Analyse
Erscheinungsdatum: 24. Juni 2024

So könnte der AfD-Bundesvorstand nach dem Parteitag in Essen aussehen

Bei der AfD kursiert eine Liste des möglichen neuen Bundesvorstands, den 600 Delegierte beim Parteitag am Wochenende in Essen wählen. Auch das Spitzenduo um Alice Weidel und Tino Chrupalla könnte ein paar Federn lassen.

Mindestens ein Drittel des AfD-Bundesvorstands verändert sich am Wochenende in Essen. Parteiintern kursiert eine Liste, die Table.Briefings vorliegt. Als Spitzenduo ist weiterhin Alice Weidel und Tino Chrupalla vorgesehen. Dem Vernehmen nach will die Mehrheit der Delegierten sie zwar nicht abwählen, aber man wolle ihnen durchaus eine „Klatsche“ verpassen, viele kritisieren mangelnde Führungskraft.

Peter Boehringer und Stephan Brandner wollen weiterhin als Vize-Sprecher kandidieren, Mariana Harder-Kühnel nicht mehr. Sie ersetzen könnte der Bundestagsabgeordnete Kay Gottschalk, allerdings ist man sich darüber in Nordrhein-Westfalen noch uneins. Gottschalk war schon einmal Vizesprecher, bis 2019. Das frühere SPD-Mitglied gilt als vergleichsweise gemäßigt. Er kritisierte in er Vergangenheit auch schon Björn Höcke.

Sein Landesverband NRW war der einzige, der bislang die Liste dementierte. In dem Verband tobt seit längerem ein harter Machtkampf. Dort haben sich dem Vernehmen nach auch Landeschef Martin Vincentz und dessen Kontrahent Matthias Helferich in Position gebracht, allerdings droht Letzterem der Parteiausschluss. Zudem soll auch Bundestagsabgeordnete Rüdiger Lucassen den Vorstand anvisieren. Der frühere NRW-Landeschef unterstützte die Kandidatur von Vincentz, verteidigte aber auch schon Helferich, der sich als „das freundliche Gesicht des NS“ und „demokratischer Freisler“ bezeichnet haben soll. Lucassen kritisierte in der Vergangenheit die Parteispitze offen für Führungsschwäche und die eigenen Leute für abwertende Kommentare gegen Spitzenpolitikerinnen wie Ricarda Lang; damit bediene sie niedere Instinkte.

Carsten Hütter hat sich beim letzten Mal knapp gegen Emil Sänze als Schatzmeister durchgesetzt, der versucht es diesmal erneut mit einer Kampfkandidatur. Hütter aus Sachsen gilt einigen in der Bundestagsfraktion eher als Ja-Sager. Auf Feindeslisten Rechtsextremer in Sachsen stand er allerdings auch schon, weil er sich im Vorstand seinerzeit für den Ausschluss von Andreas Kalbitz aus der AfD einsetzte. Auch der stellvertretende Schatzmeister Harald Weyel tritt nicht mehr an, ihn ersetzen könnte Alexander Jungbluth aus Rheinland-Pfalz, der gerade nach Brüssel gezogen ist. Jungbluth war Mitglied in eben jener Bonner Burschenschaft Raczeks, die 2011 einen „Arier-Nachweis“ für Mitglieder forderte.

Als Schriftführer soll Dennis Hohloch aus Brandenburg bleiben, den der Verfassungsschutz kürzlich als Rechtsextremisten einstufte. Beisitzer bleiben der Liste nach Marc Jongen aus Baden-Württemberg, rechtsradikaler Vordenker, der eben aus dem Bundestag ins Europaparlament gewechselt ist, und Martin Reichardt, Landeschef von Sachsen-Anhalt. Ob auch Roman Reusch aus Brandenburg erneut Beisitzer wird, ist noch unklar. Er war kürzlich einer der Juristen, die in Münster vor Gericht gegen den Verfassungsschutz die AfD vertraten.

Als Beisitzer zurückziehen werden sich Christina Baum aus Baden-Württemberg und der Landtagsabgeordnete Carlo Clemens aus Nordrhein-Westfalen. Nachziehen wollen stattdessen noch der stellvertretende Landeschef aus Hessen, Heiko Scholz, Markus Wagner aus NRW, der den der zuvor erwähnte Lucassen mit seiner Kritik gemeint haben könnte; Wagner schrieb vor einigen Monaten, „wir“ würden Ricarda Lang nicht länger „durchfüttern“ wollen.

Aus Bayern kommt in den Vorstand der Liste nach entweder Ingo Hahn oder Katrin Ebner-Steiner – sie wäre abgesehen von Weidel die einzige Frau , die als völkisch gilt. Sie verharmloste etwa im Corona-Kontext den Holocaust. Auch Hannes Gnauck, Bundeschef der Jungen Alternative und Bundestagsabgeordneter aus Brandenburg, will wieder kandidieren, allerdings gibt es gegen seine Kandidatur größere Widerstände.

Wenn die Kandidaten von dieser Liste gewählt würden, wäre Brandenburg besonders stark vertreten. Es ist durchaus denkbar, dass weitere Delegierte beim Parteitag kandidieren. Schon oft kam es bei vergangenen Bundesparteitagen der AfD zu Überraschungen für alle Anwesenden. Große Proteste werden das Wochenende in Essen begleiten, wo die 600 Delegierten nach zwischenzeitiger Absage nun doch in der Grugahalle zusammenkommen.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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