Deutlich länger als geplant haben Recep Tayyip Erdoğan und Frank-Walter Steinmeier in Ankara miteinander gesprochen. Statt 30 saßen sie mehr als 90 Minuten zu zweit zusammen. Es hat also nicht nur keinen Clash gegeben, sondern offenbar auf beiden Seiten das Bemühen, sich zuzuhören. Gemessen am zuletzt schlechten Zustand der Beziehungen, wird Steinmeier das auch dem neugierigen Kanzler als Fortschritt vermelden. Erdoğan unterstützt die Hamas; er bleibt ambivalent im Umgang mit Russlands Angriff auf die Ukraine. Deshalb können gut anderthalb Stunden zu einem großen Gewinn werden.
Keine Annäherung gab es beim sehr konträren Blick auf den Gaza-Krieg. Und doch gibt es eine kleine Hoffnung. Beide erklärten, dass sie sich um eine Verbesserung der humanitären Lage bemühen und eine weitere Zuspitzung des Konflikts zwischen Israel und Iran verhindern wollten. Gleiche Interessen als Impuls, um sich wieder stärker gemeinsam zu engagieren. „Wir sind gemeinsam der Auffassung, dass nur eine Zwei-Staaten-Lösung Frieden bringen kann“, sagte Steinmeier.
Auf anderen Feldern waren beide um freundschaftliche Töne bemüht. Erdoğan nannte Steinmeier „werter Freund“, was in den letzten Jahren nicht mehr üblich war. Und er bedankte sich gleich zweimal auf Deutsch für die Hilfe in den Erdbebengebieten. Steinmeier beschwor den „unverzichtbaren“ Zusammenhalt. „Wir brauchen einander.“ Das gelte in der Nato, in den G 20, beim Ausbau des Handels. Erdoğan wünscht sich auch Kooperationen bei der Rüstung und ein Ende der Exportrestriktionen.
Frust hat im Tross von Steinmeier die Debatte um den Döner ausgelöst. Der Präsident hatte neben dem Filmemacher Adnan Maral und der CDU-Bundestagsabgeordneten Serap Güler auch den Berliner Imbiss-Betreiber Arif Keles mitgenommen, um diverse deutsch-türkische Lebens- und Erfolgsgeschichten dabei zu haben. Dazu hatte er mit Keles auf einem Empfang einen mitgebrachten Döner angeschnitten. Doch was Gemeinsamkeit hervorheben sollte, löste heftige Kritik aus. Ein Vorwurf unter Deutsch-Türken: Der Präsident reduziere sie auf einen Imbiss.
Steinmeier hatte das Gegenteil im Sinn, als er sich für den Schritt entschied. Vor der Reise hatte er sich mit dem Autor Eberhard Seidel besprochen, der ihm zugeraten hatte. Seidel hat eine Kulturgeschichte über den Döner geschrieben. Wie man die Kritik mit wenigen Sätzen hätte entkräften können, erklärt Seidel im Interview mit Table.Briefing s.