Analyse
Erscheinungsdatum: 21. Februar 2024

Streit bei Wirtschaftsweisen: Schnitzer will schnelle Compliance-Regeln

Der Streit über die Mitgliedschaft von Veronika Grimm im Sachverständigenrat geht weiter. Die Vorsitzende Monika Schnitzer will Compliance-Regeln umsetzen und hofft auf Einsicht bei Grimm. Die Bundesregierung äußert sich zurückhaltend.

Der Rat der Weisen war in der Vergangenheit immer auch ein Hort der Konflikte.

Wer in dem wichtigsten Beratergremium der Regierung sitzen darf, ist immer auch eine hochpolitische Frage. Schon in den Koalitionsverhandlungen gelten die Posten als Verhandlungsmasse für die jeweiligen Parteien. Gerne versuchen die Parteien dann ihre „Lieblinge“ aus der Wirtschaftswissenschaft unterzubringen. Das führte immer wieder zu Streit.

Doch der aktuelle Fall ist besonders. Vier Mitglieder des Rates, darunter die Vorsitzende Monika Schnitzer, haben sich gegen die Kollegin Veronika Grimm eingeschworen und verlangen von ihr die Aufgabe ihres Aufsichtsratsmandats bei Siemens Energy, wenn sie weiterhin im Rat arbeiten will.

Doch Grimm lehnt dies ab. Die Situation ist verfahren.

Nun hat sich Monika Schnitzer ausführlich im Gespräch mit Table.Media geäußert: „Nicht alles, was legal ist, ist legitim. Sie muss sich für ein Mandat entscheiden“, sagte Schnitzer.

Rechtlich sei das möglich, aber die Interessenkonflikte seien bei einem Unternehmen wie Siemens Energy „schon sehr groß“, betonte Schnitzer. „Siemens Energy ist das relevante Unternehmen für die Energietransformation.“ Als Beispiel nennt sie das Thema Kraftwerksstrategie oder die Wasserstoffförderung. „Da sieht man, wie verknüpft das alles ist. Da kann nicht ein Mitglied des Rates für dieses Unternehmen tätig sein.“

Genau diese Themen seien aber die Schwerpunkte von Frau Grimm. „Wir als Beratungsgremium müssen unabhängig sein. Unsere Sorge ist, dass wir nicht mehr ernst genommen werden.“ Man könne Veronika Grimm nicht einfach bei den Themen außen vor lassen. „Wir könnten solche Regelungen finden. Aber das ist freiwillig. Wir können niemanden zwingen.“

Schnitzer räumt ein, dass solche Doppel-Mandate in früheren Fällen im Sachverständigenrat durchaus üblich gewesen waren, aber es habe eben auch Fälle gegeben, die heikel waren.

Schnitzer erinnert an Beatrice Weder di Mauro, die wegen ihrer möglichen Befangenheit als Verwaltungsratsmitglied der Schweizer Großbank UBS vor einigen Jahren den Rat der Wirtschaftsweisen verlassen habe.

Den Vorwurf, dass Schnitzer und ihre Kollegen mit der E-Mail an das Kanzleramt und das Wirtschaftsministerium Grimm vor den Kopf gestoßen habe, lässt die Münchner Ökonomin nicht gelten: „Wir haben uns mit Frau Grimm im Januar darüber unterhalten und immer wieder auch bilateral gesprochen. Von ihr kam aber das Feedback, dass sie darin kein Problem sieht.“ Daher habe man nun auch die Fachaufsicht, das Wirtschaftsministerium, informieren müssen.

Eine inhaltliche Auseinandersetzung über ihre wirtschaftspolitischen Positionen seien nicht der Hintergrund für die Auseinandersetzung, sagte Schnitzer. „Das ist kein Problem. Wir sind heterogen aufgestellt und ringen auch miteinander. Das ist gerade auch gut so.“ Man habe als Gremium etwa eine gemeinsame, moderate Reform der Schuldenbremse vorgeschlagen.

Schnitzer betonte, dass es nun Verhaltensregeln geben werde. „Wir führen jetzt Compliance-Regeln ein. Dann müssen wir sehen, wie sich die Praxis bewährt.“ Darin würden grundsätzlich Mandate in Aufsichtsgremien erlaubt, aber es werde eine inhaltlich klare Vorgabe geben, dass Mitglieder sich dann bei bestimmten Themen zurückziehen müssen aus der Beratung.“ Diese Compliance-Regeln seien heute üblich und müssten – jenseits ihrer rechtlichen Bindewirkung – umgesetzt werden: „Die Zeiten ändern sich.“

Die Bundesregierung äußerte sich nur zurückhaltend zu dem Streit. Regierungssprecher Steffen Hebestreit kommentierte die Rücktrittsforderung mit den Worten: „Die Bundesregierung überlässt es dem unabhängigen Sachverständigenrat, darüber zu befinden.“ Eine Sprecherin von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck deutete in der Bundespressekonferenz dagegen an, dass man auch dort ein Problem sieht. Die Aufsichtsratstätigkeit sei zwar vom Gesetz nicht verboten, erklärte sie. „Gleichwohl ist es natürlich wichtig, so sehen wir das, dass Interessenkonflikte vermieden werden.“

Unterstützung für die Rücktrittsforderung kam auch vom Lobbycontrol. Nach Angaben des Verbands ist das Aufsichtsratsmandat mit mindestens 120.000 Euro pro Jahr vergütet. „Wer die Bundesregierung in gesamtwirtschaftlichen Fragen berät, sollte nicht von einem Großunternehmen bezahlt werden und in dessen Gremien sitzen“, kommentiert Max Bank. „Ein Interessenkonflikt liegt hier auf der Hand.“

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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