Analyse
Erscheinungsdatum: 09. März 2025

Ungedeckte Buchungen und Verschiebebahnhof – Welche haushaltspolitischen Fragen das Sondierungsergebnis aufwirft 

Schnell haben sich Union und SPD auf ein Sondierungspapier geeinigt. Welche Einsparungen zur Finanzierung der Vorschläge geplant sind, ist noch unklar.

Eine Menge scheint abgeräumt zwischen und SPD und Union nach acht Tagen Sondierungsgesprächen. Aber viele Fragen bleiben offen. Denn Einsparungen gibt es in dem Konzept kaum, vielmehr, so scheint es, soll die Schaffung des 400-Milliarden-Sondervermögens (für den Bund) Platz schaffen für höhere konsumtive Ausgaben in den normalen Bundeshaushalten der kommenden Jahre. Denn von diesen Ausgaben gibt es nicht wenige – auch wenn die Union im Wahlkampf einen ganz anderen Eindruck erweckt hatte. Höhere Einnahmen sind in dem Einigungspapier nicht enthalten, die von der CSU zuletzt thematisierte Autobahnmaut ist bisher nicht eingeplant. Auf gut 40 Milliarden Euro beziffert die Ökonomin Philippa Sigl-Glöckner (SPD) von der „Denkfabrik Dezernat Zukunft“ in einer ersten Übersicht die Mehrausgaben. Die teuerste Ankündigung dürfte die Senkung der Strompreise um „mindestens fünf Cent pro Kilowattstunde“ sein. Um das zu erreichen, wollen Union und SPD zum einen die Stromsteuer von derzeit 2,05 Cent auf den europäischen Mindestsatz von 0,05 Cent pro kWh senken. Das führt zu Mindereinnahmen im Bundeshalt von über fünf Milliarden Euro. Zudem sollen die Übertragungsnetzentgelte halbiert werden, was einem staatlichen Zuschuss von sechs Milliarden Euro entspricht. Von beiden Maßnahmen profitiert die Industrie aber kaum. Sie ist bisher schon weitgehend von der Stromsteuer befreit und bezahlt verringerte Netzentgelte. Um auch dort eine Entlastung zu schaffen, soll darum die sogenannte Strompreiskompensation, die als direkter Zuschuss ausgezahlt wird, auf weitere Branchen ausgedehnt werden. In welchem Umfang dies geschieht, bleibt offen; bisher kostet diese Maßnahme vier Milliarden Euro pro Jahr. Die Gesamtbelastung, die durch die Strompreissenkung im Haushalt entsteht, dürfte damit in der Größenordnung von zwölf bis 13 Milliarden Euro liegen. Teuer ausfallen dürfte auch die Ausweitung der Mütterrente. Bisher kostet sie jährlich rund 13 Milliarden Euro und gilt in vollem Umfang nur für Kinder, die vor 1992 zur Welt kamen. Die Ausweitung soll nun für alle Kinder gelten und wird weitere Milliarden kosten. Die Frühstartrente mit zehn Euro pro Kind und Monat dürfte ebenfalls gut eine Milliarde Euro jährlich kosten, die Senkung der Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie nach Angaben des Hotel- und Gaststättenverbandes rund 3,4 Milliarden Euro. Das Festhalten am verbilligten Agrardiesel wird den Haushalt mit gut 400 Millionen Euro belasten, ähnlich hoch fällt der von der SPD eingebrachte Familienzuschuss für Alltagshelfer aus. Auf Einsparungen haben die Sondierer weitgehend verzichtet, das lockende Sondervermögen hat den Druck herausgenommen. Bei den Bürgergeldempfängern ist vermutlich nur wenig zu holen. Wie jetzt schon für zwei Monate möglich soll es Komplettstreichungen des Regelsatzes für sogenannte Totalverweigerer geben. Weil die aber kaum existieren und die Vorgaben aus Karlsruhe streng sind, dürften sie in der Praxis keine Rolle spielen. Der Paritätische Wohlfahrtsverband rechnet zudem mit Klagen, weil ein dauerhafter Leistungsentzug wohl verfassungswidrig wäre. Eine weitergehende Einordnung der sozialpolitischen Pläne finden Sie hier. Weitere Positionen sind kaum zu beziffern, weil ihr Umfang noch offen ist und politisch entschieden werden muss. Die Erhöhung der Pendlerpauschale etwa, bei der jeder Cent pro Kilometer mehr mit 230 Millionen Euro jährlich zu Buche schlägt. Oder das Entlastungsvolumen der Einkommensteuer, die vor allem für mittlere Einkommen abgesenkt werden soll. Der soziale Wohnungsbau, der weiter gefördert werden soll, für den eigentlich die Länder zuständig sind, den der Bund 2024 aber mit 3,15 Milliarden Euro unterstützte. Das Startchancenprogramm, das bisher rund 4.000 Schulen betrifft, zwei Milliarden Euro teuer ist und ebenfalls ausgeweitet werden soll. Das eingestellte Sprachkitaprogramm, das ein neues Leben erhalten soll und zuletzt rund 200 Millionen Euro teuer war.

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Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025

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