Der Berliner Senat kommt der Forderung des Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung Felix Klein nach, einen zentralen Antisemitismusbeauftragten für die Universitäten einzuberufen. Eine solche Position solle für alle Hochschulen der Hauptstadt eingerichtet werden, kündigte Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra vergangene Woche während einer Pressekonferenz im Roten Rathaus an. Die Details würden derzeit noch im Senat besprochen.
Druck vom Koalitionspartner CDU. „Ich hoffe, dass wir in absehbarer Zeit zu einem Ergebnis kommen“, hatte die SPD-Politikerin vor einer Woche gesagt. Bisher ist nichts Näheres entschieden, wie Table.Briefings am gestrigen Montag erfuhr. Druck hatte koalitionsintern zuvor auch die CDU gemacht. Deren Berliner Fraktionschef Dirk Stettner hatte Mitte April mehr Tempo bei der Besetzung der Position gefordert. „Wir haben in verschiedenen Institutionen Antisemitismusbeauftragte, auch in den einzelnen Hochschulen. Aber es gibt immer noch keinen Beauftragten des Senats, der für alle Hochschulen verantwortlich ist und das koordiniert“, sagte der CDU-Politiker der dpa.
Stettner wünscht sich „eine berlinweite Konzeption“ zum Umgang mit antisemitischen Vorfällen an Hochschulen. „Es braucht eine Erklärung: Was ist wissenschaftlicher Diskurs und Meinungsfreiheit? Und was ist Antisemitismus und Judenhass?“ Das müsse dann „bitte für alle gelten“ und dürfe „nicht punktuell mal so oder so“ ausgelegt werden.
Wer hat das letzte Wort? Während die Wissenschaftsverwaltung sich noch nicht näher zu Zuständigkeiten und Aufgaben des geplanten Beauftragten äußert, ist für Stettner klar: „Selbstverständlich hat ein vom Senat Beauftragter gegen Antisemitismus an Hochschulen eine Deutungshoheit darüber, was Antisemitismus an Hochschulen ist und was nicht.“ Unter anderem dafür werde er schließlich eingesetzt.
Genau dieser Anspruch birgt Konfliktpotenzial, denn er berührt im Zweifelsfall die Hochschulautonomie. Die Berliner Landeskonferenz der Rektor*innen und Präsident*innen (LKRP) äußert sich dazu auf Anfrage diplomatisch: „Der LKRP ist es wichtig, zur konkreten Ausgestaltung der neuen zentralen Position weiterhin mit der Senatsverwaltung im Austausch zu bleiben.“ Absprachebedarf gibt es garantiert, denn inzwischen haben alle in der LKRP zusammengeschlossenen Hochschulen interne Antisemitismusbeauftragte.
Etwas deutlichere Worte kommen von der Hochschulrektorenkonferenz (HRK). Ihr Präsident Walter Rosenthal nennt Antisemitismusbeauftragte für Hochschulen auf Landesebene „eine Variante“ um die Antisemitismusprävention insgesamt zu stärken – „wenn dies von Politik und Verwaltung als Beratungs- und Unterstützungsangebot gedacht und die Autonomie der Hochschulen gewahrt wird“. Er betont: „Geklärt sein muss das Verhältnis zum zentralen Antisemitismusbeauftragten des jeweiligen Landes.“
Grundsätzlich ist und bleibe es aber an den Hochschulen, das für sie jeweils passende und den spezifischen Anforderungen entsprechende Modell für solche Anlauf- und Beratungsstellen zu wählen, sagt er auf Anfrage von Table.Briefings. „Ich bin froh, dass gegenwärtig immer mehr Hochschulen genau das tun, um antisemitischen Anfeindungen einrichtungsbezogen entgegenzuwirken und den jüdischen Hochschulangehörigen die nötige Unterstützung zu geben.“
Hochschulen haben bereits einiges getan. Eine Schnellbefragung zu Antisemitismus habe kürzlich gezeigt, dass inzwischen an 85 Prozent der befragten Hochschulen eine Anlaufstelle für den Umgang mit Antisemitismus und antisemitischer Diskriminierung besteht, berichtet Rosenthal. Der HRK seien aktuell 95 Stellen beziehungsweise Personen mit entsprechender Zuständigkeit bekannt, von denen 44 explizit Antisemitismusbeauftragte sind.
Eine zentrale Anlaufstelle für Betroffene von Antisemitismus an Hochschulen gibt es bisher nur in Nordrhein-Westfalen. Diese ist aber nicht bei der Landesregierung, sondern bei der unabhängigen Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Nordrhein-Westfalen (RIAS NRW) angesiedelt. Anne Brüning mit dpa