Interview
Erscheinungsdatum: 21. August 2024

„Wie Sie es drehen und wenden: Höcke ist immer dabei“

Björn Höcke hat die MDR-Wahlarena genutzt, um sich destruktiv und respektlos zu verhalten. Christian von Coelln, Inhaber des Lehrstuhls für Medienrecht an der Universität Köln, erklärt, was passieren müsste, damit der MDR den Thüringer AfD-Spitzenkandidaten oder seine Partei von solchen Runden ausladen kann.

Viele haben das Auftreten von Björn Höcke in der MDR-Wahlarena als unerträglich empfunden. Warum darf jemand an einer Runde teilnehmen, wenn er derart stört?

Der Mitwirkungsanspruch aller nicht verbotenen Parteien – auch wenn der Verfassungsschutz sie als extremistisch einstuft – bedeutet, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk ihnen wie anderen allen gesellschaftlichen Kräften eine Stimme geben muss. Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt: Keinesfalls steht es den Organen des Rundfunks zu, Parteien, die zur Teilnahme an der Wahl zugelassen sind, von solchen Runden auszuschließen.

Aber es sitzen ja nicht alle Parteien da. Wo verläuft die Grenze?

Es gilt der Grundsatz der abgestuften Chancengleichheit. Man kann es mit nachvollziehbarem journalistischem Konzept auf bestimmte Parteien beschränken: Diejenigen, die bisher im Parlament waren; diejenigen, die Chancen haben, im nächsten zu sitzen. Oder diejenigen mit Aussichten, den Ministerpräsidenten zu stellen. Die FDP etwa hat mal versucht, Guido Westerwelle ins Kanzler-Duell zu klagen – sie scheiterte damals, weil er keine realistischen Chancen hatte, Kanzler zu werden. Aber auch zu einem Duell nur für potenzielle Ministerpräsidenten müsste man die AfD einladen. Was das BSW macht, ist noch unklar, aber es scheint gewissen Annäherungstendenzen gen AfD zu geben – sie hat also Chancen. Egal, wie Sie es drehen und wenden: Höcke ist immer dabei.

Auch wenn er Fragen der Moderation überging und aggressiv dazwischen polterte, könnte der MDR nicht entscheiden, ihn auszuladen?

Grundsätzlich nicht. Die Rechtslage ist recht eindeutig. Würde man keine Politiker mehr einladen, die Fragen unbeantwortet lassen und ins Wort fallen, wären die meisten Talkshows leider relativ leer.

Bei Höcke ist es mehr als das. Selbst Parteifreunde bezeichneten sein Auftreten mitunter als destruktiv. Was mehr müsste er machen, um nicht mehr eingeladen zu werden?

Wenn er sich als notorischer Gesprächs-Crasher bewiese und auf andere Teilnehmer losgehen würde, wenn es eine abgesicherte Prognose gäbe, dass Björn Höcke erneut die verbotene SA-Parole „Alles für Deutschland“ sagt, weil er es zu seinem Markenzeichen gemacht hätte, das öffentlich immerzu zu sagen, könnte man ihn ausschließen. Wenn er bei jedem Auftritt in menschenverachtender Weise spräche oder körperlich gegen andere losginge. Aber auch dann ist es nicht Aufgabe des Rundfunks, Parteien auszuladen. Seine Aufgabe ist, gut vorbereitete Moderatoren zu haben, die sattelfest genug sind, um bei falschen Aussagen dagegen zu halten. Außerdem kann er seine technischen Möglichkeiten nutzen, indem er Dazwischen-Rednern etwa das Mikro ausstellt.

Was müsste passieren, damit die AfD nicht mehr eingeladen wird?

Sie müsste verboten werden. Das Grundgesetz entscheidet prinzipiell nur zwischen zwei Arten von Parteien: Verbotene und nicht verbotene Parteien. Solange sie nicht verboten sind, sind sie rechtlich gesehen eine Partei wie jede andere auch. Vor Wahlen ist der Gleichheitsanspruch besonders streng. Abgesehen muss auch die Position der AfD im Programm vorkommen, aber sie hat dann keinen Anspruch darauf, in eine ganz bestimmte Talkshow eingeladen zu werden.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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