Berlin.Table Analyse Sozialpolitik

Sozialstaatsreform: Was die Kommission für Familien verändern könnte

Viele Leistungen, bei denen Vereinfachungen helfen würden, betreffen Eltern und ihre Kinder. In der Sozialstaatskommission gibt es verschiedene Ideen – wie damals bei der Kindergrundsicherung.

04. Dezember 2025
Viele Kinder in Deutschland sind arm oder von Armut bedroht (picture alliance/SZ Photo)

Die Erwerbsanreize für Empfänger von Sozialleistungen seien an vielen Stellen unzureichend, heißt es in einem internen Papier aus der Sozialstaatskommission. Als Beispiel nennt sie einen Musterhaushalt in München, wo die Mieten besonders hoch sind. Im Zentrum steht eine Familie mit zwei Kindern, bei denen der eine Elternteil doppelt so viel verdient wie der andere. Wenn der Haushalt sein Bruttoeinkommen von 3.000 auf 5.000 Euro erhöht, so steige das verfügbare Einkommen um nur 122 Euro, bemängelt die Kommission mit Blick auf die komplizierten Verrechnungen zwischen verschiedenen Leistungen.

Neben stärkeren Erwerbsanreizen soll auch die Bündelung von Leistungen wie Wohngeld und Kinderzuschlag (KiZ) helfen – wie im Koalitionsvertrag angekündigt. Mehrere in der Kommission diskutierte Optionen sehen sogar eine Abschaffung der Leistungen vor, in anderen würden beide zusammengelegt zu einem „Wohn- und Familienzuschuss“ (WFZ).  Dieser könnte etwa zentral von der Familienkasse verwaltet werden, die bisher schon für Kindergeld und KiZ zuständig ist.

Vereinfachen will die Regierung auch den Zugang zum sogenannten Bildungs- und Teilhabepaket (BuT), das Unterstützung bei der Finanzierung etwa von Klassenfahrten und Nachhilfe bietet. Ein Vorschlag aus der Sozialstaatskommission sieht etwa die Zusammenfassung der Leistungen an einer Stelle wie den Jobcentern vor. Bisher sind je nach „Hauptleistung“ (Bürgergeld, Kinderzuschlag/Wohngeld oder Sozialhilfe) andere Behörden zuständig.

Schon bei der Kindergrundsicherung war das Ziel, den Zugang zu Leistungen zu vereinfachen. Verschiedene Bestandteile wie KiZ und BuT hätten etwa gemeinsam beantragt werden können, so der Plan. In einer Formulierungshilfe sowie in einem Papier von Oktober 2024 – also kurz vor dem Scheitern der Ampel-Koalition – ist der parlamentarische Stand der Beratungen zu dem Zeitpunkt zusammengefasst. „Die Eltern möglicherweise anspruchsberechtigter Kinder werden von der Familienkasse gezielt adressiert und beraten“, heißt es darin etwa.

Zudem sollte der Datenaustausch mit anderen Behörden ermöglicht werden, damit alle Anspruchsberechtigten ihr Geld auch erhalten: „Langfristig sollen durch die Inanspruchnahme von Sozialleistungen der soziale Frieden und Chancengleichheit sichergestellt werden“. Beides liege nicht nur im Interesse der Leistungsbezieher, sondern auch des Staates. Das heute viel diskutierte Once-Only-Prinzip – Daten nur einmal angeben – wird darin ebenfalls erwähnt, das Familien und Verwaltungen zu viel Bürokratie ersparen soll.

„Millionen Kinder in Deutschland leben in Armut, weil der Sozialstaat zu kompliziert ist“, sagte Lisa Paus, die als Familienministerin für die Kindergrundsicherung zuständig war, Table.Briefings. Zu viele würden noch immer scheitern an dem „unübersichtlichen Wust“ aus Formularen und zuständigen Stellen. Eine Sozialstaatsreform, die ihren Namen verdient, muss aus Sicht der Grünen-Politikerin armutsfeste Leistungen schaffen. Die derzeitige Vorsitzende des Haushaltsausschusses verweist darauf, dass es für die Bündelung von Leistungen aus verschiedenen föderalen Ebenen oft eine Grundgesetz-Änderung brauche – und damit im Zweifelsfall auch ihre Partei.

Weitere interne Papiere aus der Kommission zeigen, welche Ideen es gibt. In sogenannten Steckbriefen brachten die beteiligten Ministerien und Länder auf Basis der Beratungen Vorschläge ein. Eine Komponente der BuT-Leistungen für Kinder und Jugendliche – die Pauschale von 15 Euro monatlich für Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben – könnte etwa einfach so ausgezahlt werden. Bisher muss man jeweils einzeln nachweisen, dass man die Angebote tatsächlich genutzt hat. Eine andere Anregung betrifft den Unterhaltsvorschuss. Derzeit seien mehr als 2.000 staatliche Stellen wie Jugend- und Sozialämter mit der Durchsetzung privater Unterhaltsforderungen befasst, heißt es in einem „Steckbrief“. Das solle bei spezialisierten Stellen zentralisiert werden. Unterhaltsvorschüsse und -ausfallleistungen kosteten den Staat 2024 gut 3,2 Milliarden Euro. Auf mehr als 2,5 Milliarden davon blieb er sitzen.

Ein dritter Impuls sieht vor, die Verantwortung für das Elterngeld einer einzigen Stelle zu übertragen – der Familienkasse. Derzeit gibt es bundesweit demnach circa 300 Elterngeldstellen, oft sind sie bei den Jugendämtern angesiedelt. Schon im September bot BA-Chefin Andrea Nahles von sich aus an, Wohngeld und KiZ aus einer Hand bei der Familienkasse anzubieten. Der Städtetag zeigte sich offen dafür, stellte aber eine Bedingung auf: Wenn die Agentur das Wohngeld übernehme, dann alle Empfänger und nicht nur die, die auch einen Kinderzuschlag erhalten.

Anmerkung: In einer früheren Version des Textes stand, die BuT-Leistungen für Kinder und Jugendliche würden 15 Euro im Monat umfassen. Richtig ist: Eine Komponente davon, die Pauschale für die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben, umfasst monatlich 15 Euro.

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Letzte Aktualisierung: 05. Dezember 2025