innenministerin Nancy Faeser. Wollen die Sozialdemokraten im Dreikampf mit CDU und Grünen eine Chance auf den Sieg haben, müssen sie ihre bekannteste Person an die Spitze berufen. Und das ist Faeser, die bis zur Bundestagswahl 2021 SPD-Fraktionschefin im Landtag in Wiesbaden war.

Auch in der SPD wird darüber spekuliert, ob Faeser im Falle einer Kandidatur bis zur Hessen-Wahl Ministerin bleiben kann und ob sie sich frühzeitig auf eine Zukunft in Hessen festlegen muss. Dabei wird immer wieder auf Norbert Röttgen verwiesen, der sich als CDU-Spitzenkandidat 2012 in Nordrhein-Westfalen um ein Bekenntnis herumgedrückt hatte und die Wahl dann krachend verlor. Doch es gibt auch ganz andere Beispiele. Willy Brandt, Franz-Josef Strauß, Edmund Stoiber – sie alle haben es anders gemacht, als viele es heute einfordern: Sie blieben im Amt und bewarben sich von dort aus um ein neues. Lesen Sie hier die Analyse von Peter Fahrenholz.

Presse-Briefing von morgen

05.01.23_Presseschau

Tagesspiegel: Ungleiche Verteilung von Medikamenten. Die Ko-Leiterin des Global-Health-Zentrums der Charité, Beate Kampmann, kritisiert im Interview die globale Verteilung der Impfstoffe. Seren und andere Medikamente kämen im Globalen Süden oft nicht oder mit Verzögerung an. Überhaupt sollten Mediziner häufiger politisch Stellung beziehen. Ziel des von ihr und Christian Drosten geleiteten Zentrums ist demnach, dass sich deutsche Universitäten im Bereich Global Health engagieren und Deutschland in diesem Bereich überhaupt international sichtbarer wird. (“Mediziner müssen politisch Stellung beziehen”, S. 20)

Bis 2025 mehr als 500.000 zusätzliche Pflegebedürftige. Die soziale Pflegeversicherung braucht eine Reform, um den demografischen Wandel zu bestehen. Die Private Pflegeversicherung hat für ihre Versicherten bereits 47 Mrd. Euro kapitalgedeckte Demografie-Vorsorge angespart. Es sollten noch viel mehr Menschen auf diese Weise zusätzlich vorsorgen. (Mehr)

Welt: Was die Aufklärung an Nord Stream so kompliziert macht. Schweden ermittelt alleine an den Lecks der Gaspipeline. Bisher geben die Behörden kaum Informationen an die Öffentlichkeit. Die Zeitung spricht mit dem Verteidigungsexperten Kjell Engelbrekt von der Swedish Defence University. Er gibt einen fundierten Überblick über mögliche Täter, die Interessen der verschiedenen Akteure – Russland und Ukraine ebenso wie Deutschland, Schweden und Dänemark – in einem weltpolitisch vielschichtigen und äußerst heiklen Vorgang. Ein Muss für alle Außen- und Verteidigungspolitiker. (“Hat Schweden ein Motiv, Nord Stream zu sprengen?”, Seite 5)

RND+: Kanzlerbruder fordert Tempo bei Krankenhausreform. Jens Scholz, Vorstandschef des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, erster Vorsitzender des Verbands der Universitätskliniken Deutschlands und Bruder des Bundeskanzlers, hält die Schließung von Krankenhäusern für unausweichlich. Die umstrittenen Fallpauschalen seien grundsätzlich ein guter Ansatz, würden in der Praxis aber zu Problemen führen. Das aktuelle System belohne Fehlverhalten. (“Wir haben keine fünf Jahre Zeit mehr”)

Handelsblatt: Wie die FDP den Abwärtstrend stoppen will. Die letzten Landtagswahlen sind für die FDP nicht gut gelaufen – bei den vieren, die in diesem Jahr anstehen, soll sich das ändern. Jan Hildebrand analysiert im Vorfeld des am Freitag beginnenden Dreikönigstreffens der Partei, auf welche Strategien die Landesverbände dabei setzen. Insgesamt wollen sie weniger herausstellen, was die FDP verhindert hat, und stärker, was sie durchgesetzt hat – etwa Steuersenkungen und die Lockerung der Corona-Maßnahmen. Allerdings erwarten die Länder aber vom Bund kaum Rückenwind, sie wollen eher mit Landesthemen punkten. (“Schicksalsjahr für die FDP”, Seite 12)

Zugabe

Financial Times: Älter heißt nicht mehr gleich konservativer. Darauf konnten sich konservative Parteien verlassen: Egal wie links eine Generation aufwächst, irgendwann wählt sie konservativ. Aktuelle Daten aus den USA und Grossbritannien zeigen, dass der Trend erstmals bricht. Was bei der Kriegsgeneration, den Boomern und Generation X (geboren vor 1980) immer wiederkehrte – bei den Millennials (geboren vor der Jahrtausendwende) stimmt es nicht mehr, hat der Datenjournalist John Burn-Murdoch für die Financial Times herausgefunden. Die jüngste Wählergeneration wird mit zunehmendem Alter immer liberaler. Ist die Bankenkrise der Grund dafür, fragt sich der Autor. Ist der Trend übertragbar auf kontinentaleuropäische Länder, das dürften sich die Wahlstrategen der Union fragen. (“Millennials are shattering the oldest rule in Politics”, 29. Dezember 2022)

Sie möchten die politische Spitze erreichen? Dann stellen wir Ihnen gerne die Werbemöglichkeiten im Berlin.Table Late-Night-Memo vor. Mail an advertising@table.media oder rufen Sie Eileen Möwe an: 01579-2628735

5. Januar LNG-Terminals: BMWK korrigiert seine Angaben.

LNG-Terminals: BMWK korrigiert seine Angaben. Nachdem der Berlin.Table am Dienstag über eine falsche Angabe des Bundeswirtschaftsministeriums zu den Kapazitäten der LNG-Terminals in den Nachbarländern Deutschlands berichtet hatte, hat das Ministerium seine Angaben korrigiert. Die 40 Milliarden Kubikmeter Gas, die in einem Frage- und Antwort-Papier des Ministeriums als “Regasifizierungskapazität”, also die Gesamtkapazität der Terminals in Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Polen genannt worden waren, stellen laut Ministerium vielmehr jene Kapazität dar, die Deutschland aus diesen Terminals maximal beziehen kann.

Das wirft neue Fragen zur Menge der in Deutschland benötigten LNG-Terminals auf. Wenn Deutschland tatsächlich 40 Milliarden Kubikmeter über die LNG-Terminals in Belgien, den Niederlanden und Frankreich beziehen kann, wie das BMWK schreibt, ließe sich damit bereits ein Großteil der 55 Milliarden Milliarden Kubikmeter, die im 2021 über die Nord-Stream-Pipeline aus Russland nach Deutschland geliefert wurden, ersetzen. Tatsächlich dürfte die zu ersetzenden Menge noch geringer sein. Denn während Deutschland neuerdings Gas aus Frankreich importiert, wurde in der Vergangenheit dorthin exportiert; diese Menge entfällt auf der Bedarfsseite nun ebenfalls.

Die reale Lücke liegt also bei weniger als 15 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr. Derzeit wird dies durch Einsparungen kompensiert – teils durch Umstellungen von Verhalten und Prozessen, teils bedingt durch den milden Winter. Weil davon nicht dauerhaft ausgegangen werden kann, hält das BMWK eigene Terminals in Deutschland für unabdingbar. Öffentlich spricht das Ministerium von sechs schwimmenden Terminals, an denen ab dem Winter 2023/2024 knapp 30 Milliarden Kubikmeter Gas angelandet werden könnten. In einem internen Dokument des Ministeriums von Anfang Dezember waren sogar 10 schwimmende Terminals mit einer Gesamtkapazität von über 50 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr aufgeführt.

Damit würde eine deutliche Überkapazität aufgebaut. Als Begründung dafür verweist das Wirtschaftsministerium darauf, dass ein Teil des Gases in südeuropäische Länder weitergeleitet werden soll. Zudem sei man damit gegen “unvorhergesehen Ereignisse oder Schäden an Infrastruktur” besser abgesichert. Außerdem könnten die deutschen Terminals “preissenkend wirken”, so das BMWK. Tatsächlich dürften die Ausbaupläne aber nach der Erfahrung aus diesem Winter noch einmal überprüft werden. Der Haushaltsausschuss des Bundestags hat nämlich vom Ministerium bis Mitte Februar eine Gesamtplanung zur künftigen Gasversorgung verlangt – und einen Teil der Gelder für die geplanten schwimmenden Terminals im Dezember vorerst gesperrt.

Aus den Professional Briefings

05.01.23 Professionals

Security.Table: Panzerlieferungen an die Ukraine. Hintergründe zu den geplanten Panzerlieferungen an die Ukraine liefert Nana Brink. Von Frankreich sollen Spähpanzer kommen, aus Deutschland Marder-Schützenpanzer und aus Finnland kommt ein Vorstoß für den Leopard 2. Mehr

Climate.Table: 2023 – Das Wichtigste zur globalen Klimapolitik. Von Amazonien-Fonds bis grünem Wasserstoff – Bernhard Pötter schaut auf die größten Schwierigkeiten, Reformen und die verheißungsvollsten Entwicklungen für den Klimaschutz im neuen Jahr. Mehr

Europe.Table: EU-Parlament beginnt Aufarbeitung der Korruptionsaffäre. Die S&D-Fraktion im Europaparlament richtet eine Arbeitsgruppe zur internen Aufarbeitung des Skandals um Eva Kaili ein, schreibt Markus Grabitz. Drei ihrer Abgeordneten, mehrere Mitarbeiter sowie Ex-Abgeordnete sind schwer belastet. Das Gremium soll untersuchen, ob individuelles Fehlverhalten oder auch strukturelle Versäumnisse vorliegen. Mehr

Europe.Table: Deutschland verfehlt Stromsparziel. Nicht nur fürs Gas, auch fürs Stromsparen hat die EU Ziele beschlossen. Um die Preise senken und die Versorgung zu sichern, sollen die Mitglieder bis Ende des Jahres 2023 jeden Monat zehn Prozent Strom einsparen. Doch dieses Ziel hat Deutschland bisher weit verfehlt, wie Manuel Berkel zeigt. Ob die Bundesregierung nachsteuern will, dazu schweigt das Wirtschaftsministerium bisher. Mehr 

China.Table: Staaten reagieren auf Ende der Null-Covid-Politik. Weil Corona noch immer in China tobt, Ausgangssperren aber fallen, empfiehlt die EU einen Test für Einreisende aus dem Land. Auch Deutschland reagierte – Gesundheitsminister Lauterbach führte prompt eine entsprechende Testpflicht ein. Felix Lee, Finn Mayer-Kuckuk und Amelie Richter geben einen Überblick über die neuen Regeln auch für Reisende nach China. Mehr

Bildung.Table: Wie Sachsen-Anhalt Lehrermangel ausgleicht. Im vergangenen Jahr fiel Sachsen-Anhalt mit einer spektakulären Maßnahme bundesweit auf. Aus Mangel an Lehrkräften führte das Land an diversen Schulen die Vier-Tage-Woche ein. Nun folgt die nächste Notmaßnahme: Erzieher sollen fortan auch als Vertretungslehrer in Grundschulen eingesetzt werden dürfen. Mehr

5. Januar Atomkraftwerke werden nicht gebraucht

Längere Laufzeiten: Atomkraftwerke werden nicht gebraucht. Wenn die Entscheidung über den Weiterbetrieb der letzten deutschen AKWs nicht per Kanzler-Machtwort gefällt worden wäre, sondern wie ursprünglich geplant anhand der im Stresstest untersuchten Bedingungen, wären sie aktuell nicht am Netz. Denn die Situation auf den Strommärkten ist nach Angaben der Bundesnetzagentur sehr viel entspannter als im Stresstest angenommen.

Die Netzbetreiber hatten im Sommer eine umfangreiche Analyse vorgenommen. Sie hatten geschaut, unter welchen Annahmen die drei verbliebenen Reaktoren Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland benötigt werden, um den Strombedarf zu decken und die Netzsicherheit zu gewährleisten. Betrachtet wurde dabei sieben Faktoren: Wie viele Atomkraftwerke sind in Frankreich verfügbar? Wie viele stillgelegte Kohlekraftwerke kehren auf den Markt zurück? Wie viele können wegen Niedrigwasser nur eingeschränkt laufen? Wie viele Reservekraftwerke sind verfügbar? Gibt es in Süddeutschland einen Gasmangel? Wie hoch ist der Gaspreis? Und wie stark steigt der Strombedarf durch den Betrieb von Heizlüftern?

Das Ergebnis des Stresstests im September lautete: Wenn es in allen genannten Bereichen zu Problemen kommt, können die AKWs einen kleinen Beitrag leisten, das Risiko einer Stromknappheit in Süddeutschland zu verringern. Ursprünglich hatte Wirtschaftsminister Robert Habeck darum geplant, das norddeutsche AKW Emsland wie geplant abzuschalten. Die beiden süddeutschen Reaktoren sollten in Bereitschaft gehalten werden; wieder hochgefahren werden sollten sie nur, wenn absehbar würde, dass Strommangel droht.

Wäre es dabei geblieben, wäre jetzt kein Atomkraftwerk in Betrieb. Denn aktuelle Zahlen der Netzagentur zeigen, dass es nur bei einem der genannten Faktoren tatsächlich Probleme gibt: den AKWs in Frankreich. “Bei sechs der sieben Faktoren, die im Stresstest eine Rolle gespielt haben, können wir einen dicken grünen Haken dran machen”, sagte der Präsident der Netzagentur, Klaus Müller, zu Berlin.Table. “Aktuell gäbe es auch ohne die Atomkraftwerke keine Probleme.”

So liegt der Gaspreis an der Börse derzeit nicht bei 300 Euro pro Megawattstunde, wie im Stresstest angenommen, sondern bei 65 Euro. Ein höherer Stromverbrauch durch Heizlüfter ist laut Netzagentur nicht zu beobachten. Gasmangel besteht in Süddeutschland ebenso wenig wie ein Versorgungsproblem für die Kohlekraftwerke durch Niedrigwasser. Auch bei den Reservekraftwerken gibt es keine Ausfälle. Und die Leistung der Steinkohlekraftwerke, die wieder in Betrieb gegangen sind, ist nicht um 5 Gigawatt geringer als geplant – wie im Stresstest angenommen – sondern sogar etwas höher.

Lediglich die Leistung der französischen Atomkraftwerke ist derzeit etwa so niedrig wie befürchtet. Von technisch möglichen 61 Gigawatt sind laut Bundesnetzagentur derzeit 43,5 Gigawatt am Netz; im Stresstest war mit 45 Gigawatt gerechnet worden. Dies wird aber nicht nur durch die übrigen Faktoren mehr als ausgeglichen. Zudem standen französischen Berichten zufolge einige Reaktoren zuletzt nicht wegen technischer Probleme still, sondern weil ihr Strom nicht benötigt wurde.

Auch in Zukunft lässt sich die Stromversorgung unabhängig von den AKWs sichern. “Für das Jahr 2023 und darüber hinaus lassen sich Versorgungssicherheit und Netzstabilität ohne Atomkraft und später auch ohne Kohle organisieren – unter Berücksichtigung einiger durchaus ehrgeiziger Annahmen zum Fortschritt der Energiewende”, sagt Klaus Müller.

Lambsdorff: Gewinn und Verlust

Lambsdorff: Gewinn für die Diplomatie, Verlust für die FDP. Alexander Graf Lambsdorff als Botschafter nach Moskau? Noch ist das nicht bestätigt. Aber der Moment rückt näher. Voraussichtlich nächste Woche wird das Kabinett über die Personalie entscheiden; anschließend wird die russische Regierung informiert und dann dürfte Lambsdorffs Rückkehr in die Diplomatie offiziell sein.

Für den Liberalen ist das ein Karrieresprung nach einer großen Enttäuschung. Eigentlich galt Lambsdorff spätestens nach der letzten Kabinettsbildung vor gut einem Jahr als großer Verlierer bei den Freien Demokraten. Weder einen Posten als Minister noch als Staatssekretär bekam er. Der FDP-Politiker blieb, was er schon war: Fraktionsvize. Doch entgegen der allgemeinen Erwartung wuchs sein Einfluss auf diesem Posten. Und das lag nicht nur an der Tatsache, dass mit dem russischen Angriff auf die Ukraine Außenpolitik grundsätzlich wichtiger wurde.

Im Machtgefüge der Koalition rückte Lambsdorff auf. Auch ohne entsprechenden Titel, denn die Liberalen besetzen kein einziges Ministerium mit außenpolitischem Bezug. Dadurch gibt es im Kabinett niemanden, bei dem alle außenpolitischen Fragen und Entscheidungen zusammenlaufen. Ergebnis: Bei jeder relevanten Abstimmung in der Koalition sitzt Fraktionsvize Lambsdorff dabei. Das, so heißt es, hat seinen Schmerz doch erheblich gelindert. Sein einziges Problem: Er kann nicht auf den Apparat eines Ministeriums zurückgreifen, sondern hat genau zwölf Mitarbeiter. Um die ganze Welt kann er sich also nicht kümmern.

Für die Koalition wird sein Abschied ein Verlust sein. Zum einen, weil er wegen seiner verbindlichen Art selbst von politischen Gegnern geschätzt und von den allermeisten Ampel-Kollegen als verlässlich beschrieben wird. Zum anderen, weil es derzeit in der FDP niemanden gibt, der die außenpolitische Lücke für die Partei wie für die Ampel schnell füllen könnte. Lambsdorff war lange in Brüssel, war fünf Jahre in Berlin, außerdem hat er umfangreiche USA-Erfahrung. Ergebnis ist ein Telefonbuch, das dicker ist als das der meisten seiner Kollegen.

Schlagzeilen von morgen

5. Januar Schlagzeilen von morgen

FAZ: Deutschland und Amerika planen weitere Waffenlieferungen

Tagesspiegel: Kanzler vor Kurswechsel bei Kampfpanzern: Ukraine kann auf deutsche Marder hoffen

taz: Söder flieht vor Berliner Chaoten in die Berge

Handelsblatt: Der Wohlstandsverlust

Sächsische Zeitung: 2045 könnte jeder vierte Sachse Rentner sein

Aufmacher am Abend

5. Januar Aufmacher am Abend

Zeit Online: Wohin mit all dem Gas?

RND: Neue Panzer aus Frankreich, USA und Deutschland: Liefern wir jetzt schwere Waffen an die Ukraine?

t-online: Westliche Panzer für die Ukraine Das ändert alles

GMX/Web.de: McCarthy auch im siebten Wahlgang für Chefposten durchgefallen

Business Insider: Arbeitslosigkeit, Klimawandel, Energieknappheit? Das sind die größten Sorgen der Deutschen für das Jahr 2023

Das Beliebteste am 5. Januar

5. Januar Das Beliebteste am 5. Januar

SZ: Deutschland erwägt Lieferung von Panzern an die Ukraine

WELT: Von welchem Elternteil erben Kinder ihre Intelligenz?

FAZ: Deutschland im Grundsteuerstreik

Handelsblatt: Wann sollte ich Einspruch gegen den Grundsteuerbescheid einlegen?

NZZ: Der Panzer, der den Krieg verkürzen könnte

Interviews am Morgen

5. Januar Interviews am Morgen

Informationen am Morgen (Deutschlandfunk):

ca. 6:50 Uhr: Egon Ramms, General a.D. und früher Oberbefehlshaber der Allied Joint Force Command (NATO): Panzer für die Ukraine – was ist sinnvoll?

ca. 7:14 Uhr: Christian Dürr, FDP-Fraktionschef im Bundestag: FDP-Dreikönigstreffen in schweren Regierungszeiten

ca. 8:10 Uhr: Manfred Lucha, Gesundheitsminister in Baden-Württemberg (Grüne): Ringen um Krankenhausreform – Was können die Länder leisten?

ARD-Morgenmagazin (Das Erste):

6:10/8:15 Uhr: Klaus Müller, Präsident Bundesnetzagentur: Gasversorgung in Deutschland

7:10 Uhr: Anton Hofreiter, Vorsitzender Europaausschuss im Bundestag (Grüne): Panzerlieferungen an die Ukraine

Heads

Heads Portraits 5.1.2022

Climate.Table: Marina Silva – neue Umweltministerin Brasiliens

Termine

5. Januar Termine

Freitag, 6. Januar

Folgen der Silvesternacht: Bundesinnenministerin Nancy Faeser und die Regierende Bürgermeisterin von Berlin, Franziska Giffey, besuchen die Feuerwache Berlin-Neukölln. 8:15 Uhr, Feuerwache Neukölln 5100 (Kirchhofstr. 20, 12051 Berlin)

Samstag, 7. Januar

Winterklausur der CSU-Landesgruppe im Bundestag: Pressestatement mit Landesgruppenchef Alexander Dobrindt und Roberta Metsola, Präsidentin des Europäischen Parlaments, 10:30 Uhr, Kloster Seeon

Montag, 9. und Dienstag, 10. Januar

64. Jahrestagung des Deutschen Beamtenbunds (dbb): Mit Nancy Faeser und Hendrik Wüst, Thema “Deutschland im Krisenmodus – Comeback des starken Staates?”, 10:00 Uhr, Congress-Centrum Koelnmesse, Köln

Geburtstage

5. Januar Geburtstage

Freitag, 6. Januar

Maria Klein-Schmeink, Bundestagsabgeordnete (Grüne), 65

Samstag, 7. Januar

Christian Lindner, Bundesfinanzminister (FDP), 44

Melanie Wegling, Bundestagsabgeordnete (SPD), 33

Alois Rainer, Bundestagsabgeordneter (CSU), 58

Nyke Slawik, Bundestagsabgeordnete (Grüne), 29

Erhard Grundl, Bundestagsabgeordneter (Grüne), 60

Jürgen Pohl, Bundestagsabgeordneter (AfD), 59

Sonntag, 8. Januar

Kornelia Haugg, Staatssekretärin im BMBF, 63

Roland Philippi, Abteilungsleiter im BMBF, 41

Till Mansmann, Innovationsbeauftragter “Grüner Wasserstoff” im BMBF, 55

Franziska Hoppermann, Bundestagsabgeordnete (CDU), 41

Albrecht Glaser, Bundestagsabgeordneter (AfD), 81

Rainer Kraft, Bundestagsabgeordneter (AfD), 49

Nachttisch

5. Januar Rein Privat

Sex, Partei, Bürgermeisterin: “Rein Privat” – Netflix-Serie (2022), spanische Produktion 

Sie sind durch mit allem und hätten gerne noch ein bisschen Unterhaltung? Unser Tipp des Abends ist “Rein Privat”. Heute geht es nach Bilbao und hinein in den politischen Überlebenskampf seiner Vize-Bürgermeisterin. Sie ist stolz, ehrgeizig und die große Hoffnung ihrer Partei. Also soll sie bei den nächsten Wahlen den Sessel des Bürgermeisters erobern. Alles sieht gut aus, bis im Netz ein Video auftaucht, das sie beim Sex am Strand mit einem fremden Mann zeigt. Mit einem Schlag ist alles anders: ein Sittengemälde, wie es nicht nur in Spanien aufbrechen könnte. Und der Ausgang ist eine Sensation. 

Das war’s für heute. Schön, dass Sie bei uns waren.

Good night and good luck!

Der Berlin.Table ist das Late-Night-Memo für die Table.Media-Community.

PS: Wenn Ihnen der Berlin.Table gefällt, leiten Sie uns bitte weiter. Wenn Ihnen diese Mail weitergeleitet wurde: Hier können Sie sich für das Late-Night-Memo kostenlos anmelden.

Berlin.Table Redaktion

BERLIN.TABLE REDAKTION.

Licenses:

    Briefings wie Berlin.Table per E-Mail erhalten

    Keine Bankdaten. Keine automatische Verlängerung.

    Sie haben bereits das Table.Briefing Abonnement?

    Anmelden