Der Streit um den Haushalt 2025 verschärft sich und es bilden sich ungewöhnliche Allianzen. Zunächst muss Finanzminister Christian Lindner eine noch größere Lücke im Etat 2025 schließen als bisher angenommen. Denn die Steuerschätzung fällt schlecht aus. Demnach werden Bund, Länder und Kommunen in den kommenden fünf Jahren 80,7 Milliarden Euro weniger einnehmen als noch bei der Schätzung im Oktober erwartet. Für den Bund beträgt das Minus 41,6 Milliarden Euro.
Im Bundeshaushalt 2025 könnte die Lücke damit auf 35 Milliarden Euro steigen, heißt es in der Regierung. Vor allem Verteidigungsminister Boris Pistorius, der unlängst seinen Unmut über die Haushaltsverhandlungen Luft machte („Ich muss das nicht machen“), will mehr Geld – 6,7 Milliarden Euro mehr als bisher vorgesehen. Vizekanzler Robert Habeck will sich nun angeblich in den Gesprächen mit Lindner und Bundeskanzler Olaf Scholz für ein Aufstocken des Wehretats einsetzen. Das erfuhr Table.Briefings aus Regierungskreisen. Bei dem Treffen am Freitag um 11 Uhr soll es aber zunächst um den Etat des Arbeitsministeriums gehen, der ebenfalls deutlich, nämlich 7,4 Milliarden Euro über der in den Finanzplanungen definierten Obergrenze liegt. Hubertus Heil soll auch an dem Treffen teilnehmen.
Der Grünen-Minister warnt intern seit Tagen vor Kürzungen im Wehrressort. Habeck hatte sich frühzeitig auf die Seite derer gestellt, die die Ukraine finanziell und militärisch stärker unterstützen wollen. Am Mittwoch kamen Pistorius und Lindner im Garten des Finanzministeriums zu weiteren Gesprächen über den Etat zusammen, über die Inhalte wurde Stillschweigen vereinbart.
Bundeskanzler Olaf Scholz hatte sich zuletzt hinter die Planungen seines Finanzministers gestellt. Er hatte damit der Forderung nach weiteren Milliarden vorerst eine Absage erteilt. Manch einer in der SPD wertete dies als Seitenhieb gegen Pistorius. Hier spiele entweder die zurückhaltendere Rolle des Kanzlers bei den Waffenlieferungen eine Rolle oder die mögliche Konkurrenz zu dem SPD-Kollegen, heißt es. Pistorius ist derzeit in Umfragen der beliebteste Politiker. Dass er als möglicher Nachfolger des Kanzlers gesehen wird, bestreiten Pistorius’ Umfeld und das Kanzleramt zwar energisch, aber in der SPD ist dies trotzdem ein Thema.
Die Grünen wollen in den Gesprächen erneut eine mögliche haushaltspolitische Notlage thematisieren. Bisher lehnt Lindner dies in Bezug auf Ukraine-Hilfen ab. Pistorius selbst hat ein Rechtsgutachten in Umlauf gebracht, das eine Ausnahme der Schuldenbremse bei Verteidigungsausgaben als Möglichkeit in Erwägung zieht. Das Gutachten liegt Table.Briefings vor. Darin heißt es: „Einem politischen Gemeinwesen, das seine innere Ordnung nicht nach außen verteidigen kann, droht über kurz oder lang eine Erosion, wenn nicht gar Angriff und Ende.“ Die äußere Sicherheit sei deshalb „Bedingung für Staatlichkeit“ und der Staatsform vorgelagert. In diesem Kontext sei die Schuldenbremse einschränkend auszulegen.
In Finanz- und Justizministerium hält man das Gutachten für juristisch wenig belastbar. „Fällt jeder Jura-Student mit durch“, hieß es. Lindner, Major der Reserve, und in der Frage der Ukraine-Hilfe klar auf der Seite der Unterstützer, würde Pistorius die gewünschten zusätzlichen Milliarden gerne geben, wenn sie an anderer Stelle eingespart werden. Am Ende landet die Frage so wieder beim Bundeskanzler. Die Gespräche zwischen Kanzler, Vizekanzler und Finanzminister sollen an diesem Freitag um 9 Uhr beginnen. Ende offen.