Analyse
Erscheinungsdatum: 09. Februar 2023

Rente: Neue Ideen für die Finanzierung

epa10442330 German Finance Minister Christian Lindner (L) gestures as he talks to German Chancellor Olaf Scholz (R) during the weekly meeting of the German Federal cabinet at the Chancellery, in Berlin, Germany, 01 February 2023. The members of the German government, ministers and Chancellor, gather on a weekly basis for cabinet meetings.  EPA-EFE/CLEMENS BILAN

Das Thema Rente ist für die Bundesregierung eine Großbaustelle. Eine sogenannte Fokusgruppe soll ein Konzept für eine Reform der privaten Altersversorgung erarbeiten. Das sorgt für Diskussionen – genauso wie das von der FDP vorangetriebene „Generationenkapital".

Die Sicherung der Altersversorgung bleibt eine Großbaustelle der Bundesregierung. Der Arbeitsminister arbeitet an einer Rentenreform, während für die Innenministerin die Belastung durch die stetig wachsenden Beamtenpensionen immer größer wird. Der Finanzminister lässt das Konzept eines Aktienfonds erarbeiten, der den Rentenhaushalt unterfüttern soll, und auch die private Altersvorsorge soll – nach 20 Jahren Riester- und Rürup-Rente – eine Rundumerneuerung erfahren.

Für die private Altersvorsorge hat Ende Januar hat eine „Fokusgruppe“ unter der Leitung von Finanzstaatssekretär Florian Toncar (FDP) begonnen, Vorschläge zu erarbeiten. In welche Richtung sich die Dinge entwickeln sollen, hat Toncar, dem die Riester-Rente mit ihren Angeboten zu renditeschwach ist, im „BMF-Monatsbericht“ vom Januar schon mal grob skizziert: „ Ich glaube, dass wir die Beitragsgarantien zurückfahren und auch weitere Stellschrauben verändern müssen, damit die Produkte besser funktionieren.“

Beitragsgarantien zurückfahren? Das wäre neu im deutschen Rentenrecht. Es könnte im schlechtesten Fall dazu führen, dass Rentnerinnen und Rentner weniger aus dem Fonds herausbekommen, als sie eingezahlt haben. Es wäre zudem ein Schritt, der nicht nur die Sozial-, sondern auch die Koalitionspartner zum Widerstand animieren könnte. Dass private Anlageprodukte weiterentwickelt werden sollen, ist immerhin Konsens. Im Koalitionsvertrag hatten die Ampel-Parteien vereinbart, neben einem „öffentlich verantworteten Fonds mit einem effektiven und kostengünstigen Angebot mit Abwahlmöglichkeit“ auch „ die gesetzliche Anerkennung privater Anlageprodukte mit höheren Renditen als Riester“ zu prüfen. Untere Einkommensgruppen sollen mit einer staatlichen Förderung motiviert werden.

Diesen Prüfauftrag will die Fokusgruppe nun in sechs Sitzungen bis zum Sommer angehen. Vertreten sind neben dem Finanz-, Arbeits- und Wirtschaftsministerium sowie Versicherungsanbietern unter anderem BDA, DGB und die Verbraucherschutzzentrale. Bundesbank, Kanzleramt und Bafin schicken Beobachter. Die Gruppe habe „den Auftrag, eine möglichst konkrete und ausgereifte Empfehlung abzugeben“, so Toncar. Weil ein geeintes Konzept kaum zu erwarten ist, sind auch Minderheitenvoten möglich. Das Kabinett entscheidet dann, wie es weitergeht.

Ebenfalls umstritten ist Lindners Idee mit dem Aktienfonds. Schon im Vorfeld hatte es intensive Debatten über die Startfinanzierung gegeben. Es gab sehr konkrete Überlegungen, Tafelsilber des Bundes – Aktien der Deutschen Telekom oder der Post – zu verkaufen und damit einen Grundstock zu legen. Diese Idee wird derzeit noch geprüft; eine Ressortabstimmung hat es noch nicht gegeben. Eine weitere Idee ist, für die ersten zehn Milliarden Euro Schulden aufzunehmen.

Aber auch diese Summe ist strittig. „Den Vorschlag des Bundesfinanzministers, Bundesanleihen zu begeben und das aufgenommene Kapital in der Hoffnung zu investieren, dass sich an den Finanzmärkten höhere Renditen erwirtschaften lassen, als der Staat für die Zinsen zahlen muss, halte ich für sehr gefährlich “, sagt der frühere Verdi-Vorsitzende und heutige Grünen-MdB Frank Bsirske. Seine Partei stehe zu den verabredeten zehn Milliarden Euro, mehr lehnt er ab. Lindner kündigte dagegen sogar an, die Regierung werde „in jedem Jahr einen zweistelligen Milliarden-Euro-Betrag einsetzen“ – wenn es nach ihm gehe.

Lindners Vorhaben ist umstritten, weil er die Aktienrücklage mittelfristig auch mit Beitragsgeldern speisen will. Im Klartext: Er will mit Rentenbeitragsmitteln Aktien erwerben, wobei die Erträge dann helfen sollen, sowohl Rentenbeitrag als auch -niveau zu stabilisieren. Für Bsirske „eine absolute rote Linie, die wir nicht überschreiten werden“. Die Pläne des BMF sehen vor, dass von Mitte der 2030er-Jahre an die jährlichen Überschüsse in die Rentenversicherung einfließen – wenn denn Überschüsse anfallen. Der Optimismus des Finanzministeriums ist groß: Das Konzept werde „den Anstieg der Rentenbeiträge dämpfen und somit gerade die jüngere Generation entlasten“.

Die SPD ist umgeschwenkt. Lange war eine Aktienrente undenkbar. Dass sie in den Koalitionsvertrag einfließt, wie es die FDP nach der Bundestagswahl einforderte, hat Arbeitsminister Heil mitgetragen. Jetzt arbeitet er an einem Rentenkonzept II – und auch darin soll das Vorhaben enthalten sein. Zunächst soll ein mit Steuermitteln finanzierter Grundstock entstehen, der dann in einen milliardenschweren Fonds übergehen soll. Die Ziele haben sich nicht verändert: Das Rentenniveau halten und den Beitragssatz bis 2025 nicht über 20 Prozent steigen lassen. Etwas zurückhaltender äußert sich Parteifreundin und Fraktionsvize Dagmar Schmidt. Hauptziel bleibe, das Rentenniveau von 48 Prozent langfristig zu stabilisieren. Am Donnerstagabend stellte Minister Heil bei RTL/ntv noch einmal klar, dass er an der bestehenden Rente mit 67 festhalten will: „Ich werde nicht das gesetzliche Renteneintrittsalter erhöhen, denn das heißt für viele Menschen nur Rentenkürzung.“

Sozialverbände und DGB äußern sich kritischer und erneuern ihre Forderung wie die Einbeziehung aller Erwerbstätigen in die Rentenversicherung. Wider das Ausspielen von Jung und Alt stemmt sich außerdem die Initiative „Fiscal Future“, die sich für eine zukunftsfähige Finanzpolitik einsetzt. „Manchmal wird fälschlicherweise ein Generationenkonflikt heraufbeschworen nach dem Motto ‚Der Staat gibt so viel für Rentner:innen aus, das ist unfair gegenüber jungen Menschen‘“, sagt Geschäftsführer Carl Mühlbach.

Er gibt zu bedenken, der demografische Wandel und die Erwerbsbeteiligung ließen sich oft nicht genau vorhersagen. Eine Stärkung der privaten Vorsorgemöglichkeiten hält der 26-Jährige für sinnvoll – sofern der Fokus auf Beschäftigten mit geringem Einkommen liegt. Für die Vermeidung von Altersarmut seien allgemein aber andere Faktoren wie höhere Löhne und eine stärkere Vollzeit-Erwerbstätigkeit von Frauen entscheidend. Er fasst das zusammen in einem Satz, den Olaf Scholz als Arbeitsminister schon 2009 aussprach: „Die beste Rentenpolitik ist eine gute Arbeitsmarktpolitik.“

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Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025

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