Analyse
Erscheinungsdatum: 17. Dezember 2024

Wahlrecht für Auslandsdeutsche: „Die Ausübung ist faktisch unmöglich“ 

Wegen der verkürzten Fristen aufgrund der Neuwahl bleibt den deutschen Staatsbürgern im Ausland kaum Zeit, um ihre Wahlunterlagen zu erhalten und rechtzeitig nach Deutschland zurückzuschicken.

Gut 60 Tage vor der Bundestagswahl sieht es für das Wahlrecht von 3,4 Millionen Deutschen schlecht aus. Es sind die Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, die im Ausland leben (davon rund 800.000 im grenznahen Ausland und 1,1 Millionen in den USA). Erst Ende Januar beginnt der Druck und Versand der Wahlbenachrichtigungen, wie die Bundeswahlleiterin gerade noch einmal bestätigte. Erst dann gehen die Wahlscheine auf die Reise – für diejenigen, die sich haben registrieren lassen und Briefwahlunterlagen beantragt haben. Damit ist es schon jetzt extrem unwahrscheinlich, dass diese Post zunächst rechtzeitig im australischen Darwin, im chilenischen Valparaíso oder im ostkongolesischen Goma ankommt und der Wahlbrief dann auch noch zeitgerecht den Weg wieder zurückfindet.

Im Normalfall werden die Wahlkreis- und Landeslisten 52 Tage vor dem Wahltag zugelassen. Um mehr Zeit für die Aufstellung der Kandidaten und Kandidatinnen zu ermöglichen, wurde die Frist für die Wahl 2025 auf 24 Tage verkürzt. Das geht aus dem Verordnungsentwurf des BMI hervor. Damit wäre der Stichtag der 30. Januar 2025 – erst dann beginnt der Versand der Unterlagen. Einzelne Botschaften, so ist von Auslandsdeutschen zu hören, bieten Wählern nun an, ihren Wahlbrief in Botschaft oder Konsulat zu hinterlegen, um ihn dann mit der regelmäßigen Diplomatenpost mitzugeben. Wo das nicht der Fall ist, bleiben nur privat zu berappende teure Kurierdienste, um eine einigermaßen verlässliche Stimmabgabe zu garantieren.

Für Auslandsdeutsche ist das Wählen seit langem eine mühevolle Sache – und das ist auch schon längst bekannt. Auch die Wahlrechtskommission des Bundestages, die sich der Verkleinerung des Parlaments gewidmet hatte, konstatierte in ihrem Abschlussbericht im Mai 2023 in aller Deutlichkeit, dass „die wirksame Ausübung des Wahlrechts durch im Ausland lebende Deutsche trotz sofortiger Antragstellung vielfach faktisch unmöglich ist“. Doch zu mehr als einem Prüfauftrag an den Bundestag konnte sie sich nicht durchringen. Die mühevolle Stimmabgabe dürfte gleichwohl ein Hauptgrund dafür sein, dass sich von den Auslandsdeutschen 2021 nur rund 130.000 ins Wahlregister eintragen ließen. Wie viele von ihnen dann tatsächlich – rechtzeitig – ihre Stimme abgaben, ist unbekannt.

Bisher gab es keine Lobby, die sich für eine Lösung des Problems engagiert hätte. Allmählich jedoch dämmert insbesondere den Juristen unter den Bundestagsabgeordneten, dass Handlungsbedarf besteht. „Das war bisher eher was für juristische Feinschmecker“, sagt Johannes Fechner, Justiziar der SPD-Bundestagsfraktion. Auch weil es kaum Beschwerden gab – nicht aus dem Ausland und aus dem Inland sowieso nicht. Fechner sagt nun: „Das muss einfacher werden. Es führt kein Weg daran vorbei: Wir müssen da ran.“

Der Grünen-Abgeordnete Till Steffen, auch er Jurist, hat die Schuldigen schon ausgemacht. Es sei „bedauerlich, dass eine substanzielle Erleichterung der Wahlteilnahme von Auslandsdeutschen bislang am Widerstand des Bundesinnenministeriums gescheitert ist“, sagte er dem Spiegel. Steffen sieht Bedarf für zügiges Handeln und hat auch schon konkrete Vorschläge: „In der nächsten Legislaturperiode müssen wir die Abläufe dringend digitalisieren und die deutschen Auslandsvertretungen als Wahlämter und Wahllokale einsetzen.“

Das Problem daran: Nicht alle Auslandsdeutschen leben in den Hauptstädten, viele haben deshalb weite Wege in die Botschaft oder ins nächste Konsulat. Und: Botschaften und Konsulate müssten für alle 299 Wahlkreise Wahlzettel vorhalten, denn zuständig ist immer der Wahlkreis, in dem der Antragsteller zuletzt in Deutschland gewohnt hat. Für diesen Wahlkreis zählt dann auch die Erststimme. Aber das gilt nur für solche, die aktiv einen Antrag gestellt haben. Die übrigen gut 3,2 Millionen Deutschen werden von der Bundeswahlleiterin und ihrer Statistik nicht einmal als Wahlberechtigte ausgewiesen.

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Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025

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