Die Tötung von Hamas-Anführer Ismail Hanija könnte die USA in einen Krieg im Nahen Osten hineinziehen. Das fürchtet Michael Young vom Carnegie Middle East Center in Beirut. Für ihn sei „offensichtlich, dass Israel zum zweiten Mal seit April versucht, die USA in einen Krieg mit dem Iran zu treiben“, sagte er Table.Briefings.Hanija war bei einem mutmaßlich israelischen Raketenangriff auf ein Gästehaus im Norden der iranischen Hauptstadt getötet worden. Israel hat sich nicht zu der Tötung geäußert. Young sagt: „Der Angriff in Teheran zielte darauf ab, die Iraner zu demütigen und eine heftige Reaktion von ihnen zu provozieren, und das zu einem Zeitpunkt, an dem die USA verpflichtet sind, Israel zu helfen.“
US-Außenminister Antony Blinken rief zu einer Deeskalation der Lage auf. Ein Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen sei das beste Mittel dafür. Die USA seien an der Tötung Hanijas nicht beteiligt gewesen, so Blinken. Der israelische Verteidigungsminister Yoav Galant sagte: „Wir wollen keinen Krieg, aber wir bereiten uns auf alle Möglichkeiten vor.“
Die Reaktionen von Irans oberstem Führer, Ajatollah Ali Khamenei, und dem militärischen Arm der Hamas deuten jedoch auf Eskalation hin. Khamenei drohte Israel mit einer „harten Bestrafung“. Die Tötung Hanijas zu rächen, sei „Teherans Pflicht“. Vom bewaffneten Flügel der Hamas hieß es, dass die Tötung Hanijas in Teheran „die Schlacht in neue Dimensionen“ heben werde. Wie die vom Iran geführte „Achse des Widerstands“, der neben der libanesischen Hisbollah, den jemenitischen Houthis und der Hamas auch irakische Milizen angehören, auf die Tötung von Hanija reagieren könnte, lesen Sie im Security.Table.
Die Bundesregierung rief alle Seiten zu maximaler Zurückhaltung auf. „Die Logik gegenseitiger Vergeltungsschläge ist ein Irrweg“, sagte ein Sprecher von Annalena Baerbock. Die Außenministerin will am Donnerstag mit ihrem französischen Amtskollegen Stéphane Séjourné über die zugespitzte Lage sprechen. Das Auswärtige Amt rief deutsche Staatsbürger erneut dazu auf, den Libanon zu verlassen. In die AA-Krisenvorsorgeliste „Elefand“ haben sich bis Mittwoch 1.800 Deutsche eingetragen, die sich gegenwärtig noch im Libanon aufhalten. Am Montag waren es erst 1.300 Einträge – ein Zeichen für die gewachsene Sorge, dass sich der Krieg ausweiten könnte.
Der Londoner Terrorexperte Peter Neumann betonte im Podcast-Interview mit Table.Briefings, dass der Anschlag „eine neue Qualität“ im Kampf Israels gegen die Hamas habe. Denn „das Ungewöhnliche war, dass es auf dem Territorium des Iran stattgefunden hat“. Dies müsse der Iran als „ungeheuerliche Provokation“ werten. Dennoch dürfe sich der Westen nicht „einlullen lassen“, es bleibe das Staatsziel des Irans, Israel zu zerstören.