Analyse
Erscheinungsdatum: 22. Dezember 2024

„Wir müssen unsere Dienste stärken, damit wir selbst stärker im Anti-Terrorkampf werden“

Der CDU-Politiker Armin Laschet warnt davor, den Anschlag von Magdeburg und die Motive des mutmaßlichen Attentäters „für billige Polarisierung im Wahlkampf zu nutzen“. Bund und Länder müssten jetzt über Parteigrenzen hinweg zusammenarbeiten, um die Arbeit der Sicherheitsbehörden besser zu machen.

Herr Laschet, das Attentat von Magdeburg überschattet alles, was man nun mit Weihnachten verbindet. Was war Ihr erstes Gefühl, als Sie davon hörten?

Entsetzen. Blankes Entsetzen. Wie unendlich schrecklich so etwas für die Familien der Toten und der Verletzten sein muss. Ich glaube, man kann sich solchen Schmerz kaum vorstellen. Und es drängt sich natürlich die Frage auf, wie so etwas möglich sein kann bei all den Sicherheitsmaßnahmen, an die wir uns gewöhnen mussten.

Der mutmaßliche Täter ist nicht so einfach zu fassen. Ein anerkannter Flüchtling, ein Psychiater, ein Fluchthelfer für Menschen aus Saudi-Arabien, der jetzt eine solche Tat begeht – und offenkundig mit der AfD sympathisiert. Wie ordnen Sie ein, was da geschehen ist?

Vor allem zeigt das Täterprofil, dass wir uns immer, einfach immer, vor Schwarz-Weiß-Beurteilungen hüten sollten. Tödlicher Hass ist weit verbreitet, bei Islamisten ebenso wie bei radikalisierten Rechtsextremisten. Extremisten sind teuflische Zwillinge im Geiste.

Man kann zu dem Schluss kommen, dass er getrieben war von dem Eindruck, Deutschland dränge den Islamismus saudischer Prägung nicht zurück. Ist das ein Hirngespinst?

Ja. Außerdem ist es eine eigenartige Form der Bekämpfung von Islamismus, mit einem Auto über einen Weihnachtsmarkt zu rasen und Menschen zu töten.

Der Mann war als möglicher Gefährder erkannt worden. Es gab Warnungen ans Bamf; das Bamf hatte diese Warnungen weitergegeben. Es sollte eine sogenannte Gefährderansprache geben. Die aber hat nicht stattgefunden. Warum kann so was passieren?

Das wird jetzt dringend und detailliert aufzuklären sein. Wir dürfen nicht einfach zur Tagesordnung übergehen wie so oft bei solch schrecklichen Ereignissen. Fast allen großen Terroranschlägen gingen Hinweise ausländischer Geheimdienste voraus. Wir müssen unsere Dienste stärken, damit wir selbst stärker im Anti-Terrorkampf werden.

Was stimmt da nicht im System der Kontrolle? Fehlt immer noch zu vielen Beamten die Sensibilität? Oder sind Sie überfordert?

Das gilt es jetzt aufzuklären.

Brauchen wir mehr Polizisten, die sich um Gefährder und Gefährderansprachen kümmern? Oder ist die Zahl der Gefährder unbeherrschbar geworden?

Viele Gewalttaten werden durch unsere Sicherheitsbehörden verhindert, das zeigt, dass es grundsätzlich funktioniert. Aber wir müssen offenkundig weiter besser werden und Prioritäten richtig setzen.

Die Tat fällt mitten in den aufziehenden Wahlkampf? Wie groß ist die Gefahr, dass das noch einmal alles verändert?

Der Anschlag und die Motive des Täters sind zu komplex, um sie für billige Polarisierung im Wahlkampf zu nutzen. Bund und Länder müssen über Parteigrenzen hinweg zusammenarbeiten.

Was muss jetzt passieren, damit die Menschen den Sicherheitsbehörden und den demokratischen Institutionen vertrauen – und nicht zu denen laufen, die den demokratischen Staat untergraben möchten?

Der Mörder war mutmaßlich jemand, der den demokratischen Staat untergraben wollte. Wenn ein Täter AfD-Sympathie postet, gegen die frühere Bundeskanzlerin hetzt und die Gesellschaft zu spalten versucht, ist er der Letzte, dem man glauben sollte.

Wenn man die Masse an ersten und zu einem großen Teil falschen Geschichten in den sogenannten sozialen Medien betrachtet: Haben wir die Möglichkeit verloren, gegen falsche Erzählungen zu bestehen?

Es ist jedenfalls um ein Vielfaches schwieriger geworden, sich gegen Desinformation durchzusetzen. Dass auf manchen Plattformen keinerlei Regulierung mehr stattfindet, öffnet Desinformation Tür und Tor. Medienkompetenz, das Erkennen von Fakten, das Unterscheiden zwischen richtig und falsch, wird immer wichtiger.

Entgleitet der Demokratie die Kommunikation?

Das wäre fatal. Einander zuhören, Meinungen zulassen, streitbar sein, diskutieren und Kompromisse finden – das sind Grundpfeiler unserer Demokratie.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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