Das Magazin Cicero und die Bild-Zeitung haben auf Grundlage von Akten zur Laufzeitverlängerung, deren Veröffentlichung Cicero gerichtlich erstritten hatte, schwere Vorwürfe gegen das Wirtschafts- und das Umweltministerium erhoben. „Einflussreiche Netzwerke der Grünen“ hätten die Entscheidung „manipuliert“, indem sie sich über die Meinung von Fachleuten der Ministerin hinweggesetzt hätten, schreibt das Magazin. Die betroffenen Ministerien wiesen dies am Donnerstag zurück. „Die Darstellung ist verkürzt und ohne Kontext“ heißt es aus dem BMWK. Das BMUV sieht ein „medienseitiges Missverständnis“, die „mangels Anfragen vor der Berichterstattung“ nicht im Vorfeld aufgeklärt werden konnte.
Kern der Vorwürfe sind widersprüchliche Formulierungen in Entwürfen aus Fachabteilungen und späteren Einschätzungen der Ministerien. So schrieb der Leiter der Nuklearabteilung des BMUV am 3. März 2022, dass eine Laufzeitverlängerung „sicherheitstechnisch nicht vertretbar wäre“; zwei Tage zuvor war in einem Vermerk der zuständigen Arbeitsgruppe noch von „Szenarien“ die Rede, „die mit der Aufrechterhaltung der nuklearen Sicherheit vereinbar wären“. Tatsächlich hatte aber auch dieses Papier, das vom BMUV am Donnerstag auch anderen Medien zur Verfügung gestellt wurde, zahlreiche Bedingungen aufgeführt, die dafür erfüllt sein müssten - und offengelassen, ob dies möglich sei. Der Widerspruch zwischen den Papieren ist damit geringer, als die Berichterstattung nahelegt.
Dem BMWK wird vorgeworfen, mögliche positive Effekte einer Laufzeitverlängerung verschwiegen zu haben. So fand sich in einem Vermerk der Fachabteilung vom 3. März 2022 ein Hinweis auf möglicherweise sinkende Strompreise; im finalen Ministeriumspapier taucht dieser nicht mehr auf. Das Ministerium erklärt dazu, zum Effekt längerer AKW-Laufzeiten auf die Strompreise habe es „unterschiedliche Bewertungen durch verschiedene Institute und Energieanalysten gegeben“. Zudem blieb das Papier der Fachabteilung, das Table.Briefings ebenfalls vorliegt, extrem vage: Darin heißt es lediglich, die Strompreise könnten im Januar und Februar „in vielen Stunden sinken“ - wie oft und wie stark blieb offen.