Interview
Erscheinungsdatum: 21. Mai 2025

Integrationsbeauftragte Natalie Pawlik: „Die Erfolgsgeschichten erzählen“

Die Beauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration will Erfolgsstorys in den Fokus rücken und die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten verbessern. Die Lage an den Grenzen sieht sie kritisch.

Sie müssen gemeinsam mit der Union Migrationspolitik umsetzen. An welchen Stellen haben Sie andere Vorstellungen?

Ich will die Chancen und Erfolgsgeschichten in den Fokus rücken und dazu beitragen, dass Integration vor Ort gelingt und wir besser werden bei der Anerkennung von Abschlüssen, der flächendeckenden Versorgung mit Sprach- und Integrationskursen sowie schneller und digitaler bei den Verfahren.

Was ist mit der Lage an den Grenzen?

Ich schaue mit Sorge darauf, was an unseren Grenzen passiert. Vor allem, weil hochsensible rechtliche Fragen geklärt werden müssen. Wir müssen natürlich alle europarechtlichen Vorgaben einhalten. Vereinbart ist zudem, dass die Zurückweisungen in Abstimmung mit den Nachbarstaaten vorgenommen werden. Aber was passiert zum Beispiel mit zurückgewiesenen Menschen, wenn das Nachbarland eine Aufnahme verweigert? Das ist keine zufriedenstellende Situation. Ich gehe davon aus, dass das BMI das rechtlich sauber hat prüfen lassen, aber am Ende wird das wohl auch vor Gericht geprüft.

Ein zentrales Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag ist die Schaffung einer digitalen Agentur für Fachkräfteeinwanderung. Jetzt gibt es neben Bürokratie aber noch ein anderes Problem: Rassismus. Was wollen Sie dagegen tun?

Ich bin auch Beauftragte der Bundesregierung für Antirassismus und es geht darum, dass wir Rassismus auf allen Ebenen weiter bekämpfen und abbauen.

Und wie?

Mir ist die Opferperspektive dabei sehr wichtig. Daher braucht es auch mehr Beratungsstellen, an die sich Menschen wenden können, mehr Prävention, mehr Aufklärung, insbesondere an Schulen. Und wir müssen auch strukturell etwas in den Institutionen ändern, damit mehr Fachkräfte aus dem Ausland kommen wollen, bei Visavergabe, Ämterkontakten, Arbeitsplatz- und Wohnungssuche. Rassismus schreckt viele Menschen ab, die wir am Ende in unserem Land brauchen.

Eine Frage zum Bürgergeld: Die Hälfte der Bezieher hat keinen deutschen Pass. Ist das ein Problem?

Ich halte nichts von Pauschalierungen, jeder Fall ist individuell. Es gibt unterschiedliche Gründe, warum Menschen Bürgergeld beziehen. Aber ja, an vielen Stellen müssen wir besser werden, was die Integration in Arbeit angeht. Arbeit ist neben Bildung und Sprache Integrationsmotor Nummer eins. Darum geht es nicht nur um eine soziale Verteilungsdebatte, sondern um Chancen für jede und jeden Einzelnen.

Wie wollen Sie die Arbeitsmarktintegration verbessern?

Wir haben mit dem „Jobturbo“ ein großes Projekt angestoßen, das fortgeführt werden muss. Bei Frauen mit Migrationsgeschichte, die für mich ein entscheidender Faktor bei der Integration sind, gibt es schon aufgrund von mangelnden Kitaplätzen Schwierigkeiten. Das Problem liegt also nicht immer bei den Menschen selbst, sondern auch in Strukturen, die es einigen eben nicht ermöglichen, gleichwertig am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt teilzuhaben.

Jobcenter kritisieren, dass es nicht genug Sprach- und Integrationskurse gibt. Wo sollen Personal und Geld dafür herkommen?

Im Koalitionsvertrag haben wir klar vereinbart, mehr in Integration zu investieren, die Integrationskurse fortzusetzen und Berufssprachkurse flächendeckend auszubauen. Ebenso wollen wir die Kommunen finanziell weiter unterstützen, damit Integration eben dort vor Ort gelingen kann. Kommunen sind die entscheidenden Ankunftsorte und ich nehme die Signale aus den Städten und Gemeinden ernst. Das alles muss und wird der Bundeshaushalt leisten, über die Einzelpläne beraten wir in der Bundesregierung in diesen Tagen. Und aus welchem Topf das Geld dann kommt, entscheiden am Ende die Abgeordneten des Deutschen Bundestages.

Geflüchtete aus der Ukraine, die ab dem 1. April 2025 ankommen, sollen statt ins Bürgergeld- wieder ins Asylbewerber-System. Wie finden Sie das?

Persönlich halte ich nicht viel davon, wenn man ständig neue Regelungen schafft. Am Ende muss eine Verwaltung in der Lage sein, alles ordentlich umzusetzen. Und wir wollen, dass Menschen schnell für sich und ihre Familie sorgen können. Der Sachverständigenrat für Integration und Migration hat gerade in seinem Jahresgutachten gezeigt: Wir haben gute Gesetze, aber es braucht genug Zeit, um sie vor Ort auch gut auszugestalten. Was die Integration von Ukrainerinnen und Ukrainern in den Arbeitsmarkt betrifft: Die Zahlen der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten sind gestiegen, aber es ist noch Luft nach oben.

Apropos: Wo ist in Ihrem Bereich strukturell noch Luft nach oben, Stichwort Sozialstaatsreform?

Bei der Anerkennung von ausländischen Bildungs- und Berufsabschlüssen zum Beispiel hat die Ministerpräsidentenkonferenz im Dezember 2024 gute Beschlüsse gefasst, die wir gemeinsam umsetzen. Insgesamt müssen wir im Bereich der Migrations- und Integrationsverwaltung mehr vereinfachen, digitalisieren und zentralisieren. Ich sitze in Steuerungsgremien, die jetzt daran arbeiten, dass das auch Realität wird.

Warum ist die Bundesregierung eigentlich so wenig divers?

Ich sehe das etwas anders. Im Kabinett, bei den Parlamentarischen Staatssekretärinnen und -sekretären und Beauftragten haben wir Menschen mit vielen verschiedenen Biografien: welche mit Migrationsgeschichte, jüngere, ostdeutsche. Wir sollten aber natürlich noch mehr daran arbeiten, diverser zu werden.

Einen Migrationshintergrund hat fast niemand, wenn man sich das Kabinett inklusive Parlamentarischen und beamteten Staatssekretären anschaut.

Wenn man schaut, wie viele Menschen in Deutschland eine Migrationsgeschichte haben, ist das nicht eins zu eins repräsentiert, das stimmt. Dennoch sind wir auf einem guten Weg.

Inwiefern?

Wir haben zum Beispiel auch erstmals mehrere Bundesministerinnen und Bundesminister aus Ostdeutschland, von 18 Ministerinnen und Ministern sind 8 Frauen und meine Amtsvorgängerin Reem Alabali-Radovan ist die erste Frau mit Einwanderungsgeschichte überhaupt in der Bundesregierung.

Sind Sie für ein AfD-Verbotsverfahren?

Ich persönlich unterstütze ein Prüfverfahren zur Verfassungsmäßigkeit der AfD. Die weiteren Schritte und was aus den Gutachten des Verfassungsschutzes folgt, werden wir in meiner Fraktion diskutieren.

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Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025

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