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Erscheinungsdatum: 01. Januar 2024

Agrarwende: „Die Kanzlerpartei fällt völlig aus“

Aus Sicht des Agrarforschers Friedhelm Taube von der Uni Kiel scheitert der Green Deal an lobbygetriebener Politik und reiner Öko-Lehre. Cem Özdemirs Bio-Kampagne gehöre sich nicht für einen Landwirtschaftsminister.

Agrarwende: „Die Kanzlerpartei fällt völlig aus“. Der Agrarwissenschaftler Friedhelm Taube lässt kein gutes Haar an der Politik, was die Umsetzung des Green Deals angeht. Taube, der von 2012 bis 2021 dem wissenschaftlichen Beirat Agrarpolitik beim BMEL angehörte, sagte zu Table.Media, die Forschergemeinde habe einen Aufbruch erwartet nach dem „jahrelangen Bremsen seitens der CDU/CSU und dem Klöckner-Ministerium“. Dieser sei aber nicht eingetreten. Sondern: „Die FDP hat die Lobby-Vertretung der Union zu 110 Prozent übernommen. Die Grünen und Cem Özdemir gehen bei weitem nicht mutig genug an die Konflikte mit den Koalitionspartnern heran.“ Die Kanzlerpartei falle sogar völlig aus. „Niemand seitens der SPD versucht, den gordischen Knoten zu durchschlagen“, so der parteilose Kieler Professor, den die CDU unter Daniel Günther vor der Landtagswahl 2017 als Schattenlandwirtschaftsminister aufgestellt hatte.

Die Agrarwende sei kein politisches Projekt, sondern wissenschaftliche Notwendigkeit. Was mit dem Green Deal in der EU umgesetzt werden solle, sei der Stand der Forschung zur Frage, wie Landnutzung im Einklang mit Ressourcenschutz laufen solle, erläutert Taube. „Das Wichtigste ist, den Bevölkerungen in den reichen Ländern die Notwendigkeit einer Ernährungswende zu vermitteln und diese politisch zu untermauern.“ Er kenne keine Studie weltweit, die das anders sehe. „Wir müssen von unserem Fleischkonsum massiv herunter“, sagt Taube, in Größenordnungen von 50 bis 70 Prozent. „Wenn wir in den reichen Ländern den Verzehr tierischer Produkte halbieren würden, könnten wir zugleich den Hunger in der Welt halbieren. Der Hebel ist immens.“ Europa könnte seine Exporte an Brotgetreide dadurch mindestens verdoppeln, wie eine neue Nature-Studie zeige. „Wir müssten dafür nicht Vegetarier werden, sondern konsequent ‚Flexitarier‘.“

Bio-Anbau gefährde nicht die Welternährung. Dieses Argument des Bauernverbands sei falsch. „Wenn wir weniger Fleisch konsumierten, könnten wir sogar mehr Ökolandbau machen, und dennoch den Welthunger bekämpfen.“ Das Ampel-Ziel von 30 Prozent Ökolandbau bis 2030 hält Taube trotzdem „weder für realistisch noch für sinnvoll“. Er plädiert für „dritte Wege“ zwischen konventionell und Bio: „Wenn konventionelle Landwirte nur 50 Prozent ihrer Fruchtfolge an Ökostandards ausrichten, kommen sie schon ohne Pflanzenschutz und Mineraldünger aus.“ Doch die eine Seite der Politik beharre auf dem Status Quo, während die andere die reine Öko-Lehre vertrete. Özdemirs Bio-Anzeigenkampagne kritisiert Taube scharf: „Werbung explizit für eine Gruppe der Landwirtschaft gehört sich nicht für einen Agrarminister.“ Wie der Professor die EU-Subventionen der GAP ab 2028 umbauen würde und warum er Erwartungen in gentechnische Züchtungen dämpft, lesen Sie im Interview von Annette Bruhns im Agrifood.Table.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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