Während in Europa darüber diskutiert wird, ob und wie Internet-Plattformen und Social Media effektiver reguliert werden können, stehen in den USA die Zeichen auf Deregulierung. Mark Zuckerberg, CEO von Meta,will keine Inhalte mehr wegen Faktenchecks zurückzuhalten. „Es ist an der Zeit, bei der freien Meinungsäußerung zu unseren Wurzeln zurückzukehren“, sagte Zuckerberg in einem Video. X-Inhaber Elon Musk betrachtet schon lange jeden Versuch, Fake News zu blocken, als unzulässige Einschränkung der Free Speech.
Für die Aufsichtsinstitutionen in der EU birgt das neue Herausforderungen. In Deutschland sind neben EU-Kommission und Bundesnetzagentur die Landesmedienanstalten für die Kontrolle des Inhalts von Plattformen zuständig. Allerdings wird es hierzulande voraussichtlich nicht zu einer Deregulierung nach US-amerikanischen Vorbild kommen. Diese sei in Deutschland rechtlich gar nicht möglich, sagte die Vorsitzende der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten, Eva Flecken, im Podcast Table.Today. Aber Regulierung allein werde das Problem auch nicht lösen.
Gleichwohl dürften die Entscheidungen von Zuckerberg und Musk auch den Stil der politischen Auseinandersetzung in Deutschland beeinflussen. Ob das Ausmaße annimmt wie in Rumänien, lässt sich allerdings noch nicht sagen. Dort wurde im Dezember die Präsidentschaftswahl annulliert. TikTok war nach Überzeugung des rumänischen Verfassungsgerichts das Medium, über das russische Troll- und Bot-Divisionen einen „aggressiven hybriden Angriff“ auf die rumänische Präsidentschaftswahl lancierten. Die EU-Kommission hat inzwischen wegen mutmaßlicher Verstöße gegen den Digital Services Act (DSA) ein förmliches Untersuchungsverfahren gegen die Plattform eingeleitet.
Eva Flecken betont, es sei „sehr richtig, dass wir nicht in eine Regulierung von einzelnen, natürlich von der Meinungsfreiheit gedeckten Aussagen gehen“. Der DSA verhindere eine Deregulierung, wie sie sich derzeit in den USA vollziehe, sagt die Chefin der Medienanstalt Berlin-Brandenburg. Plattformen wie X, Facebook oder TikTok müssten „transparent vorhalten“, wie sie Informationen selektieren, aggregieren und bereitstellen. „Was nicht geht, ist, dass aus unerfindlichen Gründen, aus unsachlichen Gründen Angebote gepusht und andere weniger gepusht werden.“
Während der rumänischen Präsidentschaftswahl fiel auf, dass mutmaßlich massenhaft ferngesteuerte Bots und Trolle am Werk waren, die die Stimmung auf TikTok verschoben – sogenanntes coordinated inauthentic behavior. Flecken sagt, in solchen Fällen müssten die Plattformen selbst tätig werden, und das würden sie auch. „Die haben ja kein Interesse daran, dass solche manipulativen Tricks und Lügen-Arien auf ihrer Plattform stattfinden“ – schon aus wirtschaftlichem Interesse.
In Rumänien kam diese Erkenntnis zu spät. Und tatsächlich ist es das Wesen der europäischen Regulierung, dass Regelverletzungen erst im Nachhinein festgestellt und geahndet werden. Aber nach einer Wahl sei vor der nächsten, sagt Flecken. Sie schlägt vor, dass solche manipulativen Verbreitungsmechanismen auch nach deutschem, nicht nur europäischem Recht verboten werden „und dass wir eine Möglichkeit bekommen, dagegen vorzugehen“. Derzeit sei das nicht der Fall.
Nach Fleckens Ansicht wird aber Regulierung allein nicht helfen. „Es wird keine Silver Bullet geben.“ Nötig seien nicht nur Regulierungsinstitutionen, sondern auch digitale Resilienz: „Wir müssen selbst schlauer werden. Wir müssen selbst auch eine andere Courage entwickeln, uns auch digital in solche Diskurse einzubringen.“ Das Thema der Informations- und Nachrichtenkompetenz, der Medienkompetenz, der Digitalkompetenz sei vielleicht nie aktueller gewesen als jetzt.